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So oder So - Die Libertad!-Zeitung - Nr. 15

Aufruf zum Aktionstag 18. März 2000

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5. Bundesweiter Aktionstag
18. März 2000
Solidarität gegen staatliche Unterdrückung

das Schweigen brechen
die Initiative ergreifen
für die Freiheit der politischen Gefangenen

Aufruf des bundesweiten Koordinierungskreis 18. März 2000
(Azadi e.V.; Gruppe ehemaliger politischer Gefangener im Iran; Libertad!; Mumia-Solidarität Erfurt, Karlsruhe und Landau; Gruppe zu den DHKP-C-Prozessen Kaiserslautern; Rote Hilfe Ortsgruppen Duisburg, Heidelberg, Kassel, Tübingen; Southern Camorons Youth Lageue; The Voice e.V. Jena )
Kontakt: Libertad!, Falkstr. 74, 60487 Frankfurt


Alle linken Initiativen und Solidaritätsgruppen rufen wir auf zur Einheit im Kampf gegen staatliche Unterdrückung! Beteiligt Euch mit vielfältigen Aktionen am 18. März! Organisieren wir gemeinsam die Solidarität mit allen politischen Gefangenen und von Repression Betroffenen!

Am 18. März raus auf die Straße:
Wie in den vergangenen Jahren wird es an und um diesen Tag herum Protestaktionen in Form von Straßentheater, Knastkundgebungen, Demonstrationen usw. geben. Angesprochen sind alle, die die krankmachenden und zerstörerischen gesellschaftlichen Verhältnisse nicht hinnehmen und an ihrer notwendigen und möglichen Veränderung arbeiten. Mit einem bundesweiten Aktionstag allein ist noch nicht viel gewonnen. Das wissen wir. Genauso, daß die Einheit der Linken noch nicht sehr weit entwickelt ist. Dennoch denken wir, daß der 18. März als Tag der Solidarität ein politischer Bezugspunkt linker Kräfte in diesem Land werden kann. Mit dem Datum 18. März stellen wir eine bewußte Verbindung zu den Klassenkämpfen in der europäischen Geschichte her:

„Gegen Demokraten helfen nur Soldaten“ - war eine gängige Parole der reaktionären Kräfte in Deutschland. Am 18. März 1848 war es den Massen von Tagelöhnern, Obdachlosen, Hungerleidern und rebellischen Frauen gelungen im Straßen- und Barrikadenkampf die preußische Armee aus Berlin zu vertreiben. Das Ende ist bekannt. Aus dem Versuch einer Revolution wurde nichts, und Armee und König bekam wieder die Oberhand.

Am 18. März 1871 brachte das Pariser Proletariat die Verhältnisse zum Tanzen: Es bewaffnete sich, verjagte die französische Regierung und begann die Organisierung des Lebens selbst in die Hand zu nehmen. Die erste Räterepublik der Welt war entstanden. Leider nur für kurze Zeit. Die französische Regierung verbündete sich mit Preußen, dessen Armeen vor Paris standen und mit deren Hilfe die Kommune angegriffen und zerschlagen wurde. 25.000 Menschen starben bei diesem rachedürstigen Sturm der bourgeoisen Konterrevolution.

Wesentlich in Bezug auf jenen 18. März der Pariser Kommune, wurde auf dem IV. Weltkongreß der kommunistischen Internationale die alljährliche Durchführung eines internationalen Tages der politischen Gefangenen beschlossen. Das erste Mal am 18. März 1923, bis der Faschismus diese Tradition beendet hat.

Der 18. März ist ein Tag der Solidarität.
Diesen Begriff mit Leben zu füllen und gemeinsames Handeln zu ermöglichen ist ein Ziel. Solidarität ist eine Antwort auf das immer perfekter funktionierende System.
- Sei es die Globalisierung, die den freien Fluß des Kapitals weltweit garantieren soll, und uns immer weiter zur Ware und zum Konsumobjekt deklassiert.
- Sei es durch den völkerrechtswidrigen NATO-Angriffskrieg gegen die BR Jugoslawien, der die Bevölkerung eines ganzen Landes zu Opfern von Kapital- und Hegemonialinteressen hat werden lassen. Oder das gepriesene neue Europa, das nur Vorteile für die Herrschenden bringt.
- Sei es die „Festung Europa“ die es möglich gemacht hat, den Repressionsapparat europaweit auszudehnen und Menschen grenzenlos zu verfolgen.

