Schweiz/BRD: Polizeigewerkschaften und private Sicherheitsdienste
Eine merkwürdige Beziehungskiste!

von Thomas Brunst, SAFERCITY.DE (23.09.05)
10/05

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„Der Bundesvorstand wird beauftragt, sich dafür einzusetzen, dass der Bundesvorstand verstärkt Öffentlichkeitsarbeit zum Thema ’Private Sicherheitsdienste’ leistet um insbesondere auf die mit einer zunehmenden Privatisierung im Sicherheitsbereich einhergehenden Gefahren und Probleme aufmerksam zu machen“ (Beschluss d. 20. ordentlichen Bundeskongress der Gewerkschaft der Polizei, Dresden, Nov. ’94) 

Der Verband der schweizerischen Polizeibeamten (VSPB) will privaten Sicherheitsdiensten ihre rechtlichen Grenzen aufzeigen. Dazu lässt die Gewerkschaft durch ein Rechtsgutachten abklären, zu welchen Einsätzen Sicherheitsunternehmen berechtigt sind ohne das staatliche Gewaltmonopol der Schweiz zu verletzen. Der VSPB reagiert damit auf die in seinem Urteil drohende Unterwanderung der polizeilichen Hoheit durch private Sicherheitsdienste. Generalsekretär Jean-Pierre Monti sagte, die Privaten leisteten in einigen Gemeinden nicht mehr nur präventiven Dienst; beim eintreiben von Bußen (Bußgelder) und in Fällen von häuslicher Gewalt gingen sie auch zur Intervention über und nähmen damit Polizeiaufgaben wahr (Das Tagblatt, ap, 20.07.05).

Die Schweiz gilt in Europa als Mutterland der Privatisierung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Im Verhältnis gesehen werden im kleinen Alpenstaat – im Rahmen von public privat partnership (ppp) – mehr öffentliche Aufträge an Sicherheitsunternehmen vergeben als in der Bundesrepublik. Zudem suchten die schweizerischen Sicherheitsbehörden schon sehr viel früher den Schulterschluss mit den Privaten als dies in den angrenzenden EU-Staaten der Fall war.

Das größte schweizerische Sicherheitsunternehmen, die Securitas AG, Schweizerische Bewachungsgesellschaft, gilt im Land als Institution. Dies führte in der Vergangenheit mehrfach dazu, dass die Medien (z.B. swissinfo, swisspolitics.org, 29.05.05 u. Badische Zeitung, 05.04.00) einfache Unternehmensangestellte (sog. Objektschützer) kurzerhand zu “Securitas-Beamten“ ernannten. Derartige “Fantasiebeförderungen“ tragen nicht nur dazu bei, dass die Bürgerinnen und Bürger in Bezug auf die Befugnisse privater Sicherheitsdienste verunsichert werden; Securitas wird außerdem mit Stadt- und Kantonspolizei gleichgesetzt. 

Die Situation in Deutschland 

Auch in der Bundesrepublik wird die qualitative und quantitative Ausbreitung des privaten Sicherheitsgewerbes mehr und mehr kritisch betrachtet - wie in der Schweiz geht es dabei hauptsächlich um das Gewaltmonopol bzw. den Artikel 33 Abs. 4 Grundgesetz (GG).

Längst stellen in Deutschland Sicherheitsunternehmen Personal für Haftanstalten und psychiatrische Krankenhäuser, führen auf Flughäfen Fluggast- und Gepäckkontrollen durch, verteilen im Rahmen kommunaler Verkehrsüberwachung Strafzettel und “blitzen“ Autofahrer. Private Sicherheitsdienste kontrollieren im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) die Fahrscheine/-ausweise und sollen innerhalb der Verkehrsbetriebe für Sicherheit und Ordnung sorgen.

Sie führen Einlasskontrollen in Gerichtsgebäuden durch und sitzen an den Pforten öffentlicher Einrichtungen und Behörden. Sicherheitsunternehmen schützen hierzulande Polizei- und Bundeswehrkasernen sowie kerntechnische Anlagen.

