Vom Judenhass zum Antisemitismus
von Detlev Claussen
Das Staunen darüber, daß die Dinge, die
wir erleben, im zwanzigsten Jahrhundert noch möglich sind, ist kein
philosophisches. Es steht nicht am Anfang einer Erkenntnis, es sei denn
der, daß die Vorstellung von Geschichte, aus der es stammt, nicht zu
halten ist. Walter Benjamin *Geschichtsphilosophische Thesen (1940)
Die Barbarei existiert inmitten der Zivilisation. Auschwitz markiert den
äußersten Punkt in der Kette des Barbarischen, das aber nicht mit den
Konzentrationslagern verschwunden ist. Es lebt fort in der psychischen
Verfassung der Menschen ebenso wie in den gesellschaftlichen Bedingungen,
die kaltes Massentöten von Millionen friedlicher unbewaffneter Menschen
ermöglichten. Psychische Bedingungen der Individuen und gesellschaftliche
Bedingungen ergänzen einander; aber es hängt von den gesellschaftlichen
Bedingungen ab, daß die Menschen vom Antisemitismus nicht loskommen und
ihn affektiv besetzen. An dem nach Auschwitz fortlebenden Antisemitismus läßt
sich die fortwirkende Barbarei erkennen, an der Aufklärung ihre Grenzen
erfährt.(1)
Aufkläerung versprach einst, im 18. Jahrhundert, die Menschen aus ihren
Grenzen herauszuführen, ihnen eine kosmopolitische Welt zu eröffnen.
Judenhass galt damals als der Inbegriff finsteren Mittelalters, das man überwunden
glaubte. Aufklärung koppelte sich an den Fortschrittsbegriff, und das
europäische neunzehnte Jahrhundert wird geprägt durch die Vorstellung
vom Verschwinden des Überholten. Aber der Judenhass verschwindet nicht im
19. Jahrhundert, er transformiert sich zum modernen Antisemitismus.
Inhaltsleerer Fortschrittsglaube muß dazu herhalten, die Gegenwart des
Antisemitismus aus dem Bewußtsein der Menschen fernzuhalten.
Alltagsvorstellung vom Leben und wissenschaftliche Praxis decken sich in
der falschen Überzeugung: Antisemitismus hat es gegeben, aber gibt es
nicht mehr. Dieses moderne Durchschnittsbewußtsein identifiziert Judenhaß
mit Antisemitismus oder unterscheidet bloß formal zwischen christlichem
Mittelalter und säkularasierter Neuzeit.
Die Unterscheidung zwischen Judenhaß und Antisemitismus eröffnet aber
dem Erkennenden die Möglichkeit, sich vom naturwüchsigen Antisemitismus
zu befreien. Die stete Wiederkehr des Antisemitismus erzeugt den Schein
des "ewigen" Antisemitismus - aber dies ist ein falscher Schein.
Spätestens nach Auschwitz, hat man gemeint, sei es unmöglich, noch
Antisemit zu sein. Adorno und Horkheimer haben dies prägnant in ihrem
Schluesselwerk "Dialektik der Aufklaerung" ausgedrückt:
"Aber es gibt keine Antisemiten mehr."(2) A la lettre genommen,
können wir über diese Formulierung aus dem Jahre 1947 vierzig Jahre später
nur milde laecheln; aber es wird ein richtiger Gedanke angezeigt: Der
Antisemitismus, der zu Auschwitz führte, und der Antisemitismus nach
Auschwitz sind nicht identisch. Dieser Gedanke führt über das eng
abgesteckte Feld der Antisemitismusforschung hinaus: Antisemitismus ist
ein Moment im gesellschaftlichen Prozess, das nur künstlich zu isolieren
ist. Auf den gesellschaftlichen Zusammenhang kommt es an, in dem der
Antisemitismus erscheint. Dieser gesellschaftliche Zusammenhang läßt
sich nur erkennen, wenn man die geschichtlichen Unterschiede
herausarbeitet.
Die Rede vom "ewigen Antisemitismus" bedeutet nichts anderes als
eine intellektuell-politische Kapitulation vor dem Sachverhalt: Man
isoliert den Antisemitismus aus seinem jeweiligen
gesellschaftlich-geschichtlichen Kontext und verwandelt ihn in eine
anthropologische Konstante. Schnell folgt daraus der Kurzschluss auf
angebliche Nationalcharaktere, zu denen ein nationalspezifischer
Antisemitismus gehört. Die Rede von "Deutschen und Juden" macht
den Antisemitismus zu einer Angelegenheit von anthropologisch differenten
Personengruppen, ohne auf die gesellschaftlich-geschichtliche Bestimmung
der Individuen zu achten. Der moderne Antisemitismus ist zweifellos an den
Nationalismus gekoppelt, aber die Reduktion des Antisemitismus auf die
nationale Besonderheit gibt gerade der ideologischen Form nach, zu der
Nationalismus und Antisemitismus gehören. Das Gerede von der nationalen
Identitaet putzt nur die alte Ideologie auf; die Identifikation mit
nationalen Kollektiven wird für alle Beteiligten bestätigt. Über der
Freude "irgendwo dazuzugehören" wird vergessen, daß
Kollektivzugehörigkeit zunächst ein gesellschaftlicher Zwang ist. Der
gelbe Stern ist äußeres Zeichen für diesen Zwang. Die Kennzeichnung der
Juden als Juden im nationalsozialistischen Herrschaftsbereich ermöglichte
überhaupt erst ihre Erfassung und Vernichtung. Die Praxis, Individuen -
unabhängig davon, was sie tun und sagen - Kollektiven zuzuschlagen, ahmt
den gesellschaftlichen Zwang nach, statt ihn zu kritisieren. Es beruhigt
ungemein, Auschwitz als Folge des deutschen Nationalcharakters zu
begreifen und Traditionslinien durch die letzten tausend Jahre zu ziehen.
Aber diese anthropologische Formel verdeckt den wirklichen Zusammenhang
von modernem Antisemitismus und der Massenvernichtung wehrloser,
unbewaffneter Menschen. "Keineswegs ist der totalitäre
Antisemitismus ein spezifisch deutsches Phänomen. Versuche, ihn aus einer
so fragwürdigen Entität wie dem Nationalcharakter, dem armseligen Abhub
dessen, was einmal Volksgeist hieß, abzuleiten, verharmlosen das zu
begreifende Unbegreifliche. Das wissenschaftliche Bewusstsein darf sich
nicht dabei bescheiden, das Rätsel der antisemitischen Irrationalität
auf eine selber irrationale Formel zu bringen. Sondern das Rätsel
verlangt nach seiner gesellschaftlichen Auflösung, und die ist in der Sphäre
nationaler Besonderheiten unmöglich ."(3) Die falsche Auflösung des
antisemitischen Rätsels durch nationale Formeln beruht nicht allein auf
falschem Denken, sondern ist in der materiellen Realität begründet. Der
Triumph des totalen Klassenkampfes und Krieges, den die
Nationalsozialisten fuehrten, lebt in der Entsubstantialisierung der bürgerlichen
Gesellschaft nach. Die kosmopolitischen Ideale der Französischen
Revolution "Freiheit, Gleichheit und Brüederlichkeit" haben
sich in den Individuen nicht durchgesetzt, sondern diese klammerten sich
im Verlauf der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft an einen
illusionären Strohhalm: an die Nation, der sie sich scheinbar von Natur
zugehörig glaubten. In diesem Prozess zeigt sich, daß "Dialektik
der Aufklärung" mehr ist als ein Buchtitel. Die bürgerliche
Gesellschaft sollte, ihrem Begriff nach, die Menschen aus ihren naturwüchsigen
kollektiven Zusammenhängen herauslösen und individuieren. Die Individuen
hätten auf einem bestimmten geschichtlichen Stand die Fähigkeit erwerben
sollen, sich von der Macht der Vergangenheit zu emanzipieren und frei zu
handeln. Dieses Emanzipationsversprechen wird aber schon im 18.
Jahrhundert gekoppelt an die Verklaerung der bürgerlichen Gesellschaft
als einer natürlichen Beziehungsform der Individuen untereinander. Durch
die Französische Revolution ist überhaupt erst die französische Nation
als politische entstanden. In der vorbürgerlichen Gesellschaft verstand
man unter "Nation" hauptsächlich eine - die Juden. Die
Proklamation der Menschenrechte löst die Juden als Nation auf in die
konstituierte Französische Nation. Dieser Widerspruch drückt sich in den
berühmten Worten Clermont-Tonnerres während der Emanzipationsdebatte der
Nationalversammlung im Dezember 1789 aus: "Den Juden als Nation ist
alles zu verweigern, den Juden als Menschen ist alles zu gewaehren."(4)
Darin zeigt sich Verschränkung von Emanzipationsversprechen und
Assimilationszwang als Fortschritt von Freiheit und Unterdrückung. Diese
Dialektik durchzieht nicht nur die Geschichte der Großen Französischen
Revolution, sie bestimmt auch die Verwandlung des Judenhaß in
Antisemitismus. Dialektik der Aufklärung kennzeichnet also den Prozess
des Bewußtseins wie den der materiellen Realität.
Die widersprüchliche Struktur materieller Veränderungen und solchen des
bürgerlichen Bewußtseins schlägt sich in der wissenschaftlichen
Literatur der letzten zwei Jahrhunderte nieder - meist einseitig. Die große
Emanzipationsliteratur, angefangen mit dem aufgeklärten preußischen
Beamten Christian Wilhelm Dohm, macht Vorschläge, den traditionellen
Judenhaß gesellschaftlich aufzulösen. Die ungehemmte Entfaltung der bürgerlichen
Gesellschaft wird nach den Vorstellungen von Dohm, Mirabeau, Gregoire und
anderen die alten Vorurteile beseitigen. "Vorurteil" bedeutet in
dieser Literatur nicht bloß "falsche Meinung", sondern
Vorurteil bedeutet wesentlich die rechtliche und gesellschaftliche
Sonderstellung der Juden in der traditionellen Gesellschaft, deren häßlichster
Ausdruck das ummauerte Getto war. Der vom Kriegsrat Dohm gewählte Titel
seines 1781 erschienenen Buches kann durchaus als Programm genommen
werden: "Über die bürgerliche Verbesserung der Juden". Aus der
Perspektive des aufgeklärten Beamten erscheint die Masse der Juden als
Objekt - von Besserungsmaßnahmen, durchaus im doppeldeutigen Sinn. Aber
die Formulierung trifft ein wesentliches Verhältnis: Die bürgerliche
Emanzipation erreicht die Masse der europäischen Juden von außen - sie
werden zwangsemanzipiert.
Nach der Grossen Revolution sind in Frankreich die reaktionären
christlichen Argumente gegen jüdische Gleichberechtigung kaum noch zu hören,
obwohl sie in Deutschland bis in die sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts
nicht ganz verschwinden. Aber der Geist der neuen Zeit macht sich in der
Verwandlung des christlich begründeten Judenhasses in modern
antisemitische Argumentationen bemerkbar. Im Denken Fichtes, der zunächst
die Revolution verteidigt, erscheint ein neues geschichtliches Subjekt:
die Nation. Die deutschen Jakobiner hatten zur Beseitigung der
"herrschenden Vorurteile" - darunter wurde wesentlich die
Unterdrückung der Juden verstanden - aufgerufen (5); 1793 macht Fichte
aber eine erschreckende Wendung, die aus naturrechtlichem Geiste kommt:
"Von einem Volke, dessen Geringster seine Ahnen höher hinaufführt,
als wir andern alle unsere Geschichte, und in einem Emir, der älter ist,
als sie, seinen Stammvater sieht - eine Sage, die wir selbst unter unsere
Glaubensartikel aufgenommen haben; das in allen Völkern die Nachkommen
derer erblickt, welche sie aus ihrem schwärmerisch geliebten Vaterlande
vertrieben haben; das sich zu dem den Körper erschlaffenden, und den
Geist fuer jedes edle Gefühl tötenden Kleinhandel verdammt hat, und
verdammt wird; das durch das bindendste, was die Menschheit hat, durch
seine Religion, von unsern Mahlen, von unseren Freudenbecher, und von dem
süßen Tausche des Frohsinns ausgeschlossen ist; das bis in seinen
Pflichten und Rechten, und bis in der Seele des Allvaters uns andere alle
von sich absondert, - von so einem Volke sollte sich etwas anderes
erwarten lassen, als was wir sehen; daß in einem Staate, wo der unumschränkte
König mir meine väterliche Hütte nicht nehmen darf, und wo ich gegen
den allmächtigen Minister mein Recht halte, der erste Jude, dem es gefällt,
mich ausplündert."(6) Fichte versucht den der bürgerlichen
Gesellschaft inhärenten Widerspruch von politischer Freiheit und ökonomischer
Unterdrückung auf Kosten der Juden zu lösen. Menschenrecht solle man
ihnen gewähren, aber keine Bürgerrechte.
Diese Argumentation von Fichte verdient besondere Beachtung, weil sie
deutlich die Differenz von traditionellem Judenhass und modernem
Antisemitismus zeigt. In einer Fußnote versucht Fichte sich zu erklären.
