So werd lauter Gold daraus - Vergangene Kriminelle Energien

Zur Geschichte weiblicher Kriminalität im mittelalter- und neuzeitlichen Nürnberg

von Nadja Bennewitz

01/02

 
trend
online
zeitung

Briefe oder Artikel
info@trend.partisan.net
ODER per Snail:
trend c/o Anti-Quariat
610610 Postfach
10937 Berlin

Die Armut war schon immer weiblich - so lautet das bedauerliche Fazit der Frauengeschichtsforschung. Frauen gerieten leichter in Armut als Männer aufgrund schlechterer Anstellungsmöglichkeiten, von Arbeitsverboten, geringerer Bezahlung und ungewollter Schwangerschaft. Der Anteil allein lebender Frauen, Witwen und allein erziehender Mütter an der besitzlosen Unterschicht überstieg im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit bei weitem den der Männer.

In besonderem Maß von Armut betroffen waren die, die illegal in der Stadt lebten. Weder besaßen sie das Bürgerrecht, noch wohnten sie mit in einem bürgerlichen Haushalt wie die inwohner. Die Bedingungen, unter denen sie hausen mussten, waren denkbar schlecht. Geschlafen wurde in Winkeln und Ecken, unter Treppenhäusern oder in Ställen. Nachrichten wie Katerina vor den Toren des Spitals, Ger ihre Gesellin, die auf den Krücken benennen die provisorischen Schlafgelegenheiten und den schlechten körperlichen Zustand dieser Unbehausten. Der Beiname Pelzkathra von Katharina Zitzmennin zeigt, dass warme Kleidung ein Privileg war.

Stellten diese armen, unverheirateten Frauen im späten Mittelalter noch ein soziales Problem dar, so machte man sie im Verlauf der Frühen Neuzeit zu einem gesellschaftlichen. Weil sich viele ledige und nichtsnützige Weibsbilder in heimlichen Winkeln aufgehalten und zu allerhand Gotteslesigkeiten Anlaß gegeben, beschloss der Erlanger Stadtrat 1766, daß künftig, bey Strafe des Zuchthauses, keine mehr in solchen Umständen Erlangen betreten dürfe. Entweder sie verdingten sich als Mägde in einem Haushalt oder sie unterstellten sich einem Ehemann - andernfalls wurden sie ausgewiesen.

Welche Möglichkeiten hatten diese weiblichen Bevölkerungsschichten, um ihrer misslichen Lage zu entgehen?

Die Palette der zu beobachtenden Maßnahmen, die Frauen ergriffen, um ihre Situation zu verbessern, ist breit: Sie reichte von mehr oder minder einfallsreichen Tätigkeiten zur Geldbeschaffung, führte über kleine Listen und Betrügereien zu Verweigerungstaktiken und Aufbegehren gegen die Herrschaften bis hin zu vereinzelter Gewaltausübung.

Nicht Sesshaft

Der Anteil von Frauen an den Fahrenden muss beträchtlich gewesen sein. Einmal in die Obdach- und Arbeitslosigkeit abgerutscht, versuchten viele, sich als Hausiererinnen und Berufsbettlerinnen durchs Leben zu schlagen. Die Arbeitsmöglichkeiten fahrender Frauen lassen sich an ihren Beinamen ablesen: Margaretha Tierbachin wurde als Brandweinfrau und Hur bezeichnet. Auf dem Land waren Eisen- und Kurzwaren nur durch Fahrende erhältlich. Dass sie außerdem als Hur bezeichnet wird, weist auf ihren Nebenerwerb als Prostituierte hin. Fahrende mussten ihren Broterwerb den sich bietenden Gegebenheiten anpassen, somit mussten sich Frauen prostituieren. Ebenso finden sich Spielweiber unter ihnen wie Margaretha Steinla, Spilekundl genannt.

Überlebenskünste

Wer arm war, wurde leicht krank und damit arbeitsunfähig, somit bedürftig. Die überlieferten Fälle von Betrügereien zeigen den Einfallsreichtum der Unterschichten, sich durchs Leben zu schlagen.

