Zu den SPD/PDS-Bündnissen
in Berlin und Sachsen-Anhalt 


Tolerieren, koalieren, Basis verlieren


von Peter Borgwardt

01/02
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»Wir sagen deutlich: Schmerzhafte Einschnitte werden unvermeidlich sein, vieles wird sich ändern.« (aus dem Wahlaufruf der PDS zu den Senatswahlen in Berlin 2001)

Kaum waren die Berliner Wahllokale am 21. Oktober 2001 geschlossen, da meldete sich bereits Schröder mit einem Kanzler-Machtwort zur Stelle: Mit Blick auf die Bundestagswahl 2002 verbat er sich eine SPD/PDS-Koalition in der Hauptstadt. Gehorsamst nahm daraufhin SPD-Spitzenkandidat Wowereit auch schnellstens Koalitionsverhandlungen mit FDP und Bündnis 90/Die Grünen auf. Das Desaster ließ nicht lange auf sich warten. Die so genannte »Ampel-Koalition« fuhr voll gegen die Wand, noch bevor die Regierung überhaupt gebildet war. Ausschlaggebend dafür waren nicht einzelne Streitpunkte, wie z.B. die Einführung der »Biersteuer«, sondern Massenproteste insbesondere aus der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung gegen die gesamte Richtung des geplanten Krisenprogramms.

Das Scheitern der Wunschregierung des Kanzlers und der Monopole löste auf Berliner Landesebene zum zweiten Mal in kurzer Zeit eine offene politische Krise aus. Ihr besonderes Merkmal ist, dass in Windeseile nun die PDS mit Gysi an der Spitze zur Regierungsbildung mit der SPD nach vorne drängt. Dabei geht es im Kern um nichts anderes als die Fortsetzung der gleichen Politik, die zuvor in der »Ampel-Koalition« gescheitert war – die Durchsetzung des Krisenprogramms – nur mit etwas anderen Mitteln. Ein Schlaglicht darauf wirft das Ergebnis der Vereinbarungen zwischen SPD und PDS:

Im Öffentlichen Dienst sollen bis zum Jahr 2006 1,07 Milliarden Euro gestrichen werden, die Hälfte davon durch den Abbau von 15000 der 140000 Arbeitsplätze. Auf Betreiben der PDS wurde lediglich der Zusatz eingefügt »ohne Kündigungen«. Wie das bewerkstelligt werden soll, steht in den Sternen, jedenfalls nicht im Koalitionsvertrag. Eine weitere halbe Milliarde Euro soll in einem so genannten »Solidarpakt« mit den Gewerkschaften verhandelt werden. Dabei wird es um die Verlängerung der Arbeitszeiten gehen und den gleichzeitigen Verzicht auf einen Teil der Gehälter. Mit dieser neuen, aber wohl kaum überzeugenden Methode, Streichungen auf dem Rücken der Beschäftigten anzukündigen, sie aber erst noch zum Verhandlungsgegenstand mit den Gewerkschaften zu erklären, sollen die Widersprüche möglichst in Spannung und vor allem die Kolleginnen und Kollegen ruhig gehalten werden. Allerdings haut das hinten und vorne nicht hin. Der Begriff vom »Wahlbetrug der PDS« macht die Runde, wobei ihre plötzliche Zustimmung zum Ausbau des Flughafens Schönefeld die Gemüter mit am meisten erhitzte. Neue Proteste sind bereits angekündigt. Empörung löst aber auch aus, dass die PDS selbst der Privatisierung verschiedener öffentlicher Einrichtungen zustimmte sowie der Schließung von zwölf Hallenbädern und einer erheblichen Kürzung des Kulturetats.

Angesichts solcher »Berliner Verhältnisse« weiß die PDS-Führung in Sachsen-Anhalt nicht genau, ob sie sich für den bevorstehenden eigenen Landtagswahlkampf darüber freuen oder eher grausen soll. Ihre Zitterpartie war schon auf dem PDS-Landesparteitag Anfang Dezember zu bemerken. Nachdem sie in den letzten Jahren so gut wie alle volksfeindlichen Maßnahmen der SPD-Landesregierung toleriert hatte, wollte sie auf dem Parteitag die Verantwortung dafür plötzlich allein der SPD zuschieben. Ein Manöver von sehr kurzer Dauer, nicht nur weil sich die gesamte Landes-SPD mächtig über den Partner ärgerte. Schon Mitte Dezember stand die Verabschiedung des Landeshaushaltes 2002 auf der Tagesordnung des Landtages und die PDS musste Farbe bekennen. Das besondere Markenzeichen der Haushaltsvorlage waren enorme Kürzungen im Bereich der Mittel für die Kommunen in Höhe von 264 Millionen Euro. Der Protest dagegen war unüberhörbar und selbst der Präsident des Städte- und Gemeindebundes Sachsen-Anhalt, Peter Pfützner, Bürgermeister von Eisleben, warnte eindringlich vor der Verabschiedung: »Die Kommunen sind am Ende ihrer Möglichkeiten angelangt. Wenn das Land jetzt derart in die Grundfinanzierung der Städte und Gemeinden eingreift, wird sich das unmittelbar auf den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft auswirken.« (»Magdeburger Volksstimme«, 13.12.01)

