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Die Krise im funktionierenden Kapitalismus

Flo Beck im Streitblatt Juli/August 2000

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Nicht erst seit dem MAI ist es beliebt, die Krisen im Kapitalismus, den Imperialismus, die Kriege, die Arbeitslosigkeit, das raffende Kapital oder das Manipulationswesen als »Problem« anzusehen und dann über die Exzesse oder Auswüchse der Marktwirtschaft zu jammern. Dass diese Auffassungen nicht nur beliebt sind, sondern auch falsch sind - ob sie nun in Keynesianismus, Euromarsch oder Antisemitismus gipfeln - liegt daran, dass sich die Leute vom Kapitalismus keinen Begriff machen wollen: Erstens gehört zu dessen ganz normalen Verlauf eben auch die Krise - die keine Krise des Systems ist -- und zweitens ist der Kapitalismus auch ganz ohne Krise keine Einrichtung zum Nutzen der ihm unterworfenen Menschen.

Was sich in den Krisenerscheinungen des Kapitalismus äußert ist der Widerspruch von Wert und Gebrauchswert, von abstrakter und konkreter Arbeit (Siehe Streitblatt Nr.6). Die kapitalistisch produzierten Waren müssen nützliche Eigenschaften für jemanden haben, sonst lassen sie sich nicht verkaufen. Aber nicht wegen dieser nützlichen Eigenschaften werden diese Waren hergestellt, sondern weil sie Wert haben: es lohnt sich, sie zu verkaufen. Die Waren sind Nicht-Gebrauchswerte für die Besitzer, schließlich kann der Fabrikant mit sein 1750 Fahrrädern gar nichts anfangen. Die Waren sind Gebrauchswerte nur für die Nicht-Besitzer - darum braucht es den Austausch um den Wert zu realisieren, damit die Waren bei dem anlangen, der sie brauchen und bezahlen kann. Die dynamische Entgegensetzung der beiden Momente führt schließlich zu ideologischen Erscheinungen des Warenfetischs und zu anderen Widersprüchen der kapitalistischen Gesellschaft.

Der Gegensatz von Wert und Gebrauchswert kann zunächst gelöst werden in der Zirkulation, aber nur um sogleich wieder zu erscheinen. Als erstes im Auseinanderfallen von Kauf und Verkauf, dann in der Möglichkeit der Geldkrise, in der das Geld als Zahlungsmittel und Repräsentant der abstrakt allgemeinen Arbeit in einen Gegensatz zu den Waren als Repräsentanten konkreter Gebrauchswerte tritt. »Die Funktion des Geldes als Zahlungsmittel schließt einen unvermittelten Widerspruch ein. Soweit sich die Zahlungen ausgleichen, funktioniert es nur ideell als Rechengeld oder Maß der Werte. Soweit wirkliche Zahlung zu verrichten, tritt es nicht als Zirkulationsmittel auf, als nur verschwindende und vermittelnde Form des Stoffwechsels, sondern als die individuelle Inkarnation der gesellschaftlichen Arbeit, selbständiges Dasein des Tauschwerts, absolute Ware. Dieser Widerspruch eklatiert in dem Moment der Produktions- und Handelskrisen, der Geldkrise heißt« (MEW 23/151f) Damit ist nur die Möglichkeit der Krise gegeben. Die zwei Momente der Ware, Wert und Gebrauchsgegenstand zu sein, stellen sich äußerlich dar in Verkäufer und Käufer. Kauf und Verkauf müssen sich nicht entsprechen; warum die Möglichkeit der Krise Realität werden soll, lässt sich auf dieser Ebene allerdings noch nicht erklären.

Schließlich treten sich Wert und Gebrauchswert, abstrakte und konkrete Arbeit wieder direkt gegenüber. Das Kapital kann als Wert sinken, obwohl es an Masse von Gebrauchswerten zunimmt; die abstrakt allgemeine Arbeit, deren Gesetzen die Arbeiter unterworfen sind, gerät in immer schrofferen Gegensatz zu der konkreten, nützlichen Arbeit, die die Bedürfnisse der Produzenten befriedigen soll.

Die Krise des Kapitalismus kann im Kapitalismus nicht überwunden werden. Sie kann nur mit dem Kapitalismus überwunden werden.

Die kapitalistische Produktion ist zunächst nur beschränkt durch die Produktionskraft der Gesellschaft. Ob der erzeugte Wert aber realisiert werden kann, hängt davon ab, in welchen Proportionen die verschiedenen Produktionszweige stehen und wie hoch die Konsumtionskraft der Gesellschaft ist. Die Konsumtionskraft der Gesellschaft ist bestimmt durch »antagonistischer Distributionsverhältnisse, welche die Konsumtion der großen Masse der Gesellschaft auf ein nur innerhalb mehr oder minder enger Grenzen veränderliches Minimum reduziert« (MEW 25/254). Die Werte der produzierten Güter müssen realisiert werden können. Dazu müssen sie aber nicht nur irgendein Bedürfnis befriedigen, denn diese Bedürfnisse sind von den Produktionsbedingungen nicht unabhängig. Im Reich der Freiheit, dem Austauschprozess, kommen als Bedürfnisse nämlich nur zahlungsfähige vor. Das heißt auch: nicht Angebot und Nachfrage gleichen sich irgendwie aus, sondern: die Werte der produzierten Güter lassen sich nur verwirklichen, wenn eine zahlungsfähige Nachfrage nach ihren Gebrauchswerten existiert. Wenn die Proportionalitäten nicht stimmen, kommt es zur Krise, in der ein zuviel an Reichtum zu Zusammenbruch und Armut führt.

