Texte zur Oktoberrevolution


Programm der Kommunistischen Partei Rußlands (Bolschewiki)

angenommen auf dem VIII. Parteitag am 18.3.-30.3.1919

Die Oktoberrevolution vom 25. Oktober (7. November) 1917 ver­wirklichte in Rußland die Diktatur des Proletariats, das damit begon­nen hat, mit Unterstützung der armen Bauernschaft bzw. des Halb­proletariats die Grundlagen der kommunistischen Gesellschaft zu schaffen. Der Verlauf der Entwicklung der Revolution in Deutsch­land und Österreich-Ungarn, das Anwachsen der revolutionären Be­wegung des Proletariats in allen fortgeschrittenen Ländern, die Verbreitung der sowjetischen Form dieser Bewegung, d. h. einer Form, die direkt auf die Verwirklichung der Diktatur des Proletariats abzielt, das alles hat gezeigt, daß die Ära der proletarischen, kom­munistischen Weltrevolution angebrochen ist.

Diese Revolution war das unvermeidliche Ergebnis der Entwick­lung des Kapitalismus, der vorläufig noch in den meisten zivilisierten Ländern herrscht. Die Natur des Kapitalismus und der bürgerlichen Gesellschaft wurde in unserem alten Programm richtig, wenn man von der ungenauen Bezeichnung der Partei als sozialdemokratischer absieht, in folgenden Sätzen charakterisiert:

„Die wichtigste Eigenart einer solchen Gesellschaft ist die Waren­produktion auf der Grundlage kapitalistischer Produktionsverhältnis­se, bei denen der wichtigste und bedeutendste Teil der Mittel für die Produktion und Zirkulation der Waren einer ihrer Zahl nach kleinen Klasse von Menschen gehört, während die gewaltige Mehrheit der Bevölkerung aus Proletariern und Halbproletariern besteht, die durch ihre ökonomische Lage gezwungen sind, ständig oder periodisch ihre Arbeitskraft zu verkaufen, d. h. sich den Kapitalisten als Lohnarbei­ter zu verdingen und durch ihre Arbeit das Einkommen der oberen Gesellschaftsklassen zu schaffen.

Der Herrschaftsbereich der kapitalistischen Produktionsverhältnis­se dehnt sich immer mehr aus, in dem Maße, wie die unaufhörliche Vervollkommnung der Technik, welche die wirtschaftliche Bedeu­tung der Großbetriebe erhöht, zur Verdrängung der selbständigen Kleinproduzenten führt, einen Teil von ihnen in Proletarier verwan­delt, die Rolle der übrigen im gesellschaftlich-ökonomischen Leben beschränkt und sie mancherorts in eine mehr oder minder vollständi­ge, mehr oder minder offene, mehr oder minder drückende Abhän­gigkeit vom Kapital bringt. Derselbe technische Fortschritt gibt außerdem den Unternehmern die Möglichkeit, im Prozeß der Warenproduktion und -zirkulation in immer größerem Umfang Frauen- und Kinderarbeit zu verwenden. Und da er anderseits zu einer relativen Verringerung des Bedarfs der Unternehmer an lebendiger Arbeitskraft führt, so bleibt notgedrun­gen die Nachfrage nach Arbeitskraft hinter dem Angebot von Ar­beitskraft zurück, und infolgedessen steigt die Abhängigkeit der Lohnarbeit vom Kapital und der Grad ihrer Ausbeutung.

Eine solche Lage der Dinge innerhalb der bürgerlichen Länder und ihre sich ständig verschärfende Konkurrenz auf dem Weltmarkt ge­stalten den Absatz der Waren, die in stets wachsenden Mengen er­zeugt werden, immer schwieriger und schwieriger. Die Überproduk­tion, die sich in mehr oder minder akuten industriellen Krisen äußert, denen mehr oder minder lange Perioden industrieller Stagnation fol­gen, ist die unvermeidliche Folge der Entwicklung der Produktiv­kräfte in der bürgerlichen Gesellschaft. Die Krisen und die Perioden industrieller Stagnation ruinieren ihrerseits die Kleinproduzenten noch mehr, vergrößern noch mehr die Abhängigkeit der Lohnarbeit vorn Kapital, führen noch rascher zur relativen und mitunter auch zur absoluten Verschlechterung der Lage der Arbeiterklasse.

Die Vervollkommnung der Technik, die eine Steigerung der Ar­beitsproduktivität und eine Zunahme des gesellschaftlichen Reich­tums bedeutet, bedingt somit in der bürgerlichen Gesellschaft ein Anwachsen der sozialen Ungleichheit, eine Vergrößerung des Ab­stands zwischen Besitzenden und Besitzlosen und eine Zunahme der Unsicherheit der Existenz, der Arbeitslosigkeit und der Entbehrun­gen aller Art für immer breitere Schichten der werktätigen Massen.

Aber in dem Maße, wie alle diese, der bürgerlichen Gesellschaft eigenen Widersprüche wachsen und sich entwickeln, wächst auch die Unzufriedenheit der werktätigen und ausgebeuteten Masse mit den bestehenden Zuständen, wächst die Zahl und die Geschlossenheit der Proletarier und verschärft sich ihr Kampf gegen ihre Ausbeuter. Zu­gleich schafft die Vervollkommnung der Technik, indem sie die Pro­duktions- und Zirkulationsmittel konzentriert und den Arbeitsprozeß in den kapitalistischen Betrieben vergesellschaftet, immer rascher die materielle Möglichkeit der Ersetzung der kapitalistischen Produkti­onsverhältnisse durch kommunistische, d. h. jener sozialen Revoluti­on, die das Endziel der gesamten Tätigkeit der internationalen Kom­munistischen Partei als der bewußten Trägerin der Klassenbewegung des Proletariats ist.

Die soziale Revolution des Proletariats, die das Privateigentum an den Produktions- und Zirkulationsmitteln durch das gesellschaftliche Eigentum ersetzt und den gesellschaftlichen Produktionsprozeß im Interesse des Wohlstands und der allseitigen Entwicklung aller Mit­glieder der Gesellschaft planmäßig organisiert, wird die Klassentei­lung der Gesellschaft beseitigen und so die ganze unterdrückte Menschheit befreien, denn sie wird jeder Art Ausbeutung eines Teils der Gesellschaft durch den anderen ein Ende setzen.

Die unerläßliche Vorbedingung dieser sozialen Revolution ist die Diktatur des Proletariats, d. h. die Eroberung der politischen Macht durch das Proletariat, die es befähigen wird, jeden Widerstand der Ausbeuter zu unterdrücken.

Die internationale Kommunistische Partei, die sich die Aufgabe stellt, das Proletariat zur Erfüllung seiner großen historischen Missi­on zu befähigen, organisiert es zu einer selbständigen politischen Partei, die sich allen bürgerlichen Parteien entgegenstellt, sie leitet seinen Klassenkampf in allen Erscheinungsformen, sie enthüllt ihm den unversöhnlichen Gegensatz zwischen den Interessen der Aus­beuter und den Interessen der Ausgebeuteten und macht ihm die geschichtliche Bedeutung und die notwendigen Bedingungen der bevorstehenden sozialen Revolution klar. Zugleich damit zeigt sie der gesamten übrigen werktätigen und ausgebeuteten Masse die Aus­sichtslosigkeit ihrer Lage in der kapitalistischen Gesellschaft und die Notwendigkeit der sozialen Revolution im Interesse ihrer eigenen Befreiung vom Joch des Kapitals. Die Partei der Arbeiterklasse, die Kommunistische Partei, ruft in ihre Reihen alle Schichten der werk­tätigen und ausgebeuteten Bevölkerung, soweit sie sich auf den Standpunkt des Proletariats stellen."

Der Konzentrations- und Zentralisationsprozeß des Kapitals, der die freie Konkurrenz aufhebt, führte zu Beginn des 20. Jahrhunderts zur Schaffung mächtiger Monopolverbände der Kapitalisten - Syn­dikate, Kartelle, Trusts -, die im gesamten ökonomischen Leben entscheidende Bedeutung erlangt haben, zur Verschmelzung des Bankkapitals mit dem hochkonzentrierten Industriekapital und zu verstärktem Kapitalexport nach fremden Ländern. Die Trusts, die ganze Gruppen kapitalistischer Mächte umfassen, haben begonnen, die Welt, die territorial bereits unter die reichsten Länder aufgeteilt ist, ökonomisch aufzuteilen. Diese Epoche des Finanzkapitals, die den Kampf zwischen den kapitalistischen Staaten unvermeidlich verschärft, ist die Epoche des Imperialismus.

Hieraus entspringen unvermeidlich imperialistische Kriege, Kriege um Absatzmärkte, um Anlagesphären für das Kapital, um Rohstoffe und um Arbeitskräfte, d. h. um die Weltherrschaft und um die Un­terwerfung der kleinen und schwachen Völkerschaften. Und gerade ein solcher Krieg ist der erste große imperialistische Krieg 1914­1918.

