zurück Remember 1968
Weitere Ergänzungen zur Textsammlung Aufruhr & Revolte
 

 

Das ROTE WORT zur Sache - Von Genosse Mao Tse-tung
Der Revisionismus oder Rechtsopportunismus ist eine bürgerliche Strömung, er ist von noch größerer Gefährlichkeit als der Dogmatismus. Die Revisionisten oder Rechtsopportunisten geben ein Lippenbekenntnis /um Marxismus ab und greifen dabei auch den „Dogmatismus" an. Aber das. was sie angreifen, ist gerade das Fundamentalste am Marxismus."

Resolution des Republikanischen Clubs Nürnberg zur Intervention in der CSSR

Die Auffassungen /ur Intervention der fünf Warschauer-Pakt-Staatcn in der CSSR differieren in Westdeutschland stärker als in den anderen westeuropäischen Ländern. Daher ist es kein Zufall, daß eine Stellungnahme des RC erst sehr spät nach ausführlichen und harten Diskussionen erfolgen kann. In seiner Vollversammlung vom 5. September hat sich jedoch der RC mehrheitlich für eine Verurteilung der Intervention ausgesprochen. Eine Minderheit hielt die Intervention in der gegenwärtigen Situation für gerechtfertigt.

Diese Resolution ist daher ein erster Versuch zur Klärung der Position des RC zu der Intervention in der CSSR zu verstehen. Die praktischen Konsequenzen werden in vielen künftigen Diskussionen zu klären sein. Es hat sich herausgestellt, daß die Notwendigkeit des gemeinsamen Kampfes für eine demokratische Entwicklung der BRD und der Unterstützung revolutionärer sozialistischer Bewegungen nicht dazu führen darf, die theoretische und letztlich auch praktische Klärung des Standort des RC und einzelner Gruppen im RC zu verhindern. Bei seiner Verurteilung der Intervention läßt sich der RC von folgenden Überlegungen leiten:

1. Es ist nicht zu verurteilen, wenn die Konterrevolution mit allen Mitteln, auch militärischen bekämpft wird. Für das vietnamesische Volk beispielsweise ist zur Durchsetzung von Selbstbestimmung. Unabhängigkeit und für den ökonomischen und sozialen Aufbau nur der Kampf mit den Waffen gegen den US-Imperialismus möglich. Es ist auch der Sowjetunion zu konzstadieren. daß sie es im 1956 in der letzten Phase des ungarischen Aufstandes mit einer Konterrevolution zu tun hatte, nachdem die Phase der Bildung revolutionärer Räte in außenpolitische Neutralitätspolitik und innenpolitische Restauration abgerutscht war. Wenn die Warschauer-Pakt-Staaten zur Begründung ihrer Intervention sich auf das sozialistisch-internationalistische Prinzip der Bekämpfung der Konterrevolution berufen, dann wird versucht ihren politischen Maßnamen die Rationalität der Zielsetzung verbal zu unterschieben, selbst wenn der Zweck der Intervention damit lediglich verhüllt werden sollte. Dieses Urteil bedarf jedoch der ausfuhrlichen analytischen Begründung.

2. Die Inervention hat die Krise der sozialistischen Gesellschaften, nicht nur der CSSR. deutlich sichtbar werden lassen. Die 1956 begonnenen Entstalinisierungsversuche. die Wirtschaftsreformen. Liberalisierungstendenzen haben sich lediglich als Ausdruck tiefgreifender Strukturwandlungen innerhalb der sozialistischen Gesellschaften erwiesen, die bestehende Konflikte nicht gelöst, unter Umständen sogar verschärft haben. Die Notwendigkeit zu Wirtschaftsreformen aus volkswirtschaftlichen Effizienzerwägungen und die bürokratische Ablehnung jeder über die ökonomische Sphäre hinausgehenden gesellschaftlichen Wandlung in Richtung auf reale Produzentendemokratie, führen zu permanenten Konflikten zwischen bürokratische Herrschaftsansprüchen und der aus gesellschaftlichen und technologischen Gründen geforderten Befreiung des Menschen und der Gesellschaft von Mangel und Herrschaft. Diesen objektiven Tendenzen und dem sozialistischen Anspruch auf Befreiung wird in Osteuropa im wesentlichen durch Reformen in Wirtschaft und Gesellschaft Rechnung getragen, die durchgängig ins bürgerliche Fahrwasser geraten sind, weil von der gleichen Bürokratie, die jetzt bürgerliches Bewußtseinsformen geisselt und sogar zum Vorwand einer Intervention nimmt, die Herausbildung von Formen sozialistischer Demokratie und revolutionär-internationalistischem Bewustsein behindert wurde. Ökonomische Effizienzsteigerung. etwa ausgedrückt in dem Programm: „Einholen und überholen", als wichtigstes Rechtfertigungskriterium bürokratischer Machtausübung und Manipulation als Mittel der Herrschaftssicherung können bei den Menschen in den sozialistischen Ländern Bewußtseins- und Verhaltensformen sowie Bedürfnisstrukturen ausbilden, in die bürgerliche Elemente umso leichter ein/ließen können, da der Qualitative Unterschied zu kapitalistischen Gesellschaften in wichtigen Beziehungen nur dem Anspruch, nicht aber den realen Lebensformen nach existiert. Die ökonomischen Reformen können so lange nicht zu sozialistischen Formen von Produzenten- und Konsumentendemokratie führen, wie die ..Liberalisierung" lediglich in einer Stärkung des betrieblichen Managements gegenüber der Planzentrale besteht; so lange der politische Herrschaftsbereich weitgehend unverändert bleibt und so lange die Kluft zwischen Arbeitern und Intellektuellen nicht aufgehoben wird.