Staatsräson: „Es gibt keine politischen Gefangenen“:
Kalter Krieg, Modell Deutschland, „Wiedervereinigung“ - in allen Phasen ihrer Entwicklung gab und gibt es in der Bundesrepublik politische Gefangene. KPDler, gefangene Guerillas und Militante, türkische, kurdische, tamilische oder palästinensische Linke, Totalverweigerer, DDR-Funktionäre. Die Antwort des Staates auf die Organisierung und den Kampf für grundlegende gesellschaftliche Veränderungen, war und ist Kriminalisierung, Repression, Gefangenschaft. Um gleichzeitig zu behaupten: Es gibt keine politischen Gefangenen, nur Terroristen und Kriminelle. Alles geht nach Recht und Gesetz, und wo das bisweilen nicht der Fall war, wurde sozusagen nachgebessert: Lex RAF, Lex PKK... Der Rechtsstaat behauptet sich als Norm. Zwangsläufig wird somit jedes Aufbegehren gegen die politische und gesellschaftliche Ordnung zur kriminellen Tat umgedeutet. Entpolitisierung und Kriminalisierung, im Rechtsstaat ist das eine nicht von dem andern zu trennen und setzt gestern wie heute die Bedingung für jede fundamentale Opposition. Menschen, die vor Hunger, Folter und Krieg in die westlichen Metropolen fliehen werden meist unter menschenunwürdigen Bedingungen in Haft gehalten bevor sie abgeschoben werden. Ihnen wird kein Recht auf ein menschenwürdiges Leben zugestanden. Statt dessen werden sie Opfer der Effektivitätskriterien der westeuropäischen Abschiebemaschinerie.

Gesellschaft 2000: Präventive Konterrevolution:
Auch ohne RAF und bewaffnete Politik und Revolte auf den Straßen: Das repressive Instrumentarium, das gegen die Entwicklung gesellschaftlicher und revolutionärer Kämpfe in Anschlag gebracht wurde, ist heute Grundlage für den weiteren Ausbau der Sicherheits- und Repressionsapparate bis weit in die Gesellschaft hinein. Stammheim steht nicht nur für Isolation und den Tod von politischen Gefangenen in Deutschland; das Modell Stammheim wird international exportiert. So richteten sich auch die jüngsten Kämpfe der türkischen Revolutionäre gegen die Zerstörung ihrer Gefangenenkollektive und die Isolationshaft. Alle Untersuchungen gegen das am Massaker beteiligte Gefängnispersonal in Ankara Ulucanlar-Gefängnis, bei dem im Sommer 1999 zwölf Gefangene getötet wurden, sind eingestellt. Statt dessen wird die Planung der neuen „F“-Typ-Gefängnisse, die „Europa-Zellen“ vorangetrieben. O-Ton des türkischen Justizministeriums: „Sauber, hell, mit Bibliothek und effizient. Wie in Europa“. Genauso in Chile oder Peru: „das Schweigen brechen“ war auch ein Motto für die Besetzung der japanischen Botschaft durch die Guerillas der peruanischen MRTA, mit der sie ihre Gefangenen befreien wollten.

Ausgangspunkt:
Zwischen der Erkenntnis und Haltung „Solidarität und Zwang schließen sich aus, und sie ist nicht zu kündigen wie ein Kleinkredit“, vermittelt in der Hungerstreikerklärung der Gefangenen aus der RAF im Februar 1981, und dem Schweigen um die Gefangenen in der Gesellschaft heute liegen nicht nur 19 lange Jahre. Fast alles ist anders geworden: die Ausgangsbedingungen, international und in der Gesellschaft, die Linke, der Staat. Es ist still geworden um die Gefangenen aus der RAF: Sprachlosigkeit hat in den letzen Jahren, drinnen, wie draußen die Szenerie beherrscht. Ideologische Vorbehalte, individualisierte Entscheidungen und die Hilflosigkeit der Linken draußen hat viel dazu beigetragen, daß die politischen Gefangenen in der BRD aus der Öffentlichkeit und den Köpfen der Menschen verschwunden sind.
Hier in der BRD sitzen immer noch 6 Gefangene aus der RAF im Knast und zwei aus den „Antiimperialistischen Zellen“; vor wenigen Tagen wurde Andrea Klump von Österreich an Stammheim ausgeliefert; durch Verrat sitzen mittlerweile 4 Menschen im Knast, denen Mitgliedschaft bei den Revolutionären Zellen (RZ) vorgeworfen wird. Nachwievor werden 32 Antifaschist/innen aus Passau mit Verfahren nach §129 (Bildung einer kriminellen Vereinigung) konfrontiert. Und seit Sommer diesen Jahres sind 10 Menschen aus der Anti-Castor-Bewegung mit dem §129a (Bildung einer terroristischen Vereinigung) angeklagt. Gleichzeitig befinden sich hunderte von Flüchtlingen in den Abschiebeknästen und werden täglich abgeschoben, oft in den Tod - BRD Todesstrafe durch die Hintertür. Die größte Gruppe von politischen Gefangenen in Deutschland sind mittlerweile hunderte von kurdischen und türkischen politischen Gefangene. Sie sind häufig Isolationshaftbedingungen ausgesetzt. Gegen dutzende türkische und kurdische Linke laufen §129a Ermittlungsverfahren wegen Mitgliedschaft bzw. Unterstützung einer terroristischen bzw. kriminellen Vereinigung