»Dies ist Gesetz für die kapitalistische Produktion, gegeben durch die beständigen Revolutionen in den Produktionsmethoden selbst, die damit beständig verknüpfte Entwertung von vorhandnem Kapital, den allgemeinen Konkurrenzkampf und die Notwendigkeit, die Produktion zu verbessern und ihre Stufenleiter auszudehnen, bloß als Erhaltungsmittel und bei Strafe des Untergangs. Der Markt muss daher beständig ausgedehnt werden, so dass seine Zusammenhänge und die sie regelnden Bedingungen immer mehr die Gestalt eines von den Produzenten unabhängigen Naturgesetzes annehmen, immer unkontrollierbarer werden. Der innere Widerspruch sucht sich auszugleichen durch Ausdehnung des äußern Feldes der Produktion. Je mehr sich aber die Produktivkraft entwickelt, um so mehr gerät sie in Widerstreit mit der engen Basis, worauf die Konsumtionsverhältnisse beruhen.« (MEW 25/254f) Für das Kapital ist seine Selbstverwertung Ziel und Zweck der Produktion: aus Wert soll mehr Wert werden. Die Produktion ist nicht Mittel um das Leben der Produzenten zu gestalten. (Wie schon angedeutet sind die Waren für die Produzenten auch gar keine Gebrauchswerte.) Das ist die wirkliche Schranke der kapitalistischen Produktion und Ursache der Krisen. »Die kapitalistische Produktion strebt beständig, diese ihr immanenten Schranken zu überwinden, aber sie überwindet sie nur durch Mittel, die ihr diese Schranken aufs neue und auf gewaltigerm Maßstab entgegenstellen. Die wahre Schranke der kapitalistischen Produktion ist das Kapital selbst, ist dies: dass das Kapital und seine Selbstverwertung als Ausgangspunkt und Endpunkt, als Motiv und Zweck der Produktion erscheint; dass die Produktion nur Produktion für das Kapital ist und nicht umgekehrt die Produktionsmittel bloße Mittel für eine stets sich erweiternde Gestaltung des Lebensprozesses für die Gesellschaft der Produzenten sind. Die Schranken, in denen sich die Erhaltung und Verwertung des Kapitalwerts, die auf der Enteignung und Verarmung der großen Masse der Produzenten beruht, allein bewegen kann, diese Schranken treten daher beständig in Widerspruch mit den Produktionsmethoden, die das Kapital zu seinem Zweck anwenden muss und die auf unbeschränkte Vermehrung der Produktion, auf die Produktion als Selbstzweck, auf unbedingte Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte der Arbeit lossteuern. Das Mittel - unbedingte Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte - gerät in fortwährenden Konflikt mit dem beschränkten Zweck, der Verwertung des vorhandnen Kapitals. Wenn daher die kapitalistische Produktionsweise ein historisches Mittel ist, um die materielle Produktivkraft zu entwickeln und den ihr entsprechenden Weltmarkt zu schaffen, ist sie zugleich der beständige Widerspruch zwischen dieser ihrer historischen Aufgabe und den ihr entsprechenden gesellschaftlichen Produktionsverhältnissen.« (MEW 25/250)

Hier ist gleich zu betonen, dass dieser Widerspruch des Kapitalismus keineswegs zu seiner automatischen Aufhebung oder sogar Selbstabschaffung führt. Der Widerspruch bedeutet nur, dass erstens zum Kapitalismus die Krisen gehören. In diesen Krisen wird nicht ein sonst vorhandenes Gleichgewicht aufgrund eines äußeren Einflusses (Ölpreisesschock, etc) gestört, vielmehr ergeben sie sich aus der Funktionsweise des Kapitalismus selbst. Zweitens ist der Kapitalismus ein gesellschaftliches Verhältnis, in dem nicht der Mensch sich den Produktionsprozess unterwirft und in diesem Produktionsprozess gemeinsam und planvoll seine Bedürfnisse zu befriedigen sucht, sondern der Produktionsprozess sich den Menschen unterwirft. Diesem gesellschaftlichen Verhältnis und nicht etwa direkter Unterdrückung verdanken die Kapitalisten ihren Reichtum. Das gesellschaftliche Verhältnis im Kapitalismus ist widersprüchlich, was gleichzeitig heißt: die ungemütlichen Erscheinungen des Kapitalismus sind keineswegs ein Auswuchs oder ein Zeichen dafür, dass etwas nicht funktioniert oder aus dem Ruder gelaufen ist. Dass die aus dem Streben nach besserer Selbstverwertung resultierende Produktivkraftsteigerungen den Wert der einzelnen Waren vermindern, dass zuviel Reichtum (»überschüssiges Angebot«) Ursache von Armut (Entlassungen, Zusammenbrüche), dass die Gebrauchswerte nur zählen, sofern sie an den Mann zu bringen sind und die Bedürfnisse nur, insofern sie zahlungsfähig sind, dass die produzierten Gebrauchswerte gar nicht deswegen hergestellt worden sind, um irgendwelche Bedürfnisse zu befriedigen (und tatsächlich sind ja viele von diesem Reichtum ausgeschlossen) -- all das gehört zum immanenten Widerspruch der kapitalistischen Produktionsweise. Es ist dies ein Widerspruch, der nicht zum notwendigen Zusammenbruch führt, der nicht von selbst Schluss mit dem Kapitalismus macht, der aber gute Gründe dafür liefert, mit ihm Schluss zu machen.

»Da nicht Befriedigung der Bedürfnisse, sondern Produktion von Profit Zweck des Kapitals, und da es diesen Zweck nur durch Methoden erreicht, die die Produktionsmasse nach der Stufenleiter der Produktion einrichten, nicht umgekehrt, so muss beständig ein Zwiespalt eintreten zwischen den beschränkten Dimensionen der Konsumtion auf kapitalistischer Basis und einer Produktion, die beständig über diese ihre immanente Schranke hinausstrebt.« (MEW 25/267) Das Bewusstsein in der warenproduzierenden Gesellschaft spiegelt die verkehrte Wirklichkeit richtig wider: in dieser Gesellschaftsform sind die Dinge gesellschaftlich, die Gesellschaftlichkeit selbst, also die Beziehungen, die die Menschen zueinander eingehen, steht aber unter der Kontrolle der Sachen.