Er weist jede religiöse Intoleranz von sich - keineswegs aus taktischen
Gruenden: "Ich will nicht etwa sagen, daß man die Juden um ihres
Glaubens willen verfolgen solle ."(7) Fichte stellt der
Emanzipationsliteratur und Aufklärung seine "Tatsachen"
gegenueber; der Idealist wird zum Positivisten: "Ich weiß, daß man
vor verschiedenen gelehrten Tribunalen eher die ganze Sittlichkeit, und
ihr heiligstes Produkt, die Religion, angreifen darf, als die jüdische
Nation. Denen sage ich, daß mich nie ein Jude betrog, weil ich mich nie
mit einem einließ, daß ich mehrmals Juden, die man neckte, mit eigener
Gefahr und zu eigenem Nachteil in Schutz genommen habe, daß also nicht
Privatanimosität aus mir redet. Was ich sage, halte ich für wahr; ich
sagte es so, weil ich das für nötig hielt: ich setze hinzu, daß mir das
Verfahren vieler neuerer Schriftsteller in Rücksicht der Juden sehr
folgewidrig scheint, und daß ich ein Recht zu haben glaube, zu sagen, was
und wie ich's denke. Wem das Gesagte nicht gefällt, der schimpfe nicht,
verleumde nicht, empfinde nicht, sondern widerlege obige
Tatsachen."(8)
In Fichtes Argumentation erscheint noch unverstellt das Kennzeichen des
modernen (bürgerlichen) Antisemitismus, das später durch die psychische
Abwehr der Antisemiten verschleiert wird: Indifferenz. Ausdrücklich weist
Fichte, "Privatanimositäet" von sich: Der Antisemitismus ist
abstrakt, der Judenhaß konkretistisch. Beim Judenhaß geht es ums
Totschlagen, brutal, mit Knüppeln und was dem Pogromisten gerade so in
die Hand fällt; der Fortschritt zum Antisemitismus bedeutet nicht weniger
Gewalt, sondern andere. Fichtes Argumentation bedarf der "Kälte, des
Grundprinzips der bürgerlichen Subjektivität, ohne das Auschwitz nicht möglich
gewesen wäere"(9). Adorno konstatiert eine menschliche Qualität,
durch die alle modernen Individuen geschlagen sind und die auch den
Schuldlosen mitschuldig macht: "Die Schuld des Lebens, das als pures
Faktum bereits andern Lebenden Atem raubt, einer Statistik gemäeß, die
eine überwältigende Zahl Ermordeter durch eine minimale Geretteter ergänzt,
wie wenn das von der Wahrscheinlichkeitsrechnung vorgesehen wäre, ist mit
dem Leben nicht mehr zu versöhnen. Jene Schuld reproduziert sich unablässig,
weil sie dem Bewußtsein in keinem Augenblick ganz gegenwärtig sein
kann."(10)
Der Ursprung bürgerlicher Subjektivitaet, wie wir ihn beim jungen Fichte
beobachten können, ist aber kein bloß subjektiver: Meinung tritt hier
zwar als Setzung auf, wird aber behauptet als Tatsache. Sie objektiviert
sich in der Trennung von Menschen- und Bürgerrechten. Die in der Meinung
latente Gewalttat wird manifest: "Menschenrechte müssen sie haben,
ob sie gleich uns dieselben nicht zugestehen; denn sie sind Menschen, und
ihre Ungerechtigkeit berechtigt uns nicht, ihnen gleich zu werden. Zwinge
keinen Juden wider seinen Willen, und leide nicht, daß es geschehe, wo du
der Nächste bist, der es hindern kann; das bist du ihm schlechterdings
schuldig. Wenn du gestern gegessen hast, und hungerst wieder, und hast nur
auf heute Brot, so gib's dem Juden, der neben dir hungert, wenn er gestern
nicht gegessen hat, und tust sehr wohl daran. - Aber ihnen Bürgerrechte
zu geben, dazu sehe ich wenigstens kein Mittel, als das, in einer Nacht
ihnen allen die Köpfe abzuschneiden, und andere aufzusetzen, in denen
auch nicht eine jüdische Idee sei. Um uns vor ihnen zu schützen, dazu
sehe ich wieder kein ander Mittel, als ihnen ihr gelobtes Land zu erobern
und sie alle dahin zu schicken."(11)
Normalerweise werden nur die letzten Zeilen zitiert, um Fichte dann als
Vorläufer der Nazis zu charakterisieren. Das Grauen wird aber erst durch
den Zusammenhang unerträglich: Die sittlichen Regeln, die im ersten
Absatz in aller Strenge und Rigidität betont werden, sind von der
Wirklichkeit der nationalsozialistischen Herrschaft um eine Welt entfernt:
Gerade als Menschen werden die Juden nicht behandelt, sondern - im
Nazi-Sprachgebrauch - "sonderbehandelt als Untermenschen", als
lebendige Dinge, über die die Herrenmenschen absolut verfügen. Fichte überträgt
die Spaltung, die im Unterschied von Menschen- und Bürgerrechten
erscheint, und der alle Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft faktisch
unterliegen, allein auf die Juden. Die Trennung von Menschen- und Bürgerrechten
reflektiert den zentralen Widerspruch der bürgerlichen Gesellschaft
selbst, den Fichte nicht durchschaut. Er spricht den Juden die Fähigkeit
zur Emanzipation ab - sie sind der Heteronomie verhaftet durch die Praxis
des Kleinhandels, und sie gelten darum als zur Autonomie des Staatsbürgers,
des Citoyen, unfähig. Der Widerspruch des bürgerlichen Menschen, Bürger
und Staatsbürger, Bourgeois und Citoyen in einer Person zu sein, wird von
Fichte projiiert auf die Juden. Nur den Juden wird der Widerspruch, dem
alle Subjekte der bürgerlichen Gesellschaft unterliegen, als unlösbarer
schuldhaft zugeschoben: im Verweis auf ihre traditionelle ökonomische
Praxis, auf Geld- und Warenhandel.
An Fichtes Argumentation kann man sehen, daß antisemitisches Meinen sich
nur gesellschaftlich begreifen läßt, nicht als Tatsachendiskussion über
die Juden. Undurchschaut bleibt bei Fichte der ökonomische Prozess, mit
dem er die Juden identifiziert. Die Heteronomie ökonomischer Prozesse
bedroht die Autonomie des selbstgesetzten Ichs. Die abstrakte Setzung
einer Identität schließt die Juden aus; der gesellschaftlich
emanzipative Inhalt weicht gegenüber der Autonomie des Subjekts zurück.
Fichtes Gesellschaftsschrift "Der geschlossene Handelsstaat"
macht aus der Not eine Tugend - die des absoluten Zwanges. Aus Fichtes
Argumentation sind nur die schieren, subjektivistischen Urteile ins
Arsenal des modernen Antisemitismus übergegangen. Fichte erscheint bloß
als verdammungswürdiger Halsabschneider, nicht aber als der Antisemit,
als der er zur Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft gehört - nicht
als Ausnahme, sondern als Normalfall. Die Forderung nach Menschenrechten für
die Juden bei gleichzeitigem Ausschluss von den Bürgerrechten erscheint
heute noch: in der scheinbar anti-antisemitischen Allerweltsaussage
"Die Juden sind doch auch Menschen".
Es sind die Widersprüche der bürgerlichen Gesellschaft, die im
antisemitischen Meinen ihren Ausdruck finden. Dieses Meinen ist latente
Gewalttat, wie wir aus Fichtes Argumentation wissen. Bei seinen
Nachfolgern wird aus der Argumentation die affektive Seite - der "süße"
Tausch des Frohsinns mit uns von "Herz zu Herzen" -
herausgebrochen und in einen "Brei des Herzens, der Freundschaft und
Begeisterung" verwandelt, wie Hegel seinen Kollegen Fries, als
"Heerführer dieser Seichtigkeit", kritisiert hat. (12) Eine
Literatur, die Emanzipation und Assimilation als Irrweg verdammt, hat eine
abschüssige Traditionslinie von Reformation über Aufklärung, deutschen
Idealismus, Marxismus bis zu Hitler und Himmler gezogen, die selber einer
irrationalen Formel gleicht. Der moderne Antisemitismus läßt sich aber
ohne die im gesellschaftlichen Leben wirksame Dialektik nicht erkennen.
Das trifft vor allem auf das monumentale Werk von Leon Poliakov
"Geschichte des Antisemitismus" zu, einer ungeheuren
Materialsammlung, aus der jüngere Autoren sich wie aus einem Steinbruch
bedienen. (13)
"Wohl sieht retrospektiv alles so aus, als hätte es so kommen müssen
und nicht anders sein können. Man wird unter den Berühmten der deutschen
Vergangenheit bis hinauf zu Kant und Goethe nur wenige nennen können, die
von judenfeindlichen Regungen ganz frei waren. Aber indem man auf solche
Universalität insistiert und die Fatalität des Geschehens im Begriff
nochmals wiederholt, macht man sie in gewissem Sinn sich selbst zu eigen.
Den Spuren des heraufdämmernden Verhängnisses in der deutschen
Vergangenheit ist allerorten auch deren Gegenteil gesellt, und die
Weisheit, ex post facto zu dekretieren, was von vornherein das Stärkere
gewesen sei, macht es sich allzu leicht, indem sie das Wirkliche als das
allein Moegliche unterstellt."(14)
Der moderne Antisemitismus resultiert aus mißglückter Emanzipation.
Gerade weil weder Toleranz noch Intoleranz bei der antisemitischen
Argumentation eine Rolle spielen, ist Fichtes Verteidigung der Französischen
Revolution so genau zu lesen: Begründend wirkt eine Fehlinterpretation
des gesellschaftlichen Prozesses. In den Juden wird der Inbegriff ökonomischer
Modernisierung gesehen - die Vorkehrung von persönlicher Gewalt in die
Gewalt der Sachen, die wesentliche Veränderung in jenem Prozeß, wird
zwar erfahren, aber nicht begriffen. Deswegen spricht Fichte von
"Ausplündern". Fichte verteidigt eine Revolution ohne ihren
gesellschaftlichen Inhalt; "Revolution" ohne Inhalt derart im
nationalen Rahmen zu sehen, heißt nicht anderes als chauvinistischen
Existenzkampf zu propagieren. Wo ein bestimmter Begriff der bürgerlichen
Gesellschaft fehlt, leistet der Begriff der Nation Ersatz. Der
gesellschaftliche Zusammenhang der Individuen erscheint als ein quasi natürlicher;
es geht dann nur mehr um Bestimmungen des "Volks". Auf diese
Weise konnte Fichte zum Ideologen der antinapoleonischen Befreiungskriege
werden. Der Kantianer Saul Ascher hat diesen Umschwung als Germanomie
bezeichnet. Fichte avancierte nicht zufällig zum Lieblingsphilosophen der
deutschen Romantik. "Der Judenhaß beginnt erst mit der romantischen
Schule (Freude am Mittelalter, Katholizismus, Adel, gesteigert durch die
Teutomanen - Ruehs -)" heisst eine fragmentarische Notiz in Heines
Nachlass. (15)
Wiederholung bedeutet nicht Identität. Freilich gibt es einen
Zusammenhang von traditionellem Judenhaß und modernem Antisemitismus.
Beide, Judenhass und Antisemitismus, besitzen eine gemeinsame Substanz: Haß
auf die nahen Fremden, die das Geheimnis des gesellschaftlich verweigerten
Ersehnten kennen. Es gibt nur eine in der europäischen Geschichte
identische Gruppe, auf die sich dieser Haß anwenden läßt: Das sind die
Juden. Die Interpretationen, die einen ewigen Antisemitismus am Werke
sehen, gehen fehl, weil sie die bestimmten Unterschiede nicht sehen
wollen. Judenfeindliche Tendenzen hat es zweifellos in der Antike gegeben,
und es hat solche Tendenzen im ersten christlichen Jahrtausend gegeben.
(16) Aber es läßt sich kein identisches System hinter den Unruhen in
Alexandria (38 nach christlicher Zeitrechnung) und den antijüdischen
Attacken der Kirchenväter entdecken, - wenn man nicht ein nationales
Modell mystifiziert, wie es in der zionistischen Literatur meist
geschieht. (17) Andere Autoren sprechen von den Juden als Minderheit (18),
- auch gegen die Absicht der Autoren verfälscht dieser Begriff der
Minderheit das Einzigartige des Phänomens. "Minderheit" sagt
nichts über die spezifische geschichtliche Konstellation, in welcher
Juden mit anderen Völkern in verschiedenen gesellschaftlichen Verhältnissen
lebten. Um diese wechselvollen gesellschaftlichen Beziehungen geht es
hier. Die seit dem Ausgang der Antike bis zur Säkularisierung in Europa
vorherrschende Interpretation der Welt entstammt wesentlich der jüdischen
Tradition und bekämpft sie zugleich: das nahe Fremde. Bissig hat das der
junge Marx mit seinem Freund Friedrich Engels formuliert: "Ein Dorn,
der mir - wie das Judentum der christlichen Welt - von der Stunde der
Geburt im Auge sitzt, sitzen bleibt, mit ihm wächst und sich gestaltet,
ist kein gewöhnlicher, sondern ein wunderbarer, ein zu meinem Auge gehöriger
Dorn, der sogar zu einer höchst originellen Entwicklung meines
Gesichtssinnes beitragen müßte."(19) Diesen christlich verzerrten
Gesichtssinn wollte die europäische Aufklärung korrigieren; aber es
gelang ihr nur in begrenztem Maße, weil die geschichtliche und
gesellschaftliche Dynamik, die diesen Sinn verzerrte, ihr verschlossen
blieb. Die Aufklärer blieben an einer Vorstellung unverzerrter
Kommunikation von großen Einzelnen hängen: Die überragende Rolle von
Moses Mendelssohn als Dialogpartner der gebildeten europäischen Spitze läßt
sich aus dieser Lage verstehen. Dem idealisierten Einzelnen, dem Weltbürger
als der Zielvorstellung des aufgeklärten Emanzipationsanspruchs
entspricht, als Kehrseite, die Verachtung der Masse. Der Individualitätsanspruch
wird universalisiert. Dieser weltbürgerliche Kosmopolitismus wird allen
späteren Nationalisten zum Greuel, denn damit wird die Vorherrschaft des
traditionalen wie des modernen Kollektivs in Frage gestellt. Gegenaufklärung
und Restauration, die auf Aufklärung und Emanzipation antworten, müssen
der gesellschaftlich bereits erfolgten Verweltlichung so weit Rechnung
tragen, daß traditionelle christliche Legitimationsfiguren in einen neuen
ökonomisch-gesellschaftlichen Begründungszusammenhang eingeschmolzen
werden müssen. Der moderne Antisemitismus als Reaktion auf die Französische
Revolution und ihre politisch- ökonomischen Folgen erfüllt genau diese
Funktion.
