Texte zur Oktoberrevolution


Über den achtstündigen Arbeitstag und die Dauer und die Einteilung der Arbeitszeit

29.10.1917

1. Als Arbeitszeit oder als Zahl der täglichen Arbeitsstunden wird die Zeit gerechnet, während der nach dem Dienstvertrage (Art. 48, 60, 96, 98 und 103 der Gewerbeordnung) der Arbeiter in dem Ge­werbebetriebe zur Verfügung des Leiters desselben behufs Verrichtung von Arbeiten stehen muß.

Anmerkung 1: Bei Arbeiten unter Tag ist die Zeit, die zur Beförderung in den Schacht und zur Rückbeförderung aus demselben gebraucht wird, als Arbeitszeit anzurechnen.
Anmerkung 2: Die Arbeitszeit solcher Arbeiter, die zur Verrichtung von Arbeiten außerhalb des Gewerbebetriebes geschickt werden, ist durch besondere Vereinbarung festzusetzen.

2. Die Arbeitszeit, die durch die Vorschriften der inneren Ordnung des Betriebes bestimmt wird (Ziffer 1, Art. 103 der Gewerbeordnung, — die Nor­malarbeitszeit), darf acht Arbeitsstunden an einem Tage und 48 Stunden in der Woche nicht über­steigen, hierin die Zeit eingerechnet, die zur Reini­gung der Maschinen und zum Inordnungbringen des Arbeitsraumes notwendig ist.,0Am Tage vor Weihnachten (24. Dezember) und Pfingsten ist die Arbeit um 12 Uhr mittags zu be­enden.

3. Nicht später als sechs Stunden nach Beginn der Arbeit muß eine Arbeitspause zum Ausruhen und zur Einnahme von Speisen eintreten. Die Pause darf nicht weniger als eine Stunde betragen.

Arbeitspausen heißen die in den Vorschriften der inneren Ordnung bezeichneten Arbeitsunterbrechungen; während solcher Unterbrechungen kann der Arbeiter frei über seine Zeit verfügen und kann sich aus dem Bereiche des Betriebes entfernen.

Während der Arbeitspausen sind die Maschinen, Werke und Treibmaschinen abzustellen; eine Ausnahme von dieser Vorschrift ist nur für die Überstundenarbeit zugelassen, die gemäß Art. 17 bis 21 dieses Gesetzes geleistet wird, sowie für Maschinen und Treibwerke, die die Ventilation, den Wasserabfluß, die Beleuchtung und dergl. besorgen; außerdem sind die Arbeiten in solchen Be trieben nicht einzustellen, wo das aus technischen (Gründen nicht möglich ist (z. B. bei nicht beendigtem Guß oder Weißbrennen).

Anmerkung 1: Die Betriebe, deren Arbeiten gesetzlich oder durch die Hauptarbeitsbehörde als ununterbrochene anerkannt und durch drei Arbeitsschichten in 24 Stunden geführt werden, unterliegen nicht den Vorschriften über die Pausen, sie haben aber dem Arbeiter Gelegenheit zur Einnahme von Speisen während der Arbeitszeit zu gewähren.
Anmerkung 2: Kann der Arbeiter nach den Arbeitsbedingungen zur Einnahme von Speisen vom Arbeitsorte sich nicht entfernen, so ist ihm hierzu ein Raum oder ein Ort anzuweisen. Die Anweisung eines besonderen Raumes zu dem gedachten Zwecke muß erfolgen, wenn der Arbeiter bei der Arbeit mit Stoffen in Berührung kommt, die durch Beschluß der Hauptbehörde für Fabrik -und Bergwerksbetriebe (oder der sie ersetzenden Behörde) als für den Arbeiter gesundheitsschädlich (Blei, Quecksilber usw.) erklärt sind.

4. Die Gesamtdauer aller Pausen in 24 Stunden soll nicht zwei Stunden übersteigen.

5. Als Nachtzeit gilt die Zeit von 9 Uhr abends 1 bis 5 Uhr morgens

6) Während der Nachtzeit darf die Arbeitskraft von Männern im Alter bis 16 Jahren und von Frauen nicht verwendet werden.

7. Für Betriebe, die mit zwei Arbeitergruppen in zwei Schichten arbeiten, wird die Nachtzeit von 9 Uhr abends bis 5 Uhr morgens gerechnet, wobei die Arbeitspause (Art. 4) bis auf eine halbe Stunde für jede Schicht abgekürzt werden kann.

8. In den Fällen, wo auf Verlangen der Arbeiter (z. B. in Ziegeleien) oder aus klimatischen Gründen es wünschenswert ist, eine längere Dauer der halbtägigen Pausen festzusetzen, kann die Hauptbehörde für Fabrik- und Bergwerksbetriebe (oder die sie ersetzende Behörde) eine entsprechende Abweichung von den Vorschriften der Art. 3 bis 5 und
7 dieses Gesetzes bestimmen.

9. Bei Beschäftigung von minderjährigen Personen (unter 18 Jahren) kommen außer den oben gegebenen Bestimmungen noch folgende zur Anwendung:

a) Minderjährige unter 14 Jahren dürfen nicht : beschäftigt werden;
b) die Arbeitszeit für solche unter 18 Jahren 1 darf nicht mehr als sechs Stunden täglich betragen.