3. Es ist kein Zweifel, daß in der CSSR aus diesen Gründen bürgerliche Tendenzen an Stärke gewonnen haben und von vereinzelten Autoren sowohl eine forcierte Privatisierung sozialistischen Eigentums als auch im politischen Raum die Lizenzierung einer sozialdemokratischen Alternative zur KPC gefordert worden ist. Nimmt man noch die bürgerlich-liberalen Tendenzen in der kulturellen Szene und das Abgehen vom weltrevolutionären Prinzip in der Außenpolitik hinzu, dann sind tatsächlich regressive Tendenzen in der CSSR zu konstatieren. Dagegen anzukämpfen ist Recht und Pflicht jedes Sozialisten. Aber es kann den fünf Intervcntionsstaaten nicht zugestanden werden, dieses Recht mit Waffengewalt auszuführen, da erstens diese Staaten an den gleichen Mängeln bürgerlichen und liberalen Tendenzen oft in weit stärkerem und gefährlicherem Umfang als in der CSSR leiden, ohne das bisher als „Leiden" am eigenen gesellschaftlichen Leib festgestellt zu haben und das zweitens Sozialismus kein Exportprodukt ist. das wie im Imperialismus der Warenexport mittels Waffengewalt betrieben werden kann. Die Befreiung einer Gesellschaft von Revisionismus und bürgerlichen Bewustseinsformen kann nur das Werk dieser Gesellschaft selbst sein. Die Liberalisierungstendenzen weisen aber bei all ihrer Problematik auch positive Aspekte auf. Die CSSR trägt wie alle ändern osteuropäischen Länder die Muttermale sowohl der bürgerlich-kapitalistischen als auch der stalinistischen Vergangenheit. Liberalisierung kann daher nur mit bürgerlichen Elementen versetzt erfolgen. Der Weg osteuropäischer Gesellschaften aus der stalinistischen Phase in die revolutionär-sozialistischen Demokratie erfolgt somit nicht. Liberalisierung wird immer auch bürgerliche Vorstellungen über Eigentum. Markt und Plan. Parlamentarismus, Kultur produzieren, da gerade wegen der rigiden Politik kommunistischer Parteien während und nach der stalinistischen Phase bürgerliche Kategorien erst Attraktivität zu entfalten vermochten. Liberalisierung muß aber in dem Sinn positiv bewertet werden, als sie die Voraussetzung für eine jahrzehntelang verhinderte Diskussion über und zum Selbstverständnis der sozialistischen Gesellschaft und des sozialistischen Menschen darstellt.

4. Die permanente Tendenz zur Infragestellung der bürokratischen Macht nach innen durch die erwähnten technologischen und sozioökonomische Faktoren einerseits und die ebenso permanenten Versuche zur Herrschaftssicherung anderseits wirken sich als verdeckte und offene gesellschaftliche Konflikte aus. die. je größer die Widersprüche werden, mit immer schärferen Mitteln ausgetragen werden müssen, wenn nicht bürokratische und technokratische macht beseitigt oder zumindest unter effektive gesellschaftliche Kontrolle gebracht werden kann.

