B. Schmid: "Gelbwesten-Chronik"

Nach den „Gelbwesten-Ultimatums“-Demonstrationen und der Klimabewegung – Streiktag mehrerer Gewerkschaften am heutigen Dienstag

Bericht vom 19. März 2019

Eine Verbreiterung der Massenbasis der „Gelben Westen“ ist gescheitert, doch eine Glasbruchorgie soll es in mancher Augen kompensieren..; ein Teil der „Gelbwesten“-Bewegung schwelgt in absolut besoffener strategischer Selbstüberschätzung – Neue Ausweitung der Repressionsmaßnahmen kündigt sich an, wohl mit (relativer) Unterstützung eines breiten Publikums infolge der jüngsten „Ausschreitungen“ – Die „Konvergenz“ mit anderen Protestbewegungen, insbesondere jener für’s Klima, ist zum Teil gut gelungen – Insbesondere die Klimaschutzbewegung kann einen guten Mobilisierungserfolg für sich reklamieren – Am heutigen Dienstag rufen mehrere Gewerkschaften zum Streik auf.

Das vergangene Wochenende des 16./17. März 19 war als entscheidend für den Fortgang der Protestbewegung der „Gelben Westen“ angekündigt worden; wir berichteten bereits vorab ausführlich.

Die geplante Mobilisierung zum „Akt XVIII“ an diesem Samstag war seitens (eines Teils) der „Gelbwesten“ mit einem drohenden „Ultimatum an Macron“ (vgl. für eine ziemlich großmäulige Ankündigung in diesem Sinne: https://vimeo.com/323272955 ) verbunden worden. Und zwar pünktlich zum Ausgang des grand débat national, welchen Emmanuel Macron am 15. Januar d.J. als vermeintliche Antwort auf die Protestbewegung gestartet hatte. Die letzten Veranstaltungen im Rahmen dieser „großen nationalen Debatte“ haben nun am Freitag, den 15. März 19 stattgefunden.

Insgesamt sollen ausweislich der dazugehörigen Webseite 160.000 Menschen an den Online-Foren zur regierungsoffiziellen „nationalen Debatte“ teilgenommen haben. Parallel dazu fanden Hunderte von Veranstaltungen in ganz Frankreich statt, jedoch führten nur 16 Prozent von ihnen zur Erstellung eines offiziellen Protokolls. Der linkssozialdemokratische und linksnationalistische Oppositionspolitiker Jean-Luc Mélenchon spricht deswegen von einem „Flop“. (Vgl. https://www.youtube.com/ ) – Gesichert ist unterdessen, dass auf einer anderen, aber damit verbundenen Ebene eine Niederlage für das Regierungslager zu verzeichnen ist: Im Anschluss an die „nationale Debatte“ sollen nun zwanzig „Bürger/innen/konferenzen“ einberufen werden, an denen über Vorstufen insgesamt 75.000 Franzosen und Französinnen beteiligt werden sollen. Doch 90 Prozent der kontaktierten Personen lehnten, wie in der Vorwoche bekannt wurde, eine Beteiligung ab. Ach nööö, wolln’wa dochliebanich… (Vgl. https://actu.orange.fr/f

Dies könnte natürlich damit zusammenhängen, dass ansonsten in Umfragen um die zwei Drittel erklären, eine Debatte sei zwar eine gute Idee, sie erwarteten jedoch keinerlei Einfluss auf die Regierungspolitik – es handele sich also letztlich um eine Laberveranstaltung, die dazu diene, das Publikum zu beschäftigen.. Und 70 % erwarten nicht, dass die regierungsoffizielle Debatte „die politische Krise im Land lösen“ könne. ( Vgl. https://www.bfmtv.com/ )

Zurück zu dem Protestwochenende der „Gelbwesten“. Schicken wir es voraus: Nein, wir teilen überhaupt nicht, aber wirklich überhaupt nicht den triumphalistischen Unterton, mit dem unser Kollege am gestrigen Montag in das zurückliegende Wochenende einführte (vgl. http://www.labournet.de ): „Alles schaute nach Paris: Aber große „Gelbwesten“-Demonstrationen gab es zum Akt 18 in zahlreichen französischen Städte.“ Das klingt nun vom Unterton her ziemlich genau wie: Es wurde noch besser als erwartet. Nein, sorry, aber ziemlich genau das Gegenteil ist wahr.

