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High sein, frei sein, Terror muss dabei sein!!

Notwendige Ergänzungen zur Textsammlung Aufruhr & Revolte

Palästinensische Revolution, Resistentia Schriften Nr. 8, November 1969 S. 19f, OCR-Scan by red. trend

AI Fateh: Zur Judenfrage

(Ausschnitte eines Dialoges zwischen Abu lyad - Mitglied des ZK Al-Fateh und Lutfi El Khouli - Chefredakteur der in Kairo erscheinenden Zeitschrift Al-Talia, Juni-Heft 1969. Der vollständige Dialog wird demnächst als Buch in der Reihe Resistentia-Schriften erscheinen.)

Frage: Aus den Veröffentlichungen und Dokumenten der AL FATEH und aus Diskussionen mit rührenden Mitgliedern wie Dir und Abu Amar entnehmen wir, daß AL FATEH sich sehr bemüht, zwischen Juden und Zionisten zu differenzieren. Was heißt das in der Praxis?

AL FATEH: Das heißt, daß sich die palästinensische Revolution gegen Rassismus, Imperialismus und Faschismus richtet und sich nicht als Kampf gegen die Juden versteht. Wir kämpfen gegen den rassistisch-faschistischen Zionismus, der sich durch die „Kolonisation" Palästinas als organischer Teil des Imperialismus erweist und damit unseren permanenten Widerstand herausfordert.

Die zionistische Bewegung geht von zwei Prämissen aus, die ihre Strategie bestimmen:

1. Die Verfolgung der Juden in aller Welt, vor allem die Vernichtung im nationalsozialistischen Europa im 2. Weltkrieg, führt zur verstärkten Einwanderung nach Palästina, wobei die Einwanderer von dem starken Gefühl bestimmt werden, sich gegen eine feindliche Umwelt durchzusetzen, ja, die erlittene Verfolgung zu vergelten.

2. Die Aufnahme aller in der Welt verstreuten Juden in den Staat Israel kann nur durch Expansion verwirklicht werden.

Diese beiden Leitsätze der zionistischen Politik haben eine dialektische Beziehung zueinander. Zum Beweis seien die von der zionistischen Bewegung und ihrer Nebenorganisationen initierten Terrororganisationen angeführt, die mit nationalsozialistischen Requisiten (Hakenkreuz etc.) ausstaffiert, die Bedrohung der Juden außerhalb Israels neu zu belegen suchen, wenn die Einwanderung nach Israel nachläßt. Die Verbindung des Zionismus zu solchen Organisationen wurde beispielsweise in Brasilien bestätigt. Hieraus läßt sich schließen, daß es dem Zionismus nicht darum geht, den Juden aller Welt eine ,Heimstatt" zu geben, sondern die Einwanderung Mittel zu anderen Zwecken ist

AL FATEH unterscheidet mit vollem Bewußtsein zwischen Juden und Zionisten. Wir können auf unsere lange Geschichte verweisen, in der Juden und Araber friedlich und gleichberechtigt zusammengelebt haben. Als aber der Zionismus mit seinen Forderungen und Bedürfnissen, für deren Entstehung wir nicht verantwortlich sind, und mit seiner Ideologie des „auserwählten Volkes" sich Palästina als Ziel seiner Absichten aussuchte . . . im Zusammenhang mit handfesten politisch-ökonomischen Interessen (Diese Zusammenhänge wurden an anderer Stelle des Interviews erwähnt.) - wurde das Verhältnis zwischen uns und den Juden vergiftet.

Zudem wurde durch den Zionismus die Religion in den Dienst der expansiven Politik gestellt (Gelobtes Land der Kinder Israels), und wenn auch der orthodoxe Glaube heute nur noch wenig angetroffen wird, dient er dennoch überall als Deckmantel für die Politik. Bei allen israelischen Parteien, auchden,sozialistischen", läßt sich dies feststellen. Dayan, nach eigenen Angaben nicht religiös gebunden, hatte nach der Annexion Jerusalems nichts Eiligeres zu tun, als die Klagemauer aufzusuchen, die nicht so sehr als Ort religiöser Bedrohung, sondern als Legitimation der zionistischen Expansion verstanden wird. Die Klagemauer dient als politisches Argument der Manipulation der jüdischen Bevölkerung. Weil wir uns dieser Manipulation bewußt sind, trennen wir zwischen Juden als Bevölkerung und Zionisten als Vertretern einer aggressiven, rassistisch-imperialistischen Politik.