Seit der Einführung des “International Ship and Port Facility Security Code“ (ISPS-Code) im Juli 2004 sind Sicherheitsunternehmen für einen Großteil der Hafensicherheit innerhalb der deutschen Seehäfen verantwortlich (siehe hierzu: http://www.genre.com/page/0,,ref=GenReGermanyNews200404-de,00.html

In Niedersachsen filmen Private im kommunalen Auftrag den öffentlichen Raum und im Rhein-Main-Gebiet “entstempelt“ ein privater Sicherheitsdienst Kfz‘s. Die Ausländerbehörde des Stadtstaats Hamburg lässt durch ein Sicherheitsunternehmen Asylbewerber verbringen.

In Hessen und Bayern fahnden Detektivunternehmen auf Privatbaustellen nach “Schwarzarbeitern“; dazu dringen sie in Razziamanier auf die Baustellen vor und zwingen die anwesenden Personen – zwecks Datenerfassung - Personal- und Sozialversicherungsausweise vorzulegen. Weigern sich die Betroffenen den Forderungen der Detektive nachzukommen, erhalten die Detektive Unterstützung durch die Polizei. Dass das Vorgehen der Detektive Hausfriedensbruch darstellt interessiert die Polizei nicht.  

Die “Citystreife der Stadt Langen“ 

Im Oktober 2001 wurde das Sicherheitsunternehmen “Chrisma“ von der Stadtverwaltung Langen (Hessen) mit der Durchführung öffentlichen Sicherheits- und Ordnungsaufgaben betraut. Seither geht privates Sicherheitspersonal als “Citystreife der Stadt Langen“ (zwei Angestellte mit Schutzhund) gegen sämtliche Ordnungsprobleme im Stadtgebiet vor.

Das Sicherheitsunternehmen führt bei seiner Streifentätigkeit Personalienfeststellungen durch und erteilt Platzverweise. Sogar “Verstöße im Straßenverkehr“ werden durch die Citystreife verfolgt: „In Langen kontrollieren private und städtische Ordnungshüter den ruhenden Verkehr“, heißt es hierzu in einer Pressemitteilung (PM: „Falschparker: Viele Knöllchen“, 22.01.04) der Stadt Langen. Nach einem Urteil (Az.: 973 Owi 213 Js-Owi 2377/03-2022) des Amtsgerichts Frankfurt vom November 2003 ist diese Tätigkeit Firmen verboten. Urteilszitat: „Eine Übertragung dieser Tätigkeit auf Private sieht das Gesetz nicht vor.“ (Frankfurter Rundschau, 15.11.03)

Laut PM der Stadt Langen ( http://www.langen.de  ) werden die privaten Sicherheitsleute auch als offizielle “Polizeihelfer“ eingesetzt. Die Langener Polizei schickt die Citystreife beispielsweise zu Wohnungen von Ruhestörern und bindet sie sogar in polizeiliche Maßnahmen ein. „Gelungen ist es der Citystreife unter anderem, mit Hilfe der Polizei einen Hehlerring aufzudecken“, berichtet die Stadtverwaltung stolz (Textquelle s.u.). Beim Tätigwerden der Citystreife kam der Schutzhund des Sicherheitsunternehmens viermal zum Einsatz - dabei wurde ein Mann durch Biss verletzt, so die damalige erste Halbjahresbilanz (PM: „Citystreife: Stolze Leistungsbilanz“, 25.04.02).

Im März 2003 beschwerten sich ca. 80 Jugendliche öffentlich über die vom Sicherheitsunternehmen gegen sie verhängten zahlreichen Platzverweise: „2000 Personen – mehrheitlich Jugendliche“ wurden binnen zweieinhalb Jahren von der Citystreife von Plätzen und aus Anlagen verwiesen. Die Jugendlichen berichteten davon “willkürlich“ verwiesen zu werden (PM: „Citystreife: Diskussion mit Jugendlichen“, 27.03.03).

Den Weisungen der Citystreife ist laut dem Fachdienst für öffentliche Sicherheit und Ordnung der Stadt Langen Folge zu leisten. Widerspruch gegen deren getroffenen Maßnahmen/Anordnungen (z.B. Platzverweise, Identitätsfeststellungen) ist – entgegen den Handlungen von Amtsträgern (Sicherheits-/Ordnungsbehörden) – allerdings nicht möglich, obwohl das Sicherheitsunternehmen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern “Verwaltungszwang“ ausübt. Grund: Diese “öffentlichen Privaten“ bzw. die durch sie getroffene Maßnahmen/Anordnungen existieren im deutschen Recht gar nicht!