Die wirkliche Bilanz lautet: Eine Verbreiterung der Massenbeteiligung am Protestwochenende ist nicht gelungen; zwar war ein Anstieg der Teilnehmer/innen/zahl in Paris zu verzeichnen, doch resultiert dieser überwiegend daraus, dass Teilnehmer/innen aus anderen Städten (in der Nordhälfte Frankreichs) in Richtung Paris abgezogen wurden; vor allem jedoch sorgen einige tatsächlich kriminelle Akte im Rahmen dieses Protesttags dafür, dass die Lohnabhängigen vor ihrem Fernseher (und andere Zuschauer/innen) im Zweifel nun eher den angekündigten Repressionsmaßnahmen applaudieren. Jedenfalls einige der Akte, die an diesem Wochenende verübt werden, können nicht anders denn als asoziale Gewalttaten (d.h. keinem einzigen legitimen gesellschaftlichen Zweck dienende Handlungen) qualifiziert werden. In grandioser, besoffener strategischer Selbstüberschätzung faseln nun allerdings ganze Teile der verbliebenen Protestbewegung davon, aufgrund der Höhe des entstandenen, angerichteten Glasschadens habe man triumphiert, ja, man stehe anscheinend kurz davor, Emmanuel Macron zu stürzen. Vgl. bspw. im O-Ton,; https://www.lemonde.fr/ - Zitat Auszug : Il faut que Macron se rende compte que maintenant, il est cuit – „Macron muss sich dessen gewahr werden, dass er fertig ist.“ Weil’s am Wochenende eine Zeit lang auf den Champs-Elysées gebrannt hat? Nein, nicht wirklich! Dümmer geht’s fast nimmer.

Nein, es ist Unsinn, wenn der Autor nun in e-Mails angefragt wird, ob es nicht sein könne, dass staatlich bestellte agents provocateurs für die hervorstechendsten Akte verantwortlich zeichneten. Nein, liebe Leute – wenn in Mailinglisten und in bestimmten Whatsupgruppen nicht von einzelnen Individuen, sondern durch Teile des dortigen Mainstreams bestimmte Aktionen gefeiert und glorifiziert werden, dann ist das eine politische Tatsache, dann handelt es sich nicht um individuelle Handlungen (deren Urhebern man vielleicht unterstellen könnte, der Gegenseite anzugehören oder ihr zuzuarbeiten). Es gibt ganze Texte, in denen der strategische Ansatz „mangels Masse der Teilnehmenden erhöhen wir eben den Glasbruch und machen dadurch dann umso mehr auf uns aufmerksam“ ausdrücklich gerechtfertigt wird. Das ist keine individuelle Irrtumshandlung, sondern strategischer Irrsinn eines ganzen Spektrums. Nehmen wir als Beispiel einen seit dem Sonntag (17. März 19) im Internet und auf e-Mailinglisten kursierenden Text unter dem Titel „Brief an die Gutmenschen der Republik“; vgl. https://paris-luttes.info/- Dort heißt es unter anderem, im Wortlaut zitiert: „Ehrlich, seht Ihr nicht, dass der ,Akt 18‘ (Anm.: der achtzehnte Protest-Samstag an diesem 16. März 19) deswegen ein bedeutendes Aufsehen in der Politik und Medienwelt hervorrief, weil es Ausschreitungen/Überschreitungen (débordements) gegeben hat? Dass dieselbe Anzahl von Demonstranten in einem angemeldeten Protestzug, wo ‚nichts passiert‘ wäre, durch dieselben Politiker und Medien total verleugnet und missachtet worden wäre?“

Die Faustregel Nummer Eins soll also lauten: Ersetze Masse durch Glasschaden, und Du erregst Aufsehen in den bürgerlichen Medien (und dieses Aufsehen rechnen wir uns dann als Erfolg an). Eine Rechnung von strategisch Wahnsinnigen…

