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Nr. 03-04
Notausgabe 4. März 2004
9. Jahrgang online

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Streit im partisan.net
Ist Antiislamismus mit Antisemitismus gleichzusetzen?
Karl Müller auf den Spuren Horst Mahlers

Im partisan.net gibt's Unstimmigkeiten über die Frage des Islamismus und der Gleichsetzung von Antiislamismus und Antisemitismus. Während trend-online, Chipkarten-Ini und AGiP den Schulterschluss mit Islamisten proben, halten Veteraninnen des Feminismus und der antiautoritären Bewegung auf der SDS-Website dagegen. Halina Bendkowski hat sich mit den Argumenten der Chipkarten-Ini auseinandergesetzt, die Domainbetreiber haben der AGiP eine harsche Kritik ins Stammbuch geschrieben, nur der Anstifter der reaktionären Wende blieb bislang außen vor: "Karl Müller" von trend-online. Er ist nicht der erste Marxist-Leninist, der sein Heil im spirituellen Bereich sucht, schon vor ihm gingen viele zu Bagwan, in esoterische Zirkel oder freundeten sich mit anderen totalitären Ideologien an, warum nicht auch mal mit dem Islamismus? Islamismus ist in, Hamas und Palästinensischer Djihad erfreuen sich großer Sympathie in der Antiglobalisierungsbewegung und bei vielen sogenannten Antiimps, einer besonderen Sorte von Antiimperialisten, die von sich glauben, ihre Hauptfeinde wären die USA und Israel. Im Iran der Ajatollas versammeln sich im Januar 2004 islamistische Gruppen zusammen mit diversen Befreiungsbewegungen aus Lateinamerika, Nord-Irland und dem Baskenland. Mit von der Partie sind einige trotzkistische und guevaristische Gruppen (Jerusalem Post, 22.1.04, / sds-website). In den europäischen Metropolen, Paris, London und Berlin reflektiert sich diese Strömung in Bündnissen zwischen einigen linken Gruppen und lokalen Islamisten. Gemeinsame Interessen haben sie in der Solidarität mit Palästina, im Protest gegen die Kriege in Afghanistan und im Irak. Im Jugoslawienkrieg standen sie allerdings noch auf gegensätzlichen Seiten, da dort die Imperialisten die Muslime unterstützt hatten. Neuerdings finden sie Gemeinsamkeiten direkt vor Ort: Sie kämpfen zusammen für die vermeintliche Freiheit des Kopftuchtragens, nur für Frauen und Mädchen versteht sich. Die iranischen GenossInnen mussten dieselbe Strategie mit viel Blut bezahlen, als sie sich 1979 mit Ajatolla Khomeini verbündeten (linksruck).

In diesem Zusammenhang müssen wir die Ergüsse des trend-Machers Müller sehen, ein durchgeknallter "Arbeiterbewegungsmarxist", der plötzlich sein Herz für die unterdrückten Mullahs entdeckt, die die Notwendigkeit für muslimische Frauen und Mädchen ein Kopftuch zu tragen predigen. Müller vergisst seine marxistische Schulung und sieht nur noch Individuen, wo es um gesellschaftliche Verhältnisse geht, wo es um patriarchale Unterdrückung geht. Für ihn ist das Kopftuch weder Symbol des politischen Islam, also des Islamismus, noch ein Symbol der Segregation von "reinen" zu "unreinen" Frauen. Er glaubt an die "freie Entscheidung für das Kopftuch" und schaut nicht über den Rand seines kleinen Gartenzauns, er "vergisst" die Lehren der iranischen Revolution, er "vergisst" die Anwendung der Scharia in Saudi Arabien, in Nigeria, im Sudan etc, er "vergisst" die Grausamkeiten der Talibanherrschaft, er glaubt, das hätte alles nichts miteinander zu tun. Oder er ist Zyniker wie der alte und der junge Bush, die gerne mit diesen Menschenverächtern Geschäfte machen und bei Bedarf über sie herfallen.

Stellen wir uns vor, die katholische Kirche würde ihre Gläubigen auffordern als LehrerInnen nur noch im Nonnenhabit zu unterrichten und den Schülerinnen die gleiche Tracht empfehlen. Der Aufschrei wäre groß. Müller würde vermutlich seine Tochter sofort von der Schule nehmen. Wenn aber das Gleiche im Multikulti-Look daher kommt, kümmerts ihn nicht. Er wähnt sich nicht betroffen und findet Gefallen an der Vielfältigkeit der heutigen Welt. Der Staat darf sich nicht einmischen, der ist übel, rassistisch usw. Fragt sich nur, warum so viele Leute, die dies so sehen, für eben diesen Staat arbeiten oder von ihm Dienste in Anspruch nehmen. Sind sie dann nicht automatisch Teil des Problems? Doppelmoral und Heuchelei grassieren offenbar.