D
ie internen Widersprüche der sozialistischen Gesellschaften reproduzieren sich auf internationaler Ebene. An der Wiege des Sozialismus der osteuropäischen Staaten stand bereits ein beherrschendes Prinzip: das der nationalstaatlichen und nicht sozialistisch-internationalistischen Interessenpolitik der Sowjetunion. Als tragisch muß heute angesehen werden, daß kein osteuropäisches Land die sozialistische Revolution durch den politisch-militärischen Kampf mit der Bourgeosie errungen hat. sondern die sozialistische Revolution von der Roten Armee gebracht worden ist. Denn die einzig richtige Konsequenz aus dem erfolgreichen revolutionären Vorstoß der Roten Armee ist in den osteuropäischen Ländern und in der Sowjetunion nicht gezogen worden: die bewußtseinsbildende heroische Phase der sozialistischen Revolution dadurch nachzuholen, daß zusammen mit dem Alltagsleben des sozialistischen Aufbaus lurch produktive Arbeit eine kulturelle Revolution, die mit bürgerlichen Relikten hätte Schluß machen können, permanent durchgeführt worden wäre. Das tragische Moment ist heute dadurch verschärft, daß die osteuropäischen Länder zumindest bis 1956 nicht einen Block von Staaten, in dem sozialistischer Internationalismus herrschendes Prinzip var. bildeten, sondern eher einen „cordon sanitaire", mit dem sich die Sowjetunion umgeben hat - durchaus aus militärpolitischen und außenpolitischen unter nationalstaatlichem, nicht unter sozialistischem Aspekt. Die Orientierung der osteuropäischen Staaten auf die Sowjetunion hätte nur dann mit sozialistischer Politik kongruieren können, wenn die nationalstaatliche Politik der Sowjetunion zugleich sozialistisch-internationale Politik gewesen wäre. Zwar ist es richtig, daß die Sowjetunion objektiv einen wesentlichen Faktor für jede revolutionäre Strategie darstellt, da ohne die Sowjetunion sich weder die kubanische Revolution gegenüber dem US-Imperialismus hätte halten können noch der vietnamesische Befreiungskampf ohne die Waffenlieferungen der UDSSR hätte durchge-standen werden können. Anderseits hat die Sowjetunion seit Verkündung der „Trostlehre" (Eugen Varga) vom „Sozialismus in einem Lande" ihr Hauptanstrengungen darauf verwendet, die eigne, interne politisch-ökonomische Situation zu konsolidieren Damit \\wde die Erwartung verbunden, daß einerseits bereits das Beispiel des sozialistischen Aufbaus revolutionierend auf die Arbeiterschaft der kapitalistischen Länder wirke und andererseits die stärker werdende Sowjetunion im internationalen Kräfteparallelogramm eine entscheidenere Rolle spielen vermöge. Unterstützung der Sowjetunion durch die internationale Arbeiterbewegung war in diesem Konzept die wichtigste revolutionäre Aufgabe, die die Sowjetunion den kommunistischen Parteien zuwies. Ökonomische und militärische Machtentfaltung des Staates wurden zu Haupthebeln der Revolutionierung erklärt, nicht der soziale, revolutionäre Kampf der Arbeiterklasse in den imperialistischen Staaten selbst. Die Erhaltung des Status-Quo unter dem Banner der „friedlichen Koexistenz" wurde zur obersten Maxime sowjetischer Außenpolitik. Dabei hat schon Karl Marx 1853 Geschrieben: „Die Ohnmacht äußert sich in einem einzigen Satz: Aufrechthaltung des Status quo." Obendrein wurde bei der Orientierung auf den Aufbau des Sozialismus in der Sowjetunion völlig davon abstrahiert, daß Sozialismus in der gegenwärtigen Entwicklungsphase nicht durch nationalstaatliche Borniertheit und die Verbesserung des Lebensstandartes (wogegen gar nichts einzuwenden ist) aufgebaut werden kann, sondern nur durch antiimperialistischen Kampf, der sich auch im Bewußtsein der Menschen niederschlagen muß.

