Die Algeriensolidarität der Kölner Jusos

Im Zuge der Kolonialpolitik des 19. Jahrhunderts hatte Frankreich die afrikanische Nordküste besetzt. Der Widerstand der dort lebenden Bevölkerung wurde von den Franzosen brutal niedergeschlagen. Im November 1954 begann die kurz vorher gegründete Front de Libération Nationale (FLN) einen erneuten Befreiungskampf, der von 1954 bis 1962 dauerte und zur Befreiung Algeriens führte. Der damalige französische Innenminister und Sozialist Francois Mitterand sagte zu Beginn des Befreiungskrieges: "Algerien ist und bleibt Frankreich." Die Rolle, der damaligen sozialistischen Partei Frankreichs, der SFIO, die den blutigen Kolonialkrieg unterstützte, war beschämend.

Die IV. Internationale mit ihren länderübergreifenden Verbindungen unterstützte den algerischen Befreiungskampf von Beginn an. Über ihre deutsche Sektion trug sie den politischen Kampf in die Öffentlichkeit. Was vor 1933 den Internationalisten der Arbeiterbewegung der spanische Kampf gegen Franco war, wurde den jüngeren Sozialisten die Algerienbefreiung. Aus dieser Solidarität enstand eine "ur- und frühgeschichtliche Schicht der Protestbewegung." (Karl Rössel)

In mehreren Städten - zumeist Universitätsstandorten - entstanden Gruppen zur Algeriensolidarität, zumeist beim SDS, den Naturfreunden, den Falken, der Gewerkschaftsjugend und den Jusos. Diese Frage stand in Köln zum ersten mal auf dem SPD-Kreisparteitag im Februar 1955 zur Diskussion, als sich ein Antrag des Distrikts Marienburg/Raderberg gegen die "verwerflichen Lockaktionen" der französischen Fremdenlegion aussprach. Der gesamte brutale Kampf gegen die FLN wurde fast ausschließlich durch die Fremdenlegion geführt, deren stärkster Anteil aus Deutschland kam. Die Jusos griffen sehr bald das Thema auf, auch weil die Kölner Gruppe der deutschen Sektion der IV. Internationale dieses Thema in die Organisation trug. In einer Flugblattaktion im Mai vor den Fabriktoren von KHD wehrten sich die Kölner Jusos gegen den Besuch einer französisch/spanischen Gewerkschaftsdelegation, deren Organisationen die Franzosen gegen Algerien unterstützten. Im November des nächsten Jahres gab es eine große Protestdemonstration der Kölner Studenten unter maßgeblicher Beteiligung des SDS u.a. gegen die französische Kolonialpolitik am Suezkanal mit über 5.000 Teilnehmern. Um diese Zeit kam auch der inzwischen zum Juso-Bezirksvorsitzenden gewählte Wischnewski mit diesem Thema in Berührung. In Köln bildete sich Ende 1956 / Anfang 1957 ein "Arbeitskreis der Freunde Algeriens". Dieser setzte große Hoffnung in die Kandidatur Wischnewskis bei der Bundestagswahl im September 1957, erwartete man doch, daß er sich unter Ausnutzung des Bundestagsmandats noch besser um die Algeriensolidarität kümmern könne. Oft fanden Gespräche von Vertretern der FLN mit der Kölner Linken über Solidaritätsaktionen bzw. konkrete Hilfe in der Wohnung Wischnewskis statt. Diese Hilfe sah ab Ende 1957/Anfang 1958 folgendermaßen aus:

In diesem Zusammenhang war es natürlich wichtig, über die SPD auf die politischen Gremien und Parlamente einzuwirken, um den algerischen Freiheitskampf politisch zu unterstützen. So wurde auf dem Kreisparteitag der Kölner SPD im März 1958 in Ehrenfeld ein Antrag zu Algerien einstimmig beschlossen, der dann zum kurz darauf folgenden SPD-Bezirksparteitag weitergeleitet und dort als Resolution gegen den brutalen Kolonialismus der französischen Außenpolitik verabschiedet wurde. Gleiches galt für den Kreisparteitag im März 1959, dessen Antrag sogar den Weg bis zum SPD-Bundesparteitag fand, wo er auch beschlossen wurde.

Aber die Jusos trugen die politische Diskussion auch direkt in die Öffentlichkeit. Ab 1. Mai 1958 gab es im Demonstrationszug des AJK immer Transparente mit Forderungen zur Algeriensolidarität. Aber auch in der Organisation mußten die Informationen vermittelt und Solidarität hergestellt werden, mehrere Mitgliederversammlungen, Wochenendseminare und Bezirkskonferenzen zeigen dies insbesondere von 1958 bis 1960, wie in den jährlichen Rechenschaftsberichten der Juso-Kreis- und Bezirksorganisation vermerkt ist. 1959 und 1960 wurde jeweils eine Nordafrikareise nach Marokko durchgeführt, wo Kölner Jusos mit den Befreiungskämpfern vor Ort in Kontakt kamen und Hilfslieferungen und Geldbeträge übergeben konnten.

Auf der Juso-Bezirkskonferenz im März 1958 lag ein Antrag der Kölner Jusos an die SPD und die Sozialistische Internationale vor, sich für das Verbot der Werbung für die Fremdenlegion einzusetzen und für die Abschaffung der Fremdenlegion. Außerdem wurde der Juso-Zentralausschuß aufgefordert, eine zentrale Hilfsaktion für die Opfer des algerischen Freiheitskampfes durchzuführen; falls dies keine Mehrheit finden sollte, würden die Jusos des Bezirks Mittelrhein zusammen mit der AWO und der SPD selbständig eine solche Aktion organisieren.

Eine wichtige Funktion zur Unterstützung der FLN hatte die ab September 1958 anfangs monatlich erscheinende Zeitung Freies Algerien, die bis April/Mai 1962 23mal erschien und offiziell vom Kölner "Arbeitskreis der Freunde Algeriens" unter Leitung Wischnewskis herausgegeben wurde. Als ihm die Sache zu heiß wurde, fungierte der Kölner Juso-Vorsitzende Herbert Fulfs als verantwortlicher Herausgeber, zum Schluß war es der Stadtverordnete und Alt-Linke Willi Perz. Die Auflage schwankte zwischen 3.000 und 6.000 Exemplaren, inhaltlich gestaltet wurde die Zeitung hauptsächlich von dem Trotzkisten Georg Jungclas.

Die Jusos, aber auch die Falken und die Naturfreunde in Köln entdeckten über die Algeriensolidarität den Internationalismus, der dann später in Aktionen für Angola, Kuba, Chile und Vietnam überleitete.

Edit. Angaben:
Bei dem Text handelt es sich um den Abschnitt 4.4. des Aufsatzes zur Geschichte der Kölner JUSOS: " Auferstanden aus Ruinen, Neugründung, Konsolidierung, Anpassung - Die Zeit von 1945 bis 1960", enthalten in: "...die treiben es ja auch zu weit." 75 Jahre Kölner Jusos - ein Sammelband

Er wurde gespiegelt von http://www.spw-rheinland.de/jl-archiv/75jahre/bilz.html