Mit wahrsagen und schetzgraben hatte sich Anna Domiririn ihren Lebensunterhalt verdient, bis man ihr auf die Schliche kam. Dass sie keine andere Möglichkeit sah, als auf illegale Art an Geld zu kommen, zeigt ihr schlechter Gesundheitszustand: Mehrmals hatte sie bereits im Krankenhaus gelegen. Margaretha Schreineri war schon 60 Jahre alt, als man sie für ihre Betrügereien zur Rechenschaft zog. Ähnlich wie diese alte Frau hatte auch Elisabeth Aurholtin eine Krankheit vorgetäuscht. Sie ließ sich zu Boden fallen und tat, als wäre sie ganz verzuckt. Nach dem Aufwachen sprach sie von einer Ader in ihrem Bein, die ihr Schätze offenbare: So thue sich dann das Erdreich auff, daß sie in das gold und Silber sehe, wie in ein Feuer. Wurde sie für eine Nacht ins Haus aufgenommen, so hat sie sich zue Nacht gestellet, mit wischbern, mit Reden und Antwort, darnach fürgeben, es sey ein arme verlohrne Seel, die könne nicht Seelig werden, man habe dann den Schatz gegraben. Jedes Mal muss es ihr gelungen sein, einen Topf mit Kohlen am Ort zu verstecken. Das sei der Schatz, behauptete sie dann, man müsse ihn nur drei Wochen lang stehen lassen und nicht berühren, so werd Lauter gold daraus.

Tatsächlich wurde diese phantastische Geschichte von vielen geglaubt, was einige Zeit dazu beitrug, Elisabeth Aurholtin ein Dach über dem Kopf zu verschaffen. Den Orten nach war sie viel herum gekommen, so wurde sie in Kulmbach, Kirchsittenbach, Feucht und Ottensoos gesichtet. Wie sie dies mit nur einem Bein geschafft hatte, bleibt ungeklärt. Zur Richtstätte, an der sie schließlich geköpft wurde, musste sie getragen werden.

Ein häufiger Trick von Frauen war es auch, eine Schwangerschaft zu simulieren, indem sie ein Kissen um den Bauch banden. Dadurch sollte das besondere Mitleid der Bevölkerung geweckt werden.

Dass Frauen aber diejenigen gewesen seien, die sich allein durch Betrügereien über Wasser hielten, ist nicht der Fall, obwohl sie seltener als Männer Ausübende von Gewalt waren.

1599 wehrte sich ein weybsbild gegen den Angriff eines Mannes, indem sie ihre beede Meßer auszog, und auff ihn gestochen. Der Angetrunkene war in Richtung Spittler Tor spazieren gegangen und dabei in eine Auseinandersetzung mit der Frau geraten. Dermaßen habe sie ihm zugesetzt, dass er sand aufgehoben, nach ihr geworffen, deßgleichen sie uff ihme auch, als sie aber ihme mit dem Messer stechn zugesetzt, hab er sein Messer auch ausgezogen, und ein stich nach ihr tun. Schließlich erstach er sie.

Möglicherweise war diese Frau eine der heimlichen Huren, die am Plärrer illegal der Prostitution nachgingen. Obwohl der Fall nicht glücklich für sie ausging, hatte sie sich mit für Frauen erst mal nicht zu erwartender Brutalität zur Wehr gesetzt.

Weibliche Gewaltbereitschaft und Mord

Meist waren es Waffen aus greifbarer Nähe oder aus alltäglichem Gebrauch, mit denen Frauen Gewalttaten begingen. Agnes Payreuther stach mit dem protmesser auf die Männer ein, die sie angegriffen hatten. Elß Tillerin erschlug ihren Mann im Schlaf mit einer Hacke.

Frauen übten seltener als Männer grausame Morde mit gefährlichen Waffen aus, was mit den gesellschaftlichen Umständen, nicht mit ihrer mangelnden Gewaltbereitschaft zu erklären ist. Dies bleibt auch bei dem als typisch weibliches Delikt deklarierten Giftmord zu berücksichtigen.

