1.
Als Arbeitszeit oder als Zahl der täglichen
Arbeitsstunden wird die Zeit gerechnet, während
der nach dem Dienstvertrage (Art. 48, 60, 96,
98 und 103 der Gewerbeordnung) der Arbeiter in
dem Gewerbebetriebe zur Verfügung des Leiters
desselben behufs Verrichtung von Arbeiten
stehen muß.
Anmerkung
1: Bei Arbeiten unter Tag ist die Zeit, die
zur Beförderung in den Schacht und zur
Rückbeförderung aus demselben gebraucht wird,
als Arbeitszeit anzurechnen.
Anmerkung 2: Die Arbeitszeit solcher
Arbeiter, die zur Verrichtung von Arbeiten
außerhalb des Gewerbebetriebes geschickt
werden, ist durch besondere Vereinbarung
festzusetzen.
2.
Die Arbeitszeit, die durch die Vorschriften der
inneren Ordnung des Betriebes bestimmt wird
(Ziffer 1, Art. 103 der Gewerbeordnung, — die
Normalarbeitszeit), darf acht Arbeitsstunden
an einem Tage und 48 Stunden in der Woche nicht
übersteigen, hierin die Zeit eingerechnet, die
zur Reinigung der Maschinen und zum
Inordnungbringen des Arbeitsraumes notwendig
ist.,0Am Tage vor
Weihnachten (24. Dezember) und Pfingsten ist
die Arbeit um 12 Uhr mittags zu beenden.
3. Nicht später
als sechs Stunden nach Beginn
der Arbeit muß eine Arbeitspause zum
Ausruhen und zur
Einnahme von Speisen eintreten. Die Pause
darf nicht weniger als eine Stunde
betragen.
Arbeitspausen
heißen die in den Vorschriften der inneren
Ordnung bezeichneten Arbeitsunterbrechungen;
während solcher Unterbrechungen kann der
Arbeiter frei über seine Zeit verfügen und kann
sich aus dem Bereiche des Betriebes entfernen.
Während der
Arbeitspausen sind die Maschinen, Werke und
Treibmaschinen abzustellen; eine Ausnahme von
dieser Vorschrift ist nur für die
Überstundenarbeit zugelassen, die gemäß Art. 17
bis 21 dieses Gesetzes geleistet wird, sowie
für Maschinen und Treibwerke, die die
Ventilation, den Wasserabfluß, die Beleuchtung
und dergl. besorgen; außerdem sind die Arbeiten
in solchen Be trieben
nicht einzustellen, wo das aus technischen
(Gründen nicht möglich ist (z. B. bei nicht
beendigtem Guß oder Weißbrennen).
Anmerkung 1:
Die Betriebe, deren Arbeiten gesetzlich oder
durch die Hauptarbeitsbehörde als
ununterbrochene anerkannt und durch drei
Arbeitsschichten in 24 Stunden geführt werden,
unterliegen nicht den Vorschriften über die
Pausen, sie haben aber dem Arbeiter Gelegenheit
zur Einnahme von Speisen während der
Arbeitszeit zu gewähren.
Anmerkung 2: Kann der Arbeiter nach den
Arbeitsbedingungen zur Einnahme von Speisen vom
Arbeitsorte sich nicht entfernen, so ist ihm
hierzu ein Raum oder ein Ort anzuweisen. Die
Anweisung eines besonderen Raumes zu dem
gedachten Zwecke muß erfolgen, wenn der
Arbeiter bei der Arbeit mit Stoffen in
Berührung kommt, die durch Beschluß der
Hauptbehörde für Fabrik -und Bergwerksbetriebe
(oder der sie ersetzenden Behörde) als für den
Arbeiter gesundheitsschädlich
(Blei, Quecksilber usw.) erklärt sind.
4.
Die Gesamtdauer aller Pausen in 24
Stunden soll nicht zwei Stunden übersteigen.