Die wirklichen Produktionsverhältnisse aber werden unsichtbar gemacht: die Kategorien der bürgerlichen Ökonomie sind zwar objektiv gültig - aber eben nur in »dieser historisch bestimmten gesellschaftlichen Produktionsweise« (MEW 23/90), nicht aber von Natur aus. Die wissenschaftliche Analyse kann die gesellschaftlichen Verhältnisse aufdecken, die in den Wertformen ausgedrückt sind, sie kann aber nicht den gegenständlichen Schein selbst aufheben - das ist nur möglich durch eine Veränderung des materiellen Produktionsprozesses

*

Betrachten wir die Krisen näher:

»Die Krise in ihrer ersten Form ist die Metamorphose der Ware selbst, das Auseinanderfallen von Kauf und Verkauf. Die Krise in ihrer zweiten Form ist die Funktion des Geldes als Zahlungsmittel, wo das Geld in 2 verschiednen zeitlich getrennten Momenten in zwei verschiednen Funktionen figuriert. Diese beiden Formen sind noch ganz abstrakt, obgleich die zweite konkreter als die erste.« (MEW 26.2/511)

In einer Krise sind Waren kaum noch auf Kredit zu bekommen. Barzahlung ist gefordert. Die Waren sind kaum noch abzusetzen. Ein typisch kapitalistisches Problem: es gibt zuviel Reichtum. An produktivem Kapital herrscht in einer Krise dagegen kein Mangel: davon gibt es sogar zu viel. Jeder muss verkaufen, um zahlen zu können und doch kann keiner verkaufen. (MEW 25/500)

Die Krise entsteht aus einem Missverhältnis zwischen Akkumulation und Konsumtion. Die Akkumulation muss einhergehen mit einer Zunahme der Konsumtion, um die vermehrte Gütermenge, die das akkumulierte Kapital zu produzieren erlaubt, absetzen zu können. Die Konsumtion der Arbeiter ist aber dadurch beschränkt, dass die Arbeiter nur dann angewandt werden, wenn sie profitabel sind, d.h gerade nur dann, wenn sie weniger konsumieren (und dafür an Arbeitslohn erhalten müssen) als sie produzieren:

»Denken wir uns die ganze Gesellschaft bloß aus industriellen Kapitalisten und Lohnarbeitern zusammengesetzt. Sehn wir ferner ab von den Preiswechseln, die große Portionen des Gesamtkapitals hindern, sich in ihren Durchschnittsverhältnissen zu ersetzen, und die, bei dem allgemeinen Zusammenhang des ganzen Reproduktionsprozesses, wie ihn namentlich der Kredit entwickelt, immer zeitweilige allgemeine Stockungen hervorbringen müssen. Sehn wir ab ebenfalls von den Scheingeschäften und spekulativen Umsätzen, die das Kreditwesen fördert. Dann wäre eine Krise nur erklärlich aus Missverhältnis der Produktion in verschiednen Zweigen und aus einem Missverhältnis, worin der Konsum der Kapitalisten selbst zu ihrer Akkumulation stände. Wie aber die Dinge liegen, hängt der Ersatz der in der Produktion angelegten Kapitale großenteils ab von der Konsumtionsfähigkeit der nicht produktiven Klassen; während die Konsumtionsfähigkeit der Arbeiter teils durch die Gesetze des Arbeitslohns, teils dadurch beschränkt ist, dass sie nur solange angewandt werden, als sie mit Profit für die Kapitalistenklasse angewandt werden können. Der letzte Grund aller wirklichen Krisen bleibt immer die Armut und Konsumtionsbeschränkung der Massen gegenüber dem Trieb der kapitalistischen Produktion, die Produktivkräfte so zu entwickeln, als ob nur die absolute Konsumtionsfähigkeit der Gesellschaft ihre Grenze bilde.« (MEW 25/500f)

Voraussetzung der Krise ist die innere Einheit der verselbständigten Momente Kauf und Verkauf. Diese Einheit besteht darin, dass Kauf und Verkauf nur entgegengesetzte Phasen ein und desselben Prozesses darstellen. Sie sind verselbständigt, weil sie getrennt voneinander stattfinden. Kauf kann ohne Verkauf und Verkauf kann ohne Kauf stattfinden. (Der Kauf, also die Verwandlung von Geld in Ware macht aber keine Probleme.) Weil Kauf und Verkauf verselbständigt, aber eben nicht unabhängig voneinander sind, kommt es zur Krise. In der Krise verschafft sich die innere Einheit der beiden Momente im Zirkulationsprozess Geltung.

»Wenn z.B. Kauf und Verkauf - oder die Bewegung der Metamorphose der Ware - die Einheit zweier Prozesse oder vielmehr den Verlauf eines Prozesses durch zwei entgegengesetzte Phasen darstellt, also wesentlich die Einheit beider Phasen ist, so ist sie ebenso wesentlich die Trennung derselben und ihre Verselbständigung gegeneinander. Da sie nun doch zusammengehören, so kann die Verselbständigung der zusammengehörigen Momente nur gewaltsam erscheinen, als zerstörender Prozess. Es ist grade die Krise, worin ihre Einheit sich betätigt, die Einheit der Unterschiedenen. Die Selbständigkeit, die die zueinander gehörigen und sich ergänzenden Momente gegeneinander annehmen, wird gewaltsam vernichtet. Die Krise manifestiert also die Einheit der gegeneinander verselbständigten Momente. Es fände keine Krise statt ohne diese innere Einheit der scheinbar gegeneinander Gleichgültigen.« (MEW 26.2/501)

Ohne diese innere Einheit, die sich in Krisen durchsetzt würde es überhaupt kein Gleichgewicht geben. Insofern einseitig Massen von Verkäufen und Massen von Käufen stattfinden, ist es zunächst nur Zufall, wenn die Werte der Käufe den Werten der Verkäufe entsprechen (MEW 24/490f). Stockungen der Zirkulation, also Abweichungen vom Gleichgewicht (z.B weil Geld nicht wieder in Waren umgewandelt wird), haben eine Behinderung des Produktionsprozesses zur Folge, der nur durch eine Krise wieder korrigiert werden kann (z.B. durch Entwertung des Kapitals und Vernichtung der nicht absetzbaren Waren). Überhaupt entsteht die Möglichkeit der Krisen erst durch die massenhafte Herstellung von Waren. Gleichzeitig erzwingt die Warenproduktion die innere Einheit von Verkauf und Kauf - ohne die im Normalfall reibungslos ablaufende, oder doch funktionierende Zirkulation könnten sich Gebrauchswerte gar nicht in großen Maße als Waren gegenüberstehen.