Wenn wir vom modernen Antisemitismus sprechen, bedeutet dies, daß der
traditionelle Judenhaß auch ein Antisemitismus war: Geschichtliches
Denken erklärt aus der Anatomie des Menschen die des Affen und nicht
umgekehrt. Die Periode von 1750 bis 1850 ist für die Geschichte des
Antisemitismus deshalb so aufschlußreich, weil in dieser Zeit der
Formwechsel des traditionellen Judenhasses zum Antisemitismus stattfindet
- bevor Antisemitismus als Wort existiert. Der nationalsozialistische
Antisemitismus hat versucht, sich noch einmal aufs Schärfste gegen den
christlich legitimierten Judenhaß abzugrenzen. Horkheimer und Adorno
analysierten diese Verleugnung der geschichtlichen Wurzeln: "Der
durchschnittliche Gläubige ist heute schon so schlau wie früher bloß
ein Kardinal. Den Juden vorzuwerfen, sie seien verstockte Ungläubige,
bringt keine Masse mehr in Bewegung. Schwerlich aber ist die religiöse
Feindschaft, die für zweitausend Jahre zur Judenverfolgung antrieb, ganz
erloschen. Eher bezeugt der Eifer, mit dem der Antisemitismus seine religiöse
Tradition verleugnet, daß sie ihm insgeheim nicht weniger tief innewohnt
als dem Glaubenseifer früher einmal die profane Idiosynkrasie."(20)
Beim traditionellen Judenhaß verschränken sich rationale Kalküle und
christliche Legitimation. In einer aufschlußreichen Untersuchung über
Judenpogrome im 14. Jahrhundert hat Frantigek Graus herausgearbeitet, daß
es durchaus übliche Praxis war unter den Herrschenden, die besten Judenhäuser
im voraus den christlichen Herren zu versprechen, "wann die Juden
dasselbes un nehst werden geslagen". So steht es in einer Urkunde
Karls IV. vom Juni 1349. (21) Manipulative Aufstachelung zeichnet nicht
nur das Pogrom im späten Zarismus Ende des 19. Jahrhunderts, sondern
schon das mittelalterliche Pogrom aus. Nicht nur das Christentum wird als
Legitimation profaner Motive benutzt, auch die Revolte gegen die
Herrschaft im Interesse der Herrschaft.
"Gott will es" - dieser fürchterliche Ruf der Kreuzzügler
leitete die ersten systematischen Massaker an den Juden in Europa ein:
1096. Das nationalistisch werdende Europa des 19. Jahrhunderts hat in den
Kreuzzuegen sein identitätsstiftendes Modell gesehen. Die Praxis besteht
in der von höchster moralischer und weltlicher Stelle gebilligten
Aufhebung des Tötungstabus. Zeitlich wie räumlich kommt die
Rechtfertigung von weit her: Die Ungläubigen sprich die Muslime - haben
die heilige Stadt Jerusalem und das Grab des Herren in Besitz genommen.
Elieser bar Nathan hat überliefert, wie damit der Massenmord an den Juden
der Rheinlaender gerechtfertigt wurde:
"Sie sprachen in ihrem Herzen: 'Sehet, wir ziehen hinab, unseren
Heiland zu suchen und Rache zu üben für ihn an den Ismaeliten; hier aber
sind die Juden, welche ihn umgebracht haben und gekreuziget! Auf, lasset
denn zuerst an ihnen uns Rache nehmen und sie austilgen unter den Völkern,
auf das vergessen werde der Name Israel; oder sie sollen unseresgleichen
werden und zu unserem Glauben sich bekennen!'" (22)
Die Herrschaft der christlichen Religion wird mit barbarischen Mitteln in
Europa befestigt. Als ein Herrschaftsmittel spielt der Judenhaß eine
Rolle, der im Schoße der christlichen Herrschaft zur Tradition des
christlichen Abendlandes wird. An der Schwelle zur Neuzeit haben wir es
mit einem in ganz Europa verbreiteten traditionellen Judenhaß zu tun.
Heine hat diesen Vorgang in einem großartigen aufklärerischen Aphorismus
ausgedrückt: "Juden - sie waren die einzigen, die bei der
Christlichwerdung Europas sich ihre Glaubensfreiheit behaupteten
-."(23) Der elementare Charakter des Judenhasses richtet sich gegen
die Härte der christlichen Herrschaft, trifft aber die der Vaterreligion
treuen Juden. Freud hat im Angesicht des nationalsozialistischen Triumphes
Ursprungselemente des Judenhasses herausgearbeitet. Er hat nicht die
simple Ideologie christlichen Judenhasses a la lettre genommen, sondern
ihre Dialektik entwickelt: "Und endlich das spaeteste Motiv in dieser
Reihe, man sollte nicht vergessen, daß alle diese Völker, die sich heute
im Judenhaß hervortun, erst in späthistorischen Zeiten Christen geworden
sind, oft durch blutigen Zwang getrieben. Man könnte sagen, sie sind alle
'schlecht getauft', unter einer dünnen Tünche von Christentum sind sie
geblieben, was ihre Ahnen waren, die einem barbarischen Polytheismus
huldigten. Sie haben ihren Groll gegen die neue aufgedrängte Religion
nicht überwunden, aber sie haben ihn auf die Quelle verschoben, von der
das Christentum zu ihnen kam. Die Tatsache, daß die Evangelien eine
Geschichte erzählen, die unter Juden und eigentlich nur von Juden
handelt, hat ihnen eine solche Verschiebung erleichtert. Ihr Judenhaß ist
im Grunde Christenhass, und man braucht sich nicht zu wundern, daß in der
deutschen nationalsozialistischen Religion diese innige Beziehung der zwei
monotheistischen Religionen in der feindseligen Behandlung beider so
deutlichen Ausdruck findet."(24) Die Entwicklung des modernen
Antisemitismus wirft auch an dieser Stelle ein Licht nach rückwärts: auf
den traditionellen Judenhaß. Aus diesem Grunde sollte man nicht von einem
christlichen, sondern von einem in der Volkstradition verwurzelten Judenhaß
sprechen, der von der christlich organisierten Herrschaft funktionalisiert
wird. Der Judenhaß bietet sich an wegen der Verschiebungsmöglichkeit der
Affekte, die sich primär gegen die drückende Herrschaft richten. Dazu
ist eine wesentliche psychische Qualität nötig, von der Adorno gesagt
hat, sie könne soziologische Wunder vollbringen: Ambivalenz. In einer
patriachalischen Gesellschaft gehört Ambivalenz zur psychischen
Grundausstattung jeden Individuums; sie gehört zum "Wesen des
Vaterverhältnisses"(25), das Modell von Herrschaft wird.
Die Individuen verinnerlichen den von der Herrschaft aufgezwungenen
Triebverzicht; in ihnen selbst bildet sich eine Ambivalenz von Liebe und
Hass gegen diesen mächtigen Herren, der einst der Vater oder Gott war.
"Gott will es" - dieser Schlachtruf der Kreuzzüge ermöglicht
es, das Schuldbewußtsein, das dem Haß auf den Herren entspringt, auf die
Juden zu verschieben, die mit dem Herren identifiziert werden, aber doch
nicht mit ihm identisch sind. Die christliche Herrschaft bedient sich
dieser Gefühlsambivalenz, indem sie die verhaßten Juden schlagen läßt
und selbst, als Autorität, Liebe und Achtung einstreicht. Auf die
antisemitische Untat, das Pogrom, muß deshalb auch die Strafe folgen, die
wiederum die Autorität des Herren steigert. Der Tat gegenüber bleibt bei
den Unterdrückten die Ambivalenz: Lustvoll war die Gewalt, weil sie die
eigene Unterdrückung kurz aufhob, angstvoll wird sie verdrängt oder gar
verleugnet, weil auf sie Strafe stand oder noch steht. Das eigene
Schuldbewußtsein gegen den Herren der schlecht getauften Christen läßt
sich im Pogrom ganz auf die Juden verschieben, bis die alte Ordnung
wiederhergestellt ist. Die christliche Herrschaftsordnung bedarf der
speziellen Unterdrückung der Juden, damit die allgemeine Unterdrückung
erträglicher wirkt. Die Kreuzzüge stehen in der Geschichte als das
brutalste Mittel zur Errichtung christlicher Herrschaft da; sie liefern
das Modell des Heidenkriegs, der den Besiegten vor die Alternative Taufe
oder Tod stellt. Nichtanerkennung des Feindes als oberstes Prinzip wird
durch die christliche Religion legitimiert. Im 11. Jahrhundert gibt es
Judenverfolgungen als Generalprobe, lange bevor es zu den Massakern der
Kreuzzüge kommt. Die Verschwörungstheorie spielt dabei immer eine große
Rolle: Die Juden seien mit dem äußeren Feind, und, ist der nicht
sichtbar, mit dem Teufel im Bunde. Verschwörungstheorie und Gerücht gehören
zusammen: "Um so bezeichnender ist es, daß bis zum XI. Jahrhundert
keine Chronik von Ausbruechen des Volkszorns gegenüber den Juden
berichtet. Aber nun kurz nach tausend versetzen wirre Gerüchte die
Christenheit in Unruhe. Auf Anstiften der Juden habe der 'Fuerst von
Babylon' das Grab des Herren zerstören lassen; er habe auch gegen die
Christen im Land unzählige Verfolgungen in Gang gebracht und hätte dabei
auch den Patriarchen von Jerusalem enthaupten lassen. Was hier auch immer
in den Bereich der orientalischen Märchen gehören mag (in Wirklichkeit
ging der unduldsame Hakim ebenso scharf gegen Juden wie auch gegen
Christen vor), im Abendland beginnen Fürsten, Bischöfe oder Bauernlümmel
unverzüglich damit, Rache an den Juden zu üben: die Juden werden in
Rouen, Orleans, Limoges (1010), Mainz (1012) und zweifellos auch in
anderen Städten am Rhein und, wie es scheint, auch in Rom zwangsweise
bekehrt, niedergemacht und ausgetrieben."(26) Die reale Tat wird
begangen - legitimiert durch das Gerücht. Schon zu Beginn der
organisierten Judenverfolgung in Europa läßt sich Adornos Aphorismus
lokalisieren: "Der Antisemitismus ist das Gerücht über die
Juden." (27)
Damit das Gerücht greift, müssen die Opfer designiert werden. Weltliches
und noch viel mehr kirchliches Judenrecht besorgen dies in einem säkularen
Prozess. Die Jahrtausendwende mit den spanischen Heidenkriegen und den
Kreuzzügen ist gekennzeichnet durch den Zugriff der kirchlichen Macht,
die eine äußerliche Kennzeichnung der Juden zur Folge hat. Die Juden
werden von den Herrschenden verurteilt, in einer elenden Lage zu leben.
"Anhand einer zusammenhaengenden Urkundengruppe läßt sich so der
Weg verfolgen vom freien königlichen Kaufmann, der weite Räume
durchzieht und den Karolingerhof mit erlesenen Waren des Fernhandels
versorgt, bis zum königlichen Kammerknecht, der - Objekt eines lehnbaren
königlichen Rechts - inzwischen schon und künftig immer häufiger
Gegenstand der Verleihung von Territorialfürsten ist. Obwohl Friedrich
Il. nach seiner Einleitung über die Kammerknechtschaft den Text Heinrichs
IV. von 1090 unverändert wiederholt, bedeutet dieser Text nicht mehr
dasselbe. Denn der faktische Status der Juden, die sozialen,
wirtschaftlichen, politischen und kirchenrechtlichen Bedingungen hatten
eine allmähliche, aber gründliche Änderung erfahren, und Friedrich trug
ihr mit dem Status der Kammerknechtschaft Rechnung. Die nun allseitig
fixierte 'Knechtschaft' der Juden gab den Rechtstitel her für die seit
dem 13. Jahrhundert erheblich beschleunigte Absonderung, Diskriminierung
und Unterdrückung der Minderheit, deren ökonomische Unentbehrlichkeit
abnahm."(28) Die geschichtliche Reflexion klärt darüber auf, daß
dem modernen Vorurteil ein materielles Urteil der Herrschaft
vorausgegangen ist, das die Verurteilten gezeichnet hat.
In der Geschichte des Antisemitismus ist auch dies wörtlich zu nehmen.
Die klare Trennung von Christen und Juden teilt den Juden einen in jeder
Beziehung anderen Status zu. Das IV. Laterankonzil 1215 macht den Juden
deutlich Kleidervorschriften, aus denen dann der obligatorische Gelbe
Fleck entwickelt wird. Die Juden werden nun auch auf eine soziale Rolle
fixiert: auf die des Agenten im Waren- und Geldverkehr, auf letzteren in
seiner gefährlichsten Form, den Geldverleih genannten Wucher. In der
traditionalen Gesellschaft versucht die herrschaftliche Gewalt den freien
Geldverkehr zu begrenzen: Den Christen hatte das III. Lateranische Konzil
1179 verboten, Zinsen zu nehmen. Den Juden hatte man damit ein
zweifelhaftes Monopol zugeschanzt: die Geldwirtschaft innerhalb einer
agrarischen Traditionsgesellschaft. Als Geldbesitzer, bei denen die
christliche Umwelt verschuldet war, waren sie vorzügliche Objekte gewalttätiger
Begierde: der Herren wie der christlichen Untertanen. Da es überhaupt
keine Vergleichsmaßstäbe gab und das Risiko für den Verleiher ungeheuer
war, setzte sich das Wort Wucher für jede Zinsnahme fest. Das ökonomische
Vorurteil im modernen Antisemitismus hat seine materielle Basis in der
verschleierten vorkapitalistischen Ökonomie. Der Konzilsbeschluss über
den jüdischen Wucher schränkte gerade den jüdischen Zins ein und machte
ihn kalkulierbar; der stille Profiteur des Zinsverbotes war die Kurie,
besonders zur Zeit der Kreuzzuege. (29)
Das gefährliche Zinsgeschäft hatte noch eine andere Seite: Die Juden,
denen agrarische Tätigkeit unmöglich gemacht wurde, mußten ihr Gewerbe
ausüben als servi camerales - als Kammerknechte. Die Knechtschaft war
total, denn die Juden wurden zu waffenlosen Schutzbedürftigen: "Wer
das Waffenrecht verloren hat, ist in seiner rechtlichen und sozialen
Umstellung herabgedrückt und nach germanischer und mittelalterlich-
deutscher Auffassung Unfreier, Knecht und in vollständige Abhängigkeit
von seinem Herrn gebracht."(30) Die jüdische Existenz im agrarischen
Europa ist seitdem abhängig vom Geldgeschäft. Nur aus dessen Profiten können
die Schutzgelder an die Herren bezahlt werden. Unter den Gezeichneten
bildet sich eine ganz besondere Moral aus, die auf die Verfolgung und
Verbannung in die Zirkulationssphäre reagiert: "Es ist die Religiösität
der 'Frommen Deutschlands', wesentlich formuliert von dem 1207 gestorbenen
Juda ben Samuel im 'Buch der Frommen'. Die 1096 aufgezwungene Alternative
'Tod oder Taufe' wird darin mit der Aktivierung der Theologie des Kidusch
ha-schem, der 'Heiligung seines Namens', beantwortet, die die Selbsttötung
in der Verfolgung zur unbedingten Forderung erhebt, Selbstverteidigung
(wie sie 1097 geübt wurde) ablehnt und Selbsttötung als Askese,
Weltabkehr, Fatalismus und rigorose Lebensverneinung
verinnerlicht."(31) Schon dieses Zitat macht deutlich, wie sehr die
radikale Abkehr von Gewalt die traditionellen Denkschemata sprengt. Die
aschkenasischen Juden haben sich dem Gleich für Gleich traditioneller
Gewalt entzogen und alle Verfolgungen bis in die Moderne überlebt: Die
Verfolger empfinden diese Tatsache als unheimlich. Der moderne
Antisemitismus wird die Juden als feige beschimpfen; die
Auseinandersetzungen um die Kriegsteilnahme von Juden reichen von den
sogenannten Befreiungskriegen bis in den ersten Weltkrieg.