Die außerordentlich hohe Entwicklungsstufe des Weltkapitalismus überhaupt, die Ablösung der freien Konkurrenz durch den staatsmo­nopolistischen Kapitalismus, die Entwicklung eines Apparats für die gesellschaftliche Regulierung des Produktionsprozesses und der Ver­teilung der Produkte durch die Banken sowie durch die Kapitalisten­verbände, die mit dem Wachstum der kapitalistischen Monopole verbundene Teuerung und die Zunahme des Drucks der Syndikate auf die Arbeiterklasse, deren Versklavung durch den imperialisti­schen Staat, die gewaltige Erschwerung des wirtschaftlichen und politischen Kampfes des Proletariats, die Schrecken, das Elend, der Ruin, die ,der imperialistische Krieg erzeugt - alles das hat den Un­tergang des Kapitalismus und den Übergang zu einem höheren Ty­pus der gesellschaftlichen Wirtschaft notwendig gemacht.

Der imperialistische Krieg konnte nicht mit einem gerechten Frie­den enden, ja nicht einmal mit dem Abschluß eines halbwegs dauer­haften Friedens durch die bürgerlichen Regierungen. Auf der erreich­ten Entwicklungsstufe des Kapitalismus verwandelte und verwandelt er sich vor unseren Augen unabwendbar in einen Bürgerkrieg der ausgebeuteten werktätigen Massen mit dem Proletariat an ihrer Spit­ze gegen die Bourgeoisie.

Der zunehmende Druck des Proletariats und besonders seine Siege in einzelnen Ländern rufen verstärkten Widerstand der Ausbeuter hervor und führen dazu, daß die Ausbeuter neue Formen der interna­tionalen Vereinigung der Kapitalisten (Völkerbund u. a.) schaffen, die im Weltmaßstab die systematische Ausbeutung aller Völker der Erde organisieren und ihre unmittelbaren Anstrengungen auf die direkte Unterdrückung der revolutionären Bewegungen des Proleta­riats aller Länder richten.

All das führt unvermeidlich zur Verflechtung des Bürgerkriegs in­nerhalb einzelner Staaten mit revolutionären Kriegen der sich vertei­digenden proletarischen Länder wie auch der unterdrückten Völker gegen das Joch der imperialistischen Mächte.

Unter diesen Bedingungen sind die Losungen des Pazifismus, der internationalen Entwaffnung im Kapitalismus, der Schiedsgerichte u. a. nicht nur reaktionäre Utopie, sondern auch direkter Betrug an den Werktätigen mit dem Ziel, das Proletariat zu entwaffnen und es von der Aufgabe, die Ausbeuter zu entwaffnen, abzulenken.

Nur die proletarische, kommunistische Revolution vermag die Menschheit aus der Sackgasse herauszuführen, die der Imperialismus und die imperialistischen Kriege geschaffen haben. Wie groß auch immer die Schwierigkeiten der Revolution, ihre eventuellen zeitwei­ligen Mißerfolge oder die Wellen der Konterrevolution sein mögen, der endgültige Sieg des Proletariats ist unausbleiblich.

Dieser Sieg der proletarischen Weltrevolution erfordert das vollste Vertrauen, das engste brüderliche Bündnis und die größtmögliche Einheit der revolutionären Aktionen der Arbeiterklasse in den fortge­schrittenen Ländern.

Diese Voraussetzungen sind nicht zu verwirklichen, wenn man nicht grundsätzlich und entschlossen mit der bürgerlichen Entstel­lung des Sozialismus bricht, die in den Oberschichten der offiziellen sozialdemokratischen und sozialistischen Parteien den Sieg davonge­tragen hat, ihr nicht schonungslos den Kampf ansagt.

Eine solche Entstellung ist einerseits die Strömung des Opportu­nismus und des Sozialchauvinismus, des Sozialismus in Worten, des Chauvinismus in Wirklichkeit, wobei man die Verteidigung der räu­berischen Interessen seiner nationalen Bourgeoisie allgemein wie auch insbesondere während des imperialistischen Krieges 1914-1918durch die verlogene Losung der Vaterlandsverteidigung bemäntelt. Diese Strömung ist dadurch entstanden, daß die fortgeschrittenen kapitalistischen Staaten durch die Ausplünderung der kolonialen und schwachen Völker der Bourgeoisie die Möglichkeit geben, den durch diese Ausplünderung erworbenen Extraprofit zu benutzen, um der Oberschicht des Proletariats eine privilegierte Stellung einzuräumen und sie auf diese Weise zu bestechen, ihr in Friedenszeiten eine er­trägliche kleinbürgerliche Existenz zu sichern und die Führer dieser Schicht in ihren Dienst zu stellen. Die Opportunisten und Sozial­chauvinisten sind als Lakaien der Bourgeoisie direkte Klassenfeinde des Proletariats, besonders jetzt, da sie im Bündnis mit den Kapitali­sten mit Waffengewalt die revolutionäre Bewegung des Proletariats in ihren eigenen wie in fremden Ländern unterdrücken.

Eine bürgerliche Entstellung des Sozialismus ist anderseits die gleichfalls in allen kapitalistischen Ländern festzustellende Strömung des „Zentrums", die zwischen den Sozialchauvinisten und den Kom­munisten schwankt, die für die Einheit mit den ersteren eintritt und den Versuch unternimmt, die bankrotte II. Internationale zu neuem Leben zu erwecken. Führer des Proletariats im Kampf um seine Be­freiung ist nur die neue, die III., die Kommunistische Internationale, von der die K.PR ein Trupp ist. Diese Internationale ist faktisch durch die Bildung kommunistischer Parteien aus den wirklich proletari­schen Elementen der früheren sozialistischen Parteien in einer Reihe von Ländern, besonders in Deutschland, geschaffen und offiziell im März 1919 auf ihrem ersten Kongreß in Moskau gegründet worden. Die Kommunistische Internationale, die in den Massen des Proletari­ats aller Länder immer größere Sympathien erwirbt, kehrt nicht nur ihrem Namen nach wieder zum Marxismus zurück, sondern sie ver­wirklicht auch mit ihrem ganzen ideologisch-politischen Inhalt, mit allen ihren Aktionen die revolutionäre, von bürgerlichopportunisti­schen Entstellungen gereinigte Lehre von Marx.

In konkreterer Entwicklung der Aufgaben der proletarischen Dikta­tur in bezug auf Rußland, dessen wesentlichste Besonderheit im zah­lenmäßigen Überwiegen der kleinbürgerlichen Bevölkerungsschich­ten besteht, definiert die KPR diese Aufgaben folgendermaßen:

Auf allgemeinpolitischem Gebiet

1. Die bürgerliche Republik, selbst die demokratischste, durch die Losungen eines vom ganzen Volk getragenen, gesamtnationalen oder über den Klassen stehenden Willens geheiligte, blieb in Wirklichkeit - da es Privateigentum am Grund und Boden und' an den übrigen Produktionsmitteln gab - eine Diktatur der Bourgeoisie, eine Ma­schine zur Ausbeutung und Unterdrückung der gewaltigen Mehrheit der Werktätigen durch ein Häuflein Kapitalisten. Im Gegensatz hier­zu machte die proletarische oder sowjetische Demokratie die Mas­senorganisationen gerade der vom Kapitalismus unterdrückten Klas­sen, der Proletarier und armen Bauern, der Halbproletarier, d. h. der gewaltigen Mehrheit der Bevölkerung, zur dauernden und einzigen Grundlage des ganzen Staatsapparats, des lokalen und des zentralen, von unten bis oben. Hierdurch verwirklichte der Sowjetstaat unter anderem in unvergleichlich größerem Umfang als irgendwo anders die lokale und regionale Selbstverwaltung ohne irgendwelche von oben eingesetzte Organe. Es ist Aufgabe der Partei, unermüdlich daran zu arbeiten, daß dieser höchste Typus des Demokratismus überall in der Praxis voll verwirklicht wird, der aber nur dann richtig funktionieren kann, wenn das Kulturniveau, die Organisiertheit und die Selbsttätigkeit der Massen ständig gehoben werden.

2. Im Gegensatz zur bürgerlichen Demokratie, die den Klassencha­rakter ihres Staates verschleierte, erkennt die Sowjetmacht offen an, daß jeder Staat unvermeidlich Klassencharakter tragen muß, solange nicht die Teilung der Gesellschaft in Klassen und zugleich damit jede Staatsmacht aufgehoben ist. Der Sowjetstaat ist seinem ganzen We­sen nach darauf gerichtet, den Widerstand der Ausbeuter zu unter­drücken, und die Sowjetverfassung, die davon ausgeht, daß jede Freiheit Betrug ist, wenn sie der Befreiung der Arbeit vom Joch des Kapitals widerspricht, schrickt nicht davor zurück, den Ausbeutern die politischen Rechte zu entziehen. Die Aufgabe der Partei des Pro­letariats besteht darin, den Widerstand der Ausbeuter entschieden zu unterdrücken, die tief eingewurzelten Vorurteile über den absoluten Charakter der bürgerlichen Rechte und Freiheiten ideologisch zu be­kämpfen und zugleich klarzustellen, daß die Entziehung politischer Rechte und jegliche Freiheitsbeschränkungen nur als vorübergehende Maßnahmen notwendig sind, um den Versuchen der Ausbeuter, ihre Privilegien zu behaupten oder wiederherzustellen, entgegenzutreten. In dem Maße, wie die objektive Möglichkeit der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen verschwindet, wird auch die Not­wendigkeit dieser vorübergehenden Maßnahmen verschwinden, wird die Partei deren Einschränkung und völlige Aufhebung anstreben.