Theoretisch manifestiert sich diese auf den Hund gekommene Logik in übelsten Polemiken gegen die Verteidigerinnen der Bürger- und Menschenrechte, insbesondere gegen die Verteidigerinnen der (noch nicht voll erreichten) Frauenrechte. Im patriarchalen Rollback verbünden sich autoritäre Ideologen aller Art und wie die Logik es will, wenn man einen Hauptfeind hat, muss er mächtig und international sein. Horst Mahler hat das frühzeitig erkannt, er kämpft gegen die "Ostküste" und gibt inzwischen offen zu erkennen, das er damit die Juden meint. Ein Schema, wie gehabt. Die Antiimps folgen ihm auf diesem Wege auf leisen Sohlen

Der erste Schritt auf diesem Wege ist Leugnung der Besonderheit des Antisemitismus. Bei Karl Müller liest sich das folgendermaßen (trend-editorial, Februar 2004):

"Allerdings gehen wir davon aus, dass die Logik des Antisemitismus die Logik des Fremdenhasses ist."

Damit wir das nicht missverstehen, veranschaulicht er seine These mit einem harmlos erscheinenden Vergleich:

"Alles, was jedoch in diesem Zusammenhang gegen Lebensweisen und -ansichten fundamentalistischer Muslime ins Feld geführt wird, um sie auszugrenzen, findet sich auch in orthodox-jüdischen Lebenswelten."

Na bitte, haben wir's nicht schon immer gesagt, was den Leuten an den Juden nicht gefällt, gefällt ihnen auch nicht an den Moslems. Deshalb richtet sich auch die Feindschaft gegen sie gleichermaßen. Quod errat demonstrandum.

Im Januar hatte er schon die Richtung gezeigt, wo es insegsamt hingehen soll:

Er will sich "verstärkt mit der Konzipierung, Ausarbeitung und propagandistischen Vermassung des Anti-Islamismus als einer neuen kapitalistischen Krisenideologie in den westlichen kapitalistischen Metropolen befassen". Ungeniert fährt er fort: "Inwieweit diese Krisenideologie als rassistisches Konstrukt dem Antisemitismus strukturell den Rang abläuft oder ob im Alltagsdenken - speziell bei der deutschsprachigen Bevölkerung -  nur ein vorübergehender Platzwechsel zwischen beiden stattfindet, wird zu untersuchen sein."

Antisemitismus adé, Antiislamismus ist doch viel schlimmer, das ist seine Botschaft.

Das sind die Kernsätze, die zeigen, wie wenig dieser Mann von der Materie versteht.

1.     Für ihn ist der Antisemitismus nur eine besondere Form des Fremdenhasses. Juden sind aber eben keine fremden, sondern, wenn überhaupt, wurden oder werden sie zu solchen gemacht, so jetzt eben auch von Müller, wenn er sie dem "Fremden"hass subsumiert. Der Antisemitismus ist ein Rassenhass, und zwar einer besonderen Art. Der Witz ist doch, dass Antisemitismus auch wunderbar ohne reale Juden funktioniert, es reicht, wenn sie imaginiert werden können. In den deutschen Ostländern leben vielleicht insgesamt 500 Juden, wenn's hoch kommt, aber der Antisemitismus ist dort wesentlich virulenter als selbst in Frankfurt/M, wo es die bekannten Probleme mit Häuserspekulanten gab, die jüdischer Herkunft waren. Antisemitismus hat was mit Kapitalismus zu tun, Islam(o)phobie nicht, höchstens in den Hirnen irgendwelcher durchgeknallten Antiimps wie bei dem zum Islam übergetretenen Carlos. Wer sich die Funktion des Antisemitismus in Bezug auf den Kapitalismus veranschaulichen will, braucht nur Horst Mahlers diverse Websites anzuklicken. Warum kommt der denn völlig ohne Islamophobie oder Anti-Islamismus aus?