Obwohl durch die eigenen Pressemitteilungen belegt, verwehrt sich die Stadtverwaltung Langen gegen den Vorwurf, die Citystreife führe in ihrem Auftrag als “städtische Privatpolizei“ – dauerhaft – hoheitliche Sicherheits- und Ordnungsaufgagen durch; deshalb verstoße die Citystreife auch nicht gegen den Artikel 33 Abs. 4 GG.

Mittlerweile verfolgt das Sicherheitsunternehmen sogar Drogenkriminalität: Bis März 2004 wurden von Chrisma 12 Personen wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtmG) festgenommen (PM: „Citystreife: Einsatz zeigt Wirkung“, 18.03.04).

“Unbeliehene“ private Citystreifen in kommunalem Auftrag existieren derzeit beispielsweise in Altenstadt (Thür.) Altötting, Augsburg (beide Bay.), Bergheim, Kierspe (beide NRW), Celle (Nds.), Großumstadt und Reinheim (beide Hess.). 

Nicht alle deutschen Städte agieren so sehr im “rechtlichen Niemandsland“ wie die Stadt Langen mit ihrer “Citystreife“. Im Januar 2005 erhielt das Ordnungsamt der Stadt Taunusstein Verstärkung durch einen Mitarbeiter eines Sicherheitsunternehmens. Dieser “Private“ wurde von der Stadtverwaltung zum “Hilfspolizeibeamten“ ernannt: Als offizieller Amts- und Hoheitsträger ist dieser Mitarbeiter ausschließlich für die Überwachung des ruhenden Verkehrs im Stadtgebiet zuständig.

Wie Bürgermeister Michael Hofnagel weiter berichtet, wird der neue Hilfspolizeibeamte über das Sicherheitsunternehmen als Leiharbeitnehmer zunächst befristet auf ein Jahr eingestellt. Ob eine Verlängerung des Vertragsverhältnisses erfolgen wird, hänge von der Bewährung des Systems und von der Anzahl der festgestellten Ordnungswidrigkeiten im Stadtbereich von Taunusstein ab. Der Magistrat habe sich für eine Verstärkung im Ordnungsamt auf dieser Basis ausgesprochen, weil keine Personalbeschaffungs-, Ausbildungs-, Lohnfortzahlungskosten im Urlaub und im Krankheitsfall sowie Bekleidungskosten entstehen. Mit der Leiharbeitnehmer-Firma werde die zusätzliche Kraft auf Stundenbasis abgerechnet und der Einsatz in blau-grauer Uniform mit Wappen der Stadt Taunusstein erfolgen (Wiesbadener Kurier, 30.12.04). 

Die Rolle der Polizeigewerkschaften 

Im Gegensatz zum VSPB halten sich die deutschen Polizeigewerkschaften seit zwei Jahren mit ihrer Kritik am Sicherheitsgewerbe stark zurück, obwohl die von privaten Sicherheitsdiensten ausgeübten öffentlichen Aufgaben, die Verschmelzung mit deutschen Sicherheitsbehörden mittlerweile gleiche Dimensionen erreicht hat wie in der Schweiz.

Nüchtern betrachtet kam ernstzunehmender Widerstand gegen die Privatisierung der öffentlichen Sicherheit in der Vergangenheit nur von Seiten der Gewerkschaft der Polizei (GdP).