3. Die bürgerliche Demokratie beschränkte sich darauf, die politi­schen Rechte und Freiheiten, wie das Versammlungs-, das Koaliti­ons- und das Presserecht, formal auf alle Staatsbürger gleichermaßen auszudehnen. In Wirklichkeit aber machte es sowohl die administra­tive Praxis als auch vor allem die ökonomische Sklaverei der Werk­tätigen letzteren unter der bürgerlichen Demokratie stets unmöglich, sich der Rechte und Freiheiten einigermaßen umfassend zu bedienen.

Umgekehrt gewährt die proletarische Demokratie die Rechte und Freiheiten, anstatt sie nur formal zu verkünden, faktisch vor allem und am meisten gerade jenen Klassen der Bevölkerung, die vom Kapitalismus unterdrückt waren, d. h. dem Proletariat und der Bau­ernschaft. Zu diesem Zweck expropriiert die Sowjetmacht von der Bourgeoisie Räumlichkeiten, Druckereien, Papierlager usw., die sie den Werktätigen und deren Organisationen zur vollen Verfügung stellt.

Aufgabe der KPR ist es, immer breitere Massen der werktätigen Bevölkerung dazu heranzuziehen, von den demokratischen Rechten und Freiheiten Gebrauch zu machen und größere materielle Mög­lichkeiten` hierfür zu schaffen.

4. Die bürgerliche Demokratie proklamierte jahrhundertelang die Gleichheit der Menschen, unabhängig von Geschlecht, Religion, Rasse und Nationalität, aber der Kapitalismus gestattete es nirgends, diese Gleichberechtigung tatsächlich zu verwirklichen, und führte in seinem imperialistischen Stadium zur äußersten Verschärfung der Rassenverfolgung und der nationalen Unterdrückung. Nur weil die Sowjetmacht die Macht der Werktätigen ist, vermochte sie diese Gleichberechtigung zum erstenmal in der Welt konsequent und in allen Sphären des Lebens bis zur vollständigen Überwindung der letzten Spuren der Ungleichheit der Frau auf dem Gebiet des Ehe­rechts und überhaupt des Familienrechts zu verwirklichen. Aufgabe der Partei ist gegenwärtig vorwiegend die ideologische und erziehe­rische Arbeit, um alle Spuren der früheren Ungleichheit bzw. der Voreingenommenheit, besonders unter den zurückgebliebenen Schichten des Proletariats und der Bauernschaft, konsequent zu til­gen.

Die Partei, die sich nicht auf die formale Gleichberechtigung der Frauen beschränkt, ist bestrebt, die Frauen von den materiellen La­sten der veralteten Hauswirtschaft zu befreien, indem sie an deren Stelle Hauskommunen, öffentliche Speisehäuser, zentrale Wäsche­reien, Kinderkrippen usw. setzt.

5. Indem die Sowjetmacht den werktätigen Massen unvergleichlich größere Möglichkeiten gewährt als unter der bürgerlichen Demokra­tie und dem Parlamentarismus, die Deputierten in der für die Arbei­ter und Bauern einfachsten und faßlichsten Weise zu wählen und abzuberufen, beseitigt sie zugleich die negativen Seiten des Parla­mentarismus, besonders die Trennung von legislativer und exekuti­ver Gewalt, die Losgelöstheit der Vertretungskörperschaften von den Massen usw.

Der Sowjetstaat bringt den Staatsapparat auch dadurch den Massen näher, daß zur Wahleinheit und zur Grundzelle des Staates nicht der territoriale Bezirk, sondern die Produktionseinheit (Werk, Fabrik) wird.

Die Aufgabe der Partei besteht darin, die gesamte Arbeit in dieser Richtung fortzuführen und die weitere Annäherung der Machtorgane an die werktätigen Massen auf dem Boden einer immer exakteren und vollständigeren Verwirklichung des Demokratismus durch diese Massen in der Praxis, besonders aber durch die Anwendung der Ver­antwortlichkeit und Rechenschaftspflicht der beamteten Personen, anzustreben.

6. Während die bürgerliche Demokratie ihren Erklärungen zuwider das Heer zu einem Instrument der besitzenden Klassen machte, es von den werktätigen Massen trennte und ihnen entgegenstellte, wäh­rend sie den Soldaten die Möglichkeit der Ausübung ihrer politi­schen Rechte nahm oder erschwerte, schließt der Sowjetstaat in sei­nen Organen, in den Sowjets, die Arbeiter und Soldaten auf dem Boden ihrer völligen rechtlichen Gleichstellung und der Einheit ihrer Interessen zusammen. Es ist Aufgabe der Partei, diese Einheit der Arbeiter und Soldaten in den Sowjets zu wahren und weiterzuent­wickeln und die unlösliche Verbindung zwischen der bewaffneten Macht und den Organisationen des Proletariats und des Halbproleta­riats zu festigen.

7. Die führende Rolle, die das städtische Industrieproletariat als der am stärksten konzentrierte, vereinigte, aufgeklärte und im Kampfe gestählte Teil der werktätigen Massen während der gesamten Revo­lution spielte, offenbarte sich sowohl bei der Entstehung der Sowjets selbst als auch im gesamten Verlauf ihrer Entwicklung zu Organen der Macht. Das widerspiegelte unsere Sowjetverfassung, indem sie dem Industrieproletariat im Vergleich zu den zersplitterten kleinbür­gerlichen Massen auf dem Lande einen gewissen Vorrang einräumte.

Die KPR, die den zeitweiligen Charakter dieses historisch mit den Schwierigkeiten der sozialistischen Organisation des Dorfes ver­knüpften Vorrangs betont, muß danach streben, diese Stellung des Industrieproletariats unablässig und systematisch zu nutzen, um ent­gegen den zünftlerischen und engen Berufsinteressen, die der Kapita­lismus unter den Arbeitern züchtete, die besonders rückständigen und zersplitterten Massen ländlicher Proletarier und Halbproletarier sowie der Mittelbauernschaft enger um die fortgeschrittenen Arbeiter zusammenzuschließen.

8. Nur dank der sowjetischen Staatsorganisation konnte die Revo­lution des Proletariats den alten, bürgerlichen Staatsapparat, den Apparat der Beamten und Richter, mit einem Schlage zertrümmern und bis auf die Grundfesten zerstören. Das mangelhafte Kulturniveau der breiten Massen, das Fehlen der erforderlichen Verwaltungspraxis bei den von den Massen auf verantwortliche Posten gestellten Funk­tionären, die Notwendigkeit, unter den schwierigen Bedingungen schnell Spezialisten der alten Schule heranzuziehen und die entwic­keltste Schicht der städtischen Arbeiter für die Militärarbeit einzuset­zen, hatte jedoch zur Folge, daß der Bürokratismus innerhalb der Sowjetordnung teilweise wiederauflebte.

Die KPR, die den Bürokratismus auf das entschiedenste bekämpft, tritt für folgende Maßnahmen zur völligen Überwindung dieses Übels ein:

1) Jedem Mitglied eines Sowjets ist unbedingt eine bestimmte Ar­beit auf dem Gebiet der Staatsverwaltung zu übertragen.

2) Diese Arbeiten sind nacheinander zu wechseln, so daß sie all­mählich alle Verwaltungszweige erfassen.

3) Die ganze werktätige Bevölkerung ist ohne jede Ausnahme all­mählich zur Arbeit auf dem Gebiet der Verwaltung des Staates he­ranzuziehen.

Die vollständige und allseitige Durchführung aller dieser Maß­nahmen, die einen weiteren Schritt auf dem von der Pariser Kommu­ne eingeschlagenen Wege darstellen, sowie die Vereinfachung der Verwaltungsfunktionen bei Hebung des Kulturniveaus der Werktäti­gen führen zur Aufhebung der Staatsmacht.

Auf dem Gebiet der nationalen Beziehungen

9. In der nationalen Frage läßt sich die KPR von folgenden Grund­sätzen leiten:

1) Im Vordergrund steht die Politik der Annäherung der Proletarier und Halbproletarier der verschiedenen Nationalitäten zum gemein­samen revolutionären Kampf für den Sturz der Gutsbesitzer und der Bourgeoisie.