Das Auseinanderfallen von Kauf und Verkauf erklärt nur die Möglichkeit der Krise. Sie ist die »Elementarform« der Krise. Die Wirklichkeit der Krise kann aus dieser Elementarform aber nicht erklärt werden. (MEW 26.2/502)

Die zweite Möglichkeit der Krise rührt aus dem Widerspruch, den die Funktion des Geldes als Zahlungsmittel einschließt. In der Zirkulation ist das nur ideeller Wert, Maß der Werte, solange sich die Zahlungen ausgleichen. Wenn sich die Zahlungen nicht ausgleichen ist das Geld nicht mehr Zirkulationsmittel, sondern allgemeines Äquivalent bzw. »individuelle Inkarnation der gesellschaftlichen Arbeit, selbständiges Dasein des Tauschwerts, absolute Ware« (MEW 23/152).

Dieser Widerspruch macht sich in der Geldkrise geltend. Das Geld, das in der Zirkulation sonst nur ideell vorhanden ist, gilt in der Geldkrise als einzige Ware. Der Verkauf stockt, Gebrauchswerte werden wertlos, Kauf und Verkauf fallen auseinander. Das Geld verschwindet nicht mehr in der Zirkulation, sondern gerät als allgemeines Äquivalent in Widerspruch zu den Waren, deren Wertgestalt es ist.

In der Geldkrise gilt die Ware nichts mehr. Sie hat immer noch Gebrauchswert, kann aber nicht mehr zum Tausch verwendet werden. Der Wert kann nicht mehr realisiert werden. Nur das Geld hat tatsächlich Wert. Das Geld als allgemeine Ware behält seinen Wert, aber alle anderen Waren verlieren den ihren.

»Die Geldkrise besteht zunächst darin, dass alle 'Vermögen' auf einmal gegenüber dem Tauschmittel depreziiert werden und das 'Vermögen' über das Geld verlieren. Die Krise ist gerade dann da, wenn man nicht mehr mit seinem ‚Vermögen' zahlen kann, sondern mit Geld zahlen muss. Dies findet wieder nicht dadurch statt, dass Mangel an Geld eintritt, wie der Kleinbürger sich vorstellt, der die Krise nach seiner Privatmisère beurteilt, sondern dadurch, dass der spezifische Unterschied des Geldes als der allgemeinen} Ware, des ‚gangbaren und kursierenden Eigentums', von allen andern speziellen Waren sich fixiert, die plötzlich aufhören, gangbares Eigentum zu sein.« (MEW 3/381)

Die Menge der Arbeit, die durch eine bestimmte Menge Kapital verwertet werden kann, hängt nicht ab vom Wert des Kapitals, sondern allein von der Menge an Roh-, Hilfsstoffen und Maschinen, aus denen es zusammengesetzt ist. Wenn die Masse der Gebrauchswerte, aus denen sich das Kapital zusammensetzt, wächst, dann wächst auch der Wert des reproduzierten Kapitals. Mit einer größeren Masse des Kapitals kann mehr Arbeit verwertet werden. Mit der zusätzlichen dadurch verwertbaren Arbeit wächst auch der Mehrwert.

Arbeit schafft Wert, seine Anwendung hängt aber vom Vorhandensein der nötigen Gebrauchswerte ab. Die Momente des Arbeitsprozesses geraten in einen Widerspruch:

(1) Der Teil des gesellschaftlichen Gesamtprodukts, das als Kapital dient, vermehrt sich. Dadurch nimmt auch die Arbeiterbevölkerung zu. Gleichzeitig bewirkt die immer rationellere Ausbeutung des einzelnen Arbeiters, der nur so lange beschäftigt wird, wie er Profit bringt, eine relative Übervölkerung.

Das Wachsen des konstanten Kapitals führt also zu einer Zunahme der Arbeiterbevölkerung. Gleichzeitig wird durch die relative Abnahme des variablen Kapitals relative Übervölkerung geschaffen.

(2) Durch die Zunahme des konstanten Kapitals fällt die Profitrate. Weil die Masse des konstanten Kapitals zunimmt sinkt tendenziell sein Wert, weil die Arbeiter mehr und effizienter produzieren können. Damit wird das vorhandene Kapital entwertet und der Fall der Profitrate aufgehalten.

Die fallende Profitrate bewirkt eine verlangsamte Akkumulation dem Wert nach. Die Akkumulation der Gebrauchswerte wirkt aber in dem Prozess, der sich in der fallenden Profitrate äußert, gar nicht berührt. Oder vielmehr: Die Akkumulation der Masse nach beschleunigt sich sogar, denn die Profitrate fällt ja auf Grund des zunehmenden konstanten Kapitals, das heißt der zunehmenden Maschinerie, mit der sich umso effizienter produzieren lässt.

(3) Mit der Zunahme der Produktivität nimmt der Anteil des variablen relativ zum konstanten Kapital ab.

Mit zunehmender Masse an Gebrauchswerten nimmt auch die Akkumulation dem Wert nach wieder zu, weil mehr Arbeit eingesogen werden kann.

Diese Widersprüche führen zu Krisen, in denen sich das verletzte Gleichgeweicht wieder herstellt.

»Diese verschiednen Einflüsse machen sich bald mehr nebeneinander im Raum, bald mehr nacheinander in der Zeit geltend; periodisch macht sich der Konflikt der widerstreitenden Agentien in Krisen Luft. Die Krisen sind immer nur momentane gewaltsame Lösungen der vorhandnen Widersprüche, gewaltsame Eruptionen, die das gestörte Gleichgewicht für den Augenblick wiederherstellen.« (MEW 25/257)

Der Kapitalismus hat einerseits die Tendenz die Produktionskräfte unabhängig vom Wert und den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen auszuweiten. Die Produktionskräfte sind ja nur begrenzt durch die zur Verfügung stehenden Masse an Gebrauchswerten. Das ist der fortschrittliche Charakter des Kapitalismus. Gleichzeitig geht es im Kapitalismus um die Steigerung des Kapitalwerts und den Erhalt der gesellschaftlichen Verhältnisse. Erst über den Wert des Kapitals lässt sich die Masse der als Kapital dienenden Gebrauchswerte beschaffen und der Erhalt der gesellschaftlichen Verhältnisse ist eine Voraussetzung, ohne den die bestehende Produktionsweise nicht aufrechtzuerhalten ist.