5. Als Nachtzeit gilt die Zeit von 9 Uhr
abends 1 bis 5 Uhr morgens
6)
Während der Nachtzeit darf die Arbeitskraft von
Männern im Alter bis 16 Jahren und von Frauen
nicht verwendet werden.
7. Für Betriebe, die mit zwei
Arbeitergruppen in zwei Schichten arbeiten,
wird die Nachtzeit von 9 Uhr abends bis 5 Uhr
morgens gerechnet, wobei die Arbeitspause (Art.
4) bis auf eine halbe Stunde für jede Schicht
abgekürzt werden kann.
8. In den Fällen, wo auf Verlangen der
Arbeiter (z. B. in Ziegeleien) oder aus
klimatischen Gründen es wünschenswert ist, eine
längere Dauer der halbtägigen Pausen
festzusetzen, kann die Hauptbehörde für Fabrik-
und Bergwerksbetriebe (oder die sie ersetzende
Behörde) eine entsprechende Abweichung von den
Vorschriften der Art. 3 bis 5 und
7 dieses Gesetzes bestimmen.
9. Bei
Beschäftigung von minderjährigen Personen
(unter 18 Jahren) kommen außer den oben
gegebenen Bestimmungen noch folgende zur
Anwendung:
a)
Minderjährige unter 14 Jahren dürfen nicht :
beschäftigt werden;
b) die Arbeitszeit für
solche unter 18 Jahren 1 darf nicht mehr als
sechs Stunden täglich betragen.
Anmerkung:
Vom 1. Januar 1919 an dürfen Personen unter 15
Jahren und vom 1. Januar 1920 an solche unter
16 Jahren nicht beschäftigt werden.
10. In das Verzeichnis der Festtage, an
denennicht gearbeitet werden darf (P. 2. Art.
103 Gewerbeordnung) müssen alle Sonn- und
folgende Feiertage aufgenommen werden: der 1.
und 6. Januar, 27. Februar, 25. März, 1. Mai,
15. August, 14. Sept., 25. und 26. Dez.,
Freitag und Sonnabend der Karwoche, Montag und
Dienstag der Oster-woche, der Tag Himmelfahrt
Christi und der zweite Tag des Pfingstfestes.
Anmerkung 1: Für Nichtchristen ist
die Eintragung anderer Festtage an Stelle der
Sonntage gemäß ihren Religionssatzungen in das
Verzeichnis zulässig; von den anderen in diesem
Artikel erwähnten Festtagen dagegen ist für sie
die Eintragung derjenigen obligatorisch, die in
der nachstehenden Anmerkung nicht angegeben
sind.
Anmerkung 2: Auf Verlangen der Mehrheit
der Arbeiter eines Betriebes, oder einer
Wirtschaft, oder einer Abteilung derselben,
können die Festtage: 1. und 6. Januar, 15.
August, 14. September, 26. Dezember, Sonnabend
der Karwoche und der Montag der Osterwoche
durch andere Feiertage ersetzt werden.
11. Bei einschichtiger Tagesarbeit wird die
Mindestdauer der jedem Arbeiter gewährten Sonn-
und Feiertagsruhe auf 42 Stunden bestimmt; bei
zweischichtiger Arbeit mit zwei Arbeitergruppen
und bei dreischichtiger Arbeit mit drei
Arbeitergruppen wird die Mindestdauer der Sonn-
und Feiertagsruhe für jeden Arbeiter durch
Vereinbarung mit den Arbeiterorganisationen
bestimmt.
12. Nach gegenseitiger Vereinbarung des Leiters
des Betriebes oder der Wirtschaft mit den darin
beschäftigten Lohnarbeitern können diese in
Abweichung von dem Verzeichnis der oben in
Art. 10 angegebenen Feiertage an Stelle von
Wochentagen an den Feiertagen mit Arbeit
beschäftigt werden. Die Vereinbarung ist sofort
zur Kenntnis der zuständigen Amtspersonen zu
bringen, denen die Aufsicht über die
Ausführung dieses Gesetzes übertragen ist.