2) Um das Mißtrauen der werktätigen Massen der unterdrückten Länder gegenüber dem Proletariat der Staaten, die diese Länder un­terdrückt haben, zu überwinden, ist die Aufhebung jedweder Privile­gien für jegliche nationale Gruppe, die völlige Gleichberechtigung der Nationen, die Anerkennung des Rechts der Kolonien und nicht­gleichberechtigten Nationen auf staatliche Lostrennung notwendig.

3) Zu diesem Zweck empfiehlt die Partei als eine Übergangsform auf dem Wege zur völligen Einheit die föderative Vereinigung der nach dem Sowjettypus organisierten Staaten. 4) In der Frage, wer Träger des auf die Lostrennung gerichteten Willens der Nation ist, steht die KPR auf einem historisch und klas­senmäßig bedingten Standpunkt, sie berücksichtigt, auf welcher ge­schichtlichen Entwicklungsstufe die betreffende Nation steht: ob sie sich auf dem Wege vom Mittelalter zur bürgerlichen Demokratie befindet oder von der bürgerlichen Demokratie zur Sowjet- oder proletarischen Demokratie usw.

Jedenfalls ist seitens des Proletariats der Nationen, die Unterdrüc­kernationen waren, besondere Behutsamkeit und besondere Auf­merksamkeit hinsichtlich der Überreste des Nationalgefühls bei den werktätigen Massen der unterdrückten oder nichtgleichberechtigten Nationen geboten. Nur eine solche Politik ermöglicht es, die Voraus­setzungen für eine wirklich dauerhafte, freiwillige Einheit der in nationaler Hinsicht verschiedenartigen Elemente des internationalen Proletariats zu schaffen, wie das die Erfahrung der Vereinigung einer Reihe nationaler Sowjetrepubliken um Sowjetrußland bewiesen hat.

Auf dem Gebiet der Militärarbeit

10. Auf dem Gebiet der Militärarbeit werden die Aufgaben der Partei durch folgende Hauptgrundsätze bestimmt:

1) In der Epoche der Zersetzung des Imperialismus und des sich ausdehnenden Bürgerkriegs ist weder die Beibehaltung der alten Armee noch der Aufbau einer neuen Armee auf einer sogenannten nicht klassengebundenen oder gesamtnationalen Grundlage möglich. Die Rote Armee als Instrument der proletarischen Diktatur muß not­wendigerweise direkten Klassencharakter tragen, d. h., sie muß sich ausschließlich aus dem Proletariat und den ihm nahestehenden halb­proletarischen Schichten der Bauernschaft rekrutieren. Erst im Zu­sammenhang mit der Aufhebung der Klassen wird eine solche Klas­senarmee zu einer sozialistischen Volksmiliz werden.

2) Es ist notwendig, allen Proletariern und Halbproletariern eine sehr gründliche militärische Ausbildung zu geben und die entspre­chenden Unterrichtsfächer in der Schule einzuführen.

3) Die militärische Ausbildung und Erziehung der Roten Armee vollzieht sich auf der Grundlage des klassenmäßigen Zusammen­schlusses und der sozialistischen Aufklärung. Darum werden neben den militärischen Befehlshabern zuverlässige und selbstlose Kom­munisten als politische Kommissare gebraucht, darum müssen in .jedem Truppenteil kommunistische Zellen geschaffen werden, um den inneren ideologischen Zusammenhalt und eine bewußte Diszi­plin herzustellen.

4) Im Gegensatz zur Organisation in der alten Armee ist erforder­lich: eine möglichst kurze rein kasernenmäßige Ausbildung, Annähe­rung der Kasernen an den Typus der militärischen und militärisch­politischen Schulen, eine möglichst enge Verbindung der militäri­schen Formationen mit den Fabriken, Werken, Gewerkschaften und Organisationen der Dorfarmut.

5) Die notwendige organisatorische Verbindung und die Stabilität können der jungen revolutionären Armee nur mit Hilfe eines Offi­zierskorps verliehen werden, das sich - in der ersten Zeit zumindest auf der unteren Ebene - aus bewußten Arbeitern und Bauern zusam­mensetzt. Daher ist es eine der wichtigsten Aufgaben bei der Schaf­fung der Armee, die fähigsten, aktivsten und der Sache des Sozialis­mus ergebenen Soldaten für die Übernahme von Kommandeurfunk­tionen heranzubilden.

6) Es ist notwendig, die operativen und technischen Erfahrungen des letzten Weltkrieges weitestgehend auszunutzen und anzuwenden. Im Zusammenhang damit müssen die Militärfachleute, die die Schu­le der alten Armee durchlaufen haben, in breitem Maße zur Organi­sierung der Armee und deren operativer Leitung herangezogen wer­den. Eine notwendige Voraussetzung hierfür ist wiederum, daß die politische Leitung der Armee und die umfassende Kontrolle über das Offizierskorps in den Händen der Arbeiterklasse konzentriert ist.

7) Die Forderung der Wählbarkeit des Offizierskorps, die von ge­waltiger prinzipieller Bedeutung war in bezug auf die bürgerliche Armee, in der das Offizierskorps als Apparat zur klassenmäßigen Unterordnung der Soldaten - und durch die Soldaten auch zur klas­senmäßigen Unterordnung der werktätigen Massen - ausgewählt und herangebildet wurde, verliert in bezug auf die Rote Armee, die Klassenarmee der Arbeiter und Bauern, vollkommen ihre prinzipielle Bedeutung. Eine mögliche Kombinierung von Wählbarkeit und Er­nennung wird für die revolutionäre Klassenarmee ausschließlich von praktischen Erwägungen bestimmt und hängt ab von dem erreichten Niveau der Formierung, dem Grad der Geschlossenheit der Truppen­teile, dem Vorhandensein von Kommandeurkadern und so weiter.

Auf dem Gebiet des Gerichtswesens

11. Nachdem die proletarische Demokratie die ganze Macht in ihre Hände genommen und die Organe der bürgerlichen Herrschaft - die Gerichte alter Struktur - restlos beseitigt hat, hat sie an die Stelle der Formel der bürgerlichen Demokratie „Wahl der Richter durch das Volk" die Klassenlosung „Wahl der Richter aus der Mitte der Werk­tätigen nur durch die Werktätigen" gesetzt und sie in der ganzen Organisation des Gerichtswesens verwirklicht, wobei sie zugleich beide Geschlechter in allen Rechten, sowohl bei der Richterwahl als auch in der richterlichen Amtsausübung, gleichgestellt hat.

Um die breitesten Massen des Proletariats und der armen Bauern­schaft zur Ausübung der Rechtspflege heranzuziehen, wurde die Teilnahme ständig wechselnder Schöffen bei Gerichtsverhandlungen eingeführt, wobei zur Aufstellung der Schöffenlisten die Massenor­ganisationen der Arbeiter, die Gewerkschaften usw., herangezogen werden.

Dadurch, daß die Sowjetmacht an Stelle der vielen verschiedenar­tigsten früheren Gerichte mit ihren unzähligen Instanzen ein einheit­liches Volksgericht geschaffen hat, hat sie das Gerichtswesen verein­facht, es der Bevölkerung unbeschränkt zugänglich gemacht und jeglichen Bürokratismus bei der Prozeßführung beseitigt.

Nachdem die Sowjetmacht die Gesetze der gestürzten Regierungen aufgehoben hatte, übertrug sie den Richtern, die von den Sowjets gewählt werden, die Aufgabe, dem Willen des Proletariats Geltung zu verschaffen durch Anwendung seiner Dekrete und, wenn solche Dekrete fehlen oder unvollständig sind, sich vom sozialistischen Rechtsbewußtsein leiten zu lassen.

Auf dem Gebiet des Strafwesens haben die auf diese Weise organi­sierten Gerichte bereits eine grundlegende Veränderung des Straf­charakters herbeigeführt, indem sie in breitem Maße bedingte Verur­teilung in Anwendung bringen, den öffentlichen Tadel als Strafmaß­nahme eingeführt, an Stelle des Freiheitsentzuges Pflichtarbeit unter Belassung der Freiheit gesetzt, Gefängnisse durch Erziehungsein­richtungen ersetzt und die Anwendung der Praxis von Kamerad­schaftsgerichten ermöglicht haben.

Die KPR vertritt die Ansicht, daß die Entwicklung des Gerichtswe­sens auf diesem Wege weitergeführt werden soll, und muß danach streben, daß die gesamte werktätige Bevölkerung ohne jede Aus­nahme zur richterlichen Amtsausübung herangezogen wird und daß das Strafsystem endgültig durch ein System von Maßnahmen erzie­herischen Charakters ersetzt wird.

Auf dem Gebiet der Volksbildung

12. Auf dem Gebiet der Volksbildung macht es sich die KPR zur Aufgabe, das mit der Oktoberrevolution von 1917 begonnene Werk zu Ende zu führen, das heißt aus der Schule, dem Werkzeug der Klassenherrschaft der Bourgeoisie, ein Werkzeug zur völligen Auf­hebung der Klassenteilung der Gesellschaft, ein Werkzeug zur kom­munistischen Umgestaltung der Gesellschaft zu machen.