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) orientiert sich hierbei lieber an den Vorgaben Otto Schilys. Vom Lobbyverband der Sicherheitswirtschaft, dem Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen (BDWS) e.V., wird der BDK dafür gelobt. So war im Sommer 2003 unter dem Titel “BDK: Stellungnahme zum Sicherheitsgewerbe“ in der Verbandszeitschrift (Der Sicherheitsdienst, DSD 2/03, S. 20) des BDWS zu lesen: (...)„Bei der Frage der künftigen Zusammenarbeit zwischen der Polizei und privaten Sicherheitsdiensten haben die Berufsvertretungen beziehungsweise die Gewerkschaften der Polizei eine nicht unerhebliche Bedeutung. Auch wenn sich die Position der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in den letzten Jahren bezüglich des Sicherheitsgewerbes etwas gemäßigt hat, so besteht in vielen Punkten noch eine deutliche Abwehrhaltung. Eine wesentlich realistischere Position bezieht seit vielen Jahren der Bund Deutscher Kriminalbeamter.“ (...). Bereits im Jahr 2000 hatte der Bundesvorsitzende des BDK, Eike Bleibtreu, auf der Tagung “Kripo International“ erklärt: „Für die Polizei stellt sich tatsächlich schon lange nicht mehr die Frage nach Kooperation oder Distanz“ (taz, 02.10.00). 

2001 – nach den Anschlägen von New York - führte die offene Kritik des Bundesvorsitzenden der GdP, Konrad Freiberg, an den seit 1992 privatisierten Fluggast- und Gepäckkontrollen auf deutschen Flughäfen zum Protest des BDWS. Aus Sicherheitsgründen hatte Freiberg die “Endprivatisierung“ dieses sensiblen Bereiches gefordert. Daraufhin erschien in der Verbandszeitschrift des BDWS ein Artikel mit der Überschrift „Die GdP und das Sicherheitsgewerbe – leider (wieder) ein Thema“ (DSD, 04/01, S. 3).

Mitte Januar des gleichen Jahres protestierte die GdP aufs schärfste gegen die Sicherheitspartnerschaft zwischen der Deutschen Bahn (DB) AG und dem Bundesgrenzschutz: (…) „Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) verschärft ihren Protest gegen die zwischen Bundesinnenminister Schily (SPD) und der Deutschen Bahn vereinbarten Zusammenarbeit von privaten Sicherheitsdiensten und dem Bundesgrenzschutz. Der GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg forderte…in der ‘Neuen Osnabrücker Zeitung‘ die Innenminister der Länder auf, den Vertrag über gemeinsame Streifengänge, Aus- und Weiterbildung von BGS-Beamten und privaten Sicherheitsleuten im Bahnbereich nicht zu unterstützen. (...) Zugleich bat er die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder ‘diesen ebenso einmaligen wie ungeheuerlichen Vertrag‘ zu überprüfen. Er könne sich nicht vorstellen, dass bei gemeinsamen Streifengängen von privaten Sicherheitsleuten und Polizeibeamten des BGS – etwa im Fall von Personenüberprüfungen – der Datenschutz der Bürger gewährleistet werden könne. Ganz abgesehen davon bedeute der Vertrag einen ‘Dammbruch in der öffentlichen Sicherheit‘ weil die Grenzen zwischen hoheitlichen und privaten Aufgaben ‘völlig verwischt werden‘, sagte Freiberg.“ (...) (RON – Rheinpfalz Online, 16.01.01). 

Und Heute? 

Am 21.08.05 haben Bundesinnenminister Schily und Bahn-Chef Mehdorn das neue “Sicherheitszentrum“ der DB AG in Berlin eröffnet. In dem neuen Zentrum, von dem aus rund um die Uhr der gesamte Bahnverkehr mittels Videoüberwachung kontrolliert werden kann, „arbeiten die Bundespolizei (früher Bundesgrenzschutz) und der Sicherheitsdienst der DB AG erstmals Hand in Hand“. Dadurch soll die „Zusammenarbeit der Sicherheitskräfte optimiert werden“, so Mehdorn. Die Einsatzkoordination der Sicherheitszentrale umfasst die Abwehr von Graffiti und die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten, leichteren Straftaten bis hin zu Verbrechen. Dazu soll die Videoüberwachung auf Bahnhöfen großflächig ausgebaut werden. Auf welchen Bahnhöfen inzwischen Videokameras eingesetzt sind will Schily „aus Sicherheitsgründen“ nicht sagen. Umstritten bleibt auch die Kostenaufteilung zwischen Bund und Bahn. Schily sprach von einem „heiklen Thema“. Die DB AG habe die vom Innenministerium in Rechnung gestellten Kosten angefochten. „Um welchen Betrag es geht, sagten weder Schily noch Mehdorn.“ (Die Welt, 23.08.05)      

Die Bundestagsfraktion von B90/Grüne üben offene Kritik am Sicherheitszentrum der Bahn.