13. Die Hauptbehörde für die Angelegenheiten
der Fabrik- und Bergwerksbetriebe (oder die sie
ersetzende Behörde) ist befugt, Vorschriften zu
erlassen, die eine tatsächlich notwendige
Abweichung von den in den Art. 2 bis 4 und 7
gegebenen Normen für diejenigen Betriebe
zulassen, die nach ihrer Produktionsart zwecks
Befriedigung öffentlicher Bedürfnisse zur
Nachtzeit oder ungleichmäßig zu verschiedenen
Jahreszeiten (z. B. im Beleuchtungswesen, der
Wasserversorgung der Städte) arbeiten müssen.
14. In besonders gesundheitsschädlichen Be
trieben und bei Arbeiten, wo die Arbeiter der
Einwirkung besonders ungünstiger Bedingungen
oder der Gefahr beruflicher Vergiftung
ausgesetzt sind (wie z B. bei den Arbeiten in
Trockenanstalten mit außergewöhnlich hoher
Temperatur, in Quecksilberfabriken und
Bleichanstalten und dergl.), unterliegt die in
den Art. 2 bis 4 und 7 angegebene Arbeitszeit
einer weiteren Kürzung. Das Verzeichnis solcher
Arbeiten und Betriebe unter Angabe der für jede
einzelne Arbeit zulässigen Dauer der
Arbeitszeit sowie der anderen
Arbeitsbedingungen Bergwerksbetriebe (oder der
sie ersetzenden Behörde) aufgestellt.
15. Zu Arbeiten unter Tag sind weibliche
Personen und Halberwachsene beiderlei
Geschlechts nicht zugelassen.
16. Eine Abweichung von den Vorschriften der
Art. 2 bis 4 und 7 bis 11 ist nach Vereinbarung
mit den Arbeitern und mit Genehmigung der
Arbeiterorganisationen für die mit folgenden
Hilfsarbeiten beschäftigten Arbeiter zulässig:
mit ständigen Reparaturarbeiten, Wartung der
Kessel und Motore, Triebwerke, Beheizung der
Fabriken und Betriebe, Wasserversorgung,
Beleuchtung der Fabriks- und Betriebsgebäude,
Wohn- und Feuerwehrdienst, und überhaupt mit
solchen Arbeiten, ohne deren vorgängige
Verrichtung der Gewerbebetrieb zu der dazu
bestimmten Zeit nicht in Tätigkeit treten kann,
sowie auch mit solchen Arbeiten, die
notwendigerweise nach Einstellung des Betriebes
ausgeführt werden müssen.
17. Die Arbeit, die von einem Arbeiter zu einer
Zeit ausgeführt wird, wo er nach dem
Verzeichnis der Arbeitszeit nicht zu arbeiten
braucht, gilt als Überstundenarbeit. Die
Überstundenarbeit ist nur unter Beobachtung der
in den Art. 19—22 dieses Gesetzes bestimmten
Bedingungen zulässig und ist in doppelter Höhe
zu bezahlen.
18. Alle weiblichen Personen und die männlichen
Personen unter 18 Jahren sind zu
Überstundenarbeiten nicht zugelassen.
Arbeiter männlichen Geschlechts über 18 Jahre
können mit Genehmigung der
Arbeiterorganisationen Überstundenarbeiten nur
in folgenden Fällen ausführen:
a). wenn die Überstundenarbeit notwendig ist
zur rechtzeitigen Beendigung einer angefangenen
Arbeit, die infolge unvorhergesehener und
zufälliger Behinderung aus mechanischen
Betriebsgründen in der normalen Arbeitszeit
(nach den Vorschriften der inneren Ordnung)
nicht beendigt werden konnte, und wenn von der
Unterbrechung dieser Arbeit den Materialien
und Mechanismen eine Gefährdung oder
Beschädigung droht. (Zu solchen Arbeiten können
die Arbeiten in chemischen Verfahren,
Gußarbeiten u. dgl. gerechnet werden.