Nicht nur zum 18. März - die Bewegung aus der Sackgasse:
„Widerstand ist sinnlos, alle sind kriminell“ - diese Haltung scheint als gesellschaftliche Norm durchgesetzt. Dahinter steckt die Zerstörung jedes politischen Zusammenhangs: Die Leugnung der Möglichkeit emanzipatorischer Veränderungen bis hin zum Auslöschen des Bewußtseins und der Erinnerung an die Kämpfe von unten der vergangenen Jahrzehnte. Und umgekehrt, weil das eine von dem andern nicht zu trennen ist, wird darin die Schwäche linker Politik in diesem Land offensichtlich. Beides setzt den Ausgangspunkt dafür, die Freiheit der politischen Gefangenen zu erkämpfen.

„Das Schweigen brechen, die Initiative ergreifen“ - mit der üblichen linken Betriebsamkeit wird es (nicht nur) an der Frage der politischen Gefangenen keine Veränderungen geben. Das haben die letzten Jahre bewiesen. Damit leugnen wir nicht, daß Genossinnen und Genossen darum kämpfen, den gegenwärtigen Stand der Dinge zu verändern. Und die internationale Kampagne für das Leben von Mumia Abu-Jamal ist auch ein Beweis dafür, daß sich überall Menschen für die politischen Gefangenen in Bewegung setzen. Mumia Abu Jamal, schwarzer Journalist und Ex-Black Panther sitzt nun seit über 18 Jahren in den „Deathrows“ des us-amerikanischen Knastregimes und wird mit dem Hinrichtungstod bedroht. Bisher ist es einer internationalen Solidaritätsbewegung gelungen ihn vor der Hinrichtung zu bewahren. Wir müssen aber die Intensität unseres Protestes steigern - auch für Abdullah Öcalan, der von einem internationalen Geheimdienst-joint-venture in die Türkei entführt und vom türkischen Regime zum Tode verurteilt wurde.

Nicht nur zum 18. März: Erkämpfen wir uns den Raum, um eine möglichst breite Öffentlichkeit über die Realität politischer Gefangener und ihrer Bedingungen in den deutschen Knästen herzustellen. Jede Initiative dafür zählt! Darüber hinaus braucht es eine längerfristige Organisierung, den Aufbau von Orten der Kommunikation innerhalb der Linken, in der Gesellschaft und international, um mit den politischen Gefangenen ihre Freiheit zu erkämpfen.

Ein Kriterium dafür muß sein, daß Solidarität unteilbar und ein wechselseitiges Verhältnis ist! Das bedeutet keinesfalls kritiklose Zustimmung. Aber sehr wohl aus der eigenen Lage zu handeln, um Einheit herzustellen und nicht nach Ideologien und politischen „Vorlieben“ zu sortieren. Spalten wir an diesem Punkt auch noch unsere Unterstützung, fehlt uns jeglicher Ansatz zu einem relevanten Widerstand. Auch in Zukunft gilt: Statt vereinzeltem Umgang mit staatlicher Repression, gemeinsames Verhalten dagegen!

Solidarität ist unteilbar - Jede Initiative zählt!

Solidarität mit dem antifaschistischen und dem Anti-Atom Widerstand!

Die Gefangenen aus der RAF müssen endlich raus!

Weg mit Verbot und der Kriminalisierung von PKK und DHKP-C sowie anderer Exilorganisationen und Vereine. Schluß mit der Kriminalisierung „mutmaßlicher“ Mitglieder und Sympathisant/innen!

Weg mit der Todesstrafe - Freiheit für Mumia Abu Jamal und Abdullah Öcalan!

Raus auf die Straße!

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