»Der Widerspruch, ganz allgemein ausgedrückt, besteht darin, dass die kapitalistische Produktionsweise eine Tendenz einschließt nach absoluter Entwicklung der Produktivkräfte, abgesehn vom Wert und dem in ihm eingeschlossnen Mehrwert, auch abgesehen von den gesellschaftlichen Verhältnissen, innerhalb deren die kapitalistische Produktion stattfindet; während sie andrerseits die Erhaltung des existierenden Kapitalwerts und seine Verwertung im höchsten Maß (d.h. stets beschleunigten Anwachs dieses Werts) zum Ziel hat. Ihr spezifischer Charakter ist auf den vorhandnen Kapitalwert als Mittel zur größtmöglichen Verwertung dieses Werts gerichtet. Die Methoden, wodurch sie dies erreicht, schließen ein: Abnahme der Profitrate, Entwertung des vorhandnen Kapitals und Entwicklung der Produktivkräfte der Arbeit auf Kosten der schon produzierten Produktivkräfte. Die periodische Entwertung des vorhandnen Kapitals, die ein der kapitalistischen Produktionsweise immanentes Mittel ist, den Fall der Profitrate aufzuhalten und die Akkumulation von Kapitalwert durch Bildung von Neukapital zu beschleunigen, stört die gegebnen Verhältnisse, worin sich der Zirkulations- und Reproduktionsprozess des Kapitals vollzieht, und ist daher begleitet von plötzlichen Stockungen und Krisen des Produktionsprozesses.« (MEW 25/258ff)

Die Masse des stofflichen Reichtums kann wachsen, während gleichzeitig die Wertgröße sinkt. Warum? Weil sich die Produktivkraft nur auf die konkrete, nützliche Arbeit bezieht, nicht aber auf den Wert. Die Produktivkraft misst, wie viele Güter von einem bestimmten Quantum produktiver Arbeit geschaffen werden können. Je nach Produktivkraft schafft die produktive Arbeit mehr oder weniger Produkte. Der Wert dieser Produkte wird von der Produktivkraft nicht berührt. »Produktivkraft ist natürlich stets Produktivkraft nützlicher, konkreter Arbeit und bestimmt in der Tat nur den Wirkungsgrad zweckmäßiger produktiver Tätigkeit in gegebenem Zeitraum. Die nützlicher Arbeit wird daher reichere oder dürftigere Produktenquelle im direkten Verhältnis zum Steigen oder Fallen ihrer Produktivkraft. Dagegen trifft ein Wechsel der Produktivkraft die im Wert dargestellte Arbeit an und für sich gar nicht.« (MEW 23/60f) Die Entwertung des Kapitals geschieht periodisch in Krisen. Die Entwertung wirkt zwar dem Fall der Profitrate entgegen. Das führt jedoch zu Störungen im Produktions- und Zirkulationsprozess, die sich als Krisen äußern.

Wie sich die Möglichkeit der Krise aus dem Auseinanderfallen von Kauf und Verkauf ergibt, so ergibt sich die Möglichkeit der Krise beim Kapital aus dem Auseinanderfallen von Produktion und Zirkulation. Der Gesamtprozess besteht aus der Einheit der getrennten Phasen Produktion und Zirkulation.

»Es handelt sich aber nun [darum], die weitere Entwicklung der potentia Krisis - die reale Krisis kann nur aus der realen Bewegung der kapitalistischen Produktion, Konkurrenz und Kredit, dargestellt werden - zu verfolgen, soweit sie aus den Formbestimmungen des Kapitals hervorgeht, die ihm als Kapital eigentümlich und nicht in seinem bloßen Dasein als Ware und Geld eingeschlossen sind. {...} Der Gesamt-Zirkulationsprozess oder der Gesamt-Reproduktionsprozess des Kapitals ist die Einheit seiner Produktionsphase und seiner Zirkulationsphase, ein Prozess, der durch die beiden Prozesse als seine Phasen verläuft. Darin liegt eine weiter entwickelte Möglichkeit oder abstrakte Form der Krise. Die Ökonomen, die die Krise wegleugnen, halten daher nur an der Einheit dieser beiden Phasen fest. Wären sie nur getrennt, ohne eins zu sein, so wäre grade keine gewaltsame Herstellung ihrer Einheit möglich, keine Krise. Wären sie nur eins, ohne getrennt zu sein, so wäre keine gewaltsame Trennung möglich, was wieder die Krise ist. Sie ist die gewaltsame Herstellung der Einheit zwischen verselbständigten und die gewaltsame Verselbständigung von Momenten, die wesentlich eins sind.« (MEW 26.2/513f)

Zu einer Krise kann es nicht kommen, ohne dass Kauf und Verkauf auseinanderfallen oder die Widersprüche des Geldes als Zahlungsmittel sich verwirklichen. Das liegt daran, dass Auseinanderfallen von Kauf und Verkauf und die Widersprüche des Geldes die einfachsten Formen der Krise sind. Auch die wirkliche Krise hat diese Form: sie ist ihre Möglichkeit. »Wenn Kauf und Verkauf sich nicht gegeneinander festsetzen und daher nicht gewaltsam ausgeglichen werden müssen - anderseits, wenn das Geld als Zahlungsmittel so funktioniert, dass die Forderungen sich aufheben, also nicht der in Geld ais Zahlungsmittel an sich vorhandne Widerspruch sich verwirklicht -- , diese beiden abstrakten Formen der Krise also nicht realiter als solche erscheinen, existiert keine Krise. Es kann keine Krise existieren, ohne dass Kauf und Verkauf sich voneinander trennen und in Widerspruch treten oder dass die im Geld als Zahlungsmittel enthaltnen Widersprüche erscheinen, ohne dass also die Krise zugleich in der einfachen Form - dem Widerspruch von Kauf und Verkauf, dem Widerspruch des Gelds als Zahlungsmittel - hervortritt. Aber dies sind auch bloße Formen -- allgemeine Möglichkeiten der Krisen, daher auch Formen, abstrakte Formen der wirklichen Krise. In ihnen erscheint das Dasein der Krise als in ihren einfachsten Formen und insofern in ihrem einfachsten Inhalt, als diese Form selbst ihr einfachster Inhalt ist.