In der Periode der Diktatur des Proletariats, d. h. in der Periode, in der die Voraussetzungen für die volle Verwirklichung des Kommu­nismus geschaffen werden, soll die Schule nicht nur die Prinzipien des Kommunismus im allgemeinen vermitteln, sondern sie muß auch dem ideologischen, organisatorischen und erzieherischen Einfluß des Proletariats auf die halbproletarischen und nichtproletarischen Schichten der werktätigen Massen Geltung verschaffen, um eine Generation zu erziehen, die fähig ist, den Kommunismus endgültig zu errichten. Die nächste Aufgabe auf diesem Wege ist gegenwärtig die Weiterentwicklung folgender durch die Sowjetmacht bereits fest­gelegter Grundlagen des Schul- und Bildungswesens:

1) Gewährleistung einer unentgeltlichen und obligatorischen all­gemeinen und polytechnischen (theoretisch und praktisch die Grundlagen aller Hauptzweige der Produktion vermittelnden) Bildung für alle Kinder beiderlei Geschlechts bis zum 17. Lebensjahr.

2) Schaffung eines Netzes von Vorschuleinrichtungen: Kinderkrip­pen, Kindergärten, Kinderheime usw., zur Verbesserung der gesell­schaftlichen Erziehung und zur Befreiung der Frau.

3) Konsequente Verwirklichung der Prinzipien der einheitlichen Arbeitsschule, in der in der Muttersprache gelehrt wird und die Kin­der beiderlei Geschlechts gemeinsam unterrichtet werden, einer streng weltlichen, d. h. von jeglichem religiösem Einfluß freien Schule, die den Unterricht eng mit der gesellschaftlich produktiven Arbeit verbindet und allseitig entwickelte Mitglieder der kommuni­stischen Gesellschaft heranbildet.

4) Versorgung aller Schüler mit Nahrung, Kleidung, Schuhwerk und Lernmitteln auf Staatskosten.

5) Heranbildung neuer, auf dem Gebiet der Volksbildung tätiger Kader, die von den Ideen des Kommunismus durchdrungen sind.

6) Heranziehung der werktätigen Bevölkerung zur aktiven Mitwir­kung am Bildungswesen (Entwicklung der „Volksbildungsräte", Mobilisierung der Lese- und Schreibkundigen usw.).

7) Umfassende staatliche Hilfe beim Selbststudium und bei der selbständigen Fortbildung der Arbeiter und Bauern (Schaffung eines Netzes von Einrichtungen für außerschulische Bildung: Bibliothe­ken, Schulen für Erwachsene, Volkshäuser, Volkshochschulen, Lehrgänge, Vorlesungen, Kinos, Studios usw.).

8) Breite Entwicklung der Berufsausbildung für Personen über 17 Jahre in Verbindung mit allgemeinem polytechnischem Wissen.

9) Ermöglichung des Hochschulbesuchs in breitem Umfange für alle, die studieren möchten, und in erster Linie für Arbeiter; Heran­ziehung aller geeigneten Kräfte zur Lehrtätigkeit an der Hochschule; Beseitigung jeglicher künstlicher Schranken zwischen den neuen wissenschaftlichen Kräften und dem Lehrstuhl; materielle Sicherstel­lung der Studierenden, damit Proletarier und Bauern tatsächlich die Möglichkeit erhalten, die Hochschule zu besuchen.

10) Ebenso müssen den Werktätigen alle Kunstschätze erschlossen und zugänglich gemacht werden, die durch die Ausbeutung ihrer Arbeit geschaffen wurden und bislang ausschließlich den Ausbeutern zur Verfügung standen.

11) Breiteste Entfaltung der Propaganda kommunistischer Ideen und Nutzung des Apparats und der Mittel der Staatsmacht hierfür.

Auf dem Gebiet der religiösen Beziehungen

13. In bezug auf die Religion gibt sich die KPR nicht zufrieden mit der bereits dekretierten Trennung der Kirche vom Staat und der Schule von der Kirche, d. h. mit Maßregeln, die die bürgerliche De­mokratie in ihren Programmen verkündet, aber infolge der mannig­fachen tatsächlichen Verbindungen des Kapitals mit der religiösen Propaganda nirgends in der Welt zu Ende geführt hat.

Die KPR läßt sich von der Überzeugung leiten, daß nur eine plan­mäßige und bewußte Gestaltung der gesamten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Tätigkeit der Massen das völlige Absterben der reli­giösen Vorurteile bewirken wird. Die Partei erstrebt die vollständige Zerstörung der Verbindung zwischen den Ausbeuterklassen und der Organisation der religiösen Propaganda, sie fördert die faktische Befreiung der werktätigen Massen von den religiösen Vorurteilen und organisiert die umfassendste wissenschaftlich aufklärende und antireligiöse Propaganda. Dabei ist sorgfältig jede Verletzung der Gefühle der Gläubigen zu vermeiden, da sie lediglich zur Stärkung des religiösen Fanatismus führt.

Auf ökonomischem Gebiet

1. Die eingeleitete und im großen und ganzen bereits abgeschlos­sene Expropriation der Bourgeoisie, die Überführung der Produkti­ons- und Zirkulationsmittel in das Eigentum der Sowjetrepublik, d. h. in das Gemeineigentum aller Werktätigen, muß unablässig fort­gesetzt und zu Ende geführt werden. 2. Das Entscheidendste und Wesentlichste, das die gesamte Wirt­schaftspolitik der Sowjetmacht bestimmt, muß die maximale Ent­wicklung der Produktivkräfte des Landes sein. In Anbetracht der so überaus schweren Zerrüttung, in der sich das Land befindet, muß alles übrige dem praktischen Ziel - die Menge der für die Bevölke­rung wichtigsten Produkte unverzüglich und um jeden Preis zu ver­größern - untergeordnet werden. Der Erfolg der Arbeit jeder mit der Volkswirtschaft in Verbindung stehenden Sowjetinstitution ist an den praktischen Ergebnissen auf diesem Gebiet zu messen.

Hierbei muß in erster Linie auf folgendes geachtet werden:

3. Die Zersetzung der imperialistischen Wirtschaft hinterließ der ersten Periode des Sowjetaufbaus als Erbe ein gewisses Chaos in der Organisation und Leitung der Produktion. Um so dringlicher ist - als eine der grundlegenden Aufgaben - die maximale Zusammenfassung der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Landes entsprechend einem gesamtstaatlichen Plan; die höchste Zentralisierung der Pro­duktion im Sinne ihrer Vereinigung nach einzelnen Industriezweigen und Gruppen von Industriezweigen und ihrer Konzentration in den besten Produktionseinheiten sowie im Sinne einer raschen Lösung der wirtschaftlichen Aufgaben; beste Organisation des gesamten Produktionsapparates, rationelle und sparsame Verwendung aller materiellen Quellen des Landes.

Dabei muß für die Erweiterung der wirtschaftlichen Zusammenar­beit und der politischen Verbindungen mit anderen Völkern Sorge getragen und zugleich die Aufstellung eines einheitlichen Wirt­schaftsplans mit den Völkern angestrebt werden, die bereits zur So­wjetordnung übergegangen sind.

4. In bezug auf die Klein- und Kustarindustrie ist notwendig: brei­teste Ausnutzung derselben durch Erteilung staatlicher Aufträge an die Kustare; Einbeziehung der Kustar- und Kleinindustrie in den allgemeinen Plan für die Versorgung mit Roh- und Brennstoff und ihre finanzielle Unterstützung unter der Voraussetzung des Zusam­menschlusses der einzelnen Kustare, Kustarartels, Produktionsgenos­senschaften und Kleinbetriebe zu größeren Produktions- und Indu­strieeinheiten; Förderung derartiger Vereinigungen durch Gewäh­rung wirtschaftlicher Vergünstigungen, die neben anderen Maßnah­men darauf gerichtet sind, das Bestreben der Kustare, sich in Klein­industrielle zu verwandeln, zu paralysieren und einen schmerzlosen Übergang dieser rückständigen Produktionsformen zu einer höheren, auf Maschinenbetrieb beruhenden Großindustrie zu ermöglichen.

5. Der Organisationsapparat der vergesellschafteten Industrie muß sich in erster Linie auf die Gewerkschaften stützen. Sie müssen sich immer mehr von der zünftlerischen Enge befreien und zu großen Industrieverbänden werden, die die meisten und allmählich alle Werktätigen des betreffenden Produktionszweiges umfassen.

