Geschichte der bürgerlichen politischen Ökonomie
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Das Smithsche „Wertparadoxon"

Smith:

„Es ist zu beachten, daß das Wort Wert zwei verschiedene Bedeutungen besitzt. Es drückt manchmal die Nützlichkeit eines bestimmten Gegenstandes aus und manchmal die durch den Besitz dieses Gegenstandes verliehene Fähigkeit, andere Waren zu kaufen. Das eine kann man Gebrauchswert, das andere Tauschwert nennen. Die Gegenstände, die den größten Gebrauchswert haben, besitzen häufig einen geringen oder gar keinen Tauschwert, während andererseits diejenigen, die den größten Tauschwert haben, oft einen geringen oder keinen Gebrauchswert besitzen. Nichts ist nützlicher als Wasser, aber man kann damit kaum etwas kaufen oder eintauschen. Ein Diamant hingegen hat kaum irgendeinen Gebrauchswert, aber eine große Menge anderer Waren ist häufig dafür im Austausch erhältlich."  (Smith, A., Eine Untersuchung über den Ursprung und das Wesen des Reichtums der Nationen, Akademie-Verlag, Berlin 1963, S. 38f.)

KOMMENTAR:

- Das Smithsche „Wertparadoxon" (bzw. die Smithsche „Wertantinomie") demonstriert am extremen Beispiel, daß zwischen Gebrauchswert und Wert kein direkter oder funktionaler Zusammenhang in dem Sinne besteht, daß etwa die Größe des Gebrauchswertes für die Größe des Tauschwertes bestimmend ist, sondern beide unterschiedlich bestimmt sind.

- Der Gebrauchswert ist eine stoffliche Kategorie, der Wert ist eine gesellschaftliche, eine historische Kategorie. Der Gebrauchswert ergibt sich aus der Fähigkeit eines Dinges oder Stoffes, menschliche Bedürfnisse zu befriedigen. Während der Gebrauchswert die Beziehung der Dinge oder Stoffe zu den menschlichen Bedürfnissen ausdrückt, drückt der Wert gesellschaftliche Beziehungen, Beziehungen zwischen Menschen aus.

- Es gibt Naturstoffe und Arbeitsprodukte, die zwar Gebrauchswerte sind, nicht aber Werte (z. B. die nicht zur Ware werdenden Produkte der Sklavenarbeit, der Arbeit des leibeigenen Bauern usw.). Andererseits kann kein Arbeitsprodukt Wert haben, ohne Gebrauchswert zu sein.

- Der von Adam Smith gedanklich nicht weiter verfolgte Zusammenhang zwischen der verfügbaren Menge eines bestimmten Gebrauchswertes und dem Tauschwert wurde von der „Grenznutzenschule" der bürgerlichen Vulgär-Ökonomie unter Berufung auf Smith zum Ausgangspunkt einer subjektiven Wertlehre genommen, die den Wert aus dem Gebrauchswert und der Menge, in der er zur Verfügung steht, ableitet.
 

Editorische Anmerkungen

Günter Fabiunke, Geschichte der bürgerlichen politischen Ökonomie  Berlin DDR 1975, S.82ff