Wie sehr die Stellung zur Gewalt von der gesellschaftlichen Lage abhängt,
zeigt die Geschichte der sephardischen Juden. "Die Juden der frühen
Neuzeit waren keine einheitliche Gruppe. Sie waren durch ihre Jahrhunderte
währende Akkulturation an das arabische und christliche Spanien und an
den deutschsprachigen Raum Mitteleuropas in zwei große Kulturen
geschieden, die Sephardim und die Aschkenasim (von hebräisch spharal =
Spanien, bzw. aschkenaz = Deutschland), also in eine spanisch- und eine
deutschsprachige Gruppe. Die Sephardim erlebten als Teil der islamischen
Kultur des mittelalterlichen Spanien eine kulturelle und wirtschaftliche
Blüte, die sich nur mit der hellenistischen und der deutsch-jüdischen
Periode der Emanzipationszeit vergleichen läßt."(32) Das IV.
Laterankonzil beschäftigte sich schon damit, die Juden aus hohen Ämtern
fernzuhalten. Das galt nicht für Deutschland, sondern für das christlich
werdende Spanien. In der Reconquista, der christlichen Eroberung des
islamischen Spanien, die vor den Kreuzzügen des 11. Jahrhunderts schon
das Modell des Heidenkrieges abgab, geht es um die Durchsetzung
christlicher Herrschaft in Spanien. In dem Kampf gegen den Islam sind aber
die kastilischen Könige zu schwach, ihr gewonnenes Land allein mit
christlichen Herren zu verwalten. Die Juden, die im islamischen Spanien
schon eine kulturelle und wirtschaftliche Blüte erlebten, waren sogar
weit besser geeignet als die christlichen Krieger und Abenteurer, ein
geordnetes gesellschaftliches Leben zu organisieren. Die Kurie versuchte
auch hier, mit den Beschlüssen des IV. Laterankonzils die christliche
Herrschaft exklusiv durchzusetzen.
Zunehmend verstärkt sich im 13. und 14. Jahrhundert, was man
Subreconquista genannt hat. Spanien sollte durch den Druck des Heiligen
Stuhls an das übrige Europa angeglichen werden: "Solange die
eigentliche Reconquista im vollen Gange war und die militärische
Streitmacht der Christen sich auf eine im wesentlichen von Juden
wahrgenommene Verwaltung stützte, dachte jedoch in dem Spanien der drei
Religonen niemand daran, an die traditionellen Strukturen zu rühren. Wie
wir schon gesagt haben, verwandten die Kirchenfürsten und die Führer der
militärischen Orden, ganz wie die Könige, die Juden als
Verwaltungsbeamte und Finanzfachleute ... "(33) Man lebte so eng
zusammen, daß die Kirche sich nicht scheute, den Zehnten auch von den
Juden zu nehmen - sie also als Mitglieder der Kirchengemeinden
betrachtete. Der Neid gegen die Juden wurde jedoch geschürt; als
sichtbare Zeichen ihrer Blüte unter dem Islam existierten noch die
Aljamas, die nicht mit den europäischen Gettogemeinden zu vergleichen
waren. Der Druck nahm zu, obwohl oder gerade weil sich im Laufe der
Jahrhunderte viele gemeinsame Rituale und Praktiken zwischen den drei
unterschiedlichen Religionen entwickelt hatten. Viele Juden wurden im 14.
Jahrhundert gezwungen, das Christentum anzunehmen; diese Neuchristen hießen
Conversos, in jüdischer Tradition auch verständnisvoller Anussirn
(Gezwungene) genannt: Bekannt geworden aber ist ihr spanischer Schimpfname
Marranen, der die Juden zu Schweinen macht.
1492, unmittelbar nach dem Fall Granadas und dem Ende islamischer
Herrschaft in Spanien, setzte sich Ferdinand von Spanien an die Spitze der
klerikal angefachten antijüdischen Bewegung und vertrieb die Juden aus
Spanien; ihnen wurde eine Frist von vier Monaten gewährt, Geld und
wertvolle Metalle auszuführen, war ihnen untersagt. Religion wird in
diesem Kampf als Herrschaftsmittel benützt - so eindeutig, daß der erste
Theoretiker moderner Staatsgewalt, Machiavelli, den spanischen König als
Beispiel des Neuen Principe lobt, der sich der Religion bedient. Der Kampf
gegen die Marranen ging der Austreibung der Juden voraus. Die besonders häßliche
Gestalt der Inquisition in Spanien fand ihre Legitimation in der
Behauptung, daß die Übergetretenen nur Scheinchristen seien. Reiche
Marranen als Opfer der Inquisition kamen auch Ferdinand recht; er
finanzierte mit dem konfiszierten Vermögen den Sturm auf Granada. Nach
der Austreibung flohen viele Juden nach Portugal, das wirtschaftlich
hinter Spanien zurückgeblieben war. Als aber eine Heirat Manuels 1. von
Portugal mit der Infantin Spaniens in Aussicht genommen wurde, verlangten
die Katholischen Könige, wie sich Ferdinand und Isabella stolz nannten,
die Austreibung der Juden aus Portugal. Um den drohenden wirtschaftlichen
Ruin Portugals abzuwenden, fand Ostern 1497 eine brutal durchgeführte
Massenzwangstaufe statt. Auf diese Weise entstand die marranische Bevölkerung
Portugals, eine Population von fünfhunderttausend Menschen, deren
Nachkommen sich später stolz "Die Nation" nennen liessen. (34)
Marranen, denen die Auswanderung gelang, haben sich oft in anderen Ländern
wieder zum Judentum bekannt und zusammen mit den übrigen Juden die
Erinnerung an eine Zeit stolzer jüdischer Herren in die Welt getragen,
die Egon Erwin Kisch noch in seinen Reportagen von den sieben Gettos
festgehalten hat - in den frühen dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts.
Die Marranen wurden verfolgt; sie besetzten die Stellen, die einst den
Neid auf die Juden geweckt hatten. Im Vollzug der Inquisition, als die
Alternative Taufe oder Tod sich als nicht hinreichend erwies, entstand
auch ein neues, unüberwindliches Postulat: Limpieza de sangre, Reinheit
des Blutes. Von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zur Mitte des 19.
Jahrhunderts mußte jeder einen reinen Stammbaum vorweisen, der in Spanien
bestimmte höhere Ämter erlangen wollte -Dreiviertel Jahrhunderte später
setzten die Nazis die Nürnberger Rassengesetze in Deutschland durch. Gibt
es also doch einen "ewigen Antisemitismus", und ist alles schon
einmal dagewesen? Die Unterscheidung, die man nach 1945 zwischen religiösem
und rassischem Antisemitismus getroffen hat, ist jedoch allzu formal und
ungesellschaftlich. Der Historiker Reinhard Rürup hat 1975 allzu
optimistisch konstatiert: "Die These, daß der moderne Antisemitismus
ein Produkt der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts ist und
aus den Strukturen und Tendenzen dieser Gesellschaft begriffen werden muß,
dürfte in der wissenschaftlichen Diskussion heute kaum noch ernsthaft
bestritten werden. Man ist sich einig darüber, daß es trotz einer
scheinbaren räumlichen und zeitlichen Universalität der Judenfeindschaft
seit hellenistischer Zeit keine Kontinuität eines 'ewigen' Antisemitismus
gibt, daß vielmehr die religiös und wirtschaftlich motivierte, durch
einen einzigartigen Minderheitsstatus der Juden bedingte Judenfeindschaft
der vorbürgerlichen abendländisch- christlichen Welt deutlich vom
Antisemitismus des 19. und 20. Jahrhunderts geschieden werden muß."
(35) Dieser im Prinzip richtigen Feststellung fehlt der
gesellschaftstheoretische Zusammenhang, ohne den die geschichtlichen
Ereignisse bis zur Unverbindlichkeit relativiert werden. Aus diesem
Relativismus läßt sich aber kein Argument mehr gewinnen, mit dem man die
These des "ewigen Antisemitismus" bestimmt zurückweisen könnte;
eine These, mit der noch die unterschiedlichsten Aktionen gegen Juden in
den zweitausend Jahren christlicher Geschichte auf einen abstrakten
Generalnenner gebracht werden. Die Rede vom Antisemitismus als einer
Naturkonstante abendländischer Geschichte ist politisch äußerst gefährlich.
Denn, um die Generalthese halten zu können, muß die historisch
entscheidende Epoche von Aufklärung und Emanzipation ebenso wie jede
sozialrevolutionäre Alternative zur bürgerlichen Gesellschaft für
genuin judenfeindlich erklärt werden.
Die Verdrängung der Marxschen Theorie aus dem spätkapitalistischen
Forschungsbetrieb wie aus dem marxistisch- leninistisch zugerichteten
Kanon im "real existierenden Sozialismus" hat die produktive
Marxsche Leistung in der Analyse der Emanzipationsepoche ganz in
Vergessenheit geraten lassen. Ohne die Auseinandersetzung mit der
Herrschaft der Religion im (hinter England und Frankreich) zurückgebliebenen
Preussen ist die Marxsche Theorie nicht denkbar, im Vormärz spitzte sich
die Frage moderner Gesellschaftsform an der damals sogenannten
"Judenfrage" zu. Zwei Schriften des Junghegelianers Bruno Bauer
"Die Judenfrage" und "Die Fähigkeit der heutigen Juden und
Christen, frei zu werden" provozierten den jungen Marx 1843 zu einer
Antwort unter dem Titel "Zur Judenfrage". Wesentlich für die
Marxsche Schrift ist das Argument, Bruno Bauer stelle die Frage falsch -
er stelle als Judenfrage, was nur als Frage der allgemein menschlichen
Emanzipation zu behandeln sei. Die Bauersche Frage nämlich läuft auf die
Absurdität hinaus, den unterdrückten Juden den Verzicht auf ihre
Religion sozusagen als Vorschuß auf eine allgemeine Emanzipation
abzuverlangen. Marx dagegen fragt: ist die durch die Französische
Revolution erreichte menschliche Emanzipation schon die ganze
Emanzipation? Zunächst, im Vergleich zwischen Frankreich und Preußen,
stellt Marx fest, Preussen befinde sich noch gar nicht auf dem
historischen Stand Frankreichs, die Säkularisation habe gar nicht
stattgefunden, die Unterdrückung der Juden in Deutschland bedeute ein Stück
reales Mittelalter. Die politische Konsequenz daraus zieht Marx im nächsten,
um die Jahreswende 1843/44 geschriebenen Aufsatz: "Die einzig
praktisch mögliche Befreiung Deutschlands ist die Befreiung auf dem
Standpunkt der Theorie, welche den Menschen für das höchste Wesen des
Menschen erklärt. In Deutschland ist die Emanzipation von dem Mittelalter
nur möglich als die Emanzipation von den teilweisen Überwindungen des
Mittelalters. In Deutschland kann keine Art der Knechtschaft gebrochen
werden, ohne jede Art der Knechtschaft zu brechen."(36) Marx unterstützt
die Judenemanzipation, weil sie ein Teil der allgemein menschlichen
Emanzipation ist; er kritisiert die isoliert gestellte
"Judenfrage", weil er dies für den Versuch einer bloß
teilweisen Abschaffung des Mittelalters hält, der mißlingen muß und
wird.
In den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wird die
"Judenfrage" überall dort diskutiert, wo sich die bürgerliche
Gesellschaft noch nicht durchgesetzt hat und die bürgerliche Ökonomie
noch von traditionellen Herrschaftsformen gefesselt wird. Die Bedeutung
der Ökonomie bleibt verdeckt, das macht die Verzerrung der Perspektive
aus: "Im christlich-germanischen Staat ist aber die Religion eine
'Wirtschaftssache', wie die 'Wirtschaftssache' Religion ist. Im
christlich-germanischen Staat ist die Herrschaft der Religion die Religion
der Herrschaft."(37) Die Unkenntnis bürgerlicher Ökonomie läßt
den Junghegelianer Bauer die spezifische Differenz zwischen einer vorbürgerlichen
und der bürgerlichen Gesellschaft übersehen. Bauer bleibt fixiert an die
politische Oberfläche, darin ähnelt seine Position der von Fichte, fünfzig
Jahre vorher. Aus dem politischen Verständnis der sich formierenden bürgerlichen
Gesellschaft bleibt alles Ökonomische ausgeblendet, daraus folgt, in der
Zeit nach 1850, ein politischer Antisemitismus, wie er von Bruno Bauer und
auch von Richard Wagner vertreten wurde. Bei Richard Wagner erscheint
dieselbe Vorkehrung wie bei Fichte - nun aber auf dem Hintergrund der zurückgewiesenen
Emanzipation: "Ganz unvermerkt ist der 'Gläubiger der Könige' zum König
der Gläubigen geworden, und wir können um das Nachsuchen dieses Königs
um Emanzipierung nicht anders als ungemein naiv finden, da wir uns
vielmehr in die Notwendigkeit versetzt sehen, um Emanzipierung von den
Juden zu kämpfen. Der Jude ist, nach dem gegenwärtigen Stande der Dinge
dieser Welt wirklich bereits mehr als emanzipiert: er herrscht und wird so
lange herrschen als das Geld die Macht bleibt, vor welcher all' unser Tun
und Treiben seine Kraft verliert."(38)
Diese Sätze ähneln zwar dem Schluß der Marxschen Schrift "Zur
Judenfrage", aber ein Unterschied sollte nicht übersehen werden.
