(Ausschnitte eines Dialoges zwischen Abu lyad - Mitglied des ZK
Al-Fateh und Lutfi El Khouli - Chefredakteur der in Kairo
erscheinenden Zeitschrift Al-Talia, Juni-Heft 1969. Der vollständige
Dialog wird demnächst als Buch in der Reihe Resistentia-Schriften
erscheinen.)
Frage: Aus den Veröffentlichungen und Dokumenten der AL FATEH
und aus Diskussionen mit rührenden Mitgliedern wie Dir und Abu Amar
entnehmen wir, daß AL FATEH sich sehr bemüht, zwischen Juden und
Zionisten zu differenzieren. Was heißt das in der Praxis?
AL FATEH: Das heißt, daß sich die palästinensische Revolution
gegen Rassismus, Imperialismus und Faschismus richtet und sich nicht
als Kampf gegen die Juden versteht. Wir kämpfen gegen den
rassistisch-faschistischen Zionismus, der sich durch die
„Kolonisation" Palästinas als organischer Teil des Imperialismus
erweist und damit unseren permanenten Widerstand herausfordert.
Die zionistische Bewegung geht von zwei Prämissen aus, die ihre
Strategie bestimmen:
1. Die Verfolgung der Juden in aller Welt, vor allem die
Vernichtung im nationalsozialistischen Europa im 2. Weltkrieg, führt
zur verstärkten Einwanderung nach Palästina, wobei die Einwanderer
von dem starken Gefühl bestimmt werden, sich gegen eine feindliche
Umwelt durchzusetzen, ja, die erlittene Verfolgung zu vergelten.
2. Die Aufnahme aller in der Welt verstreuten Juden in den Staat
Israel kann nur durch Expansion verwirklicht werden.
Diese beiden Leitsätze der zionistischen
Politik haben eine dialektische Beziehung zueinander. Zum Beweis
seien die von der zionistischen Bewegung und ihrer
Nebenorganisationen initierten Terrororganisationen angeführt, die
mit nationalsozialistischen Requisiten (Hakenkreuz etc.)
ausstaffiert, die Bedrohung der Juden außerhalb Israels neu zu
belegen suchen, wenn die Einwanderung nach Israel nachläßt. Die
Verbindung des Zionismus zu solchen Organisationen wurde
beispielsweise in Brasilien bestätigt. Hieraus läßt sich schließen,
daß es dem Zionismus nicht darum geht, den Juden aller Welt eine
,Heimstatt" zu geben, sondern die Einwanderung Mittel zu anderen
Zwecken ist
AL FATEH unterscheidet mit vollem Bewußtsein zwischen Juden und
Zionisten. Wir können auf unsere lange Geschichte verweisen, in der
Juden und Araber friedlich und gleichberechtigt zusammengelebt
haben. Als aber der Zionismus mit seinen Forderungen und
Bedürfnissen, für deren Entstehung wir nicht verantwortlich sind,
und mit seiner Ideologie des „auserwählten Volkes" sich Palästina
als Ziel seiner Absichten aussuchte . . . im Zusammenhang mit
handfesten politisch-ökonomischen Interessen (Diese Zusammenhänge
wurden an anderer Stelle des Interviews erwähnt.) - wurde das
Verhältnis zwischen uns und den Juden vergiftet.
Zudem wurde durch den Zionismus die Religion in den Dienst der
expansiven Politik gestellt (Gelobtes Land der Kinder Israels), und
wenn auch der orthodoxe Glaube heute nur noch wenig angetroffen
wird, dient er dennoch überall als Deckmantel für die Politik. Bei
allen israelischen Parteien, auchden,sozialistischen", läßt sich
dies feststellen. Dayan, nach eigenen Angaben nicht religiös
gebunden, hatte nach der Annexion Jerusalems nichts Eiligeres zu
tun, als die Klagemauer aufzusuchen, die nicht so sehr als Ort
religiöser Bedrohung, sondern als Legitimation
der zionistischen Expansion verstanden wird. Die Klagemauer
dient als politisches Argument der Manipulation der jüdischen
Bevölkerung. Weil wir uns dieser Manipulation bewußt sind, trennen
wir zwischen Juden als Bevölkerung und Zionisten als Vertretern
einer aggressiven, rassistisch-imperialistischen Politik.
Als wir deklarierten, einen demokratischen, fortschrittlichen
Staat in Palästina zu gründen, war das keine Taktik, sondern das
Ziel unserer Politik. Nur in einem demokratischen Palästina können
Juden und Araber ohne Ausbeutung und Diskriminierung zusammenleben.