Die Gewerkschaften, die nach den Gesetzen der Sowjetrepublik und der üblichen Praxis in allen örtlichen und zentralen Organen der Verwaltung der Industrie vertreten sind, müssen erreichen, daß sich in ihren Händen tatsächlich die gesamte Leitung der ganzen Volks­wirtschaft als eines einheitlichen wirtschaftlichen Ganzen konzen­triert. Die Gewerkschaften, die auf diese Weise die unlösbare Ver­bindung zwischen der zentralen staatlichen Leitung, der Volkswirt­schaft und den breiten Massen der Werktätigen sichern, müssen diese Massen in breitestem Umfange in die unmittelbare Arbeit zur Wirt­schaftsführung einbeziehen. Die Teilnahme der Gewerkschaften an der Wirtschaftsführung und die durch die Gewerkschaften verwirk­lichte Heranziehung der breiten Massen zu dieser Tätigkeit sind zu­gleich auch das wichtigste Mittel im Kampf gegen die Bürokratisie­rung des Wirtschaftsapparats der Sowjetmacht und bieten die Mög­lichkeit, eine wirkliche Kontrolle des Volkes über die Produktionser­gebnisse zu organisieren.

6. Die für die planmäßige Entwicklung der Volkswirtschaft erfor­derliche maximale Ausnutzung der gesamten im Staate vorhandenen Arbeitskraft, deren richtige Verteilung und Neuverteilung sowohl auf die verschiedenen territorialen Gebiete als auch auf die verschiede­nen Zweige der Volkswirtschaft muß die nächste Aufgabe der Wirt­schaftspolitik der Sowjetmacht bilden, die diese nur in enger Verbin­dung mit den Gewerkschaften verwirklichen kann. Die Sowjetmacht muß unter Mitwirkung der Gewerkschaften weitaus umfassender und systematischer, als das bisher geschehen ist, ausnahmslos die gesam­te arbeitsfähige Bevölkerung für die Durchführung bestimmter ge­sellschaftlicher Arbeiten mobilisieren. 7. Angesichts des Zerfalls der kapitalistischen Arbeitsorganisation ist die Wiederherstellung und Entwicklung der Produktivkräfte des Landes sowie die Festigung der sozialistischen Produktionsweise nur möglich auf der Grundlage der kameradschaftlichen Disziplin der Werktätigen, ihrer maximalen Selbsttätigkeit, ihres Verantwortungs­bewußtseins und strengster gegenseitiger Kontrolle der Arbeitspro­duktivität.

Die Erreichung dieses Zieles erfordert eine beharrliche, systemati­sche Arbeit zur Umerziehung der Massen, die jetzt gerade dadurch erleichtert ist, daß die Massen die Beseitigung des Kapitalisten, des Gutsbesitzers und des Kaufmanns wirklich sehen und an Hand der eigenen praktischen Erfahrungen zu der Überzeugung gelangen, daß das Niveau ihres Wohlstandes ausschließlich von der Diszipliniert­heit ihrer eigenen Arbeit abhängt.

Bei dieser Arbeit zur Schaffung einer neuen, sozialistischen Diszi­plin fällt den Gewerkschaften die wichtigste Rolle zu. Um dieses Ziel zu verwirklichen, müssen sie die alte Schablone überwinden und in der Praxis mannigfaltige Maßnahmen anwenden und erproben, wie: Einführung der Rechenschaftslegung, Produktionsnormen, Ein­führung der Verantwortlichkeit vor besonderen Kameradschaftsge­richten der Arbeiter usw.

8. Eben diese Aufgabe der Entwicklung der Produktivkräfte erfor­dert die unverzügliche, weitgehende und allseitige Ausnutzung der uns vom Kapitalismus als Erbe hinterlassenen Spezialisten der Wis­senschaft und Technik, obwohl sie in den meisten Fällen naturgemäß von bürgerlichen Anschauungen und Gewohnheiten durchdrungen sind. Die Partei ist der Ansicht, daß die Periode des scharfen Kamp­fes gegen diese Schicht, die durch die von ihr organisierte Sabotage hervorgerufen war, zu Ende ist, da diese Sabotage im allgemeinen gebrochen ist. Die Partei muß in engem Bunde mit den Gewerk­schaftsverbänden ihre bisherige Linie weiter verfolgen: einerseits der betreffenden bürgerlichen Schicht nicht das geringste politische Zu­geständnis machen und jeden ihrer konterrevolutionären Anschläge schonungslos unterdrücken, anderseits aber ebenso schonungslos die scheinbar radikale, in Wirklichkeit aber von Unwissenheit zeugende Einbildung bekämpfen, als wären die Werktätigen imstande, den Ka­pitalismus und die bürgerliche Ordnung zu überwinden, ohne von den bürgerlichen Spezialisten zu lernen, ohne sie auszunutzen, ohne eine lange Schule der Arbeit an ihrer Seite zu durchlaufen.

Die Sowjetmacht strebt die gleiche Entlohnung für jede Arbeit und den vollendeten Kommunismus an, doch sie kann sich nicht die Auf­gabe stellen, diese Gleichheit im gegenwärtigen Augenblick, da le­diglich die ersten Schritte zum Übergang vom Kapitalismus zum Kommunismus getan werden, unverzüglich zu verwirklichen. Darum ist es notwendig, den Spezialisten für eine gewisse Zeit eine höhere Bezahlung zu belassen, damit sie nicht schlechter, sondern besser arbeiten als früher; und aus eben diesem Grunde kann auch nicht auf ein System von Prämien für die erfolgreichste Arbeit und besonders für organisatorische Arbeit verzichtet werden.

Genauso notwendig ist es, die bürgerlichen Spezialisten in eine Atmosphäre kameradschaftlicher, einträchtiger Zusammenarbeit mit der Masse der einfachen Arbeiter zu stellen, die von den bewußten Kommunisten geführt werden, und so das gegenseitige Verständnis und die Annäherung der durch den Kapitalismus entzweiten Handar­beiter und Geistesschaffenden zu fördern.

9. Die Sowjetmacht hat bereits eine ganze Reihe von Maßnahmen zur Entwicklung der Wissenschaft und zu deren Annäherung an die Produktion getroffen: die Schaffung eines ganzen Netzes von neuen Instituten für angewandte Wissenschaften, Laboratorien, Versuchs­stationen, Versuchsfertigungen zur Prüfung neuer technischer Me­thoden, Verbesserungen und Erfindungen, Erfassung und Organisie­rung aller wissenschaftlichen Kräfte und Mittel usw. Die KPR unter­stützt alle diese Maßnahmen und ist bestrebt, sie weiterzuentwickeln und günstigste Bedingungen für die wissenschaftliche Arbeit im Zusammenhang mit der Hebung der Produktivkräfte des Landes zu schaffen.

Auf dem Gebiet der Landwirtschaft

10. Nachdem die Sowjetmacht das Privateigentum am Grund und Boden völlig aufgehoben hat, ist sie bereits darangegangen, eine ganze Reihe von Maßnahmen in die Tat umzusetzen, die auf die Organisierung des sozialistischen Großbetriebs in der Landwirtschaft abzielen. Die wichtigsten dieser Maßnahmen sind:

1) die Einrichtung von Sowjetwirtschaften, d. h. von großen sozia­listischen Gütern;

2) die Unterstützung von Gesellschaften wie auch Genossenschaf­ten für gemeinschaftliche Bodenbestellung;

3) die Organisation staatlicher Bestellung aller brachliegenden Ländereien, wem immer sie gehören;

4) die staatliche Mobilisierung aller agronomischen Fachkräfte, um energische Maßnahmen zur Hebung der landwirtschaftlichen Kultur zu ergreifen;

5) die Unterstützung landwirtschaftlicher Kommunen als völlig freiwilliger Vereinigungen von Landwirten zur Führung eines ge­meinschaftlichen Großbetriebs.

Die KPR, die alle diese Maßnahmen als den einzigen Weg zu der absolut notwendigen Produktionssteigerung der landwirtschaftlichen Arbeit betrachtet, ist bestrebt, sie möglichst vollständig in die Tat umzusetzen, sie auf die rückständigeren Gebiete des Landes auszu­dehnen und weitere Schritte in dieser Richtung zu tun.

Insbesondere setzt sich die KPR ein:

1) für eine umfassende staatliche Unterstützung der landwirtschaft­lichen Genossenschaft, die landwirtschaftliche Produkte verarbeitet;

2) für ein breit angelegtes Meliorationssystem;

3) für eine umfassende und planmäßige Versorgung der armen und mittleren Bauernschaft mit Inventar durch Ausleihstellen.

In Anbetracht dessen, daß die bäuerliche Kleinwirtschaft noch lan­ge existieren wird, ist die KPR bestrebt, eine Reihe von Maßnahmen zur Hebung der Produktivität der bäuerlichen Wirtschaft durchzufüh­ren. Zu diesen Maßnahmen gehören:

1) Regelung der bäuerlichen Bodennutzung (Beseitigung der Streu­ländereien, der langen schmalen Flurstreifen usw.);

2) Versorgung der Bauern mit hochwertigem Saatgut und Kunst­dünger;

3) züchterische Verbesserung des Viehbestands der Bauern;

4) Verbreitung agronomischer Kenntnisse;

5) agronomische Hilfe für die Bauern;

6) Reparatur des landwirtschaftlichen Inventars der Bauern in staatlichen Reparaturwerkstätten;

7) Errichtung von Ausleihstellen und Versuchsstationen, Anlegung von Musterfeldern usw.;

8) Melioration der bäuerlichen Ländereien.