"Die gesellschaftliche Emanzipation des Juden", heisst es beim
jungen Marx, "ist die Emanzipation der Gesellschaft vom
Judentum."(39) In diesem pointierten Schlußsatz erscheint komplex
zusammengezogen ein richtiger Grundgedanke, doch in verzerrter Form. In
der vorbürgerlichen Gesellschaft bezeichnet "Judentum" weniger
eine Religionszugehörigkeit als den Umstand, daß den Juden zu ihrer
gesellschaftlichen Reproduktion nur Handel und Geldverkehr, also die Sphäre
der Zirkulation offenstand. Die im Mittelalter randständige zirkulative
Praxis wird aber in der modernen bürgerlichen Gesellschaft zum Zentrum
aller gesellschaftlichen Beziehungen: In der "modernen", der bürgerlichen
Gesellschaft regiert das Tauschprinzip alle gesellschaftlichen Beziehungen
und Verhältnisse der Individuen. Was einst "jüdische" Domäne
war, herrscht jetzt allgemein. Aber keineswegs herrschen, wie Richard
Wagner nahelegt, "die Juden", in der bürgerlichen Gesellschaft
herrscht ein unpersönliches ökonomisches Prinzip. Die Verzerrung beim
jungen Marx kommt zustande, weil er 1842 die kapitalistische Gesellschaft
noch nicht durchschaut. Er spricht von der Geldmacht und meint die Ökonomie;
das Produktionsprinzip dieser Ökonomie erkennt erst der Autor des
"Kapital". An zwei Stellen kommt Marx in seinem ökonomischen
Hauptwerk auf die Stellung von Juden in vorkapitalistischer und
kapitalistischer Produktionsweise zu sprechen - ein Wechsel der
Gesellschaftsformation, von der schon der junge Marx wußte, daß er nicht
ausschließlich jüdischer Tätigkeit zu verdanken war:
"Die Handelsvölker der Alten existierten wie die Götter des Epikur
in den Intermundien der Welt, oder vielmehr wie die Juden in den Poren der
polnischen Gesellschaft. Der Handel der ersten selbständigen, großartig
entwickelten Handelsstädte und Handelsvölker beruht als reiner
Zwischenhandel auf der Barbarei der produzierenden Völker, zwischen denen
sie die Vermittler spielten."(40)
Gesellschaftstheoretisch bedeutet "ökonomisch" wesentlich
Bestimmteres als das, was Zeithistoriker unter "wirtschaftlich"
subsumieren. Die Juden waren nicht das einzige Handelsvolk, aber durch die
Geschichte sind sie zu dem einzig identifizierbaren Handelsvolk geworden,
das vom europaeischen Mittelalter bis an die Schwelle der
Emanzipationsepoche als identisches existiert. In der Entwicklung von der
vorkapitalistischen zur kapitalistischen Gesellschaft geschieht etwas
Entscheidendes: Die Ökonomie, ein rationales, über Sachen und sachliche
Verhältnisse (Eigentum und Tausch) vermitteltes Machtverhältnis, erfaßt
alle menschlichen Beziehungen. Gleichwohl lebt, im Denken und Fühlen der
Zeitgenossen, die Vorstellung persönlicher Machtverhältnisse fort.
Gerade weil die Ökonomisierung aller gesellschaftlichen Verhältnisse
sich nicht ohne Leiden durchsetzte und darum auch nicht widerstandslos
hingenommen wurde, heftet sich der antiökonomische Affekt, wie seit dem
Mittelalter Tradition und Vorurteil, an die Juden. Sie waren keineswegs
die einzigen Vermittler von Handel und Geldverkehr, aber die Juden waren
die einzige Gruppe, die sich identifizieren ließ. Darum konnten die
Vorstellungen von der Rolle und der Macht des Geldes mit der Person des
Juden, mit dem Charakter des jüdischen Volkes verschmelzen. Solche
Vorstellungen überlebten selbst dann noch, als, wie beispielsweise in
Frankreich oder England, die Juden schon recht früh, in der Wende vom 13.
zum 14. Jahrhundert, vertrieben worden waren. England, bis zur
Cromwellschen Revolution ohne Juden, gilt seitdem als das klassische
Beispiel eines Landes, das Antisemitismus kennt, ohne Juden zu kennen.
Dieses Phänomen verlangt eine genauere Untersuchung. Zunächst einmal
bedeutet der säkulare Prozess der Ökonomisierung der menschlichen
Beziehungen die Ersetzbarkeit eines Gegenstandes durch den anderen;
sinnlich erscheint diese Fähigkeit im Tauschmittel, im Geld. Selbst der
junge Marx war noch an das Tauschmittel fixiert. Das Geld nivelliert die
naturwüchsigen Unterschiede und löst naturwüchsige Identität auf. An
die Stelle persönlicher Macht tritt eine unpersönliche. Nur
differenzierendes Denken vermag beide auseinanderzuhalten. In ihrem
unmittelbaren Erleben, in ihrer Phantasie heften die Zeitgenossen, zumal
sie selbst, wie bewußt auch immer, sich als Opfer eines übergreifenden
Prozesses erfahren, unpersönliche Machtverhältnisse an Personen, die
gesellschaftliche Prozesse verantworten sollen. Ökonomisierung ist ein
Prozess der Entpersoenlichung. Mit dem Mittel der Personalisierung setzen
die unter Entfremdung und Verdinglichung Leidenden wieder Personen an die
Stelle versachlichter Prozesse. Einst waren die Juden identifizierbar als
Tauschagenten. Obwohl die moderne bürgerliche Gesellschaft diese Funktion
des Tausches verallgemeinert hat und jeder am Tauschverkehr teilhat,
werden immer noch allein die Juden mit dem Tauschakt identifiziert, weil
die versachlichten modernen Verhältnisse psychisch schwer zu ertragen
sind. Die Juden waren schon im Mittelalter weder die einzigen
Zirkulationsagenten, noch waren sie - wegen ihrer äußerlichen Beschränkung
und ihrer Notsituation - die schlechtesten Geldverleiher. Ihre äußerliche
Kennzeichnung aber diente gerade dazu, sie identifizierbar zu machen. Das
abenteuerliche Schicksal der Hofjuden im 17. und 18. Jahrhundert, die in
einer vorkapitalistischen Welt Modernität repräsentierten, bildet den
Stoff für Massenphantasien, die in Antisemitismus umschlugen. Als Gläubiger
der Herrscher erschienen die Juden als persönlich verantwortlich für das
ökonomische Mißgeschick der Massen. Die Nationalsozialisten haben für
ihren erfolgreichen Propagandafilm "Jud Süß" sehr geschickt
einen Stoff aus dem 18. Jahrhundert gewählt, an dem sich alle
antisemitischen Alltagsphantasien auch im 20. Jahrhundert noch entzünden
konnten.
Was aber hat die vorkapitalistische Welt mit dem Antisemitismus der
Gegenwart zu tun? In der vorkapitalistischen Welt erschienen die Juden als
das personifizierte Unglück. Sie selbst waren gezwungen, ohne Heimat
zerstreut im Ausland zu leben was früher auch sprachlich identisch war
mit "im Elend" leben (Ausland = Elend). Die Begegnung mit Juden
beschwor dunkle Gefahren. Man suchte sie meist nur in Not auf, die
Unberechenbarkeit ökonomischer Verhältnisse konnte einen Verschuldeten
sehr schnell ins Elend hinabstoßen, wenn er seine Schuld nicht zahlen
konnte. Periodisch gab es aber Entlastungen vom herrschaftlichen Druck,
wenn die Juden "geschlagen" wurden Pogrome hießen im altertümlichen
Deutsch "Judenschlachten". Die Schulden, die aus dem ökonomischen
Prozess resultierten, wurden auf barbarische Weise getilgt.
In der modernen Gesellschaft ist die vorherrschende Verkehrsform die
Tauschbeziehung geworden: Sie erfordert Verzicht auf unmittelbare Gewalt.
Um seine Bedürfnisse zu befriedigen, muß das Individuum am
gesellschaftlichen Tauschverkehr teilnehmen. Der Tausch vermittelt
zwischen Sachen, den Gegenständen der Begierde, und Personen. Im
Warentausch steht der fremde Warenbesitzer B zwischen dem Warenbesitzer A
und dem Gegenstand seiner Begierde, der Ware B. Im Mittel Geld, das die
Tauschverhaeltnisse reguliert, versachlicht sich diese Beziehung. Der
Tausch erfordert Abstraktion vom Bedürfnis solange, bis der Genuss
eintreten kann. Die Volksweisheit: "Geld macht sinnlich"
beinhaltet den begehrlichen Wunsch des Warenbesitzers auf fremde Ware, die
er auch mit Gewalt nehmen würde. Das Tötungstabu und die schweren
Sanktionen verhindern dies im Normalverlauf; in der Phantasie aber lebt
die Erinnerung fort, daß es einmal möglich und nicht in jedem Fall
verboten war, sich fremden Besitz gewaltsam und direkt anzueignen. Jeder
Tauschakt bewegt diese komplexen psychischen Transaktionen. Der
Warenbesitzer B wird von dem Warenbesitzer A als Fremder erlebt und
umgekehrt. Äußerlich scheint ihre Begegnung ganz sachlich zu verlaufen,
aber innerlich geschieht Entscheidendes: "Andererseits anerkennen wir
den Tod für Fremde und Feinde und verhängen ihn ebenso bereitwillig und
unbedenklich wie der Unmensch. Hier zeigt sich freilich ein Unterschied,
den man in der Wirklichkeit für entscheidend erklären wird. Unser Unbewußtes
führt die Tötung nicht aus, es denkt und wünscht sie bloß. Aber es wäre
unrecht, diese psychische Realität im Vergleich zur faktischen so ganz zu
unterschätzen. Sie ist bedeutsam und folgenschwer genug. Wir beseitigen
in unseren unbewußten Regungen täglich und stündlich alle, die uns im
Wege stehen, die uns beleidigt und geschädigt haben. Das 'Hol' ihn der
Teufel', das sich so häufig in scherzendem Unterton über unsere Lippen
drängt, in unserem Unbewußten ist es ein ernsthafter, kraftvoller
Todeswunsch. Ja, unser Unbewußtes mordet selbst für Kleinigkeiten; wie
die alte athenische Gesetzgebung des Drakon, kennt es für Verbrechen
keine andere Strafe als den Tod, und dies mit einer gewissen Konsequenz,
denn jede Schädigung unseres allmächtigen und selbstherrlichen Ichs ist
im Grunde ein crimen laesae majestatis."(41)
Genau dieses prekäre Kräfteverhältnis zwischen äußerer und
psychischer Realität verschafft sich im antisemitischen Meinen Luft: Die
Meinung wird zur Gewalttat; die Meinung veräußerlicht verinnerlichte
Gewalt. Das Vorurteil bekommt auf diesem Hintergrund einen verbindlichen
Sinn: "Man darf endlich annehmen, daß aller innere Zwang, der sich
in der Entwicklung des Menschen geltend macht, ursprünglich, d.h. in der
Menschheitsgeschichte, nur äußerer Zwang war."(42) Im Tauschakt
wird die materielle Welt angeeignet, ohne daß durchschaubar wird, wie und
wo die Dinge, die zu Waren wurden, produziert werden. Im Tauschakt bildet
sich aber die Meinung, das Modell primärer intellektueller Aneignung. Im
Meinen wird etwas noch Subjektives als Wahrheit behauptet; die Meinung
wird festgehalten gegen den weiteren Lauf der Dinge, der ohnedies nur
schwer zu durchschauen ist. So verhärtet Meinung sich zum Vorurteil.
Meinung wird zudem gebildet unter affektiver Beteiligung: "Töricht wäre,
wer von dieser Neigung sich freispräche. Sie beruht auf Narzißmus, also
darauf, daß die Menschen bis heute dazu gehalten sind, ein Maß ihrer
Liebesfähigkeit nicht etwa geliebten Anderen zuzuwenden, sondern sich
selber, auf eine verdrückte, uneingestandene und darum giftige Weise zu
lieben. Was einer für eine Meinung hat, wird als sein Besitz zu einem
Bestandstück seiner Person, und was die Meinung entkräftet, wird vom
Unbewußten und Vorbewußten registriert, als werde ihm selber geschadet.
Rechthaberei, der Hang der Menschen, törichte Meinungen selbst dann hartnäckig
zu verteidigen, wenn ihre Falschheit rational einsichtig geworden ist,
bezeugt die Verbreitung des Sachverhalts."(43)
In das Meinen sickert über die effektive Besetzung des Meinenden der
geschichtliche Gehalt unreflektiert ein - und verdinglicht zum Vorurteil.
Das Meinen scheint nur individuell, ist der Struktur nach aber
konformistisch. Gerade indem er auf seiner Meinung beharrt, fühlt der
einzelne sich von den anderen bestätigt, das ist gewissermassen der
psychische Gewinn des Einzelnen, kommt seinem Selbstwertgefühl zugute.