(...) „Die Einrichtung der neuen Sicherheitszentrale in Berlin wirft zahlreiche Fragen auf, die gegenüber der Öffentlichkeit und dem Parlament geklärt werden müssen. Die Haltung von Bundesinnenminister Otto Schily, aus Sicherheitsgründen nicht offen bekannt zu geben, auf welchen Bahnhöfen mit Videoüberwachung gearbeitet wird ist nicht akzeptabel. (...) Wir wollen keine verdeckte Videoüberwachung, jeder Bürger hat das Recht zu wissen, wann  er sich in einem videoüberwachten Raum oder Bereich aufhält. Nicht deutlich wird im Sicherheitskonzept, ob die Videoüberwachung von privaten Sicherheitsdiensten oder Beamten der Bundespolizei ausgewertet werden. (...) Eine Übertragung der Videoüberwachung im öffentlichen Raum an private Sicherheitsdienste lehnen wir ab (...) Für die neue Sicherheitszentrale der Bahn mit der ausgeweiteten Videoüberwachung und der engen Zusammenarbeit zwischen Privaten Sicherheitsdiensten und der Bundespolizei fordern wir einen eigenständigen Datenschutzvertrag. (...) Gefahren für die Zukunft sehen wir vor allen Dingen, wenn das von der Bahn mitbetriebene digitale Polizeifunknetz mit den Videokameras der Sicherheitszentrale gekoppelt wird. Hier könnte bereits in wenigen Jahren ein permanentes Fahndungssystem gegen alle Personen, die einen Bahnhof betraten, aufgebaut werden. Technisch ist der Abgleich von digitalen Fahndungsphotos mit Videokameras schon heute möglich.“

Der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix hat das neue Sicherheitszentrum ebenfalls kritisiert: Die Zusammenarbeit des Sicherheitsdienstes der DB AG mit der Bundespolizei sei – wegen des fehlenden Datenschutzvertrages - nicht legitimiert (Handelsblatt, 23.08.05).

Wie viel Wert die Kooperationspartner auf die Einhaltung des Datenschutzes tatsächlich legen zeigen zahlreiche (dokumentierte) Verfehlungen ( http://www.nadeshda.org/foren/cl.politik.repression/p504s504a20.html

). Mitte September 2005 wurde bekannt, dass innerhalb eines Jahres im Bundesland Sachsen Sicherheitsunternehmen in 556 Fällen auf das polizeiliche Informationssystem PASS zugriffen. Der Sächsische Datenschutzbeauftragte Andreas Schurig kritisierte diese Praxis scharf: PASS dürfe nur von der Polizei genutzt werden (mdr.de u. Sächsische Zeitung, 14.09.05).

Zum DB-Sicherheitszentrum und den PASS-Datenschutzverletzungen schweigen die Polizeigewerkschaften. 

Vorstoß des VSPB kommt spät 

Der Vorstoß des VSPB - seine Kritik an der Entwicklung der Privatisierung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Schweiz sowie die damit verbundene Ankündigung eines Gutachtens – kommt spät. Der Versuch einer “Notbremsung“ des Verbandes wird den Verschmelzungsprozess zwischen öffentlicher und privater Sicherheit nicht aufhalten, geschweige denn rückgängig machen können, weil diese Entwicklung von Politik und Wirtschaft gewollt ist. Der stetige Ausbau der public private partnerships in diesem Bereich ist ein Beleg dafür.

Nicht nur in der Schweiz orientiert sich die Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Verwaltung und privaten Diensten mehr an wirtschaftlichen Interessen als am staatlichen Gewaltmonopol: Die Sparzwänge der öffentlichen Hand und das Gewinnstreben der Wirtschaft führen hierbei zu einer Eigendynamik, welche mehr und mehr den Rechtsstaat – die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger - gefährdet.

Im April 2005 berichteten die Schweizer Medien über eine Zunahme von Übergriffen privater Sicherheitsdienste in Verbindung mit öffentlichen Aufträgen. Mitarbeiter von Securitas und Securitrans sollen in Basel, Kreuzlingen, Zug und Zürich Asylsuchende und “Gassenleute“ (Obdachlose, Trinker und Drogenabhängige) schwer misshandelt haben – sogar zu einem Todesfall (Zug) sei es dabei gekommen.

