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Notwendige Ergänzungen zur Textsammlung Aufruhr & Revolte

Palästinensische Revolution, Resistentia Schriften Nr. 8, November 1969 S. 25-27, OCR-Scan by red. trend

Historische Betrachtung des Nah-Ost-Konflikts
Diskussionsbeitrag von D. Schneider auf dem Nah-Ost-Seminar, Hamburg, Mai 1969

Daß der Nah-Ost-Konflikt nichts als der verzweifelte Kampf eines kleinen Volkes ums Überleben gegen eine erdrückende Übermacht feindlich gesinnter Araber sei, hat die bürgerliche Propaganda seit Jahr und Tag behauptet. Und noch bis nach dem Ende des Juni-Kriegs hat ein Teil der Linken in den Metropolen diese Behauptung - nur wenig variiert - wiederholt. Die terroristische Besatzungspolitik Israels, die nicht mehr zu ignorierende Existenz eines Widerstandes der Palästinenser, der sich als revolutionärer Volkskrieg begreift und andere Faktoren haben jedoch die europäische sozialistische Bewegung zu einer Änderung ihrer undifferenzierten und opportunistischen Haltung gezwungen. Was man als Auseinandersetzungen zweier extremer Nationalismen gedeutet hatte, erwies sich bei einer genauen Analyse der Interessen im Nahen Osten als - wenn auch bis zur Unkenntlichkeit verzerrter - Teil des internationalen Klassenkampfes.

Die wichtigsten Interessen im Nahen Osten sollen kurz umrissen werden.

1. Imperialismus.

Die wesentliche Quelle des Reichtums in der Region ist das Öl. Zirka 60% der Produktion werden von US-amerikanischen, ca. 30% von britischen Konzernen kontrolliert. Die Profitraten sind extrem hoch. Das 1960 von den Öl-Gesellschaften in Saudi-Arabien investierte Kapital z.B. erbrachte Profite von 71%. Außerdem besteht ein strategisches Interesse für den Imperialismus an der Beherrschung des Nahen Ostens.

2. Reaktionäres arabisches Lager.

Die feudalen Regime der Öl-produzierenden Länder sind zur Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft zu einem auf Kollaboration mit den imperialistischen Mächten und zum anderen darauf angewiesen, jede, wenn auch nur tendenziell emanzipatorische Bewegung brutal zu zerschlagen (CIA-Putsch Persien 1953).

3. „Fortschrittliches" arabisches Lager.

Sein wesentliches Interesse ist die Einheit der arabischen Welt als Grundbedingung einer ökonomischen Entwicklung, die eine gesamtarabische Verfügung über die Ressourcen der Öl-Scheichtümer voraussetzt. Der Widerspruch zu den Feudal-Regimen, die durch parasitäre Ausbeutung de s ökonomischen Reichtums diesen Prozeß verhindern, wird nicht revolutionär ausgetragen, sondern wie z. B. im Jemen als militärische Auseinandersetzung. Die „fortschrittlichen" Regimes verstehen sich zwar als revolutionär, haben aber tatsächlich vorwiegend bonarpartistischen Charakter: die Basis ihrer Macht ist die Armee, die herrschenden Cliquen entstammen deren hoch privilegierten Offizierskorps, die sich aus Bourgeoisie und Kleinbourgeoisie rekrutieren. Sie haben wie z. B. Nasser zwar die Unterstützung der Massen, die sie national mobilisieren, sind aber außerstande, die gesellschaftlichen Widersprüche in ihren Ländern zu lösen.

Daß diese Widersprüche ebenso wie die zwischen den beiden arabischen Lagern permanent verschleiert werden können, läßt sich mit der Existenz Israels begründen, eines aggressiven und expansionistischen Fremdkörpers in der arabischen Region, der es ermöglicht, jeden gesellschaftlichen Kampf in der arabischen Welt in eine militärische Auseinandersetzung mit Israel umzubiegen. Der tendenziell emanzipatorische und anti-imperialistische arabische Nationalismus steht so dauernd in Gefahr, sich zu einer Integrations-ideologie zu verkürzen, deren Hauptinhalt der AntiZionismus ist. Solange Israel so die Energien der arabischen Massen in Haß verwandelt und damit neutralisiert, sind die Interessen des Imperialismus und seiner Lakaien im Nahen-Osten ungefährdet.