Wenn die zionistischen Zeitungen dieses Ziel unserer Politik
verleumdend, schreiben: „Seht, das sind die Terroristen, die den
demokratischen palästinensischen Staat gründen wollen", und uns für
Aktionen anderer Organisationen verantwortlich machen, so sind die
Gründe dafür offensichtlich.
Frage: Aber was verstehen Sie konkret unter einem
demokratischen palästinensischen Staat?
AL FATEH: Wir haben deklariert, daß für uns der bewaffnete Kampf
nicht Ziel ist, sondern Mittel zur Verwirklichung einer konkreten
Humanität. In diesem Land wird seit 1917 ein permanenter Kampf
geführt, der ein Ende finden muß. Wir kämpfen für den Frieden, und
es ist für uns kein leerer Begriff, sondern die Erreichung eines
fortschrittlich-demokratischen und nicht faschistischen Staates. Die
Details ergeben sich aus dem Verlauf des Kampfes, der dieser
Strategie folgt.
Frage: Ist der demokratische palästinensische Staat bereit,
die Juden als gleichberechtigte Mitglieder in die Gesellschaft
aufzunehmen?
AL FATEH: Natürlich, denn dieser Staat versteht sich als
Repräsentant aller Bewohner Palästinas, nur ist zur Verwirklichung
der Gleichberechtigung aller vorher logischerweise der rassistische
Zionismus zu beseitigen.
Frage: Da ich mit Ihnen der Meinung bin, daß diese Frage sehr
wichtig ist, möchte ich noch konkreter fragen: Gilt dieser Anspruch
auf gleichberechtigte Mitgliedschaft in dem neuen Staat nur für
erklärte jüdische Antizionisten, die mit AL FATEH für einen
demokratischen palästinensischen Staat kämpfen, oder wird dieses
Recht allen Juden garantiert?
AL FATEH: Ich versichere nochmals, daß dieses Recht von AL FATEH
voll garantiert wird, und zwar nicht nur für die aktiven
Antizionisten, sondern für alle Juden, die sich vom Zionismus
befreit haben. Also für jeden, der überzeugt ist, daß der Zionismus
im Widerspruch zu Fortschritt und Demokratisierung steht.
Frage: Wie sieht AL FATEH die heutige israelische
Gesellschaft? Gibt es in ihr schon fortschrittliche Kräfte und wenn
ja, wie steht AL FATEH zu Ihnen?
AL FATEH: Ohne Zweifel ist die israelische Gesellschaft durch den
Zionismus rassistisch und imperialistisch orientiert, und wir
kämpfen für die Demokratisierung dieser Gesellschaft. Israel hat
sich von allen Freiheitsbewegungen der Welt isoliert, keine
progressive Aktion in der Welt erhält von Israel Unterstützung oder
hätte seine Sympathie. Daher ist unsere Forderung eines
demokratischen palästinensischen Staates gleichzeitig als eine
Aufforderung an alle demokratischen Kräfte Israels
zu verstehen. Aber nicht an die Verbalisten, die Fortschritt
sagen und damit Zionismus und Imperialismus meinen. Es ist eine
unbestreitbare Tatsache, daß in Israel ein fortschrittlicher Kern
entstanden ist, der der gleichen Härte und Brutalität des Zionismus
ausgesetzt sein würde, wäre er nicht bisher so zahlenmäßig gering.
Der Anfang ist jedoch da, und wir hoffen, daß aus dieser Minderheit
eine Massenbewegung wird, die die Gründung eines demokrakratischen
palästinensischen Staates vorantreibt. Eines Staates ohne Zionismus,
Rassismus und religiösen Fanatismus: Einen Staat für alle!
Frage: Zum Schluß möchte ich Sie über die Haltung AL FATEH's
gegenüber den unterdrückten Juden innerhalb und außerhalb von
Palästina befragen.
AL FATEH: Unser Verhalten gegenüber diesen Juden war niemals
zweideutig, wir werden immer eindeutig Stellung beziehen: Wenn
wir als Ziel unseres Kampfes das Zusammenleben von Juden und
Palästinensern in einem fortschrittlichen, antiimperialistischen
Palästina - nach der Zerschlagung des Zionismus erklären, dann
bedeutet das, daß wir auf der Seite eines jeden verfolgten und
unterdrückten Juden stehen, daß wir bereit sind, ihm ein Gewehr zu
geben und gemeinsam mit ihm zu kämpfen.