Aber es ist noch kein begründeter Inhalt. Die einfache Geldzirkulation und selbst die Zirkulation des Gelds als Zahlungsmittel - und beide kommen lange vor der kapitalistischen Produktion vor, ohne dass Krisen vorkämen - sind möglich und wirklich ohne Krisen. Warum also diese Formen ihre kritische Seite herauskehren, warum der in ihnen potentia enthaltne Widerspruch actu als solcher erscheint, ist aus diesen Formen allein nicht zu erklären.« (MEW 26.2/512f)

Das Selbstverwertungsprozeß des Kapitals ist untrennbar mit Krisen verbunden. Die Ursache der Krisen liegt im Widerspruch zwischen der Entwicklung der Produktivkraft und der Verwertung. In diesem Widerspruch entfaltet sich der Widerspruch von abstrakter und konkreter Arbeit. Die Produktion ist Mittel und Zweck des Kapitals, nicht Mittel für die Gestaltung des Lebensprozesses der Gesellschaft.

In den Krisen löst sich der Widerspruch der Waren vorübergehend auf gewaltsame Weise (MEW 25/259). Die Möglichkeit von Krisen ist schon in der einfachen Warenproduktion angelegt und zwar in der Funktion des Geldes als Zirkulationsmittel. Durch die Zirkulation werden die Grenzen des Austauschs der Arbeitsprodukte gesprengt. Die ursprüngliche Identität Austausch und Eintausch wird in den Gegensatz von Kauf und Verkauf gespalten. »[K]einer braucht unmittelbar zu kaufen, weil er selbst verkauft hat.« (MEW 23/127)

Der Ware ist der Gegensatz von Gebrauchswert und Wert immanent. Sie ist Ergebnis von Privatarbeit wie von gesellschaftlichere Arbeit. Die konkrete Arbeit, die die konkrete, nützliche Ware schafft, gilt nur als abstrakt menschliche Arbeit, weil die Ware für den Tausch produziert wurde und dabei von ihrer jeweiligen Nützlichkeit abgesehen wird. In der Metamorphose der Ware erhalten diese Widersprüche die Form, in der sie sich bewegen können. (MEW 23/128)Die Möglichkeit der Krise zeigt sich auf einer höheren Ebene im Auseinanderfallen von Produktions- und Zirkulationsprozess: Die Krise ist deshalb möglich, weil der Prozess getrennte Phasen durchläuft, die sich aber gegenseitig ergänzen:

»Das Auseinanderfallen des Produktionsprozesses (unmittelbaren) und Zirkulationsprozesses ist wieder und weiter entwickelt die Möglichkeit der Krise, die sich bei der bloßen Metamorphose der Ware zeigte. Sobald sie nicht flüssig ineinander übergehn, sondern sich gegeneinander verselbständigen, ist die Krise da. Bei der Metamorphose der Ware stellt sich die Möglichkeit der Krise so dar. Erstens die Ware, die real als Gebrauchswert, ideell, im Preise, als Tauschwert existiert, muss in Geld verwandelt werden. W - G. Ist diese Schwierigkeit gelöst, der Verkauf, so hat der Kauf, G - W, keine Schwierigkeit mehr, da Geld gegen alles unmittelbar austauschbar. Der Gebrauchswert der Ware, die Nützlichkeit der in ihr enthaltnen Arbeit, muss vorausgesetzt werden, sonst ist sie überhaupt nicht Ware. Es ist ferner vorausgesetzt, dass der individuelle Wert der Ware = ihrem gesellschaftlichen Wert, d.h., dass die in ihr materialisierte Arbeitszeit = der zur Hervorbringung dieser Ware gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit. Die Möglichkeit der Krise, soweit sie in der einfachen Form der Metamorphose sich zeigt, geht also nur daraus hervor, dass die Formunterschiede - die Phasen - , die sie in ihrer Bewegung durchläuft, erstens notwendig sich ergänzende Formen und Phasen sind, zweitens trotz dieser innren notwendigen Zusammengehörigkeit gleichgültig gegeneinander existierende, in Zeit und Raum auseinanderfallende, voneinander trennbare und getrennte, unabhängige Teile des Prozesses und Formen. Sie liegt also allein in der Trennung von Verkauf und Kauf.« (MEW 26.2/508f)

Wenn das Produkt, die Ware, nicht verkauft werden kann, kommt es zur Krise. Waren werden nicht für das eigene Bedürfnis produziert, sondern für den Tausch. Waren sind »besondre Produkte individueller Arbeit« (MEW 26.2/511). Durch den Verkauf werden sie in ihr »Gegenteil« (MEW 26.2/511) verwandelt: in Geld, das heißt abstrakt allgemeine Arbeit. Geld ist gerade nicht »besondres Produkt individueller Arbeit«; daher ist der Geldbesitzer auch nicht gezwungen, sofort wieder zu kaufen und das Geld loszuwerden.