Im Zusammenhang mit diesem Skandal wird der Schweizer Polizei vorgeworfen wiederholt die Aufnahme von Strafanzeigen gegen Mitarbeiter von Sicherheitsunternehmen “vereitelt“ und Zeugen abgewiesen zu haben. Außerdem sollen eidgenössische Staatsanwaltschaften und Gerichte Verfahren verschleppt bzw. voreilig eingestellt und Richter angeklagtes Sicherheitspersonal - trotz belastender Beweise - freigesprochen haben (Schweizer Wochenzeitung, Nr. 14/05).

Die Berner Kriminologin Eva Wyss hat die Tätigkeit privater Sicherheitsdienste unter die Lupe genommen. Sie ist eine Kritikerin der Privatisierung der öffentlichen Sicherheit: „Diese Leute sind völlig ungenügend ausgebildet“, sagt Wyss, „die Sicherheitsdienste probieren da zu sparen.“ Im Unterschied zur Polizei stünden die Sicherheitsdienste wie die Securitrans auch „nicht unter demokratischer Kontrolle“ (Der Bund, 09.04.05).

Zu den Übergriffen durch privates Sicherheitspersonal - den damit verbundenen Vorwürfen gegen die Schweizer Polizei - hat sich der VSPB nie geäußert. Daher ist es wahrscheinlich, dass die Kritik des Verbandes an privaten Sicherheitsdiensten einzig der Besitzstandswahrung der Berufsgruppe Polizei dienen soll. Zu Recht befürchtet der Verband um den Verlust an Stellen und Arbeitsplätzen durch eine verstärkte Verlagerung von Aufgaben auf das Sicherheitsgewerbe. 

„Schluss mit dem privaten Wildwuchs... 

...im Bereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“, könnten auch die Vertreter der deutschen Polizeigewerkschaften öffentlich fordern und es damit den Schweizer Kollegen vom VSPB gleichtun – Grund genug hätten sie jedenfalls. Natürlich wissen GdP und BDK um die beschriebenen Missstände. Die Gewerkschaften wissen auch, dass durch die gegenwärtig praktizierten public private partnerships das Gewaltmonopol der Bundesrepublik bereits berührt ist und zudem der Datenschutz oft unterlaufen wird. Sie wissen wo dies im Einzelnen geschieht, weil z.B. Tageszeitungen über die Entwicklungen in diesem Bereich berichten.

Es ist den Berufsvertretungen jederzeit möglich, mit ihrer Kritik an der Privatisierung der öffentlichen Sicherheit an die Medien zu heran zu treten und so öffentlichen Druck auszuüben mit dem Ziel, die Politik und Aufsichtsführende Stellen auf Fehlentwicklungen hinzuweisen und sie zum handeln zu bewegen. Derzeit bleibt dies aber aus. Und so sind die Deutschen Polizeigewerkschaften - allesamt – für den systematischen Rückbau der Polizei mit verantwortlich, weil sie untätig zuschauen wie in ihrem Bereich - Schritt für Schritt - privatisiert wird. 

Aus dem “Flirt“ zwischen der Polizei und den Sicherheitsunternehmen ist eine leidenschaftliche Umarmung geworden; aus den Juniorpartnern der Polizei – ihren unendgeldlichen “Augen und Ohren“ -, die lediglich “beobachten, erkennen und melden“ sollen sind “unkontrollierte“ (aber gewinnorientierte) Polizeihelfer erwachsen. Und dies hat, nicht nur für die Polizei, weitreichende Folgen.

Seit einiger Zeit fordern die Lobbyverbände der (Sicherheits)Wirtschaft - aus durchsichtigen Gründen -, die Polizei möge sich auf ihr “Kerngeschäft“ (Ermittlungstätigkeiten) zurückziehen und zahlreiche Polizeiaufgaben an die Unternehmen abtreten. Dazu rechnet die Sicherheitswirtschaft ihre Dienstleistungen gegenüber der öffentlichen Hand attraktiv. Mit “beobachten, erkennen und melden“ wollen sich die “Juniorpartner“ längst nicht mehr zufrieden geben, weil sich damit kein Geld verdienen lässt.