Anmerkung: Vom 1. Januar 1919 an dürfen Personen unter 15 Jahren und vom 1. Januar 1920 an solche unter 16 Jahren nicht beschäftigt werden.

10. In das Verzeichnis der Festtage, an denennicht gearbeitet werden darf (P. 2. Art. 103 Gewerbeordnung) müssen alle Sonn- und folgende Feiertage aufgenommen werden: der 1. und 6. Januar, 27. Februar, 25. März, 1. Mai, 15. August, 14. Sept., 25. und 26. Dez., Freitag und Sonnabend der Karwoche, Montag und Dienstag der Oster-woche, der Tag Himmelfahrt Christi und der zweite Tag des Pfingstfestes.

Anmerkung 1: Für Nichtchristen ist die Eintragung anderer Festtage an Stelle der Sonntage gemäß ihren Religionssatzungen in das Verzeichnis zulässig; von den anderen in diesem Artikel erwähnten Festtagen dagegen ist für sie die Eintragung derjenigen obligatorisch, die in der nachstehenden Anmerkung nicht angegeben sind.
Anmerkung 2: Auf Verlangen der Mehrheit der Arbeiter eines Betriebes, oder einer Wirtschaft, oder einer Abteilung derselben, können die Festtage: 1. und 6. Januar, 15. August, 14. September, 26. Dezember, Sonnabend der Karwoche und der Montag der Osterwoche durch andere Feiertage ersetzt werden
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11. Bei einschichtiger Tagesarbeit wird die Mindestdauer der jedem Arbeiter gewährten Sonn- und Feiertagsruhe auf 42 Stunden bestimmt; bei zweischichtiger Arbeit mit zwei Arbeitergruppen und bei dreischichtiger Arbeit mit drei Arbeitergruppen wird die Mindestdauer der Sonn- und Feiertagsruhe für jeden Arbeiter durch Vereinbarung mit den Arbeiterorganisationen bestimmt.

12. Nach gegenseitiger Vereinbarung des Leiters des Betriebes oder der Wirtschaft mit den darin beschäftigten Lohnarbeitern können diese in Ab­weichung von dem Verzeichnis der oben in Art. 10 angegebenen Feiertage an Stelle von Wochentagen an den Feiertagen mit Arbeit beschäftigt werden. Die Vereinbarung ist sofort zur Kenntnis der zu­ständigen Amtspersonen zu bringen, denen die Auf­sicht über die Ausführung dieses Gesetzes über­tragen ist.

13. Die Hauptbehörde für die Angelegenheiten der Fabrik- und Bergwerksbetriebe (oder die sie ersetzende Behörde) ist befugt, Vorschriften zu er­lassen, die eine tatsächlich notwendige Abweichung von den in den Art. 2 bis 4 und 7 gegebenen Nor­men für diejenigen Betriebe zulassen, die nach ihrer Produktionsart zwecks Befriedigung öffentlicher Bedürfnisse zur Nachtzeit oder ungleichmäßig zu verschiedenen Jahreszeiten (z. B. im Beleuchtungs­wesen, der Wasserversorgung der Städte) arbeiten müssen.

14. In besonders gesundheitsschädlichen Be trieben und bei Arbeiten, wo die Arbeiter der Einwirkung besonders ungünstiger Bedingungen oder der Gefahr beruflicher Vergiftung ausgesetzt sind (wie z B. bei den Arbeiten in Trockenanstalten mit außergewöhnlich hoher Temperatur, in Quecksilberfabriken und Bleichanstalten und dergl.), unterliegt die in den Art. 2 bis 4 und 7 angegebene Arbeitszeit einer weiteren Kürzung. Das Verzeichnis solcher Arbeiten und Betriebe unter Angabe der für jede einzelne Arbeit zulässigen Dauer der Arbeitszeit sowie der anderen Arbeitsbedingungen Bergwerksbetriebe (oder der sie er­setzenden Behörde) aufgestellt.

15. Zu Arbeiten unter Tag sind weibliche Personen und Halberwachsene beiderlei Geschlechts nicht zugelassen.

16. Eine Abweichung von den Vorschriften der Art. 2 bis 4 und 7 bis 11 ist nach Vereinbarung mit den Arbeitern und mit Genehmigung der Arbeiter­organisationen für die mit folgenden Hilfsarbeiten beschäftigten Arbeiter zulässig: mit ständigen Reparaturarbeiten, Wartung der Kessel und Motore, Triebwerke, Beheizung der Fabriken und Betriebe, Wasserversorgung, Beleuchtung der Fabriks- und Betriebsgebäude, Wohn- und Feuerwehrdienst, und überhaupt mit solchen Arbeiten, ohne deren vor­gängige Verrichtung der Gewerbebetrieb zu der dazu bestimmten Zeit nicht in Tätigkeit treten kann, sowie auch mit solchen Arbeiten, die notwendigerweise nach Einstellung des Betriebes aus­geführt werden müssen.