Damit können Kauf und Verkauf auseinanderfallen. »Die Schwierigkeit, die Ware in Geld zu verwandeln, zu verkaufen, stammt bloß daher, dass die Ware in Geld, das Geld aber nicht unmittelbar in Ware verwandelt werden muss, also Verkauf und Kauf auseinanderfallen können. Wir haben gesagt, dass diese Form die Möglichkeit der Krise einschließt, d.h. die Möglichkeit, dass Momente, die zueinander gehören, die untrennbar sind, sich zertrennen und daher gewaltsam vereint werden, ihre Zusammengehörigkeit durch die Gewalt, die ihrer wechselseitigen Selbständigkeit angetan wird, durchgesetzt wird. Und weiter ist Krise nichts als die gewaltsame Geltendmachung der Einheit von Phasen des Produktionsprozesses, die sich gegeneinander verselbständigt haben.« (MEW 26.2/510) In der Metamorphose der Ware steckt die abstrakte Form und damit die Möglichkeit der Krise. Sie ist die Form, in der sich der Widerspruch von Tausch- und Gebrauchswert und damit von abstrakter und konkreter Arbeit, bewegt:

Allgemeine, abstrakte Möglichkeit der Krise - heißt nichts als die abstrakteste Form der Krise, ohne Inhalt, ohne inhaltsvolles Motiv derselben. Verkauf und Kauf können auseinanderfallen. Sie sind also Krise potentia und ihr Zusammenfallen bleibt immer kritisches Moment für die Ware. Sie können aber flüssig ineinander übergehen. Bleibt also, dass abstrakteste Form der Krise (und daher formelle Möglichkeit der Krise) die Metamorphose der Ware selbst ist, worin nur als entwickelte Bewegung der in der Einheit der Ware eingeschlossne Widerspruch von Tauschwert und Gebrauchswert, weiter von Geld und Ware enthalten ist. Wodurch aber diese Möglichkeit der Krise zur Krise wird, ist nicht in dieser Form selbst enthalten; es ist nur darin enthalten, dass die Form für eine Krise da ist.« (MEW 26.2/510)

Krisen sind im Kapitalismus aber nicht nur möglich, sondern unvermeidlich, weil der gesellschaftliche Charakter der Produktion in Widerspruch steht zur privaten Form der Aneignung. Dieser Widerspruch erscheint als Widerspruch zwischen Produktion und Konsumption: Die Produktion wird dem Profitinteresse gemäß ausgedehnt, die Nachfrage ist aber relativ begrenzt - es kommt zur Überproduktion.

Bei Überproduktion kommt es zum Konflikt zwischen dem individuellen Kapitalisten, der sein Kapital möglichst als ganzes erhalten will und der Kapitalistenklasse, die einen Teil des Kapitals stilllegen oder vernichten muss.

»Wie würde sich nun dieser Konflikt wieder ausgleichen und die der ‚gesunden' Bewegung der kapitalistischen Produktion entsprechenden Verhältnisse sich wieder herstellen? Die Weise der Ausgleichung ist schon enthalten in dem bloßen Aussprechen des Konflikts, um dessen Ausgleichung es sich handelt. Sie schließt eine Brachlegung und selbst eine teilweise Vernichtung von Kapital ein, zum Wertbetrag des ganzen Zusatzkapitals C oder doch eines Teils davon. Obgleich, wie schon aus der Darstellung des Konflik ts hervorgeht, die Verteilung dieses Verlusts in keiner Weise sich gleichmäßig auf die einzelnen Sonderkapitalien erstreckt, sondern sich in einem Konkurrenzkampf entscheidet, worin je nach den besondren Vorteilen oder bereits errungnen Positionen der Verlust sich sehr ungleich und in sehr verschiedner Form verteilt, so dass ein Kapital brachgelegt, ein andres vernichtet wird, ein drittes nur relativen Verlust hat oder nur vorübergehende Entwertung erfährt usw.« (MEW 25/263f) Dieser Konflikt wird durch Brachlegung und Vernichtung eines Teils des Kapitals gelöst. Die Produktionsmittel, die als Kapital diesen, werden entweder stillgelegt oder hören, für längere oder kürzere Zeit einfach auf, als Produktionsmittel zu fungieren.

»Unter allen Umständen aber würde sich das Gleichgewicht herstellen durch Brachlegung und selbst Vernichtung von Kapital in größrem oder geringrem Umfang. Dies würde sich erstrecken zum Teil auf die materielle Kapitalsubstanz; d.h. ein Teil der Produktionsmittel, fixes und zirkulierendes Kapital, würde nicht fungieren, nicht als Kapital wirken; ein Teil begonnener Produktionsbetriebe würde stillgesetzt werden. Obgleich, nach dieser Seite, die Zeit alle Produktionsmittel (den Boden ausgenommen) angreift und verschlechtert, fände hier infolge der Funktionsstockung weit stärkere wirkliche Zerstörung von Produktionsmitteln statt. Die Hauptwirkung nach dieser Seite hin wäre jedoch, dass diese Produktionsmittel aufhörten, als Produktionsmittel tätig zu sein; eine kürzere oder längere Zerstörung ihrer Funktion als Produktionsmittel.« (MEW 25/264)

Periodische Krisen entstehen immer dann, wenn die Märkte, für die in den Zeiten der Produktivität Kapazitäten geschaffen werden, zusammenbrechen oder zumindest schrumpfen. Diese periodischen Krisen bestimmen auch die Lebenslage der Arbeiter. Der Konkurrenzkampf um die immer enger werdenden Märkte zwingt die Kapitalisten dazu, die Waren fortwährend zu verbilligen. Das geschieht, indem Maschinen eingeführt werden, die Arbeitskraft ersetzen und indem der Arbeitslohn unter seinen Wert gedrückt wird:

»Die ungeheure, stoßweise Ausdehnbarkeit des Fabrikwesens und seine Abhängigkeit vom Weltmarkt erzeugen notwendig fieberhafte Produktion und darauf folgende Überfüllung der Märkte, mit deren Kontraktion Lähmung eintritt. Das Leben der Industrie verwandelt sich in eine Reihenfolge von Perioden mittlerer Lebendigkeit, Prosperität, Überproduktion, Krise und Stagnation. Die Unsicherheit und Unstetigkeit, denen der Maschinenbetrieb die Beschäftigung und damit die Lebenslage des Arbeiters unterwirft, werden normal mit diesem Periodenwechsel des industriellen Zyklus. Die Zeiten der Prosperität abgerechnet, rast zwischen den Kapitalisten heftigster Kampf um ihren individuellen Raumanteil am Markt. Dieser Anteil steht in direktem Verhältnis zur Wohlfeilheit des Produkts. Außer der hierdurch erzeugten Rivalität im Gebrauch verbesserter, Arbeitskraft ersetzender Maschinerie und neuer Produktionsmethoden tritt jedes Mal ein Punkt ein, wo Verwohlfeilerung der Ware durch gewaltsamen Druck des Arbeitslohnes unter den Wert der Arbeitskraft erstrebt wird.« (MEW 23/467)