Man muß sich lösen von der Vorstellung, das antisemitische Meinen wären
das Unnormale und aufgeklärte Rationalität das Normale - das Gegenteil
ist der Fall. Aber kritische Selbstreflexion ist auf subjektiver Seite das
einzige Gegengift gegen antisemitisches Meinen - Subjektivität, die sich
in den Produktionsprozess objektiver Wahrheit versenkt. Die Einsicht in
die Beschränktheit des sich allmächtig wähnenden Subjekts ruft Abwehr
hervor. Die Hilflosigkeit rationaler Argumente gegen antisemitisches
Meinen erfährt jeder, der gegen Vorurteile Wahrheit zu behaupten
versucht. Antisemitisches Meinen ist gerade deswegen schwer zu erschüttern,
weil es nicht allein auf subjektiv fehlerhaftem Denken beruht, sondern dem
ohnmächtigen Individuum das Gefühl gibt, mit einer objektiven
gesellschaftlichen Tendenz im Bunde, also: stark zu sein.
Das Meinen entzieht sich der Sache; mit jedem Meinen ist die Gefahr der
Hypostase verbunden. "Die Grenze zwischen der gesunden und der
pathogenen Meinung wird in praxi von der geltenden Autorität gezogen,
nicht von sachlicher Einsicht."(44) Autorität aber bedeutet
verinnerlichte, vergangene Gewalt, der sich das Individuum unterworfen
hat. Die Autorität in der tausendjährigen europäischen Geschichte
verhielt sich zweideutig gegenüber den Juden: Die herrschende Autorität
verurteilte die Juden, im Elend zu leben, gleichzeitig beschützte sie die
Juden als willkommene Einnahmequelle. Die Emanzipation sollte die Juden
aus dieser Zweideutigkeit befreien; dazu mußte aber der Staat selbst von
der Herrschaft der Religion befreit und zu einem vernünftigen Staat
werden. Bei Hegel finden wir, in Abgrenzung zu Fichte, deutliche Worte:
"So formelles Recht man etwa gegen die Juden in Ansehung selbst von bürgerlichen
Rechten gehabt hätte, indem sie nicht bloß als eine besondere
Religionspartei, sondern als einem fremden Volk angehörig ansehen
sollten, so sehr hat das aus diesen und anderen Gesichtspunkten erhobene
Geschrei übersehen, daß sie zuallererst Menschen sind und daß dies
nicht nur eine flache abstrakte Qualität ist, sondern daß darin liegt,
daß durch die zugestandenen bürgerlichen Rechte vielmehr das Selbstgefühl,
als rechtliche Person in der bürgerlichen Gesellschaft zu gelten, und aus
dieser unendlichen, von allem anderen freien Wurzel die verlangte
Ausgleichung der Denkungsart und Gesinnung zustande kommt. Die den Juden
vorgeworfene Trennung hätte sich vielmehr erhalten und wäre dem
ausschließenden Staate mit Recht zur Schuld und Vorwurf geworden; denn er
hätte damit sein Prinzip, die objektive Institution und deren Macht
verkannt. Die Behauptung dieser Ausschließung, indem sie aufs höchste
recht zu haben vermeinte, hat sich auch in der Erfahrung am törichtsten,
die Handlungsart der Regierungen hingegen als das Weise und Würdige
erwiesen."(45)
Hegel spricht hier gegen die aufkommende, moderne antisemitische Literatur
zu einem Zeitpunkt, als es das Wort Antisemitismus noch nicht gab. Das
"Geschrei" ist nicht nur im übertragenen, sondern auch im
Wortsinne zu verstehen. Während der Abfassung der Rechtsphilosophie erschütterten
mehrere Ereignisse das Deutschland der beginnenden Restauration: das
Wartburgfest 1817, auf dem unter anderen der Code Napoleon als Inbegriff
der Fremdherrschaft verbrannt wurde; die HEP-HEP-Unruhen 1819, bei denen
in den ehemaligen Ländern der Kontinentalsperre jüdische Läden gestürmt
wurden; und die Ermordung Kotzebues, der keineswegs die finstere Gestalt
war, als der er von den teutomanen Studenten hingestellt wurde. Aus Hegels
Worten spricht der Geist der Emanzipation, den er schon in seinem ersten
großen Werk, der "Phänomenologie des Geistes" 1806 in Gedanken
faßte. Das für den Emanzipationszusammenhang entscheidende Kapitel heißt
"Herrschaft und Knechtschaft". Hegel begreift die Arbeit des
Knechtes als Möglichkeit von Emanzipation in einer agrarischen
Gesellschaft; am Ende triumphiert die geistige Arbeit, die zum Denken
sublimierte Arbeit des ehemaligen Knechtes.
Die wirkliche Geschichte hat allerdings die Gesellschaft nicht vernünftig
werden lassen, wie es Hegels Vorstellung der Vernunftherrschaft
entspricht. Hegels Philosophie entmachtet die Herrschaft der Religion und
setzt an ihre Stelle die Herrschaft des Gesetzes; in den Juden sieht er
das erste "Volk des Geistes", das aber auf eine elende
gesellschaftliche Stellung herabgedrückt ist. Objektiv gesehen sind die
vorbürgerlichen Juden weder Herren noch Knechte, sie sind die Vermittler.
Ohne Vermittlung aber kann es kein dialektisches Denken geben: Auf die
Beziehung kommt es an. Die Emanzipation aus den vorbürgerlichen Verhältnissen
mißglückt: Auf die bürgerliche Gleichstellung folgt schon 1808 das
Decret Infaeme, das die unveräußerlichen Rechte wieder aufhebt; auf
Revolution und Reform folgt die Restauration, die auch alle
Judenemanzipation wieder einschränkt. Das Ergebnis der grossen Epoche von
Revolution und Napoleonischen Kriegen entspricht nicht der Wirklichkeit
der Vernunft, sondern dem auf Herrschaft und Knechtschaft folgenden "ungluecklichen
Bewußtsein" - das unglückliche, in sich entzweite Bewußtsein, das
einer entzweigebrochenen Wirklichkeit entspricht. In der deutschen
Literatur hat Heinrich Heine wie kein zweiter dieses unglückliche Bewußtsein
artikuliert: "Wir haben nicht mehr die Kraft, einen Bart zu tragen,
zu fasten, zu hassen und aus Haß zu dulden; das ist das Motiv unserer
Reformation. Die einen, die durch Komödianten ihre Bildung und Aufklärung
empfangen, wollen dem Judentum neue Kulissen geben, und der Souffleur soll
ein weisses Bettchen tragen; sie wollen das Weltmeer in ein niedliches
Bassin von Papiermache gießen und wollen dem Herkules auf der Kasseler
Wilhelmshöhe das braune Jäckchen des kleinen Marcus anziehen. Andere
wollen ein evangelisches Christentümchen unterjüdischer Firina und
machen sich ein Talles aus der Wolle des Lamm Gottes und machen sich ein
Wams aus den Federn der Heiligen-Geist-Taube und Unterhosen aus
christlicher Liebe, und sie fallieren, und die Nachkommenschaft schreibt
sich: Gott, Christus & Co. Zu allem Glück wird sich dieses Haus nicht
lange halten, seine Tratten auf die Philosophie kommen mit Protest zurück,
und es macht bankrott in Europa, wenn sich auch seine von Missionarien in
Afrika und Asien gestifteten Kommissionshäuser einige Jahrhunderte länger
halten. Dieser endliche Sturz des Christentums wird mir täglich
einleuchtender. Lange genug hat sich diese faule Idee gehalten."(46)
Heines Ausbruch reagiert auf die Rücknahme der Emanzipationsgesetzgebung
von 1812, die ihn und seinen Freund Eduard Gans zwangen, sich taufen zu
lassen. Es ist völlig verkehrt, diese Taufen noch in religiösen Termini
fassen zu wollen. Diese Generation ist schon ein Produkt der
Emanzipationsepoche - als Bürger fühlen sie in religiösen
Angelegenheiten indifferent. Sie erleiden die Konflikte des unglücklichen
Bewusstseins in einer emanzipationsfeindlichen Gesellschaft, in der die bürgerliche
Emanzipation zur Judenfrage sich verengt. Der Judenhass im christlichen
Europa ließ keine Wahl: Taufe oder Tod. Traditionelle Juden behandelten
einen abgefallenen Juden als tot. Der Getaufte war ein neuer Mensch, ein
Fremder in einer manichäischen Welt. Die bürgerliche Gesellschaft
schafft zum erstenmal die Möglichkeit, sich aus diesem Manichäismus zu
befreien. Aufklärung, Kantische und Hegelsche Philosophie wie die
Marxsche Theorie befördem diesen Vorgang der Befreiung vom vorbürgerlichen
Manichäismus. Aber die Dialektik der Aufklärung fällt auch auf diese
Autoren zurück, weil sie ein objektiver Vorgang ist. Man kann diese
Dialektik bewußt machen; hierin besteht die einzige Chance, dem
Antisemitismus nicht blind sich auszuliefern.
Der Antisemitismus ist in den objektiven gesellschaftlichen Bedingungen
verankert. Der ökononuesche Prozess verlangt Triebverzicht oder zumindest
unlustvollen Triebaufschub von den gesellschaftlichen Individuen, den sie
nicht unter Umgehung des Tötungstabus verkürzen dürfen. Die fremde
Warenwelt erinnert vor jedem Tauschakt an diese unlustvolle Wirklichkeit.
In der vorbürgerlichen europäischen Gesellschaft fand der Tausch nur am
Rand des gesellschaftlichen Geschehens, nur in Ausnahmefällen statt, und
wurde mit den Juden identifiziert, in der bürgerlichen Gesellschaft wird
der Mensch durch Tauschakte vergesellschaftet, orientiert sich aber
weiterhin an der Sozialisierung durch unmittelbare persönliche
Beziehungen. Das subjektive Meinen entspricht der Unmittelbarkeit vorökonomischen
Begehrens; der unpersönliche Tauschakt wird in persönliche Beziehungen rückübersetzt;
als vermittelnde Instanz fungiert im falschen Bewußtsein nicht das Geld,
sondern der Jude. Der marginale vorbürgerliche Judenhass wird in der bürgerlichen
Gesellschaft an den zentralen ökonomischen Mechanismus gekoppelt: Die bürgerliche
Gesellschaft wird zur antisemitischen Gesellschaft per excellence.(47)
In der kapitalistischen Gesellschaft dominiert das abstrakt Allgemeine,
das Kapital, der Wert. Der Warenfetischismus, das im Tauschakt entstehende
verkehrte Bewußtsein, verhindert, daß die Menschen durchschauen, was der
Wert eigentlich ist: ein an Dinge gebundenes, vermitteltes Verhältnis von
Personen. Der Wert erscheint an den Dingen und ist doch nirgends zu
greifen: "Die Wertgegenständlichkeit unterscheidet sich dadurch von
der Wittib Hurtig, daß man nicht weiß, wo sie zu haben ist."(48)
Diese Unfassbarkeit des Wertes wird von den Warenbesitzem identifiziert
mit den ehemaligen Tauschagenten, den Juden, die auch unfaßbar und überall
sind. Die Arbeit wird dem Tauschakt unterworfen, und selbst bei einem
geistigen Arbeiter wie Fichte kommt antisemitisches Ressentiment zum
Vorschein, weil er die Durchsetzung der Herrschaft geistiger Arbeit in
Form der Kapitalherrschaft nicht begreift. Der gebildete Antisemitismus
hat hier seine Quelle: Er idealisiert die geistige Arbeit zur geld- und
wertfreien Tätigkeit und haßt im "jüdischen Geist" die bürgerliche
Wirklichkeit geistiger Arbeit, für welche die gleichen Markt- und
Tauschgesetze gelten wie für die materielle Arbeit. Ebenso heftet sich
das Ressentiment der Unterdrückten gegen die Herrschaft des Wertes an die
Juden, das als Volk des Geistes gilt: "Sie sind irgendwie
schlauer." Antisemitismus und Antiintellektualismus zehren vom selben
Stoff.
Gegen viele Beschwichtigungsversuche und Relativierungen muß man betonen:
Der Antisemitismus ist in der objektiven Verfassung der bürgerlichen
Gesellschaft begründet. Aber die gesellschaftlichen Individuen fassen die
Gesellschaft nicht so auf, wie sie ist. Das antisemitische Meinen setzt
die Gefühlswelt anstelle der in Abstraktion vom unmittelbaren Gefühl
erarbeiteten Erkenntnis. Um zu tauschen und eine Meinung zu haben, muß
man vielleicht schlau sein, aber wirklich nachdenken muß man nicht.
Deswegen hat der moderne Antisemitismus diesen pseudodemokratischen Gestus
des Mitreden- Wollens: "Man wird doch einmal sagen duerfen ... "
Das antisemitische setzt an die Stelle disziplinierten Denkens die Willkür:
"Da für wirkliches Dasein und Handeln jedoch entschieden werden muß,
so tritt dasselbe ein wie bei der als das Absolute wissenden Subjektivität
des Willens überhaupt, daß aus der subjektiven Vorstellung, d. i. dem
Meinen und dem Belieben der Willkür entschieden wird."(49) Gefühl
und unkritische Positivität fallen aus einem Grund zusammen, den Hegel
noch nicht durchschauen konnte. Die Kritik der politischen Ökonomie hat,
gut dreißig Jahre nach Hegel, gezeigt, daß die büergerliche
Gesellschaft keineswegs die Geschichte abschliesst. Dieser Schein konnte
entstehen, weil, im Unterschied zu den vorbürgerlichen
Gesellschaftsformationen, die bürgerliche die von Zeit und Raum scheinbar
unbeschränkt warenproduzierende Gesellschaft ist. Dieser gesellschaftlich
produzierten Geschichtslosigkeit, die in der Struktur des Wertes begründet
ist, korreliert die Geschichtslosigkeit des psychischen Geschehens. Das
Unbewußte entspricht der Struktur des Wertes in seiner Zeitlosigkeit,
zugleich aber bewahrt es auf, was in der äußeren Realitaet vergeht:
"Wir rühren hiermit an das allgemeine Problem der Erhaltung im
Psychischen, das kaum noch Bearbeitung gefunden hat, aber so reizvoll und
bedeutsam ist, daß wir ihm auch bei unzureichendem Anlass eine Weile
Aufmerksamkeit schenken duerfen. Seitdem wir den Irrtum überwunden haben,
daß das uns geläufige Vergessen eine Zerstörung der Gedächtnisspur,
also eine Vernichtung bedeutet, neigen wir zu der entgegengesetzten
Annahme, daß im Seelenleben nichts, was einmal gebildet wurde, untergehen
kann, daß alles irgendwie erhalten bleibt und unter geeigneten Umständen,
z. B. durch eine so weit reichende Regression, wieder zum Vorschein
gebracht werden kann."(50)
Durch diese Mööglichkeit des psychischen Apparates wird verständlich,
warum Vorurteile die gesellschaftlichen Situationen überleben, in denen
sie entstanden sind. Psychische Gesetze spielen in der unkritischen
Aneignung der Realität, im Meinen, eine entscheidende Rolle. Erwähnt sei
nur das in diesem Sachverhalt Wichtigste: die Ambivalenz. Die Ambivalenz
lebt davon, daß es zwei Arten von Juden gibt: den Herren und den Elenden.