11. In Anbetracht dessen, daß der Gegensatz zwischen Stadt und Land eine der tiefsten Ursachen der wirtschaftlichen und kulturellen Rückständigkeit des Dorfes ist und in der Zeit einer so tiefgreifenden Krise wie der augenblicklichen sowohl die Stadt als auch das Land vor die unmittelbare Gefahr des Verfalls und des Untergangs stellt, sieht die KPR in der Aufhebung dieses Gegensatzes eine der Grund­aufgaben des kommunistischen Aufbaus, sie hält es daher neben den allgemeinen Maßnahmen für notwendig, in breitem Umfang und planmäßig Industriearbeiter zum kommunistischen Aufbau in der Landwirtschaft heranzuziehen, die Tätigkeit des von der Sowjet­macht zu diesem Zweck schon gegründeten staatlichen „Arbeiter­-Förderungskomitees" weiterzuentwickeln und dergleichen mehr.

12. In ihrer gesamten Arbeit im Dorf stützt sich die KPR nach wie vor auf die proletarischen und halbproletarischen Schichten des Dor­fes, sie organisiert vor allem diese zu einer selbständigen Kraft, in­dem sie Parteizellen im Dorf, Organisationen der Dorfarmut, einen besonderen Typus von Gewerkschaften der Proletarier und Halbpro­letarier des Dorfes usw. schafft, sie auf jede Weise an das städtische Proletariat heranführt und dem Einfluß der Dorfbourgeoisie und der Kleinbesitzerinteressen entreißt.

Gegenüber dem Kulakentum, der Dorfbourgeoisie, besteht die Po­litik der KPR in entschlossenem Kampf gegen ihre Ausbeutergelüste, in der Unterdrückung ihres Widerstands gegen die Sowjetpolitik. Gegenüber der Mittelbauernschaft besteht die Politik der KPR dar­in, sie allmählich und planmäßig in die sozialistische Aufbauarbeit einzubeziehen. Die Partei stellt sich die Aufgabe, sie von den Kula­ken zu lösen, sie durch aufmerksames Eingehen auf ihre Bedürfnisse auf die Seite der Arbeiterklasse zu ziehen, wobei sie ihre Rückstän­digkeit mit Mitteln der ideologischen Einwirkung und keinesfalls mit Unterdrückungsmaßnahmen bekämpft, in allen Fällen, die ihre Le­bensinteressen berühren, ein praktisches Übereinkommen mit ihr anstrebt und in der Wahl der Methoden zur Durchführung der sozia­listischen Umgestaltungen Zugeständnisse macht.

Auf dem Gebiet der Verteilung

13. Auf dem Gebiet der Verteilung besteht die Aufgabe der So­wjetmacht gegenwärtig darin, unentwegt daran weiterzuarbeiten, den Handel durch die planmäßige, im gesamtstaatlichen Maßstab organi­sierte Verteilung der Produkte zu ersetzen. Das Ziel ist, die gesamte Bevölkerung in einem einheitlichen Netz von Konsumkommunen zu organisieren, die in der Lage sind, bei strenger Zentralisierung des gesamten Verteilungsapparats, alle notwendigen Produkte so schnell, planmäßig und sparsam wie möglich und mit geringstem Ar­beitsaufwand zu verteilen.

Die Konsumkommunen und ihre Verbände müssen sich auf die be­stehende allgemeine und Arbeitergenossenschaft gründen, die die größte Konsumentenorganisation und der durch die Geschichte des Kapitalismus am besten vorbereitete Apparat für die Verteilung im Massenumfang ist.

Die KPR, die prinzipiell einzig und allein eine derartige weitere kommunistische Entwicklung des Genossenschaftsapparats, und nicht seine Verwerfung, für richtig hält, muß ihre Politik systema­tisch fortsetzen: sie muß alle Parteimitglieder verpflichten, in den Genossenschaften zu arbeiten, und diese, mit Hilfe auch der Gewerk­schaften, in kommunistischem Sinne anleiten; sie muß die Selbsttä­tigkeit und Disziplin der in den Genossenschaften zusammenge­schlossenen werktätigen Bevölkerung entwickeln und danach stre­ben, daß die ganze Bevölkerung von den Genossenschaften erfaßt wird und daß diese Genossenschaften zu einer von oben bis unten einheitlichen, die gesamte Sowjetrepublik umfassenden Genossen­schaft verschmelzen; schließlich, und das ist das wichtigste, muß sie dafür sorgen, daß der maßgebende Einfluß des Proletariats auf die übrigen Schichten der Werktätigen ständig gesichert ist und überall in der Praxis verschiedenartige Maßnahmen erprobt werden, die helfen, den Übergang von den kleinbürgerlichen Genossenschaften alten, kapitalistischen Typs zu den von den Proletariern und Halbpro­letariern geleiteten Konsumkommunen zu erleichtern und zu vollzie­hen.

Auf dem Gebiet des Geld- und Bankwesens

14. Die Sowjetmacht hat die Fehler der Pariser Kommune vermie­den und in Rußland sofort von der Staatsbank Besitz ergriffen, da­nach ist sie zur Nationalisierung der privaten Handelsbanken überge­gangen und hat die Vereinigung der nationalisierten Banken, der Sparkassen und der Schatzämter mit der Staatsbank in Angriff ge­nommen, wodurch sie das Gerüst einer einheitlichen Volksbank der Sowjetrepublik schuf und die Bank aus einem Zentrum der ökonomi­schen Herrschaft des Finanzkapitals und aus einem Werkzeug der politischen Herrschaft der Ausbeuter in ein Werkzeug der Arbeiter­macht und einen Hebel der wirtschaftlichen Umwälzung verwandel­te. Die KPR, deren Ziel es ist, die von der Sowjetmacht begonnene Arbeit weiter konsequent zu Ende zu führen, rückt folgende Grund­sätze in den Vordergrund:

1) Monopolisierung des gesamten Bankwesens in den Händen des Sowjetstaates ;

2) radikale Umgestaltung und Vereinfachung der Bankoperationen durch Umwandlung des Bankapparates in einen Apparat der einheit­lichen Erfassung und allgemeinen Rechnungsführung der Sowjetre­publik. Mit der fortschreitenden Organisierung der planmäßigen Volkswirtschaft wird dies dazu führen, daß die Bank abgeschafft und in eine zentrale Buchhaltung der kommunistischen Gesellschaft um­gewandelt wird. 15. In der ersten Zeit des Übergangs vom Kapitalismus zum Kom­munismus, solange die kommunistische Produktion und Verteilung der Produkte noch nicht restlos organisiert ist, ist die Abschaffung des Geldes unmöglich. Unter solchen Umständen nutzen die bürger­lichen Elemente der Bevölkerung die in Privatbesitz verbleibenden Banknoten nach wie vor zur Spekulation, zur Bereicherung und zur Ausplünderung der Werktätigen aus. Gestützt auf die Nationalisie­rung der Banken strebt die KPR die Durchführung einer Reihe von Maßnahmen an, die das Gebiet der geldlosen Verrechnung erweitern und die Abschaffung des Geldes vorbereiten: die obligatorische Hin­terlegung des Geldes in der Volksbank; die Einführung von Budget­büchern, die Ersetzung des Geldes durch Schecks, kurzfristige Be­rechtigungsscheine für Produkte usw.

Auf dem Gebiet der Finanzen

16. In der Epoche, in der die Vergesellschaftung der den Kapitali­sten enteigneten Produktionsmittel begonnen hat, hört die Staats­macht auf, ein parasitischer, über dem Produktionsprozeß stehender Apparat zu sein; sie beginnt, sich in eine Organisation, die unmittel­bar die Funktion der Leitung der Wirtschaft des Landes ausübt, zu verwandeln, und im selben Maße wird das Staatsbudget zum Budget der gesamten Volkswirtschaft als Ganzes.

Unter diesen Umständen ist eine Abstimmung der Einnahmen und Ausgaben nur bei einer richtigen Organisation der staatlichen plan­mäßigen Produktion und der Verteilung der Produkte zu verwirkli­chen. Was die Deckung der direkten staatlichen Ausgaben in der Übergangsepoche anbetrifft, so wird sich die KPR für den Übergang vom System der Zahlung von Kontributionen durch die Kapitalisten, das in der ersten Zeit der sozialistischen Revolution historisch not­wendig und gesetzlich war, zur progressiven Einkommens- und Ver­mögenssteuer eintreten. Sofern sich diese Steuer jedoch infolge der in breitem Umfange erfolgten Enteignung der besitzenden Klassen überlebt, müssen Staatsausgaben dadurch gedeckt werden, daß ein Teil der Einnahmen von verschiedenen Staatsmonopolen als Staats­einnahme verwandt wird.