Die beginnende Industrialisierung in den ost-europäischen Monarchien am Ende des 19. Jh. hatte für die dort lebenden etwa 10 Mill. Juden zwei wesentliche Auswirkungen: zum einen verloren sie ihre sozial-ökonomische Punktion als Mittler zwischen Grundbesitz und landlosen Bauern. Zum anderen wurden sie - besonders in Rußland - vom verfallenden Feudalismus, der die sozialen Widersprüche nicht mehr kanalisieren konnte, in eine Sündenbock-Rolle gedrängt. Die vom Zaren-Regime inszenierten Progrome zwangen die Juden, nach Möglichkeiten der Befreiung von dieser Rolle zu suchen. Dabei gab es drei Wege für sie: 1. Flucht nach Westeuropa oder Nord-Amerika, d. h. Integration in die kapitalistischen Gesellschaften. 2. Anschluß an die sozial-revolutionären Bewegungen, d.h. Kampf gegen die ökonomischen und sozialen Bedingungen ihrer Unterdrückung. 3. Auswanderung nach Palästina in die biblische Heimat. Diesen dritten Weg gingen anfangs nur wenige, das änderte sich, als der bürgerliche Nationalist Theodor Herzl das Programm des politischen Zionismus formulierte. Sein Axiom war: „Die Judenfrage besteht überall, wo Juden in merklicher Anzahl leben . . . wir ziehen natürlich dahin, wo man uns nicht verfolgt; durch unser Erscheinen entsteht dann die Verfolgung. Das ist wahr, muß wahr bleiben..." Herzl fragte nicht nach den Ursachen dieser Verfolgung, er konnte sich eine Lösung der Juden-Frage nicht anders als national vorstellen. Auf dem ersten zionistischen Kongreß in Basel konnte er seine Vorstellungen durchsetzen: Schaffung einer öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte für alle Juden in Palästina. Um dieses Ziel zu erreichen, versuchte der Zionismus sich jener Mächte zu versichern, die das für die Besiedlung vorgesehene Land beherrschten. Vom Beginn der Einwanderung an machten die Zionisten sich abhängig von den Interessen des Imperialismus, mit dessen kolonisatorischer Ideologie sie sich weitgehend identifizierten. („Wir würden den Vorpostendienst der Kultur gegen die Barbarei besorgen", Herzl.)

Die ersten jüdischen Einwanderer stießen in Palästina auf einen Typus von Kolonialismus, der mit ihrem eigenen wenig gemein hatte. Die Alliance Israelite Universelle, die unter der Kontrolle des französischen Kapitalisten Rothschild stand, hatte Teile des Landes nach dem klassischen Muster kolonisiert. Die AIU hatte Land für jüdische Siedler von den arabischen feudalen Grundbesitzern gekauft. Die arabischen Pächter, die das Land vorher bearbeitet hatten, wurden als Landarbeiter von den jüdischen Farmen übernommen. Diese Rothschild'sche Kolonisation hatte keine nationalstaatlichen Ambitionen wie der Zionismus. Sie war vielmehr Bestandteil des französischen Kolonialismus und hatte die gleichen Grundlagen wie dessen Politik z. B. in Algerien, d. h. Ausbeutung der Reichtümer einschließlich der Arbeitskraft der Eingeborenen durch eine europäische Siedlergemeinschaft, Verwandlung der Eingeborenen in ein Proletariat. Die zionistische Kolonisation zielte auf den Ausbau eines Nationalstaates, ihr Verhältnis zu den Arabern konnte nicht das von Ausbeutung sein, sondern mußte zum Zweck deren Vertreibung haben. Ihre bestimmte Prägung erhielt diese Form der Kolonisation während der zweiten Aliya (Einwanderung) 1904-1914, die zum größten Teil jüdische Sozialisten ins Land brachte, die nach dem Scheitern der Revolution von 1905 den Kampf in Rußland aufgegeben hatten. Diese Gruppe, die den unmöglichen Versuch unternahm, eine nationalistische Ideologie, den Zionismus revolutionär zu wenden, konnte dadurch, daß sie die wesentlichen Machtinstrumente der jüdischen Kolonie schuf und in der Hand behielt, die Entwicklung bis zur Staatsgründung und darüber hinaus die israelische Politik bis heute bestimmen. Die Grundidee des sozialistischen Zionismus bildete Ber Borochovs Theorie der Stufen.