Die alten Trennungen von Sephardim und Aschkenasim, von Portugieser Juden
und Elsäßer Juden, von deutschen Juden und Ostjuden lassen sich mit den
Netteln der Ambivalenz gut bearbeiten: In der Vorstellung der "zwei
Arten von Juden" kämpft die antisemitische Vorstellung mit Widersprüchen,
die auf diese Weise erträglich gestaltet werden. In der Untersuchung
"Authoritarian Personality" hat ein weisser Boy- Scout-Fuehrer
diese Unterscheidung zwischen weißen und nichtangepassten Juden zum
Ausgangspunkt seiner "Lieblingstheorie" gemacht: "Nehmen
Sie die Juden. Es gibt Gute und Schlechte in allen Rassen. Wir wissen das,
und wir wissen, daß die Juden eine Religionsgemeinschaft sind und keine
Rasse; aber die Schwierigkeit ist, daß es zwei Typen von Juden gibt. Da
sind die weißen Juden und die Kikes. Meine Lieblingstheorie ist, dass die
weißen Juden die Kikes ebensosehr hassen wie wir. Ich kannte sogar einen
guten Juden, der einen Laden hatte und einige Kikes rauswarf, indem er
erklärte, mit Kikes wolle er nichts zu tun haben."(51)
Die Unterscheidung zweier Arten von Juden entlastet in Normalzeiten vom
Schuldgefühl, das mit dem gewöhnlichen Antisemitismus einhergeht. Die
antisemitische Propaganda versucht aus der Ambivalenz ihr Kapital zu
schlagen: Der Agitierte kann sich zugleich als Herr und als Rebell gegen
die Herrschaft fühlen. Ambivalenz aber ist auch wirksam in der Relation
von Antisemitismus und Philosemitismus; beiden gemeinsam ist die unaufgeklärte
affektive Beziehung zum Meinen. In Deutschland konnte das Umschlagen von
Antisemitismus in Philosemitismus und umgekehrt mit den wechselnden
Autoritätsverhältnissen in den letzten Jahrzehnten gut beobachtet
werden. Die Grundstruktur bleibt die Korrelation von Antisemitismus und
Gesellschaft; der erklärte "offizielle" Philosemitismus ist
jederzeit kündbar. Als Lackmus können Auseinandersetzungen um kulturelle
Phänomene gelten. Kultur gilt als positiver Wert in der spätkapitalistischen
Gesellschaft; Protest gegen Antisemitismus, der sich in kulturellen
Objektivationen niederschlägt, provoziert sofort antisemitisches
Vorurteil. Ebenso wenn es um die "nationale Selbstachtung" oder
Identität geht: Nationales Selbstgefühl gilt als natürlich; wird es
gekränkt, schlägt der offiziell gepflegte Philosemitismus in
Antisemitismus um. Falsch an beiden, Philo- und Antisemitismus, pflegt die
vorgeordnete Rolle des Kollektive zu sein, die der Emanzipation des
einzelnen zuwiderläuft: "Einen Menschen a priori, nicht als
einzelnen, als Person, sondern generell und vornehmlich als Deutschen,
Neger, Juden, Fremden oder Welschen zu behandeln, ohne daß man schon die
Erfahrungen hätte, er ermangele eigenen Urteils und verdiene nicht, für
sich selbst zu gelten, ist barbarisch."(52)
Der Antisemitismus der Nazis musste vom modernen Antisemitismus
abstrahieren, um zu der Tat zu gelangen, die mit dem Namen Auschwitz
verbunden ist. Die fabrikmäßge Tötung von Millionen Juden gelang nur
unter der Abstraktion von dem gefühlsgebundenen Agitationsantisemitismus.
Von den antisemitischen Parteien im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts
bis zum Berliner Sportpalast durchzieht den modernen Antisemitismus etwas
Theatralisches, das Adorno auch an der faschistischen Agitation in den USA
beobachtet hat: "So wenig die Menschen im Innersten wirklich glauben,
dasßdie Juden Teufel sind, glauben sie ganz an den Führer. Sie
identifizieren sich nicht mit ihm, sondern agieren diese Identifizierung,
schauspielern ihre eigene Begeisterung und nehmen so an der
"Show" ihres Fuehrers teil."(53)
Die Praxis der Versammlungsrede widersprach schon den von Hitler früh
geforderten veränderten Politikformen: Hitler forderte einen
"Antisemitismus der Vernunft"(54), der die begrenzte Gewaltform
des Pogroms überwindet. Nur unter Abstraktion von Gefühlen läßt sich
die mechanische Tötung von Millionen organisieren und durchführen.
Sadistische Qual- und Folterszenen, mit der die Unterhaltungsindustrie das
Geschehen in Auschwitz oft aufbereitet, hindern nur den sachlichen Ablauf
des Mordens. Selbst die Massenerschießung erweist sich in der Praxis als
zu aufwendig; die psychische Rückwirkung, die Demoralisierung der Erschießungspelotons
wird gefürchtet. Die Nichtanerkennung des Feindes offenbart sich in der Tötungsart:
Zyklon B - Unkrautvernichtung, wie die Propaganda es versprochen hat. Die
Massenvernichtung von Menschen im Konzentrationslageruniversum läßt die
Geschichte des Antisemitismus hinter sich. In der Aufhebung aller
bisherigen Geschichte wollten die nationalsozialistischen Machthaber eine
bleibende Tat begangen haben. Um diese unbegreifliche Vorstellungswelt überhaupt
als real zu zeigen, muß man Zeugen und Täter selbst sprechen lassen. Der
Eichmann verhöerende Offizier Avner Less berichtet von einem SS-Zeugen,
der Eichmanns letzte offizielle Worte zu Protokoll gab, und hält sie
Eichman im Verhör vor: "Eichmann" - so hat der Zeuge Wisliceny
erzählt - "drückte das in einer besonders zynischen Weise aus, er
sagte, er würde lachend in die Grube springen, denn das Gefühl, daß er
fünf Millionen Menschen auf dem Gewissen habe, wäre für ihn
ausserordentlich befriedigend." Eichmann regt sich im Verhör auf:
"Das ist ... Theater, Theater! ... Das ist die letzte Ansprache
gewesen, die ich an meine Leute hielt, wie ich schon gesagt habe. Was ich
da gesagt habe, das muß nicht wörtlich stimmen, aber sinngemäß
stimmt's ganz genau. Denn das ist meine... meine... das ist meine, mein
Resuemee gewesen damals in der... in der... wie soll ich sagen
Weltuntergangsstimmung, in der ich lebte - die dann einige Tage einen
Schock in mir - ah - also nicht einen, einen Nervenschock, sondern einen
... einen moralischen Schock hervorrief: Das Reich ist kaputt, es hat
alles nichts genutzt, es ist alles, es ist alles umsonst, umsonst der
ganze Krieg. Das habe ich da gesagt, was da angegeben ist. Aber das ist
Theater!"(55) Aus Eichmanns Worten spricht die Verharmlosung des
Geschehens: Eigentlich soll alles nur ein 'Theater gewesen sein - wie
vorher im Sportpalast, als man noch sagen konnte, man habe sich verführen
lassen. Der Antisemitismus ist nicht trotz Auschwitz wiedergekehrt,
sondern der Antisemitismus nach Auschwitz hat Auschwitz in sein System der
Abwehr von Schuld aufgenommen. Auf der einen Seite gibt es die brutale
Verleugnung der Existenz von Auschwitz. Diese Behauptung hat nur eine
Funktion: Man will am Status quo ante des Antisemitismus anknüpfen können.
Auf der anderen Seite läßt sich die Nivellierung von Auschwitz, der
Vorgeschichte und der Nachgeschichte beobachten. Es wird oft
(pseudopsychoanalytisch) von Verdrängung gesprochen, aber in beiden Fällen
ist Verleugnung am Werk: Die Geschichte, also reale Taten in der Außenwelt,
nicht in der Phantasie, soll nicht so wahrgenommen werden wie sie
wahrgenommen werden müßte. Jedes Aufkommen von Schuldgefühl soll
verhindert werden. Die Verleugnung soll schützen vor einem Wirrwarr der
Gefühle, die mit intellektueller Anstrengung bearbeitet werden müßten.
Im Reden über Antisemitismus nach Auschwitz ziehen die meisten Gesprächspartner
die Ebene der Gefühle vor; denn allein auf der Gefühlsebene läßt sich
das psychische Meisterstück leisten, das von Schuld entlasten soll: die
sinnliche Gewißheit, daß auch das Opfer schuldig ist. Denn psychische
Schuld rechnet sich nach dem Gleich für Gleich des Blutracheschemas. Nur
die Wahrnehmung der ganzen Geschichte vom traditionellen Judenhass in der
vorbürgerlichen Welt bis zum modernen Antisemitismus, von Auschwitz und
der Gleichmacherei von Täter und Opfer nach Auschwitz, ermöglicht eine
klare Sicht auf mögliche Schuld. "Man darf vielleicht sagen, daß
eigentlich nur der von neurotischem Schuldgefühl frei ist und fähig, den
ganzen Komplex zu überwinden, der sich selbst als schuldig erfährt, auch
an dem, woran er im handgreiflichen Sinne nicht schuldig ist-"(56)
Anmerkungen
1) Vgl. Detlev Claussen, Grenzen der Aufklärung, Frankfurt 1987.
2) Max Horkheimer, Theodor W Adorno, Dialektik der Aufklärung, Amsterdam 1947, S. 235. Mit diesem Satz beginnt die Nachschrift von 1947 zu den 1944 geschriebenen "Elementen des Antisemitismus".
3) Max Horkheimer, Theodor W Adorno, Vorwort, Sommer 1959, zu Paul W Massing, Vorgeschichte des politischen Antisemitismus, Frankfurt 1959,S.VI f., der deutschen Ausgabe des 1949 in der Reihe "Studies in Prejudice" erschienenen Rehearsal for Destruction.
4) Zitiert nach Simon Dubnow, Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes 1789-1914, Berlin 1920, Bd. 1, S. 70.
5) F.W.v. Schütz, Niedersaechsischer Merkur, Altona 1792, zitiert in: Bernhard Wilms, Johann Gottlieb Fichte - Schriften zur Revolution, Frankfurt Berlin -Wien 1973, S. 299.
6) J.G.Fichte, Schriften zur Revolution, a. a. 0., S. 175.
7) Ebd., S. 176.
8) Ebd. An Fichtes persönlichem Verhalten ist auch später kein Tadel zu üben. Aufschlußreich verhält er sich in der Affäre Brogi, 1812, als ein handfest beleidigter jüdischer Student aus armen Verhältnissen den Beleidiger verklagt, statt sich zu duellieren. Das widersprach ganz dem studentischen Kodex, den Schleiermacher noch rechtfertigte. Fichte verhält sich in diesem Konflikt gar nicht deutschtümelnd, sondern zivilisatorisch: Gesetz gegen Gewohnheit. Vgl. Wilhelm G. Jacobs, Johann Gottlieb Fichte, Reinbek bei Hamburg 1984, S. 122f.
9) Theodor W. Adorno, Negative Dialektik, Frankturt 1966, S. 353
10) Ebd., S. 355.
11) Fichte, a. a. 0., S. 176.
12) G. W F Hegel, Grundlinien der
Philosophie des Rechts, Hegels Werke (HW), Bd. 7, S. 19, 18.
13) Von Poliakovs instruktive Geschichte des Antisemitismus, Worms
1977ff., erweist sich als brauchbar, soweit es um die Vorgeschichte und
den traditionellen Judenhass geht. Bd. V, Die Aufklärung und ihre
judenfeindliche Tendenz, kann das Neue nicht erkennen, weil es nur das
Alte im Neuen sucht. So wird z. B. die Philosophie des deutschen
Idealismus in toto als antisemitisch beurteilt, weil die Philosophen
Protestanten und Luther ein Antisemit war.
14) Max Horkheimer Theodor W. Adorno, Vorwort zu P.Massing...,S.VII.
15) Heinrich Heine, Aphorismen und Fragmente, Werke und Briefe, Bd. 7 (HW), Berlin und Weimar 1980, S. 412.
16) Ausgesprochen instruktiv lesen sich die Vorträge von Walter Schmitthenner "Kennt die hellenistisch-römische Antike eine "Judenfrage"?" und ""Adversus Judäos" in der Alten Kirche" von Karl Suso Frank in der von Bernd Martin und Ernst Schulin herausgegebenen Vorlesungesreihe Die Juden als Minderheit in der Geschichte, Muenchen 1981.
17) Alex Bein bringt sein Thema unter den Oberbegriff "Die Judenfrage, Biographie eines Weltproblems", 2 Bde., Stuttgart 1980, der im säkularisierten Sinne von einer dreitausendjährigen Einheit der jüdischen Nation ausgeht. "Judenfrage" als Begriff faßt schwammig Möglichkeit oder Unmöglichkeit der Judenemanzipation - eine ebenso vage Formulierung wie die gleichzeitig im Vormärz gestellte "Soziale Frage". In der Formulierung "Judenfrage" deutet sich schon eine Verschiebung der Emanzipationsforderung an - aufgegriffen wird die "Judenfrage" gegen die Emanzipationsgesetzgebung in ganz Deutschland in den 70er Jahren des Zweiten Reiches. Die "Judenfrage" wird von der zionistischen Literatur zum Ausgangspunkt der zionistischen Lösungsvorschläge gemacht. In dieser Tradition versteht sich Alex Bein.