Auf dem Gebiet des Wohnungswesens

17. Um die Wohnungsfrage zu lösen, die während des Krieges be­sonders akut geworden ist, hat die Sowjetmacht alle Häuser der kapi­talistischen Hausbesitzer restlos enteignet und sie den städtischen Sowjets übergeben; sie hat eine Massenumsiedlung der Arbeiter aus den Randgebieten in die Häuser der Bourgeoisie vorgenommen; sie hat die besten davon den Arbeiterorganisationen zur Verfügung ge­stellt und festgelegt, daß diese Gebäude auf Kosten des Staates in­stand gehalten werden; sie hat begonnen, die Arbeiterfamilien mit Möbeln usw. zu versorgen.

Die Aufgabe der KPR besteht darin, auf dem obengenannten Wege weiterzuschreiten und sich - ohne die Interessen der nichtkapitalisti­schen Hausbesitzer zu verletzen - mit allen Kräften einzusetzen für eine Verbesserung der Wohnverhältnisse der werktätigen Massen, für die Überwindung der zu engen Besiedlung sowie der gesund­heitswidrigen Zustände in den alten Stadtvierteln, für den Abriß nicht benutzbarer sowie den Umbau alter und die Errichtung neuer, den neuen Lebensbedingungen der Arbeiter entsprechender Wohnstätten, für eine rationelle Ansiedlung der Werktätigen.

Auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes und der Sozialfürsorge

Mit der Errichtung der Diktatur des Proletariats wurde zum ersten­mal die Möglichkeit geschaffen, das Minimalprogramm der soziali­stischen Parteien auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes restlos zu ver­wirklichen.

Die Sowjetmacht hat auf dem Wege der Gesetzgebung folgendes realisiert und im „Arbeitsgesetzbuch" festgelegt: Achtstundentag für alle Werktätigen als maximale Arbeitszeit, wobei für Personen unter 18 Jahren, für Personen, die in besonders gesundheitsschädlichen Produktionszweigen tätig sind, sowie für Bergarbeiter im Untertage­bau der Arbeitstag 6 Stunden nicht übersteigen darf; Gewährung einer wöchentlichen ununterbrochenen Ruhezeit von 42 Stunden für alle Werktätigen; Verbot von Überstundenarbeit als allgemeine Regel; Verbot der Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren; Verbot der Nachtarbeit und der Beschäftigung in beson­ders gesundheitsschädlichen Zweigen sowie Verbot von Überstun­denarbeit für alle Personen weiblichen Geschlechts und für Personen männlichen Geschlechts unter 18 Jahren; Freistellung der Frauen von der Arbeit für die Dauer von 8 Wochen vor und 8 Wochen nach der Niederkunft unter Fortzahlung des vollen Lohnes für diese gesamte Zeit bei unentgeltlicher ärztlicher Hilfe und Versorgung mit Arznei­mitteln, bei Gewährung - alle drei Stunden - einer Pause von minde­stens einer halben Stunde für die arbeitenden Frauen zum Stillen des Säuglings und einer zusätzlichen Beihilfe für stillende Mütter; Ar­beits- und Sanitätsinspektion, die von den Gewerkschaftsräten ge­wählt wird.

Die Sowjetmacht hat auf dem Wege der Gesetzgebung für alle Werktätigen, die keine fremde Arbeit ausbeuten, die volle Sozialver­sicherung für alle Arten des Verlustes der Arbeitsfähigkeit und - zum erstenmal in der Welt - für den Fall der Arbeitslosigkeit durch­geführt, und zwar auf Kosten der Arbeitgeber und des Staates, bei vollständiger Selbstverwaltung der Versicherten und weitgehender Mitwirkung der Gewerkschaften.

Mehr noch, die Sowjetmacht ist in mancher Beziehung über das Minimalprogramm hinausgegangen und hat in demselben „Arbeits­gesetzbuch" festgelegt: Teilnahme der Arbeiterorganisationen bei der Entscheidung über Einstellungen und Entlassungen; Urlaub von ei­nem Monat bei Fortzahlung des Lohnes für alle Werktätigen, die ununterbrochen mindestens ein Jahr gearbeitet haben; staatliche Re­gelung des Arbeitslohnes auf Grund von Tarifen, die von den Ge­werkschaften ausgearbeitet werden; Schaffung von bestimmten Or­ganen, und zwar von Abteilungen zur Verteilung und Erfassung der Arbeitskräfte bei den Sowjets und Gewerkschaften, die verpflichtet sind, Arbeitslosen Arbeit zuzuweisen.

Die durch den Krieg hervorgerufenen starken Verheerungen und der Ansturm des Weltimperialismus haben die Sowjetmacht jedoch gezwungen, folgende Abweichungen gelten zu lassen: in Ausnahme­fällen Überstundenarbeit zuzulassen, die auf 50 Tage im Jahr zu be­schränken ist; die Beschäftigung von Jugendlichen von 14 bis 16 Jahren zu gestatten bei Beschränkung ihres Arbeitstages auf 4 Stunden; vorübergehend an Stelle eines Urlaubes von einem Monat einen Urlaub von zwei Wochen zu gewähren; die Dauer der Nacht­arbeit auf 7 Stunden auszudehnen.

Die KPR muß eine umfangreiche Propaganda dafür betreiben, daß sich die Werktätigen selbst aktiv an der energischen Durchführung aller Maßnahmen auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes beteiligen, wozu erforderlich ist:

1) die Tätigkeit zur Organisierung und Erweiterung der Arbeitsin­spektion dadurch zu verstärken, daß aktive Mitarbeit aus der Mitte der Arbeiter selbst ausgewählt und hierfür ausgebildet werden und die Inspektion auf die Klein- und Hausindustrie ausgedehnt wird;

2) den Arbeitsschutz auf alle Arten der Arbeit (Bauarbeiter, Land­- und Wassertransportwesen, Hausangestellte und Landarbeiter) aus­zudehnen;

3) endgültig die Beschäftigung von Kindern abzuschaffen und die weitere Verkürzung des Arbeitstages für Jugendliche zu verwirkli­chen.

Außerdem muß sich die KPR die Aufgabe stellen:

1) im weiteren, bei allgemeiner Steigerung der Arbeitsproduktivi­tät, den Sechsstundentag als maximale Arbeitszeit einzuführen ohne Kürzung des Arbeitsentgelts, wobei die Werktätigen verpflichtet sind, darüber hinaus ohne besondere Vergütung zwei Stunden dem Studium der Theorie des Handwerks und der Produktion, der prakti­schen Erlernung der Technik der Staatsverwaltung und der Kriegs­kunst zu widmen;

2) Einführung eines stimulierenden Vergütungssystems für gestei­gerte Arbeitsproduktivität.

Auf dem Gebiet der Sozialfürsorge erstrebt die KPR die Organisie­rung einer umfassenden staatlichen Hilfe nicht nur für die Opfer des Krieges und die Opfer von Naturkatastrophen, sondern auch für die Opfer anormaler gesellschaftlicher Verhältnisse, führt sie einen ent­schiedenen Kampf gegen jegliche Art Parasitentum und Schmarotzerei und macht es sich zur Aufgabe, jeden, der aus den Geleisen des werktätigen Lebens geraten ist, wieder in dasselbe zurückzuführen.

Auf dem Gebiet des Schutzes der Volksgesundheit

Die Tätigkeit der KPR auf dem Gebiet des Schutzes der Volksge­sundheit beruht vor allem auf der Durchführung umfassender ge­sundheitsfördernder und hygienischer Maßnahmen, die die Verbrei­tung von Erkrankungen verhindern sollen. Die Diktatur des Proleta­riats hat bereits die Verwirklichung einer ganzen Reihe von gesund­heitsfördernden und Heilmaßnahmen ermöglicht, die im Rahmen der bürgerlichen Gesellschaft nicht durchführbar sind: Nationalisierung des Apothekenwesens, der großen im Privatbesitz befindlichen Heil­anstalten, der Kurorte, Arbeitspflicht der medizinischen Arbeitskräfte usw. Dementsprechend stellt sich die KPR als nächste Aufgabe:

1) konsequente Durchführung umfassender sanitärer Maßnahmen im Interesse der Werktätigen wie:

a) Sanierung der Ortschaften (Schutz des Bodens, des Wassers und der Luft);

b) Organisierung von Gemeinschaftsverpflegung auf wissenschaft­lich-hygienischer Grundlage;

c) Ergreifung vorbeugender Maßnahmen gegen die Entstehung und Verbreitung ansteckender Krankheiten;

d) Schaffung einer sanitären Gesetzgebung;

2) Bekämpfung sozialer Krankheiten (Tuberkulose, Geschlechts­krankheiten, Alkoholismus usw.);

3) Gewährleistung einer allgemein zugänglichen, unentgeltlichen und qualifizierten medizinischen Hilfe und Versorgung mit Arznei­mitteln.
 

Quelle: Boris Meissner: Das Parteiprogramm der KPdSU 1903-1961, Köln 1962, S.121-141