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High sein, frei sein, Terror muss dabei sein!!

Notwendige Ergänzungen zur Textsammlung Aufruhr & Revolte

AGIT 883, Nr. 24 vom 24.7.1969 S. 4, OCR-Scan by red. trend

Ebrach: eine Sauerei

Die Fahrt nach Ebrach war organisatorisch und politisch eine Pleite. Die von der Münchner Rechtshilfe als perfekt dagestellte Organisation eines Knastcamps hat sich als Betrug erwiesen, dem immerhin eine Menge Genossen aus der BRD und Westberlin aufgesessen sind. Weder Unterkunft noch Verpflegung war - entgegen anderslautender Ankündigung vom Zentralen Ermittlungsausschuß Westberlin unglücklicherweise ohne vorherige Prüfung übernommen - vorher ausgehandelt worden. Hasch war hingegen immer genügend vorhanden. Genossen waren frustriert und Leute, die man oft Genossen nennt, kifften und sonnten sich, ohne an politische Konzeption zu denken. Nachdem der Haschischvorrat zur Neige gegangen war, ging man teilweise zum "fixen" über. Skeptischen Genossen wurde die sattsam bekannte und gleichsam undurchsichtige Argumentationsglocke der "Bewußtselnserweiterungsideologie" so lange über den Kopf gestülpt, bis sie - wie üblich leider resignierend - schwiegen. Von den kleinen Schweinereien am Rande soll hier nicht die Rede sein. Die Argumentation wäre sonst im wesentlichen persönlich und nicht politisch. Wir haben uns seit langem darum bemüht, Einblick in die Ideologie "der Hascher" zu gewinnen. In Gesprächen, in teilweise selbst vorgenommenen Experimenten. Was uns allen auffiel, war, daß kein Ganoase politisch effektiv arbeitet, wenn er "high" ist. Wir haben die Frage gestellt, ob Haschen zur Befriedigung kollektiver oder lediglich individueller Bedürfnisse dienen kann. Das Ergebnis war, daß stets festgestellt wurde, wie sehr zwar Hasch zur Befriedigung individueller Bedürfnisse dient, aber andererseits die politische Arbeit einschläft.

Niemand von uns bestreitet indes, daß Haschischraucher mit zu den unterdrückten und stigmatisierten Minderheiten dieser Gesellschaft gehören, daß Haschischgesetze dazu dienen, Menschen weiterhin verwertbar zu halten im Sinne des Systems des Konsumterrors, des leitungs- und Anpassungszwange. Von den "Haschern" wurde das bislang nicht der linken Öffentlichkeit vermittelt. Ein smoke-in mit etlichen -zig Leuten ist noch lange nicht politisch. Warum eigentlich steht eine Hundertschaft Polizisten zusammen mit dem R-Dezernat tatenlos in der Gegend herum, wenn zweihundert Leute haschen? Doch nicht weil sie sich nicht trauen, "abzuräumen"? Hier sind doch schon andere Mengen zusammengeschlagen worden! Warum sorgt denn die CIA in den sogenannten "Entwicklungsländern", in denen die Revolution ständig vor der Tür steht, so eifrig u. systematisch für regelmäßigen Haschkonsum der linken Opposition?

Es gibt hier in Westberlin seit einiger Zeit einen "Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen" (ZduH) . Er begreift sich als "selbsternannter Repräsentant" der Hascher und versteht sich u. diese dabei als "links". Was das heißt, wußte er bis heute nicht zu artikulieren. Wie er sich zusammensetzt, welche organisatorische Struktur und welches politische Konzept er vertritt, ist unbekannt. Lediglich bei von ihm selbst organisierten "smoke-lns" und einer nicht zustande gekommenen Demonstration vor dem Haupteingang der Heilanstalt Wit-tenau trat er als Organisationskomitee in die Öffentlichkeit. Der ZduH hat sich bis heute politisch durch nichts ausgewiesen, es sei denn durch Terroraktionen vor dem "Obdach" gegen Polizisten und Polizeiwagen wobei er der linken Öffentlichkeit es schuldig blieb, zu vermitteln, warum hier Polizisten angegriffen wurden. Wer Steine wirft, ohne vermitteln zu können, aus welchen Unterdrückungsmechanismen heraus er dazu gezwungen wird, offensiv zu werden - und nur das währe eine politische Legitimation zur Gewaltoffensive - und wer noch dazu Verbalradikalismen wie "Berlin muß brennen, damit wir leben können" also ebenfalls unvermittelte Parolen ausgibt, handelt unpolitisch wenn nicht sogar unverantwortlich konterrevolutionär. Ale die Basisgruppe Kreuzberg vor zwei Wochen in der Redaktionskonferenz von "883" erschien u. versuchte, uns die Schädlichkeit eines in "883" veröffentlichten Haschartikels des ZduH mit üblen und zum Teil primitiven Argumenten klarzulegen, daß dort individueller Terror unvermittelt propagiert werde und der Unterdrückungsmechanismus der nun mehr Obdachlosen nicht zum Ausdruck komme, hatten wir noch keine konkreten Anhaltspunkte dafür, daß hier realer Schaden entstanden sei. Anstatt uns aufzuklären, verließen sie demonstrativ den Saal unter dem Beifall der anwesenden Kollektiv-Mitglieder der "883". Vorher bestimmten sie. daß ab sofort der Verkauf von "883" in der schwarzen Rose einzustellen sei, zogen nicht nur die kommerzielle Anzeige zurück, sondern stempelten 883" auch noch als faschistisch Blatt ab.