18)Bernd Martin und Ernst Schulin wählten den Oberbegriff "Minderheit" für ihre Vorlesungsreihe, die nicht nur den Antisemitismus zum Gegenstand hat, sondern auch jüdische Geschichte. Ein Reclamband von Hans-Gert Oomen und Hans-Dieter Schnüd versteckt eine Materialauswahl über die "Anfänge des modernen Antisemitismus am Beispiel Deutschlands" unter dem Titel Vorurteile gegen Minderheiten (Stuttgart 1978). Die pädagogisierte Bearbeitung des Themas steht immer in Gefahr, das Spezifische des Antisemitismus in leere Allgemeinheiten aufzulösen. Was ist nicht alles ein Vorurteil, was nicht alles eine Minderheit? Diese Formulierungen kommen dem Alltagsbedürfnis entgegen, das Grauen, das mit Antisemitismus assoziiert wird, zu nivellieren. Der Wunsch nach Beliebigkeit drückt sich in der allzu häufigen Formulierung xy sind die Juden von heute" - man setzt ein, was gerade gefällt - Türken, Asylanten etc.
19) Karl Marx, Friedrich Engels, Die
heilige Familie, 1845, MEW 2, S. 93.
20) Horkheimer, Adorno, Dialektik der Aufklärung, a. a. 0., S. 208.
21) Franticek Graus, "Judenpogrome im 14. Jahrhundert: Der schwarze Tod", in: Martin, Schulin, Die Juden . . ., a. a. 0.,S. 72.
22)Zitiert nach: Hans Wollschläger, Die
bewaffneten Wallfahrten gen Jerusalem, Geschichte der Kreuzzuege, Zuerich
1973, S. 20.
23) Heinrich Heine, Aphorismen und Fragmente, HW 7, S. 374.
24) Sigmund Freud, Der Mann Moses und die monotheistische Religion, Gesammelte Werke (GW), Bd. XVI, London 1950, S. 198.
25) Ebd., S. 243 "Gleichzeitige
Anwesenheit einander entgegengesetzter Strebungen, Haltungen und Gefühle,
z. B. Liebe und Hass, in der Beziehung zu ein- und demselben Objekt".
(J. Laplanche, J.-B. Pontalis, Das Vokabular der Psychoanalyse, Frankfurt
1972, Bd. 1, S. 55)
.
26) Leon Poliakov, Geschichte des Antisemitismus, Bd. 1, Von der Antike
bis zu den Kreuzzuegen, Worms 1977, S. 32.
27) Theodor W Adorno, Minima moralia, 1945, Frankfurt 1951, S.141.
28) Dieter Mertens, "Christen und Juden zur Zeit des ersten Kreuzzuges", in: Schulin/Martin, Die Juden . . ., a. a. 0., S.61 f.
29) Im 36. Kapitel "Vorkapitalistisches" macht Marx sich Gedanken über diesen historischen Abschnitt. Stichwort Wucher: "Im Mittelalter herrschte in keinem Lande ein allgemeiner Zinsfuß. Die Kirche verbot Zinsgeschäfte von vornherein. Gesetze und Gerichte sicherten Anleihen nur wenig. Desto höher war der Zinssatz in einzelnen Fällen. Der geringe Geldumlauf, die Notwendigkeit, die meisten Zahlungen bar zu leisten, zwangen zu Geldaufnahmen, und um so mehr, je weniger das Wechselgeschäft noch ausgebildet war. Es herrschte große Verschiedenheit sowohl des Zinsfusses wie der Begriffe vom Wucher. Zu Karls des Grossen Zeit galt es fuer wucherisch, wenn jemand 100% nahm. Zu Lindau am Bodensee nahmen 1344 einheimische Buerger 216%. In Zuerich bestimmte der Rat 43« % als gesetzlichen Zins. In Italien mußten zuweilen 40 % gezahlt werden, obgleich vom 12.-14. Jahrhundert der gewöhnliche Satz 20% nicht überschritt. Verona ordnete 12«% als gesetzlichen Zins an. Kaiser Friedr. 1. setzte 10% fest, aber nur für Juden. Fuer die Christen mochte er nicht sprechen. 10% war schon im 13. Jahrhundert im rheinischen Deutschland das gewöhnliche." (MEW 25, S. 611) Das Zinsverbot brachte den jüdischen Zins unter Kontrolle der Herrschaft und zwang vor allem die Kreuzzügler, ihren Besitz der sog. "toten Hand" zu übergeben. Juden waren selbstverständlich von diesem heiligen Geschaeft ausgeschlossen. Kam der Kreuzzügler nicht wieder und/oder konnte seinen Besitz nicht auslösen, fiel er an die Kirche. Marx zitiert J. G. Büscher "Theokratisch-praktische Darstellung der Handlung etc.": "Ohne das Verbot der Zinsen würden die Kirchen und die Klöster nimmermehr so reich haben werden können." (MEW 25, S. 626).
30) Wanda Kampmann, Deutsche und Juden, Frankfurt 1979, S. 21. Unter die Kategorie der besonders Schutzbeduerftigen fallen neben den Juden Geistliche und Frauen.
31) Mertens, Christen und Juden. . ., a. a. 0., S. 64.
32) Herbert A. Strauss, "Juden und Judenfeindschaft in der fruehen Neuzeit", in: Herbert A. Strauss, Norbert Kampe (Hg.), Antisemitismus, Von der Judenfeindschaft zum Holocaust, Frankfurt 1985, S. 70.
33) Leon Poliakov, Religiöse und soziale Toleranz unter dem Islam. Geschichte des Antisemitismus Bd. 3, a. a. 0., S. 143.
34) "In den staatlichen Urkunden wurden die neuen Christen als die Nation gefuehrt, als ein gesonderter Teil der Bevoelkerung. Das wollten sie so und waren stolz darauf. Sie hatten die ummauerten Juderias verlassen und wohnten nun in anderen Quartieren der Stadt, dicht beieinander, Haus an Haus. Die Reichen unter ihnen waren jetzt mit dem hohen Adel versippt und selbst zu Rattern geschlagen. Der große Haufen blieb geruhig, was er auch im Ghetto gewesen war: Portugals Mittelstand. Die jüngeren Soehne jedoch suchten die grosse Karriere in dem weiten Feld, das den Juden versperrt war, den neuen Christen jedoch, den Vollbürgern, weit offenstand. Sie wurden Offiziere, Richter, Bürgermeister, sie sicherten sich ihr Teil an den fetten geistlichen Pfründen." (Fritz Heymann, Der Chevalier von Geldern. Geschichten jüdischer Abenteurer, Königstein 1985, S. 27).
35) Reinhard Ruerup, Emanzipation und Antisemitismus, Göttingen 1975, S. 74.
36) Karl Marx, Zur Kritik der Hegelschen
Rechtsphilosophie, Einleitung 1844, MEW 1, S. 391.
37) Karl Marx, Zur Judenfrage, 1843, MEW Bd. 1, S. 359.
38) Richard Wagner, "Das Judentum in der Musik", 1850, in: Richard Wagner, Mein Denken, hg. von Martin Gregor-Delhn, München 1982, S. 174. Bruno Bauers Artikel "Das Judenthum in der Fremde" erschien 1863 als Separatdruck, gut zwanzig Jahre nach der "Judenfrage", als Bauer längst ins konservative Lager zurückgekehrt war. Vgl. Hermann Greive, Geschichte des modernen Antisemitismus in Deutschland, Darmstadt 1983, S. 91 f.
39) MEW 1, S. 377.
40) Karl Marx, Das Kapital, Bd. 3, MEW 25,
S. 342. Beim jungen Marx heißt es: "Der Jude hat sich auf jüdische
Weise emanzipiert, nicht nur, indem er sich die Geldmacht angeeignet,
sondern indem durch ihn und ohne ihn das Geld zur Weltmacht und der
praktische Judengeist zum praktischen Geist der christlichen Völker
geworden ist." (MEW 1, S. 373. Erste Hervorhebung von mir, D. C.,
zweite von Marx).
41) Sigmund Freud, Zeitgemäßes über Krieg und Tod, 1915, GW X, S. 351.
42) A. a. 0., S. 333 "Im
antisemitischen Meinen wird ständig legitime Gewalt in der psychischen
Realitaet ausgeuebt. Das waren ja nur Worte, "persoenliche"
Meinung. Hypostasierte Meinung - wissen wir - ersetzt die Gewalttat oder
ist ein Versprechen auf sie." (Detlev Claussen, "Ueber
Psychoanalyse und Antisemitismus", in: Psyche 1, 41. Jahrgang,
Stuttgart, Januar 1987, S. 16.)
43) Theodor W Adorno, "Meinung Wahn Gesellschaft", 1961, in:
Eingriffe, Frankfurt 1963, S. 150.
44) A. a. 0., S. 153.
45) Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, 270, HW 7, S. 421. "Der gegen Hegel stets erhobene Vorwurf, er habe den preußischen Staat vergottet, pflegt zu übersehen, daß zu jener Zeit in Deutschland Preussen recht fortgeschrittene Institutionen besaß, und daß es dem Philosophen mehr als um Preußen um die Einrichtung der Freiheit ging." (Max Horkheimer, "Nachwort zu Porträts deutsch-jüdischer Geistesgeschichte", 1961, in: Gesammelte Schriften, Bd. 8, Frankfurt 1985, S. 181.)
46) Heine, Brief an Imanuel Wohlwill 1. 4. 1823, in: HW 8, S. 64f. Hans Mayer hat die Literatur der Emanzipationsepoche unter der Kategorie Das unglueckliche Bewusstsein (Frankfurt 1986) interpretiert.
47) "Dass Emanzipation und Liberalismus nicht gelangen, dass sie nicht verwirklichten, was einmal die Aufklärung und die Revolution an Hoffnungen auf Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit aufbrechen lassen, dafür, und nicht für eine partielle Schwierigkeit im Verhaeltnis einer bestimmten Gruppe zur Gesamtgesellschaft, ist der Antisemitismus ein Index. Antisemitische Gesellschaft, d. h. eine Gesellschaft, in der die zahlenmässig größten Schichten des Volkes ihr unerhelltes Unbehagen, ja ihre Wut und Verzweiflung in Hass gegen eine schwache, an den Ursachen des Unbehagens durchaus unschuldige Minderheit umsetzen, entsteht im ausgeprägten Sinne erst mit bürgerlicher Revolution, Liberalismus und industrieller Wirtschaft." (Margherita v. Brentano, "Die Endloesung - Ihre Funktion in Theorie und Praxis des Faschismus", in: H. Huss, A. Schroeder [Hg.1, Antisemitismus, Frankfurt 1965, S. 56.)
48) Karl Marx, Das Kapital, Bd. 1, MEW 23, S. 62.
49) Hegel, Grundlinien. . ., HW 7, S. 419.
50) Sigrnund Freud, Das Unbehagen in der Kultur, 1929, in: GW XIV, S. 426.
51) Zitiert nach Theodor W. Adorno, Studien
zum autoritären Charakter, Frankfurt a. M. 1973, S. 131.
52) Max Horkheimer, "Nachwort ... ", a. a. 0., S. 191 f.
"Es ist mir fast nicht weniger verdaechtig, wenn einer sagt, daß er
"Die Juden", schlechthin liebt, als wenn er ihnen etwas Falsches
vorwirft - " (S. 192)
53) Theodor W. Adorno, "Die Freudsche
Theorie und die Struktur der faschistischen Propaganda", in: Helmut
Dahmer (Hg.), Analytische
Sozialpsychologie, Bd. 1, Frankfurt 1980, S. 340.
54) Adolf Hitler, Brief an Adolf Gemlich, 16. 9. 1919, in: Sämtliche Aufzeichnungen, hg. v. E. Jäckel, S. 89: "Der Antisemitismus aus rein gefühlsmäßigen Gründen wird seinen letzten Ausdruck finden in der Form von Progromen. Der Antisemitismus der Vernunft jedoch muß führen zur planmäßigen gesetzlichen Bekämpfung und Beseitigung der Vorrechte der Juden, die er zum Unterschied der anderen zwischen uns lebenden Fremden besitzt (Fremdengesetzgebung). Sein letztes Ziel aber muss unverrückbar die Entfernung der Juden überhaupt sein." Wie viele Nazis kennt Hitler nicht einmal den Namen der traditionellen antisemitischen Gewalttat: Pogrom.
55) Jochen v. Lang (Hg.), Das Eichmann-Protokoll, Tonbandaufzeichnungen der israelischen Verhöre, Berlin 1982, S. 150.
56) 1950 hat Theodor W Adorno dies in einer erschütternden Studie über "Schuld und Abwehr" (Gesammelte Schriften 9,2, Frankfurt 1975, S. 320) resümiert. Das heutige Gerede vom "Man muß doch endlich vergessen können" war schon damals gang und gäbe (Vgl. Detlev Claussen, "Auschwitz erinnern", in: Neue Rundschau, Heft 3/4, 96. Jg., Frankfurt 1985, S. 205), Jean Paul Sartre ("Betrachtungen zur Judenfrage", Oktober 1944, in: Drei Essays, Frankfurt - Berlin - Wien 1975, S. 181) hat sich am Abend der Befreiung Gedanken über Schuld auch derer gemacht, die gegen die Nazis gekämpft haben: "Keiner von uns ist unter diesen Umständen unschuldig, wir sind Verbrecher, und das Blut, das die Nazis vergessen haben, kommt auf unser Haupt." Das gilt auch für die Nachgeborenen.
Editorische Anmerkungen:
Der Aufsatz erschien in: Detlev Claussen (Hrsg.): Vom Judenhass zum Antisemitismus. Materialien einer verlängerten Geschichte. Darmstadt: Luchterhand, 1987
Der Text ist eine Spiegelung von: http://www.nadir.org/nadir/aktuell/2002/02/03/8450.html