Lediglich mit den Stimmen von SPD und PDS konnte dann am 13. Dezember dieser Haushalt überhaupt verabschiedet werden. Über das Verhalten der PDS-Fraktion dabei schrieb die »Magdeburger Volksstimme« am Tag der Verabschiedung: »PDS-Fraktionschefin Petra Sitte kündigte an, dass es vor allem wegen der Kürzung der Kommunalfinanzen einige Enthaltungen in ihrer Fraktion geben werde. Als Ganzes werde dem Haushaltsgesetz 2002 aber zugestimmt werden.« (13.12.01) Diesen Vorgang kennen viele schon aus dem Berliner Bundestag. Dort stimmten im November eine Handvoll Grüne gegen den Kriegseinsatz in Afghanistan, aber exakt nur so viele, dass die Regierungsmehrheit nicht gefährdet wurde.

Unter Mitgliedern und Anhängern der PDS gibt es erhebliche Kritiken und Unmut über den staatstragenden Kurs. Das macht eine Zusammenarbeit mit ihnen auf der Grundlage des Kampfes gegen die Krisenprogramme in Berlin oder Magdeburg möglich. Darüber hinaus muss die Frage gestellt werden, wo eigentlich die Ursachen für die immer auffälligere Betrugspolitik der PDS liegen. Wer im staatsmonopolistischen Kapitalismus bereit ist zur Übernahme der Regierungsverantwortung, muss damit auch bereit sein zur Übernahme der hauptsächlichen Herrschaftsmethoden dieses Systems: Betrug und Gewalt. Das gehört zu den Grundvoraussetzungen einer jeden bürgerlichen Monopolpartei, zu der sich die PDS längst entwickelt hat, und ist keine Frage der »Vergesslichkeit« von Abgeordneten, die nach der Wahl nicht mehr wüssten, was sie vor der Wahl sagten.

Das zeigt sich auch darin, dass die PDS die Methode der staatlichen Gewaltanwendung grundsätzlich ebenfalls befürwortet und anwendet. So, wenn Gysi zwar die Einstellung der weiteren Beobachtung der PDS durch den Verfassungsschutz fordert, gegen die Bespitzelung fortschrittlicher und revolutionärer Organisationen wie der MLPD aber nichts einzuwenden hat. Oder wenn in Sachsen-Anhalt das von der SPD zusammen mit der CDU verabschiedete reaktionäre neue Polizeigesetz von der PDS zwar abgelehnt wurde, der damit verbundene offene Bruch des »Tolerierungsvertrages« von SPD und PDS aber konsequenzlos hingenommen wurde. Das Gesetz enthält unter anderem die Videoüberwachung öffentlicher Plätze und die Möglichkeit des Aussprechens von polizeilichen Aufenthalts- und Betretungsverboten für »Extremisten«. Was sich dahinter verbirgt, ist nichts anderes als die Vorbereitung des Staatsapparates auf kommende und verschärfte Klassenauseinandersetzungen. Dass die SPD zu diesem Zweck »mal eben« mit der CDU zusammengehe und die PDS das duldete, führt ihre eigene Begründung, es ginge mit der Tolerierung darum, »Schlimmeres zu verhindern«, nur vollends ad absurdum.

Die PDS verliert im Zuge dieser Entwicklung nicht nur immer mehr ihr linkes Oppositionsimage, sondern auch massenweise Mitglieder. Von 1990 bis 2001 ging ihre Mitgliederzahl allein in Sachsen-Anhalt um 33745 zurück, das sind minus 77,14 Prozent. Dabei handelt es sich um die zweitgrößten Mitgliederverluste von allen bürgerlichen Parteien in Sachsen-Anhalt, übertroffen nur noch von der FDP mit minus 87,6 Prozent. Die immer weiter und schneller voranschreitende Einbindung der PDS in die Regierungsverantwortung der Monopole muss genutzt werden, die kämpferische Opposition mit der Bewegung »Neue Politiker braucht das Land!« und die MLPD als Partei der sozialistischen Alternative bundesweit zu stärken. Es ist auch genau die richtige Zeit, um im Wahlkampf in Sachsen-Anhalt die Schlussfolgerung zu ziehen und massenhaft zu verbreiten, dass es sich beim so genannten »Magdeburger Modell« von SPD und PDS höchstens um ein Auslaufmodell handeln kann – bitte keine Wiederholung! Wer neue Politiker will, muss MLPD/Offene Liste wählen!

Editoriale Anmerkung:
Dieser Artikel erschien in der Roten Fahne - Zentralorgan der MLPD - Nr.1/02 am 3.1.2002 und ist eine Spiegelung von:
http://www.mlpd.de/rf/rfart6.htm