Tatsächlich trifft es zu, dass etwa Innenminister Christophe Castaner – wie wir ihn am vorigen Freitag, 15.03.19 in unserem Beitrag vom Tage zitierten – in der Öffentlichkeit laut vorrechnete, 40.000 oder 50.000 Demonstrierende an einem Wochenende, das sei doch auch nur die Hälfte der Zahl derer, die zu einem Rugbymatch ins Stadion strömten. Es ist vielleicht eine bittere Wahrheit, doch es stimmt: Einige wenige Zehntausend Demonstrant/inn/en in ganz Frankreich, das ist keine Massenbewegung, jedenfalls auf der Ebene der aktiven Beteiligung. Ja, die „Gelbwesten“-Bewegung genoss lange Monate hindurch eine Massenunterstützung, die sich u.a. in Umfragen ablesen ließ. Und sie rief Aufsehen und Aufmerksamkeit hervor, erstens, weil sie einen neuartigen Charakter hatte, schon von ihrer (heterogenen) Zusammensetzung her anders war als frühere Protestbewegungen, seien sie links konnotiert (wie die Streikbewegungen 1995, 2003, 2006, 2010, 2016) oder rechts konnotiert gewesen (zu den Letztgenannten vgl. die Massenbewegung gegen die Homosexuelle-Ehe 2012 bis 14). Zum Zweiten auch durch die ersten Eruptionen von Militanz und Gewalt gegen Sachen, insbesondere beim „Akt Zwei“ und anlässlich des „Akts Drei“, also am 24. November und 1. Dezember 18 in Paris. Denn diese Ausbrüche kamen damals überraschend und verblüfften Viele, bis hin zu zahlreichen Beteiligten selbst. Heutzutage hingegen ist niemand wirklich überrascht.

Zu den Fakten: Laut Regierungsangaben demonstrierten am Samstag, den 16. März d.J. in ganz Frankreich 32.300 Menschen im Rahmen der „Gelbwesten“-Bewegung (rund 4.000 mehr als sieben Tage zuvor), unter ihnen 10.000 in Paris (das wären drei mal so viele wie am Samstag zuvor, aber aufgrund eines Aufrufs, den Protest aus anderen Städten nach Paris zu einer Zentralmobilisierung zu verlagern). Vgl. https://www.europe1.fr/

Ja, Regierungszahlen zur Protestbeteiligung sind oftmals (auch in anderen Zusammenhängen) untertrieben, und es mag sein, dass man 50 Prozent oder manchmal auch 75 Prozent hinzurechnen darf. Nein, verzehnfachen oder verhundertfachen kann man die Zahlen nicht, denn es ist nicht unklug, nahe am Realitätsprinzip zu bleiben. Zum Vergleich: Im Frühjahr 1968 - beim bisher letzten realen Generalstreik in Frankreich – waren zehn Millionen Menschen zum Protest unterwegs. Anlässlich der Streiks in den öffentlichen Diensten im November & Dezember 1995 demonstrierten auf dem Höhepunkt (am 12.12.1995) rund zwei Millionen Menschen, obwohl in der Privatwirtschaft nicht gestreikt wurde. Im März und Anfang April 2006 demonstrierten bis zu drei Millionen Menschen gegen den Angriff auf den Kündigungsschutz in Gestalt des CPE oder „Ersteinstellungsvertrag“. Das sind andere Proportionen, da beißt keine Maus irgendwo irgendeinen Faden ab.

Rückblick auf den „Akt Achtzehn“

Zu den einzelnen Vorgängen/Vorfällen: Am Samstag brannte es an unterschiedlichen Stellen auf den Champs Elysées, wo zur selben Zeit andernorts auf der „Prachtavenue“ rund 3.000 Menschen im Polizeikessel standen oder hockten.