Sie geht aus von einem Bild der jüdischen Gesellschaft, das sich als umgekehrte Pyramide darstellt: eine schmale proletarische Basis und darüber die breiten Schichten der Klein- und Großbourgeoisie. Diese verkehrten gesellschaftlichen Verhältnisse mußten denen der normalen Klassengesellschaft angepaßt werden, bevor eine Transformation zum Sozialismus möglich war. Die Umwandlung der europäischen jüdischen Bourgeoisie in ein Proletariat bzw. in Bauern konnte aber nur in einem Nationalstaat geschehen.

Hauptziel der zionistischen Sozialisten in Palästina mußte also die Eroberung der Arbeit sein, d. h. Verdrängung der billigen arabischen Arbeitskraft wie sie die Rothschild'sche Kolonisation vorsah und einsetzte. In einem Land, das wie das halbfeudale Palästina eine kaum entwickelte Wirtschaft mit chronischer Unterbeschäftigung aufwies, mußte sich dieser Prozeß für die arabischen Palästinenser katastrophal auswirken.

Der erste Weltkrieg, der eine Neuverteilung der Kolonialwelt mit sich brachte, bot der zionistischen Organisation zum ersten Mal die Möglichkeit, an der imperialistischen Beute zu partizipieren. Versuche, das Osmanische Reich, unter dessen Herrschaft Palästina bis zum ersten Weltkrieg stand und den deutschen Imperialismus für die zionistische Kolonisation zu gewinnen, waren gescheitert. Als sich der Zusammenbruch der türkischen Herrschaft im Vorderen Orient abzuzeichnen begann, suchte der Zionismus konsequent die Kollaboration mit der Macht, die den Nahen Osten dominieren würde: Großbritannien. Der britische Imperialismus versuchte die Kontrolle über den Nahen Osten nach der klassischen Politik des „teile und herrsche" zu gewinnen. Zum einen kanalisierte er den arabischen Nationalismus und dessen Emanzipationsbestreben von der jahrhundertelangen osmanischen Herrschaft, indem er ihm Unabhängigkeit nach dem gemeinsam zu erringenden Sieg über die Türken versprach. Diese Unabhängigkeit implizierte jedoch, „daß die Araber sich entschlossen haben, Rat und Anleitung nur bei Großbritannien zu suchen, und daß zur Bildung eines gesunden Verwaltungssystems erforderliche europäische Berater und offizielle Vertreter stets Briten sein werden." (Der britische Unterhändler McMahon 1915.)

Diese Sicherung seiner künftigen Herrschaft schien dem britischen Imperialismus jedoch nicht ausreichend. Zur gleichen Zeit, als er dem arabischen Nationalismus Versprechungen machte, nahm er Kontakt zu einem potentiellen Nationalismus auf: dem Zionismus. Chaim Weizmann, zu dieser Zeit Präsident der zionistischen Organisation, hatte, der Politik Herzls folgend, immer wieder die Interessengleichheit seiner Bewegung mit den kolonialen Ambitionen Großbritanniens betont: „Wir können behaupten, wenn Palästina unter britischen Einfluß kommt, und die Briten zugleich die jüdische Einwanderung nach Palästina unterstützen, dann werden wir in 20 oder 30 Jahren mehr als l Mill. Juden haben, die dieses Land aufbauen und zivilisieren würden und eine wirksame Verteidigung de s Suez-Kanals bilden könnten." Die britisch-zionistische Zusammenarbeit kulminierte 1917 in der Balfour-Deklaration: „Die Regierung seiner Majestät betrachtet die Einrichtung einer nationalen Heimstätte des jüdischen Volkes in Palästina mit Wohlwollen und wird keine Mühe scheuen, die Erreichung dieses Zieles zu fördern."