Als wir deklarierten, einen demokratischen, fortschrittlichen Staat in Palästina zu gründen, war das keine Taktik, sondern das Ziel unserer Politik. Nur in einem demokratischen Palästina können Juden und Araber ohne Ausbeutung und Diskriminierung zusammenleben. Wenn die zionistischen Zeitungen dieses Ziel unserer Politik verleumdend, schreiben: „Seht, das sind die Terroristen, die den demokratischen palästinensischen Staat gründen wollen", und uns für Aktionen anderer Organisationen verantwortlich machen, so sind die Gründe dafür offensichtlich.

Frage: Aber was verstehen Sie konkret unter einem demokratischen palästinensischen Staat?

AL FATEH: Wir haben deklariert, daß für uns der bewaffnete Kampf nicht Ziel ist, sondern Mittel zur Verwirklichung einer konkreten Humanität. In diesem Land wird seit 1917 ein permanenter Kampf geführt, der ein Ende finden muß. Wir kämpfen für den Frieden, und es ist für uns kein leerer Begriff, sondern die Erreichung eines fortschrittlich-demokratischen und nicht faschistischen Staates. Die Details ergeben sich aus dem Verlauf des Kampfes, der dieser Strategie folgt.

Frage: Ist der demokratische palästinensische Staat bereit, die Juden als gleichberechtigte Mitglieder in die Gesellschaft aufzunehmen?

AL FATEH: Natürlich, denn dieser Staat versteht sich als Repräsentant aller Bewohner Palästinas, nur ist zur Verwirklichung der Gleichberechtigung aller vorher logischerweise der rassistische Zionismus zu beseitigen.

Frage: Da ich mit Ihnen der Meinung bin, daß diese Frage sehr wichtig ist, möchte ich noch konkreter fragen: Gilt dieser Anspruch auf gleichberechtigte Mitgliedschaft in dem neuen Staat nur für erklärte jüdische Antizionisten, die mit AL FATEH für einen demokratischen palästinensischen Staat kämpfen, oder wird dieses Recht allen Juden garantiert?

AL FATEH: Ich versichere nochmals, daß dieses Recht von AL FATEH voll garantiert wird, und zwar nicht nur für die aktiven Antizionisten, sondern für alle Juden, die sich vom Zionismus befreit haben. Also für jeden, der überzeugt ist, daß der Zionismus im Widerspruch zu Fortschritt und Demokratisierung steht.

Frage: Wie sieht AL FATEH die heutige israelische Gesellschaft? Gibt es in ihr schon fortschrittliche Kräfte und wenn ja, wie steht AL FATEH zu Ihnen?

AL FATEH: Ohne Zweifel ist die israelische Gesellschaft durch den Zionismus rassistisch und imperialistisch orientiert, und wir kämpfen für die Demokratisierung dieser Gesellschaft. Israel hat sich von allen Freiheitsbewegungen der Welt isoliert, keine progressive Aktion in der Welt erhält von Israel Unterstützung oder hätte seine Sympathie. Daher ist unsere Forderung eines demokratischen palästinensischen Staates gleichzeitig als eine Aufforderung an alle demokratischen Kräfte Israels zu verstehen. Aber nicht an die Verbalisten, die Fortschritt sagen und damit Zionismus und Imperialismus meinen. Es ist eine unbestreitbare Tatsache, daß in Israel ein fortschrittlicher Kern entstanden ist, der der gleichen Härte und Brutalität des Zionismus ausgesetzt sein würde, wäre er nicht bisher so zahlenmäßig gering. Der Anfang ist jedoch da, und wir hoffen, daß aus dieser Minderheit eine Massenbewegung wird, die die Gründung eines demokrakratischen palästinensischen Staates vorantreibt. Eines Staates ohne Zionismus, Rassismus und religiösen Fanatismus: Einen Staat für alle!

Frage: Zum Schluß möchte ich Sie über die Haltung AL FATEH's gegenüber den unterdrückten Juden innerhalb und außerhalb von Palästina befragen.

AL FATEH: Unser Verhalten gegenüber diesen Juden war niemals zweideutig, wir werden immer eindeutig Stellung beziehen: Wenn wir als Ziel unseres Kampfes das Zusammenleben von Juden und Palästinensern in einem fortschrittlichen, antiimperialistischen Palästina - nach der Zerschlagung des Zionismus erklären, dann bedeutet das, daß wir auf der Seite eines jeden verfolgten und unterdrückten Juden stehen, daß wir bereit sind, ihm ein Gewehr zu geben und gemeinsam mit ihm zu kämpfen.