Schon heute zeigen sich aber die gravierenden Probleme, die bei der Übernahme öffentlicher Sicherheits- und Ordnungsaufgaben durch Unternehmen entstehen.

Private Sicherheitsdienste stellen allzu häufig die Auftragsumsetzung über die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger. Die branchenüblichen Dumpinglöhne (unter sechs Euro/h Brutto) und eine daraus resultierende Arbeitsüberlastung (bis zu 240 h/montl.) erzeugen bei vielen Mitarbeitern Frustration bzw. Aggression. Die Abhängigkeit vom Arbeitgeber und/oder Auftraggeber, das eingebettet sein in ein “hire & fire“-System sowie “Quotenvorgaben“ (z.B. bei Fahrscheinkontrollen im ÖPNV und der privaten Parkraumbewirtschaftung) verschärfen diesen Zustand noch.

Die Ausweitung von ppp im Bereich der öffentlichen Sicherheit führt bei den Privaten zwangsläufig zu Kompetenzüberschreitungen: Je geringer die Beschwerdemacht des Einzelnen (z.B. Jugendliche u. Migranten) ist, desto schneller überschreitet privates Sicherheitspersonal die eigenen Befugnisse.

Drohungen der Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste mit dem “Seniorpartner“ Polizei, beispielsweise um Aufenthaltsverbote und Identitätsfeststellungen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern zu erzwingen oder um ihnen zu zeigen “wo’s lang geht“, sind fester Bestandteil ihres (öffentlichen) Handeln geworden. Die Sicherheitsunternehmen wissen, dass sie sich auf die Polizei verlassen können. Häufig regelt die Polizei Konflikte zwischen Bürgerinnen und Bürgern und privaten Sicherheitspersonal zu Gunsten der Ordnungshüter. So schrieb die Berliner Zeitung am 13.09.03: (...)„Wer sich von Angehörigen eines privaten Sicherheitsdienstes falsch behandelt fühlt, sollte im Zweifel immer die Polizei rufen....Die hat allerdings zu den privaten Sicherheitsdiensten kein neutrales Verhältnis mehr.“(...)

Losgelöst von Recht und Gesetz werden den Bürgerinnen und Bürgern durch den öffentlichen Einsatz privater Sicherheitsdienste “klammheimlich“ Grundrechte aberkannt und – im Gegenzug - “Quasibefugnisse“ privatem Sicherheitspersonal zugesprochen – beides geschieht zum Teil mit Duldung der (Sicherheits)Behörden. Dass damit verbundene Signal ist eindeutig: Die Freiheit der (Sicherheits)Wirtschaft wird als höherwertiger erachtet als die Grund- und Freiheitsrechte der Menschen.

Das Sicherheitsgewerbe frohlockt als Wachstumsbranche mit steigenden Umsätzen, nicht nur mit einem mehr an (subjektiver) Sicherheit für die Allgemeinheit; auch Neueinstellungen von Arbeitnehmern und gesteigerte Steuerzahlungen werden von den Unternehmen versprochen.

Um das erwartete Branchenwachstum (2004 erstmals über vier Mrd. EUR Umsatz) nicht zu gefährden, verbittet sich die Sicherheitswirtschaft jegliche Kritik an ihrer Branche. Zumindest in Bezug auf die Polizeigewerkschaften hat sie damit auch Erfolg.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di zeigt sich kämpferisch und kritisiert die (ostdeutschen) Arbeitgeber der Branche öffentlich für ihre miese Tarifpolitik und die ebenso miese Entlohnung des Basispersonals.

Man braucht nicht in die Schweiz zu schauen um gewerkschaftlichen Widerstand gegen den Einsatz privater Sicherheitsdienste im öffentlichen Bereich ausfindig zu machen. Ende April 2005 demonstrierten in Düsseldorf mehr als 1500 Strafvollzugsbedienstete gegen Privatisierung und Sozialabbau in den nordrhein-westfälischen Gefängnissen“ und dem damit verbundenen vermehrten Einsatz „Schwarzer Sheriffs“. Zur Demonstration aufgerufen hatte der Bund der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands (BSBD) (Kölner Stadt-Anzeiger, 27.04.05). 