NACHTRÄGLICH EINGEFÜGTE ANMERKUNG DAZU:

Allem Anschein nach handelte die Polizei vorwiegend nach der Maxime, es gelte um jeden Preis, „einen Zusammenschluss von ‚Gelbwesten‘ und ‚Grünwesten‘ (Anm. BS: also den Teilnehmer/inne/n an den Klimademonstrationen vom selben Tag, vgl. unten) zu verhindern“, wie die liberale Pariser Abendzeitung Le Monde (vgl. Print-Ausgabe) es in der erten Wochenhälfte formulieren würde. Also die „Gelbwesten“, inklusive autonomer und insurrektionalistischer Abteilung, auf den Champs-Elysées daran zu hindern, sich einer der beiden anderen Demonstrationen vom Tage – jener „gegen Polizeigewalt und staatlichen Rassismus“, rund 2.500 Teilnehmer/innen, oder jener direkt hinter ihr laufenden zum Klimaschutz, rund 50.000 Teilnehmer/innen, siehe unten – anzuschließen. Die beiden letztgenannten Demonstrationen liefen von der place de l’Opéra aus los, also rund anderthalb Kilometer weiter östlich. Bereits gegen elf Uhr am Vormittag ging die Polizei vor diesem Hintergrund sehr offensiv auf den Champs-Elysées gegen die dort versammelten „Gelbwesten“ vor und setzte bereits ungewöhnlich frühzeitig massiv Tränengas ein. Allerdings nicht mit dem Ziel, die Protestierenden einschließlich des durch die Polizei so eingestuften „Gewaltpotenzials“ zu vertreiben, sondern an Ort und Stelle zu konzentrieren und am Abzug und Weiterziehen zu hindern. Daraufhin intensivierten sich deren Aktivitäten, und in der Konsequenz die Brände, dann an Ort & Stelle. Zweifellos reiste ein Teil der Anwesenden an jenem 16. März bereits mit der festen Absicht zum Sachschaden an; doch ebenso zweifellos halfen ihnen umso mehr Wütende vor dem geschilderten Hintergrund dabei, zur Sache zu gehen. Patrick Farbiaz, langjähriger Aktivist, früherer Maoist und späterer Grüner, Autor eines materialreichen Büchleins zur „Gelbwesten“-Bewegung, erklärt sich so auch, dass die später angezündete Bankfiliale zur Zielscheibe wurde, nachdem der dafür verantwortliche Pulk zunächst einmal ohne Aufhebens an ihr vorbeizogen sei.

Am spektakulärsten wurde es am frühen Nachmittag rund um die Champs-Elysées. Einen Aufmerksamkeitserfolg erzielte sicherlich die Verwüstung der Luxusrestaurants Le Fouquet’s (vgl. etwa https://actu.orange.fr/. Das ist jener Ort, wo Nicolas Sarkozy am Abend des Wahlsonntags am 06. Mai 2007 seinen Sieg bei den damaligen Präsidentschaftswahlen feierte, umgeben von Milliardären. Darauf verwies auch ein Graffity an diesem Samstag: Sarko a tout cassé („Sarko hat hier alles kaputtgemacht“). Dies hatte noch eine witzige Komponente und hätte, völlig unabhängig von der strafrechtlichen Bewertung, sicherlich noch viele Franzosen und Französinnen zum Schmunzeln veranlasst, ja vielleicht sogar erhebliche Zustimmung geerntet. Auch wenn die maoistische Gauche prolétarienne in den frühen Siebziger Jahren (mal unabhängig von der Kritik an einigen ihrer Inhalte) insofern einen besseren Weg gefunden hatte, als sie das Fouquet’s damals nicht kaputtschlug, sondern vielmehr dort erbeutete Luxusnahrung mitnahm und an Bedürftige sowie Angehörige der sozialen Unterklassen verteilte.

NACHTRÄGLICHE KORREKTUR:

Ein Zeitzeuge wies den Autor darauf hin, dass die GP damals nicht beim Fouquet’s kostenlos einkaufte, sondern vielmehr beim, ebenso „exklusiven“, Feinkostenladen Fauchon (in der Nähe der Madeleine-Kirche in Paris) die Fressalien auflud. Also in ein paar hundert Metern Entfernung.