2.     Islamismus hat natürlich einiges gemeinsam mit jüdischem oder auch christlichem Fundamentalismus. Wer wollte das bestreiten. Die Texte, die Müller ins Netz stellt, sind für sich genommen nicht falsch, nur der Kontext ist verräterisch. Das ganze soll wohl heißen, na ja, der Islamismus ist nicht ganz astrein, aber die Juden sind auch nicht besser. Diese Konstruktion benötigt er, um zu zeigen, dass das Anti gegen beide gleichermaßen zu richten wäre, also im Umkehrschluss behaupten zu können, der Anti-Islamismus sei das Gleiche wie der Antisemitismus, wobei er hier tatsächlich statt Islam(o)phobie Anti-Islamismus und nicht etwa anti-islamisches Ressentiment geschrieben hat. Darüberhinaus gibt es aber auch Unterschiede zwischen den abrahamitischen Religionen, so auch in ihren jeweiligen fundamentalistischen Varianten. Das ultraorthodoxe Judentum ist antizionistisch, weil es wie die muslimischen Kalifenfreunde Staatlichkeit ablehnt und nur Gottes Wort gelten lässt. Das Christentum hat durch seine langen geschichtlich negativen Erfahrungen den Gottesstaat ad acta gelegt, was nicht heißen soll, dass es nicht hier und da einige Sekten gibt, die das anders sehen. Fundamental anders ist aber der Charakter des alten und neuen Testaments verglichen mit dem Koran. Letzterer ist Gottes Wort und eigentlich nicht diskutierbar. Nur dort, wo die Gläubigen bestimmte Aussagen nicht unmittelbar verstehen können, sind Interpretationen zulässig. Diese Interpretationen haben eine umfangreiche Literatur, die Hadithe und die Sunna hervorgebracht, die aber auch nicht einheitlich gelesen werden. Während der Mainstream des Judentums und der Christenheit eine Trennung von Staat und Religion inzwischen als notwendig erachtet, ist diese Frage im Islam keineswegs geklärt. Der Islamismus ist als solcher definiert, weil er bewusst diese Trennung nicht anerkennt und die Sharia als verbindlich zumindest für alle Muslime durchsetzen will. Müller bringt entweder aus völliger Unwissenheit die beiden durcheinander oder er will die Differenz bewusst verschleiern, um seinen Schulterschluss mit reaktionärer Spiritualität vollziehen zu können.

3.     Andererseits, wenn Müller konzediert, dass in allen drei abrahamitischen Religionen Frauenfeindlichkeit konstitutiv dazu gehört, warum kann er sich dann nicht für die französische Lösung erwärmen, anstatt die Burqa zu fördern. Wer A sagt muss auch B sagen. In Großbritannien gibt's inzwischen jede Menge Burqa tragende Schülerinnen in den Klassen. Das ist die Zukunft, wenn sich Müller und die proislamistischen Trotzkisten zusammen mit grünen Kulturzoo-Freunden durchsetzen.

4.     Müller faselt was von "ausgrenzen". Wer will denn Islamisten "ausgrenzen"? Wenn Frau Ludin ihr politisch gemeintes Kopftuch vor der zweiten Klasse ablegt (da braucht sie sich nicht mal nackt zu fühlen), wird sie niemand am unterrichten hindern. Wenn Herr Ludin seine Frau misshandelt, kommt er in den Knast. Soll man dafür kämpfen, dass er nicht bestraft werden kann für die Misshandlung seiner Frau, nur weil er Islamist ist?

5.     Auch beim Personal orientiert sich Müller um. Gebärtete er sich vor Jahren noch wie wild, als es darum ging, den Kalaschnikow-Leuten Querfrontstrategien vorzuhalten, die wollten nicht von Bernd Rabehl ablassen, und niemandes Texte zu publizieren, die parallel auch Kalaschnikow bedienen, so scheut er sich jetzt nicht, Parteigängerinnen von Milli Görüs und mehrjähriges Vorstandsmitglied der Muslim-Jugend Deutschland (Fereshta Ludin) und der Muslimbruderschaft, in Form der Gesellschaft muslimischer Sozial- und Geisteswissenschaftler, ein Forum für ihre islamistischen Thesen zu bieten (Irmgard Pinn und Marlies Weber, beide Vorstandsmitglieder in der GMSG).

Zum Schluss noch ein kultureller Hinweis, Spaß soll ja nicht zu kurz kommen. Der Sheikh Mohammad Al Mohaisany (http://membres.lycos.fr/mohsani/) hat einen köstlichen Osama-Pop aufgelegt. Er predigte Hass gegen die Hauptfeinde und das ganze wird mit tollen Bildern untermalt. Das Ding sollte man in Techno-Clubs zeigen. Ich habe ihn mir dreimal angesehen. Der Sound ist göttlich und die Bilder lassen nichts zu wünschen übrig. Jedesmal ist allerdings mein Computer in die Knie gegangen. Der muss wohl antifaschistisch eingestellt sein. Der arme Scheich  ist verhaftet worden, warum gibt's denn keine "linke" Gruppe, die um seine Freilassung kämpft? Wo bleibt die antiimperialistische Solidarität? Ich vermute, der würde auch bei der Kopftuchdemo mitmarschieren, wenn man ihn nur ließe. Das wär doch was für Müller, AGiP, Chipkarten-Ini usw.?

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