Mit den widersprüchlichsten Versprechungen an zwei divergierende Bewegungen, den arabischen Nationalismus und den Zionismus, die beide auf nationalstaatliche Unabhängigkeit im gleichen Raum zielten, schuf der britische Imperialismus bewußt einen Konflikt, der permanent kriegsähnliche Auseinandersetzungen produzieren mußte. Das entsprach der klassischen imperialistischen Politik, die Herrschaft über die in Abhängigkeit gehaltene Völker dadurch zu sichern, daß soziale, nationale oder religiöse Widersprüche erzeugt, bzw. verschärft wurden und so der zentrale Widerspruch zwischen kolonialer Ausbeutung und Befreiungskampf verdeckt wurde.

Die realen Grundlagen für die spätere Aufteilung des Nahen Ostens wurden jedoch in Geheimverhandlungen zwischen den imperialistischen Mächten selbst geschaffen. 1916 legten Großbritannien, Frankreich und Rußland im Sykes-Picor-Abkommen ihre Interessensphären fest. Als Trotzki 1917 eine Kopie dieses Abkommens veröffentlichte, versuchten einige arabische Führer, die nationale Unabhängigkeit gegen die europäischen Imperialisten durchzusetzen. Der Versuch, in Syrien und im Libanon unabhängige arabische Königreiche zu errichten, scheiterte jedoch an der bewaffneten Intervention Frankreichs. Die palästinensischen Juden hatten die Chance, sich mit dem arabischen Widerstand zu einem anti-kolonialen Kampf zu vereinigen nicht begriffen. Sie setzten weiterhin auf den Imperialismus, der 1920 den Vorderen Orient endgültig aufteilte und ihn zu einem System von Halbkolonien und Mandaten verwandelte. Das Mandat, das auch für Palästina die bis 1948 gültige Rechtsform wurde, war eine Erfindung zur Aufrechterhaltung direkter kolonialer Herrschaft. „Gewisse Gemeinwesen, die ehemals zum türkischen Reich gehörten, haben eine solche Entwicklungsstufe erreicht, daß sie in ihrem Dasein als unabhängige Nationen vorläufig anerkannt werden können unter der Bedingung, daß die Ratschläge und Unterstützung eines Mandatats ihre Verwaltung bis zu dem Zeitpunkt lenken, da sie imstande sein werden, sich selbst zu leiten." Ratschläge und Unterstützung waren Instrumente direkter Kontrolle; nachdem die Araber eine Beteiligung im gesetzgebenden Rat, der Legislative des Mandats, der keinerlei reale Machtbefugnisse hatte, folgerichtig ablehnten, wurde Palästina unverhüllt von einer Kolonialbürokratie regiert.