Weitaus weniger witzig war hingegen etwa die Begebenheit, bei welcher eine Frau und ein Baby sich nur noch in mehr oder minder knapper Not aus einem brennenden Gebäude in der Nähe der Champs-Elysées retten konnten. Dies, nachdem sich für radikal haltende Hohlköpfe oder „Polit“-Hooligans Feuer in dem – obwohl Wohnungen beinhaltenden – Haus legten, um eine im Erdgeschoss gelegene Bank anzuzünden. (Vgl. im Video: http://videos.leparisien.fr/ ) Bei dieser „Episode“ wurden insgesamt elf Personen leicht verletzt. (Vgl. http://www.leparisien.fr ) Sorry, aber es ist kein staatlicher Willkürakt, wenn Brandstiftung – an bewohnten Gebäuden – als schwere Straftat mit mehrjähriger Haftandrohung eingestuft wird.

Auch nicht sonderlich amüsant war, dass die Gedenkpalette für den am 20. April 2017 auf den Champs-Elysées durch einen durchgeknallten Dschihadisten ermordeten Polizisten Xavier Jugélé – Friede seiner Asche – durch dumme Arschlöcher geschändet wurde. (Vgl. https://actu.orange.fr/ ) Xavier Jugélé war, man mag meinetwegen formulieren: obwohl Polizist, ein unschuldiges Opfer. Und es war ein bewegender Moment, als beim Staatsakt für den Ermordeten wenige Tage später sein Ehemann das Wort ergriff. Erstmals rückte dadurch ein homosexuelles Paar im Staatsdienst in den Mittelpunkt der Öffentlichkeit. Ein Teil der jungen Abenteuerlustigen auf Adrenalinsuche oder asozialen Schlägerbanden, die im Schlepptau politischer Abenteuer am Rande mancher Protesttage aktiv werden, hatten nun jedoch nichts Besseres zu tun, als ausgerechnet die Gedenkpalette für ihn zu beschmieren.

Ja, dies ruft in Teilen der Öffentlichkeit Abscheu hervor. Und es ruft eine Opposition in den Reihen der Polizei hervor (derzeit sind Polizeibedienstete aufgrund der Schändung der o.g. Gedenktafel zu Protestkundgebungen aufgerufen). Eine solche gab es auch bislang, eine Kritikfraktion, minoritär zwar, welche sich immer wieder zu Wort meldete, um „illegale Einsatzbefehle“ und eine ausufernde Repression zu kritisieren. Derzeit wächst dagegen eine Rechtsopposition heran, die eine zu lasche, zu schlappe Einsatzführung kritisiert. Eine der bei der Polizei vertretenen Gewerkschaften, UNSA Police, kritisiert bereits die vor dem „Akt 18“ der Gelbwesten am letzten Samstag getroffene Entscheidung, die Gummigeschosswaffe LBD 40 – wie es an diesem 16.03.18 der Fall war – durch ein kleineres Kaliber zu ersetzen, und fordert eine Rückkehr zu dickeren Wummen sowie eine bessere Ausstattung mit Distanzwaffen. (Vgl. zu den Dissonanzen innerhalb der Polizei auch: https://actu.orange.fr/)

Die Tatsache, dass Innenminister Christophe Castaner an diesem Montag, den 18.03.19 den bisherigen Pariser Polizeipräfekten Michel Delpuech entließ (vgl. https://actu.orange.fr/ ) und durch den vormaligen Präfekten von Bordeaux, Didier Lallement, ersetzte – vgl. https://actu.orange.fr/ - ist eine Antwort auf dieses Rumoren im Apparat. Lallement erarbeitete sich bis dahin in Bordeaux, einer Stadt, die als regionale Hochburg der „Gelbwesten“-Bewegung gilt, einen Ruf als scharfer Hund, ja als machtorientierter Psychopath. Zugleich tätigte Premierminister Edouard Philippe eine Reihe von Ankündigungen für ein verschärftes Ordnungs- und Demonstrationsrecht und zu härteren Praktiken. Auf die einzelnen Maßnahmen werden wir an dieser Stelle am morgigen Tag eingehen, da dazu am heutigen Dienstag (den 19. März 19) noch eigens anberaumte Regierungstreffen angesetzt sind.