b) bei der Ausführung von Arbeiten, die zur
Abwendung einer dem Leben oder dem Vermögen
von Menschen drohenden Gefahr notwendig sind,
ebenso zur Abwendung zufälliger Umstände, die
technische Bedingungen störten, deren
Vorhandensein zur regelmäßigen
Wasserversorgung, Beleuchtung, Kanalisation
oder für den normalen öffentlichen Verkehr
notwendig ist;
c) bei Arbeiten für notwendige Reparaturen im
Falle plötzlicher Beschädigung von Kesseln,
Motoren, Triebwerken und überhaupt
unvorhergesehener Störungen im Maschinenwerk,
Vorrichtungen oder Baulichkeiten (Gebäude,
Dämme, Bohrlöcher), die eine Unterbrechung der
Arbeiten in dem Betriebe oder in einer seiner
Abteilungen hervorrufen;
d) bei Ausführung von zeitweiligen Arbeiten in
einer Abteilung des Betriebes in den Fällen, wo
infolge eines Brandes, eines Bruches oder
unvorhergesehener Umstände die Arbeit in dieser
oder in einer anderen Abteilung einige Zeit
unterbrochen oder ganz eingestellt war, und wo
diese Arbeiten notwendig sind, um die anderen
Abteilungen des Betriebes in vollem Gange zu
halten.
19. In dem unter Art. 18 erwähnten Falle muß
für die Überstundenarbeit von dem
Arbeitskommissariat und der Arbeitsinspektion
eine besondere Genehmigung erteilt sein, in der
die tägliche Dauer dieser Arbeiten und die
Zeit, in der sie ausgeführt werden sollen,
angegeben ist. Wegen der Überstundenarbeiten,
die unter b) und c) des Art. 18 vorgesehen
sind, ist dem Inspektor nur eine einfache
Anzeige zu machen.
20. Alle Überstundenarbeiten sind in die
Abrechnungsbücher der Arbeiter unter Angabe
des für sie zustehenden Lohnes besonders
einzutragen, außerdem ist über die
Überstundenarbeiten für jeden Arbeiter eine
vollständige und besondere Abrechnung in den
Kontorbüchern zu führen.
21. Die Überstundenarbeit gemäß Art. 18—20 ist
nicht über 50 Tage im Jahre für jede Abteilung
des Betriebes zulässig, wobei jeder Tag der
Überstundenarbeit für die Abteilung besonders
in Anrechnung gebracht wird, sollte auch an
diesem Tage nur ein Arbeiter in der Abteilung
Überstundenarbeit geleistet haben.
22. Die Dauer der Überstundenarbeit jedes
einzelnen Arbeiters darf in keinem Falle vier
Stunden an zwei aufeinanderfolgenden Tagen
übersteigen.
23. Für die nächste Zeit bis zur Beendigung des
Krieges können in den Betrieben, die für die
Landesverteidigung arbeiten, die Bestimmungen
über Beschränkung der Dauer der
Überstundenarbeiten (Art. 18—20) und über die
Arbeitspausen (Art. 3—5) nach Vereinbarung mit
den Arbeitern und den Arbeiterorganisationen
außer Anwendung bleiben.
24. Gegenwärtiges Gesetz ist auf
telegraphischem Wege in Kraft zu setzen.
25. Dieses Gesetz ist auf alle Betriebe und
Wirtschaften, unabhängig davon, welchen Umfang
sie haben und wem sie gehören, sowie auf alle
in Lohnarbeit stehende Personen auszudehnen.
26. Die der Verletzung dieses Gesetzes
Schuldigen werden gerichtlich mit
Freiheitsentziehung bis zu einem Jahre
bestraft.
(Veröffentl. in Nr. 2 der Ztg. der Arbeiter-
und Bauern-Reg. vom 30. Okt./17. Nov. 1917