Die Orientierung der osteuropäischen Staaten auf die Sowjetunion führte in den einzelnen osteuropäischen Staaten zu dem fatalen Ergebnis, daß eine solche weder unter sozialistischem noch unter dem Gesichtspunkt der Vertretung nationaler Interessen seitens der osteuropäischen Staaten begründbare Politik auch die Herausbildung sozialistischer Bewußtseinsstruktureh und gesellschaftlicher Verhältnisse verzögerte, die beschleunigend für den sozialistischen Aufbau gewirkt hatten. Da jedoch die Einheit des Blocks sowohl zur Sicherung der weltpolitischen Positionen der UDSSR, zur Vertretung des Status-quo-Prinzips der friedlichen Koexistenz und vor allem auch zur Aufrechthaltung bürokratischer Machtentfaltung eine notwendige Voraussetzung ist, sollte leicht verständlich sein, weshalb die fünf Warschauer-Pakt-Staaten in der CSSR intervenierten: Die Möglichkeit freier Diskussion in der CSSR. die Unterstützung einer nationalstaatlich-selbständigen Außenpolitik durch breite Bevölkerungskreise, die Stärkung innerparteilicher Demokratie und daher die Verschlechterung der Möglichkeiten sowjetfreundlicher Manipulation durch die Parteispitze und die zur Orientierung am westlichen Weltmarkt tendierende Wirtschaftsstruktur stärkten die zentrifugalen Kräfte, gefährdeten die Basis sowjetischer Machtpolitik und der „friedlichen Koexistenz" und hätten vor allein in der Sowjetunion innerhalb des politischen Systems, der politischen Orientierung nach innen und außen solch sch\\ crvv iegende Veränderungen induziert, daß „das letzte Mittel", die militärische Intervention, zur Sicherung des Status-quo als einzig-adäquates Mittel erschien. Daß jedoch ein solches, mit allen sozialistisch-rationalen Prinzipien konfligierendes Mittel angewendet werden mußte, ist lediglich Ausdruck der objektiven Schwäche der sowjetischen Politik der friedlichen Koexistenz, ihrer Brüchigkeit in einer vom imperialistischen westlichen Staatenblock gezeichneten weltpolitischen Lage und zeigt auch an. daß bei dem gegenwärtigen Stand der Produktivkräfte die Sowjetbürokratie nurmehr durch irrationale Maßnahmen ihre Macht erhalten kann. d.h. daß die bürokratische Machtstruktur überlebt ist. Aber Verzweiflungsakte militärischer Machtentfaltung wenden sich letztlich gegen die Anwender selbst. Die Herrschenden in sozialistischen Gesellschaften können ihre soziale Macht nicht durch militärische Machtmittel sichern, im Gegenteil: sie beweisen damit lediglich wie schwach ihre soziale Basis geworden ist, daß sie zu militärischen Aktionen schreiten müssen. Die Reaktion der sozialistischen Kräfte in der kapitalistischen Welt, die Reaktion der tschechoslowakischen Bevölkerung, die Reaktion von Bevölkerungsteilen in den Interventionsstaaten haben offenbar gemacht, daß bürokratische Irrationalität nicht einfach ungefragt hingenommen wird. Darin kann die positive Seite der Intervention liegen: daß nämlich die Loslösung von einer offensichtlich falschen, gefährlichen Politik für Sozialisten leichter fallt und produktive Neubestimmung sozialistischer Theorie und Praxis zur absoluten Notwendigkeit werden. Die Intervention hat endgültig den Monopolanspruch der Sowjetunion auf sozialistische Politik zerstört.

5. Das Verhalten der tschechoslowakischen Bevölkerung zur Intervention hat den Vorwand der Abwehr einer drohenden Konterrevolution sogleich als Lüge entlarvt: Wenn ein ganzes Volk gegen die angeblich den Sozialismus verteidigenden Truppen Widerstand leistet, dann sind die Menschen entweder trotz 20jähriger sozialistischer Entwicklung nicht zu Sozialisten geworden, oder aber, wenn die Bevölkerung überwiegend, wenn auch rudimentär sozialistisch bewußt ist. dann sind diejenigen, die zur Verteidigung des Sozialismus bewußtlos (man hat den Truppen ja den Zweck der Intervention nicht mitgeteilt) intervenieren, keine Sozialisten. Die Irrationalität bürokratischer Macht hat mit der Intervention in der CSSR einen Scheinsieg über sozialistische Rationalität errungen. Es liegt an den Sozialisten und der gesamten Linken, der Rationalität zum Durchbruch zu verhelfen.

6. Daher besteht die Konsequenz für die westeuropäische Linke, also auch für die Linke in der BRD, darin, obsolet gewordene Theorien und Praktiken aufzuarbeiten, um einerseits jede falsche Front mit den reaktionären kalten Kriegern. den sozialdemokratischen Aposteln des dritten Wegs oder dem hämisch erfreuten Teil des Bürgertums zu vermeiden. Es ist klar geworden, daß die bisher eingenommene Position des Kampfes gegen den Imperialismus der Distanz zur offiziellen Politik der sozialistischen Staaten und zu denjenigen, die diese Politik zur Richtschnur ihrer Aktivitäten gemacht haben, richtig gewesen ist und auch weiterhin verfolgt werden muß. Dabei muß allen klar sein, daß zwischen der Intervention der Warschauer-Pakt-Staaten und dem Völkermord der USA am vietnamesischen Volk ein qualitativer Unterschied besteht. Es kann auch nur denjenigen das Recht zugestanden werden, die Sowjetunion zu kritisieren, die die US-Aggression gegen Vietnam bekämpfen. Rüder Antisowjetismus oder bornierter Antikommunismus wären die falschen Konsequenzen aus der Aufarbeitung der Intervention.

Quelle: APO-PRESS Sonderausgabe zu den Ereignissen in der CSSR vom 13. 9.1968, reprintet in:

Nachrichten aus der Provinz
1968
Die APO in Nürnberg

Texte der APO-Press und Pressenachrichten von und über die APO in Nürnberg

Hrg: Walter Bauer

Libresso Nürnberg 1998

 

Anmerkung: Dem RC Nürnberg gehörten damals u.a. an: Elmar Altvater, Robert Kurz, Arnhelm und Christel Neusüss.

nach oben