17. Die Arbeit, die von einem Arbeiter zu einer Zeit ausgeführt wird, wo er nach dem Verzeichnis der Arbeitszeit nicht zu arbeiten braucht, gilt als Überstundenarbeit. Die Überstundenarbeit ist nur unter Beobachtung der in den Art. 19—22 dieses Gesetzes bestimmten Bedingungen zulässig und ist in doppelter Höhe zu bezahlen.

18. Alle weiblichen Personen und die männlichen Personen unter 18 Jahren sind zu Überstunden­arbeiten nicht zugelassen.

Arbeiter männlichen Geschlechts über 18 Jahre können mit Genehmigung der Arbeiterorganisationen Überstundenarbeiten nur in folgenden Fällen ausführen:

a). wenn die Überstundenarbeit notwendig ist zur rechtzeitigen Beendigung einer angefangenen Arbeit, die infolge unvorhergesehener und zu­fälliger Behinderung aus mechanischen Be­triebsgründen in der normalen Arbeitszeit (nach den Vorschriften der inneren Ordnung) nicht beendigt werden konnte, und wenn von der Unterbrechung dieser Arbeit den Materia­lien und Mechanismen eine Gefährdung oder Beschädigung droht. (Zu solchen Arbeiten können die Arbeiten in chemischen Verfahren, Gußarbeiten u. dgl. gerechnet werden.

b) bei der Ausführung von Arbeiten, die zur Ab­wendung einer dem Leben oder dem Vermögen von Menschen drohenden Gefahr notwendig sind, ebenso zur Abwendung zufälliger Um­stände, die technische Bedingungen störten, deren Vorhandensein zur regelmäßigen Wasser­versorgung, Beleuchtung, Kanalisation oder für den normalen öffentlichen Verkehr notwendig ist;

c) bei Arbeiten für notwendige Reparaturen im Falle plötzlicher Beschädigung von Kesseln, Motoren, Triebwerken und überhaupt unvor­hergesehener Störungen im Maschinenwerk, Vorrichtungen oder Baulichkeiten (Gebäude, Dämme, Bohrlöcher), die eine Unterbrechung der Arbeiten in dem Betriebe oder in einer seiner Abteilungen hervorrufen;

d) bei Ausführung von zeitweiligen Arbeiten in einer Abteilung des Betriebes in den Fällen, wo infolge eines Brandes, eines Bruches oder unvorhergesehener Umstände die Arbeit in dieser oder in einer anderen Abteilung einige Zeit unterbrochen oder ganz eingestellt war, und wo diese Arbeiten notwendig sind, um die anderen Abteilungen des Betriebes in vollem Gange zu halten.

19. In dem unter Art. 18 erwähnten Falle muß für die Überstundenarbeit von dem Arbeitskom­missariat und der Arbeitsinspektion eine besondere Genehmigung erteilt sein, in der die tägliche Dauer dieser Arbeiten und die Zeit, in der sie ausgeführt werden sollen, angegeben ist. Wegen der Über­stundenarbeiten, die unter b) und c) des Art. 18 vorgesehen sind, ist dem Inspektor nur eine ein­fache Anzeige zu machen.

20. Alle Überstundenarbeiten sind in die Ab­rechnungsbücher der Arbeiter unter Angabe des für sie zustehenden Lohnes besonders einzutragen, außerdem ist über die Überstundenarbeiten für jeden Arbeiter eine vollständige und besondere Abrechnung in den Kontorbüchern zu führen.

21. Die Überstundenarbeit gemäß Art. 18—20 ist nicht über 50 Tage im Jahre für jede Abteilung des Betriebes zulässig, wobei jeder Tag der Überstundenarbeit für die Abteilung besonders in An­rechnung gebracht wird, sollte auch an diesem Tage nur ein Arbeiter in der Abteilung Überstunden­arbeit geleistet haben.

22. Die Dauer der Überstundenarbeit jedes ein­zelnen Arbeiters darf in keinem Falle vier Stun­den an zwei aufeinanderfolgenden Tagen über­steigen.

23. Für die nächste Zeit bis zur Beendigung des Krieges können in den Betrieben, die für die Lan­desverteidigung arbeiten, die Bestimmungen über Beschränkung der Dauer der Überstundenarbeiten (Art. 18—20) und über die Arbeitspausen (Art. 3—5) nach Vereinbarung mit den Arbeitern und den Arbeiterorganisationen außer Anwendung bleiben.

24. Gegenwärtiges Gesetz ist auf telegraphischem Wege in Kraft zu setzen.

25. Dieses Gesetz ist auf alle Betriebe und Wirt­schaften, unabhängig davon, welchen Umfang sie haben und wem sie gehören, sowie auf alle in Lohn­arbeit stehende Personen auszudehnen.

26. Die der Verletzung dieses Gesetzes Schuldigen werden gerichtlich mit Freiheitsentziehung bis zu einem Jahre bestraft.
 

(Veröffentl. in Nr. 2 der Ztg. der Arbeiter- und Bauern-Reg. vom 30. Okt./17. Nov. 1917

Quelle: Illustrierte Geschichte der russischen Revolution, Berlin 1928,  S.484-486