Wie sollen sich aber künftig die deutschen Polizeigewerkschaften beim Thema  “Privatisierung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ verhalten? Weiter Schweigen wie bisher oder etwa durch Zweckoptimismus Zustimmung gegenüber dem eingeschlagenen Kurs, der Ausweitung von ppp in diesem Bereich, signalisieren (nach dem Motto: “alles halb so schlimm“)? Fest steht nur, dass der Verschmelzungsprozess zwischen der Polizei und privaten Dienstleistern weiter voranschreiten wird; und dies wird auch in der Deutschen Polizei einen Stellenabbau zur Folge habe.

Neben der Diskussion um die wirtschaftlichen Vorteile von Privatisierungen in diesem Bereich könnten sich die Polizeigewerkschaften an die Grund- und Bürgerrechte des “polizeilichen Gegenübers“ erinnern. Mit Blick auf den Art. 33. Abs. 4 GG meinen nicht wenige Staats- und Verfassungsrechtler, dass es den Bürgerinnen und Bürgern seitens des Staates nicht zugemutet werden kann, in öffentlichen Bereichen von kommerziellen Privaten “sicherheitsverwaltet“ zu werden. 

Stets beteuert die Polizei, dass sie nur mit den sog. Gütesiegelunternehmen der Sicherheitswirtschaft zusammenarbeitet und bittet damit um Vorschussvertrauen für die Partnerunternehmen. Gerade in den letzten Jahren mehren sich aber die Beschwerden/Anzeigen über/gegen die Kooperationspartner der Polizei: So tauchen in Folge von Übergriffen - und anderem Fehlverhalten – durch privates Sicherheitspersonal regelmäßig die Namen der im ÖPNV eingesetzten Partnerunternehmen in der Presse auf. Securitas Deutschland, die Bahn, Schutz & Service GmbH (BSG) und die Gesellschaft für Sicherheit und Eigentumsschutz (GSE), allesamt BDWS-Mitgliedsunternehmen, sind hier zu nennen. siehe auch: http://germany.indymedia.org/2005/06/118879.shtml..

Bei der WM 2006 wollen Polizei und Private noch enger zusammenarbeiten als bisher. Private Sicherheitsdienste sollen dann nicht nur in Sportstätten und Hotels, sondern auch auf öffentlichen Plätzen (z.B. bei Großbild-Liveübertragungen und Partys) für Sicherheit und Ordnung sorgen und beispielsweise Leibesvisitationen und Taschenkontrollen durchführen.

Bereits beim FIFA Confed-Cup 2005 wurde dieses Konzept erprobt – mit negativen Ergebnissen. Medienvertreter, Funktionäre und Teammitglieder beklagten sich über rüdes und unfreundliches Verhalten der privaten Sicherheitskräfte. Die Brasilianische Zeitung “O Globo“ schrieb dazu: (…) „Die Deutschen werden schnell ungeduldig, sind starr und, so unglaublich das klingen mag, sie sind mit der Routine großer Wettbewerbe wenig vertraut.“ (…) „Dem japanischen Nationaltrainer Zico wurde strikt untersagt, in der Lobby des Mannschaftshotels in Hannover ein TV-Interview zu geben.“ (…) „Den Vogel schossen die Organisatoren in Nürnberg ab. Medienvertreter wurden Leibesvisitationen und Taschenkontrollen unterzogen. Nachfragen wurden mit noch aggressiverem Verhalten beantwortet. (…) Eine Nachschulung der privaten Sicherheitskräfte erscheint…für die WM 2006 dringend erforderlich, um dem Motto: ‚die Welt zu Gast bei Freunden’, durch freundliches und kompetentes Auftreten gerecht zu werden.“ (Junge Welt, 24.06.05)

So bleibt zu hoffen, dass auch in der Bundesrepublik eine öffentliche Diskussion über die Privatisierung der inneren Sicherheit einsetzt – und zwar bevor es zu spät ist.

 

Editorische Anmerkungen

Der Autor übergab uns seinen Artikel am 23.9.2005 zur Veröffentlichung.