Unter der Mandatsregierung entwickelten sich die beiden Gesellschaften in Palästina - die jüdische und die arabische - immermehr auseinander. Für den britischen Imperialismus war Palästina ein Mono-Kulturland zur Erzeugung von Zitrusfrüchten. Er hatte ebensowenig wie die einheimische Kompradorenklasse, deren gesellschaftliche Macht auf Grundbesitz beruhte, ein Interesse daran, die zur Aufhebung der Armut notwendigen ökonomischen Prozesse einzuleiten. Wie in den meisten Ländern der Kolonialwelt konnten sich keine relevanten Mittelschichten herausbilden, die Masse der palästinensischen Araber rekrutierte sich aus Pächtern und abhängigen Kleinbauern bzw. in den Städten aus Krämern und Handwerkern. Diese Klassen waren die hauptsächlichen Opfer der zionistischen Expansion, ihr Protest dagegen war allerdings bis in die 30er Jahre blind und von der Kompradorenklassen, die noch gesellschaftliche und religiöse Autorität hatte, in deren Interesse manipulierbar. Die zionistischen Kolonisatoren stellten einen exklusiven Produktions- und Distributionszusammenhang her, der vom arabischen Sektor weitestgehend unabhängig war. Das Prinzip der „jüdischen Arbeit" wurde konsequent angewandt: jüdische Betriebe beschäftigten nur jüdische Arbeiter, arabische Waren, die zumeist billiger waren als jüdische, wurden boykottiert. In diesem abgeschlossenen Bezirk schufen die Zionisten ihre Machtinstrumente: die Jewish Agency for Palestine als Vertretung des jüdischen Volkes gegenüber der Mandatsverwaltung, die bald zu einer Nebenregierung in Palästina wurde. Sie kontrollierte die Finanzierungsorgane Keren Kajemeth (Nationalfonds) und Kren Hayessod (Aufbaufonds), die das für die Aufbauarbeit benötigte Kapital (Spenden der europäischen und amerikanischen Judenheit) bereitstellten. Zum wichtigsten Machtinstrument entwickelte sich der Gewerkschaftsbund Histradruth. Eine seiner Aufgaben war es, entsprechend der links-zionistischen Ideologie nicht ein Proletariat zu organisieren, sondern ein jüdisches Proletariat überhaupt erst zu schaffen. Arabern wurde die Mitgliedschaft verweigert. Boykottkampagnen gegen arabische Produkte wurden vorwiegend von der Histradruth organisiert. Ihr Verhältnis zu den jüdischen Arbeitern war weniger das einer Vertretung von Klasseninteressen, als vielmehr das einer nationalen Institution, die das Proletariat für die Ziele der zionistischen Politik mobilisierte. Ihre Macht bezog die Histradruth daraus, daß sie neben ihren Funktionen als Zentralgewerkschaft, Arbeitsvermittlung und Pionierinstitut sich zum Eigentümer eines gigantischen Wirtschaftskomplexes entwickelte, zu dem Verkehrs- und Industrieunternehmen, Baugesellschaften, Banken usw. gehörten. Darüberhinaus baute sie eine Krankenversicherung aus, unterhielt ein Netz von Schulen, Verlagen und Zeitungen.

Schon vor der Errichtung des israelischen Staates entwickelte sich eine Verflechtung zwischen den Machtinstrumenten Histradruth und Jewis Agency und der Sozialdemokratie (ab 1930 als Mapai organisiert), die beide aufgebaut hatte. Da die Histradruth nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche kontrolliert, hat es bis heute in der jüdischen Gesellschaft keine entscheidenden Machtveränderungen gegeben.

Die sozio-ökonomische Spaltung Palästinas in einen arabischen und einen jüdischen Sektor vertiefte sich während der frühen 30er Jahre, als mehrere Wellen vor dem Faschismus geflohener europäischer Einwanderer ins Land kamen. Sie brachten zu einem großen Teil technische und administrative Erfahrungen mit, auf der Grundlage einer zur gleichen Zeit einsetzenden gesteigerten Kapitalzufuhr konnte sich der jüdische Sektor langsam in eine Industrie-kapitalistische Wirtschaft transformieren. Die Araber reagierten auf das sprunghafte Ansteigen der Einwanderungen (allein 1935 waren 60000 Juden nach Palästina gekommen, zu dieser Zeit betrug ihr Bevölkerungsanteil ca. 25%,) mit Generalstreik und bewaffnetem Aufruhr. Die expansive zionistische Kolonisation hatte die ökonomischen und sozialen Strukturen Palästinas weitgehend deformiert. Der Klassenwiderspruch war durch die ständige zionistische Bedrohung nationalistisch verborgen worden in einen Widerspruch zwischen arabischen Palästinensern und den jüdischen Kolonisatoren. Die arabische Zeitung AI Difa verkündete zwar 1936 euphorisch: „Im arabischen Palästina wird ein auf Waffen gestütztes imperialistisches Regime sich gegen den Aufstand der Arbeiter und Bauern nicht mehr halten können."