Klimaschutzmobilisierung und sonstige Proteste

Einen Erfolg kann unterdessen insbesondere die Klimaschutzbewegung verzeichnen. Diese konnte allein in Paris laut Angaben der Veranstalter/innen 107.000 Menschen, laut jenen des Innenministeriums 36.000 Personen mobilisieren (vgl. https://france3-regions.francetvinfo.fr), und weitere Zehntausende in anderen französischen Städten. Unter ihnen befanden sich auch zahlreiche „Gelbwesten“ (wohl nicht jene, die sich am Spätvormittag auf den Champs-Elysées versammelt hatten und dort wegen Polizeikessels nicht wegkamen, wohl aber viele Andere, direkt Hinzukommende). Sie liefen neben anderen Komponenten mit – darunter ausgesprochen viele junge Leute, ein Techno-Block, eine Abordnung der Anti-AKW-Bewegung, ein Block der Veganismus/Tierrechtsbewegung, ein Fahrradblock… Der Klimaschutzdemo voraus lief am selben Samstag Nachmittag jene „gegen Polizeigewalt und staatlichen Rassismus“; beide nahmen auf dem, prall gefüllten, Pariser Opernplatz ihren Ausgang. Auch wenn sicherlich neben vielen kapitalismuskritischen Menschen auch ziemlich viele politisch Unbedarfte oder auch wohlmeinende Linksbürgerliche an der Klimademo mitliefen, so gaben deren Veranstalter/innen doch klar ihre Solidarität mit den anderen Anliegen zu erkennen. Als beispielsweise die Demo gegen Polizeigewalt loslief und die Klimademonstration zwanzig bis dreißig Minuten wartete, damit beide Protestmärsche sich entfalten konnten, wurde bei den Klimademonstrant/inn/en durch das Megaphon verkündet, man sei mit der anderen Demo solidarisch und habe „gemeinsame Gegner“. So sieht kein „unpolitischer“ Nur-Umweltschutz aus, und dies ist gut so.

Ein Teil der „Gelbe Westen“-Bewegung hatte von vornherein zur Teilnahme an der Klimademonstration aufgerufen, und nicht an dem Auflauf auf den Champs Elysées. Dazu zählt etwa Sophie Tissier, die als Anmelderin einiger der jüngsten „Gelbwesten“-Demonstrationen seit Januar/Februar d.J. auftrat (und dadurch Kritik und Vorwürfe der „Zusammenarbeit mit der Polizei“ erntete, da manche Teile Anmeldungen grundsätzlich ablehnten) und sich an die Spitze einer Fraktion der „Friedlichen Gelbwesten“ (gilets jaunes pacifiques) stellte.

Die Klimademonstration, an welcher laut Zählungen des Autors dieser Zeilen real mindestens 50.000 Menschen teilgenommen haben, erschien immer wieder gelb gesprenkelt. Leicht verwirrend war dabei, dass allerdings auch der Ordner/innen/dienst in gelbe Neonjacken eingekleidet worden war…

Gewerkschaftlicher Protesttag

Am heutigen Dienstag, den 19. März 19 rufen nun Gewerkschaften (CGT, FO, Solidaires) zu Streiks auf, die zumindest in Teilen der öffentlichen Dienste im Ansatz befolgt werden dürften. Aufgrund sektorenspezifischer Anliegen im Bildungswesen scheint der Arbeitskampf vor allem im Bildungswesen erfolgreich zu werden (vgl. etwa https://actu.orange.fr/l ). Bei den Pariser Nahverkehrsbetrieben der RATP ruft die dortige CGT zu Arbeitsniederlegungen der Busfahrer/innen auf, um gegen die angekündigte Öffnung der RATP-Buslinien für private Konkurrenzunternehmen zu protestieren. (Vgl. https://actu.orange.fr/ Am Dienstag früh war hingegen der Métro-Verkehr der RATP normal, von den üblichen technischen Störungen vielleicht einmal abgesehen. Zu diesem Zeitpunkt ist es für eine Auswertung des Streikerfolgs auf den Hunderten von Buslinien hingegen noch zu früh.