Seit Ebrach ist das anders. Hier war das politische Anliegen der geplanten Aktion klar: Reinhard Wetter ist von der politischen Justiz, welche in München bislang erheblich härter zuschlägt als in Westberlin, mit einem der übelsten Formaltricks ausgeschaltet und ins Gefängnis gebracht worden. Man hat ihn zuerst nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt und erst in der 2. Instanz nach Jugendstrafrecht, so daß keine Möglichkeit der Revision bleibt. Während er nun einsitzt, sind Bestrebungen im Gange, die noch gegen ihn anhängigen Verfahren im Schnellgang durchzuziehen, damit er gleich für längere Zeit als ohnehin 9 Monat drinbehalten werden kann.

Das hatte auch die Ebracher Dorfjugend begriffen, als die Münchner Rechtshilfe vor Wochen zum ersten Mal einen Besuch in Ebrach und Umgegend abstattete. Damals hatten sich Dorfjugend und alte Einwohner solidarisiert und sogar mitgemacht. Diesmal nicht. In Bamberg war man den Ebrach-Fahrern hinterher, als gelte es Hexen zu verbrennen. Ein Genosse liegt mit Nierenbluten im Krankenhaus, seit Lokaljournaillen zur Bürgerwehrbildung aufgerufen hatten.

Politisch passierte nichts. Außer daß eine Gerichtsverhandlung gestört wurde, ausser einem go-in in einem verschlafenen Rathaus, in dem zudem der falsche Landrat saß, der nicht im geringsten etwas mit dem "allgemeinen Zeitverbot" zu tun hatte. Die Frustration war da, Genossen reisten bald ab, und 40 Leute verbrachten ein paar Stunden in Gefängniszellen, angesichts eines verstörten Haftrichters, der sie dann auch bald wieder laufen ließ. Sehr zu ihrem Ärger. Alles, auch die Organisation blieb reaktiv. Die Frage der Organisation jedoch ist keine Angelegenheit der Praxis allein, also der spontanen Aktion von Gruppen, sondern im wesentlichen auch eine Theorie. Die Theorie der Aktion innerhalb der Linken erfuhr ihre praktische Negation durch die Nichtorganisation der als "rot" proklamierten Knastwoche in Ebrach. Einerseits verließ man sich auf die politischen Genossen, die zwar aufgerufen hatten, aber nur als Spurenelement in Ebrach zu finden waren, andererseits war man aber bemüht» bei deren Ausfall für Ersatz zu sorgen. Die letzliche Organisation der Knastwoche lag erkennbar nicht mehr bei denen, die aufgerufen hatten (Münchner Rechtshilfe, Ermittlungsausschuß), sondern bei denen, die nicht begriffen haben, daß die Organisation derartiger Aktionen abhängig gemacht wurde, von den Voyeuren der Linken, d.h. von den Unrtergroundvoyeuren politischer Vorgänge überhaupt, und wenn das Gegenteil der Fall war, d.h. wenn Genossen Hasch ausgewichen sind, dann ist aus mangelnder politischer Motivation die rote Knastwoche zu einer braungrünen Haschwoche geworden. Die Praxis hätte also durchaus organisatorisch bewältigt werten können; da aber die Theorie über diese Aktionen theoretische völlig unvorbereitet waren (was eben Motivation und deren Erkenntnis einschließt); konnte sich in Ebrach unter der Scheinkulisse "links" tummeln, wer wollte. Eben auch jene Gruppe, welche sich seit einiger Zeit als selbsternannter politischer Repräsentant der Hasch-Konsumenten bezeichnet, bis heute jedoch nicht anderes getan hat, als objektiv die Funktion eines Sprachrohrs kleinkapitalistischer "Dealer" zu erfüllen. Fünf Pfund "Stoff" wurden gespendet, damit das Bewußtsein der Genossen sich gebührend erweiterte. Wie das allenthalben aussieht, wenn es an politischer Arbeit geht ist hinlänglich bekannt. Nach drei Tagen wurde dann auch Nachschub gebraucht, vielleicht auch gebraut.

Der Mißerfolg von Ebrach jedenfalls geht auf das Konto der Haschrebellen und Buwußtseinsideologen. Das sollte endlich den klarwerden, die immer noch Underground mit revolutionärem Potential verwechseln. Damit hat der Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen vorläufig jeden Anspruch verwirkt, mit Krediten von "Links" bedacht zu werden. Vielmehr wird es an der Zeit, daß Ihn die arbeitenden Gruppen auffordern, politisches Konzept und politischen Nachweis zu erbringen und Ihm klar zu machen, nicht meinen zu können, nach zwei mal öffentlich Haschen habe man sich die Eintrittskarte! in die Linke Bewegung erschlichen und könne dort unter dem Mantel des "revolutionären undergrounds" weiterhin unbewusst kapitalistische Konsumsideologie reproduzieren, ohne sich dafür verantworten zu müssen.

Politische Aktion innerhalb der Linken heißt nicht, in Voyeurismus zu verharren und Ebrach-reaktiv zu bleiben, sondern heiß aktiv und offensiv den Kampf gegen die Institutionen zu führen. Als Alternative zur Knastwoche, die im Kiff erstank, wird der Sternmarsch zur U-Haftanstalt in Moabit am Freitag diesen Kriterien gerecht werden. Bundeswehrdeserteure, die sich in Westberlin stellen, handeln offensiv. Ebenso die Genossen, welche am Freitag einen Menschenraub verhindern wollen, der von der politischen Justiz geplant ist.

Redaktionskollektiv  "883 "