Die revolutionären Kräfte waren aber nicht stark genug, den Vorstoß der arabischen Nationalbourgeoisie abzufangen, die schließlich, da jede Massenbewegung eine Gefahr für ihre Interessen darstellte, den Aufstand verriet, indem sie den bewaffneten anti-zionistischen und anti-imperialistischen Kampf zu Verhandlungen mit den Briten abwiegelte. Die palästinensischen Massen hatten in dreifacher Form an der Erfolglosigkeit ihres Aufstands zu leiden. Erstens stärkte er die Position der Nationalbourgeoisie (deren Politik zunehmend chauvinistischer wurde und die sich dann partiell am deutschen Faschismus orientierte), zweitens hatten die britischen Imperialisten zur Niederschlagung des Aufstandes eine jüdische Hilfspolizei aufgestellt (1939 21.000 Mitglieder), die den /ionisten neben der schon bestehenden Untergrundarmee Haganah auch einen legal bewaffneten Militärapparat in die Hand gab. Drittens hatte der Generalstreik einen weiteren Verfall der arabischen Wirtschaft zur Folge, denn der jüdische Sektor hatte sich selbstverständlich nicht an diesem Streik beteiligt, sondern ihn vielmehr dazu ausgenutzt seine eigenen Positionen zu verstärken. Als dann während des 2. Weltkrieges Palästina Versorgungsfunktionen für die britischen Truppen übernehmen mußte, konnte im jüdischen Sektor die Industrialisierung weiter vorangetrieben werden, während der arabische Sektor kaum vom Kriegsboom profitierte. Nach dem Krieg wollte Großbritannien das alte Abhängigkeitsverhältnis Palästinas vom britischen Markt wiederherstellen. Dadurch wurde die inzwischen entstandene lokale Industrie bedroht und die jüdische Bourgeoisie war gezwungen, auf die schnelle Konstituierung eines Nationalstaates zu drängen. Ihre Interessen ließen sich nicht mehr mit direkter kolonialer Abhängigkeit vereinbaren. Diese Interessenkollision führte zum bewaffneten Kampf der zionistischen Gemeinschaft gegen die Mandatsregierung, seine Formen waren hauptsächlich terroristisch. Er wurde nicht geführt zur Emanzipation Palästinas vom Imperialismus, was eine Beteiligung der Araber impliziert hätte, sondern als Zweifrontenkrieg sowohl gegen Großbritannien als auch gegen die palästinensischen Unabhängigkeitsbestrebungen.

Der oben beschriebene ökonomische Interessenkonflikt produzierte auch eine Wandel in der Politik der zionistischen Organisation. An die Stelle der früheren, führenden britischen Fraktion trat nun die amerikanische. Der US-Imperialismus, der ebenfalls ein Interesse daran hatte, die Briten aus Palästina und den von nah-östlichen Öl-Quellen zu verdrängen, wurde der natürliche neue Verbündete des Zionismus. Chaim Weizmann verstand es, dem Weißen Haus klarzumachen, daß eine solche Allianz eine solidere Basis hatte als die zwischen den USA und der arabischen Kompradoren-Bourgeoisie. In einem Brief an Truman schrieb er 1947: „Jede Wahl und jede Untersuchung der dortigen (jüdisch-palästinensischen) Verhältnisse bestätigt, wie wenig der Kommunismus in unserer Gesellschaft Fuß gefaßt hat. Aufgeklärte Bauern und eine gut geschulte Arbeiterklasse mit einem hohen Lebensstandard werden sich niemals dem Kommunismus verschreiben. Gefährdet sind verarmte, ungebildete Gemeinwesen, die nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem unsrigen aufweisen." Im gleichen Jahr wurde mit massivem Druck der USA von der UN-Vollversammlung ein Plan angenommen, der die Teilung Palästinas in einen arabischen und einen jüdischen Bereich vorsah. Ein Jahr später, am 15. Mai 1948, wurde gegen den erbitterten arabischen Widerstand der Staat Israel proklamiert.