Der einfache Zugang zur Nahrungsmittelzubereitung legte diese Form des Mordes nahe: Es gehörte zu ihrem regulären Aufgabenbereich. In den Grießbrei und in die Eier mit Schmalz hatte Margaretha Brechtlin das Mucken bulffer gegeben und ihrem Mann davon zu essen gegeben, um ihn zu vergiften. Ähnliches hatte Barbara Wagnerin getan und zur Tarnung selbst noch drei Löffel mit gegessen. Bei Elisabeth Bircklin wurde zwar bemerkt, dass ihr Vater ein hefftiger Bößer Mann gewesen sei und sie hart gehalten habe, doch als Entschuldigung für den versuchten Giftmord, Muckenpulver im Krautsalat, galt dies nicht. Diese Form des Mordes war die unauffälligste und konnte nur schwer nachgewiesen werden. Die Dunkelziffer muss folglich viel höher angesetzt werden. Frauen wurden also seltener als Männer gewalttätig, da es ihnen der gesellschaftlichen Norm nach nicht gestattet war. Ließen sie sich dennoch dazu hinreißen, bestätigten sie nur die gängige Meinung, dass kein Zorn schlimmer sei als Frauenzorn. Eine im Affekt begangene Straftat wurde nur bei Männern entschuldigt und mit Strafmilderung belegt.

Frauen mussten deshalb zu anderen Mitteln greifen

1381 wurde Kathrey Molerin wegen ihrer böslichen redt aus Nürnberg gewiesen: Sie habe die leut ubel handelt und raufft. Die Stadt verlassen musste auch Elß Beheimin darumb, daß sie geschworen hat bei Gotts Grind [Hautausschlag] und Gotts Zers [männliches Glied]. Auch Barbara Ludtwigin hatte Gott im Himmel greulich gelästert.

Derartiges Fluchen richtete sich gegen die christliche Ordnung. Doch auch gegen die weltliche Obrigkeit begehrten vereinzelt Frauen auf. Veiten Möringer und seine Frau Susanna wurden 1550 mit einer streflichen red gewarnt, irer poesen red halben, die sy wider Meine Herren aus dem Rat getryben. Weil sie über die Bürgermeister geflucht und ehrbare Leute geschlagen hatten, wurde noch 1608 über zwei Frauen eine Ehrenstrafe verhängt.

Letztendlich schlossen sich unterprivilegierte Frauen aber nicht zusammen, sondern versuchten vereinzelt durch unangepasstes, auffälliges Verhalten ihre Situation zu verbessern. Ein eindeutiger Normverstoß von Frauen war das Tragen von Männerkleidern, da dies das Erschleichen männlicher Privilegien nach sich zog und bestehende Hierarchien bedrohte. Weil sie männisch ging und mansgewandt anhat, wurde eine Frau 1347 aus Nürnberg verbannt. Eine andere warnte der Rat, so sie In mans cleider funden wird, sol sie in die Lochgefängnisse gefürt werden. Nicht nur habe Dorothea Schneiderin Wirtshäuser frequentiert, sondern sei sogar in männlichen kleidern herumgelaufen, weshalb sie der Erlanger Rat 1715 auswies.

Die Möglichkeiten, die Frauen aus der Unterschicht, ob fahrend oder sesshaft, ergreifen konnten, waren denkbar gering. Wegen schlechterer Arbeitsmöglichkeiten, wegen Schwangerschaften und geringerer Bezahlung waren ihre Ausgangsbedingungen schlechter als die von Männern derselben Schicht.

Aber trotzdem: Sie lästerten über die Obrigkeit, sie fluchten gegen die christliche Ordnung, sie ließen sich Lügengeschichten einfallen, sie setzten sich auch brutal zur Wehr, sie erfanden kleine Listen und Verweigerungstaktiken, um, wenn auch nur momentan, ihre Situation zu verbessern. Wie erfolglos diese Maßnahmen auch immer waren und obwohl sie strukturell nichts veränderten.

Editoriale Anmerkung:

Der Text erschien in der Nr. Nr. 12, Dezember 2001 der Raumzeit, Zeitung für den Grossraum Nürnberg - Fürth - Erlangen und ist eine Spiegelung von http://www.radio-z.net/raumzeit/122001/4.html