Durch die Akkumulation von konstantem Kapital wird zwar die Produktivität und der Ausstoß von Gebrauchswerten gesteigert. Das mehrwerterzeugende variable Kapital macht aber gleichzeitig einen immer geringeren Anteil des Gesamtkapitals aus. Die Folge ist der Fall der Profitrate. Er führt zur Verlangsamung der Bildung neuer Kapitale und fördert Krisen. »Andrerseits, soweit die Rate der Verwertung des Gesamtkapitals, die Profitrate, der Stachel der kapitalistischen Produktion ist (wie die Verwertung des Kapitals ihr einziger Zweck), verlangsamt ihr Fall die Bildung neuer selbständiger Kapitale und erscheint so als bedrohlich für die Entwicklung des kapitalistischen Produktionsprozesses; er befördert Überproduktion, Spekulation, Krisen, überflüssiges Kapital neben überflüssiger Bevölkerung.« (25/251f)

Die Entwicklung der Produktivkraft steigert die Rate des Mehrwerts, denn nur der Teil der Arbeitszeit wird bezahlt, der zur Reproduktion des Arbeiters nötig sind. Der Arbeiter erhält als Lohn die Kosten seiner Reproduktion. Die Entwicklung der Produktivkraft kann aber auch negativ auf die Masse des Mehrwerts wirken, indem sie Arbeit überflüssig macht. Wenn insgesamt weniger Arbeiter angewandt werden sinkt die Masse des Mehrwerts. (MEW 25/257)

Eine Erhöhung der Produktivität wird positiv und negativ auf die Profitrate. Sie wirkt positiv auf die Profitrate, indem sie die Waren verbilligt: auf ihre Herstellung muss weniger Zeit verwendet werden. Sofern diese Waren Bestandteil des konstanten Kapitals sind nimmt dieses im Wert ab und die Profitrate steigt. Sofern die Waren zur Reproduktion der Arbeitskraft dienen, sinkt die notwendige Arbeitszeit, die aufgewendet werden muss, um die zur Reproduktion des Arbeiters nötigen Waren herzustellen. Damit steigt der relative Mehrwert und damit auch die Profitrate. Die Profitrate wird aber ebenfalls negativ durch die Steigerung der Produktivität beeinflusst: dadurch nämlich, dass das variable Kapital gegenüber dem konstanten abnimmt.

»Mit der Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise fällt also die Rate des Profits, während seine Masse mit der zunehmenden Masse des angewandten Kapitals steigt. Die Rate gegeben, hängt die absolute Masse, worin das Kapital wächst, ab von seiner vorhandnen Größe. Aber andrerseits diese Größe gegeben, hängt das Verhältnis, worin es wächst, die Rate seines Wachstums, von der Profitrate ab. Direkt kann die Steigerung der Produktivkraft (die außerdem, wie erwähnt, stets mit Entwertung des vorhandnen Kapitals Hand in Hand geht) die Wertgröße des Kapitals nur vermehren, wenn sie durch Erhöhung der Profitrate den Wertteil des jährlichen Produkts vermehrt, der in Kapital rückverwandelt wird. Soweit die Produktivkraft der Arbeit in Betracht kommt, kann dies nur geschehn (denn diese Produktivkraft hat direkt nichts zu tun mit dem Wert des vorhandnen Kapitals), soweit dadurch entweder der relative Mehrwert erhöht oder der Wert des konstanten Kapitals vermindert wird, also die Waren verwohlfeilert werden, die entweder in die Reproduktion der Arbeitskraft oder in die Elemente des konstanten Kapitals eingehn. Beides schließt aber Entwertung des vorhandnen Kapitals ein, und beides geht Hand in Hand mit der Verminderung des variablen Kapitals gegenüber dem konstanten. Beides bedingt den Fall der Profitrate und beides verlangsamt ihn.« (MEW 25/257)

Die Produktivität wirkt immer auch so, dass der Wert des Kapitals zunimmt. Mit größerer Produktivität können mehr und verschiedenartiger Waren hergestellt werden. Sofern das konstante Kapital aus diesen Waren besteht, können sie dazu dienen, mehr Arbeit einzusaugen. Und mit mehr Arbeit wächst auch die Mehrarbeit und der Wert des reproduzierten Kapitals. »Aber indirekt trägt die Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit bei zur Vermehrung des vorhandnen Kapitalwerts, indem sie die Masse und Mannigfaltigkeit der Gebrauchswerte vermehrt, worin sich derselbe Tauschwert darstellt, und die das materielle Substrat, die sachlichen Elemente des Kapitals bilden, die stofflichen Gegenstände, woraus das konstante Kapital direkt und das variable wenigstens indirekt besteht. Mit demselben Kapital und derselben Arbeit werden mehr Dinge geschaffen, die in Kapital verwandelt werden können, abgesehen von ihrem Tauschwert. Dinge, die dazu dienen können, zusätzliche Arbeit einzusaugen, also auch zusätzliche Mehrarbeit, und so zusätzliches Kapital zu bilden. Die Masse Arbeit, die das Kapital kommandieren kann, hängt nicht ab von seinem Wert, sondern von der Masse der Roh- und Hilfsstoffe, der Maschinerie und Elemente des fixen Kapitals, der Lebensmittel, woraus es zusammengesetzt ist, was immer deren Wert sei. Indem damit die Masse der angewandten Arbeit, also auch Mehrarbeit, wächst, wächst auch der Wert des reproduzierten Kapitals und der ihm neu zugesetzte Surpluswert. Diese beiden im Akkumulationsprozess einbegriffnen Momente sind aber nicht nur in dem ruhigen Nebeneinander zu betrachten, worin Ricardo sie behandelt; sie schließen einen Widerspruch ein, der sich in widersprechenden Tendenzen und Erscheinungen kundgibt. Die widerstreitenden Agentien wirken gleichzeitig gegeneinander.« (MEW 25/258f) (fb)