Trüber im Geiste
US-Rechtsradikale solidarisieren sich mit Islamisten und geben Israel die Schuld am Terror

von Andrian Kreye

01/02

 
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Dreht man die Stereoanlage des betagten Chevrolet Kombi auf volle Lautstärke, klappern die Plastikverschalungen im Takt. Vor allem aber versteht man dann die White-Power-Bands auch auf der Straße. Bound for Glory zum Beispiel, wenn sie „Run Nigger Run“ singen. Oder die Bullyboys, mir ihrer Hymne für die Hammerskins: „Drinkin’ beer, ready for a fight!“. Daheim in New Haven machen die vier Jungs das manchmal, um Studenten zu erschrecken. Hier in Washington benehmen sie sich. Schließlich waren sie gerade vor der israelischen Botschaft demonstrieren. Wegen dem Krieg, dem Terror und „woran die Juden halt sonst noch so schuld sind“. Polizeibeamte mit Helm und Schild mussten die zornigen Gegendemonstranten von der Anti Racist Action ARA mit Stahlgittern und Knüppelschlägen davon abhalten, auf die Neonazis loszugehen. Aber nicht nur deswegen hatte Billy Roper von der National Alliance strengste Zurückhaltung angeordnet. Seit dem 11. September stehen die Neonazis um die National Alliance unter besonderer Beobachtung. Daran ist Billy Roper nicht ganz unschuldig. Auf dem Internet Message Board der National Alliance hatte er gleich nach den Anschlägen geschrieben: „Ich finde jeden in Ordnung, der dazu bereit ist, einen Jet in ein Haus zu setzen, um Juden umzubringen. Ich wünschte, unsere Mitglieder hätten nur halb so viel Mumm“. Eigentlich ist das Message Board ausschließlich für Mitglieder einzusehen, aber er hätte sich ja denken können, dass das beobachtet wird. Die gesamte Weltpresse hat daraufhin Billy Roper zitiert und die amerikanischen Neonazis damit in die Reihe der Terrorverdächtigen gestellt. Im  November hat das FBI auch noch das Täterprofil für die Milzbrandanschläge veröffentlicht. Das ist zwar sehr schwammig, aber eines scheint festzustehen – die Terrorbriefe stammen von einem einzelnen, weißen Amerikaner. Die Neonazis hatte man von Anfang an im Verdacht, schließlich, so erinnern die Medien andauernd, hatte man Larry Wayne Harris von den Aryan Nations vor zwei Jahren in Las Vegas mit Milzbranderregern verhaftet. Es gab also genügend Gründe, warum Billy Roper so streng darauf achtete, dass die Demonstration heute besonders ordentlich verläuft.

Dan, der Skinhead auf dem Beifahrersitz, hatte seine Muskelberge sogar extra in einen Anzug mit Krawatte gezwängt. Obwohl er es sich jetzt nicht verkneifen kann, an der Ampel einen der schwarzen Polizisten im Streifenwagen nebenan betont höflich nach dem Weg zu fragen. Dann dreht er sich zu seinen Freunden um und feixt: „Soll ich noch schnell mein Hemd ausziehen?“ Darunter prangt nämlich eine Hakenkreuztätowierung auf seiner Brust.

Aufmarsch im Botschaftviertel

Sein Stimme klingt rauh. Vorhin, als sie gut hundert Mann und ein paar Frau stark auf den feinen Straßen des Botschaftsviertels marschierten, hat er sich heiser gebrüllt. „Israel you cannot hide, your Palestinian genocide“, haben sie skandiert. Und: „No more terror, no more war, let’s not be Israel’s whore.“ Dazu haben sie Schilder herumgetragen, auf denen sie den sofortigen Stop aller amerikanischen Gelder für Israel forderten.

Dr. William Pierce, Autor des rassistischen Romans „The Turner Diaries“, Gründer und Chefideologe der National Alliance, hat in seiner wöchentlichen Internetradiosendung schon mehrfach erläutert, warum die Juden schuld an den Terroranschlägen sind – weil sie Amerika zu einer „zionistischen Nahostpolitik“ zwingen. Außerdem hat die National Alliance Fotos verschickt, auf denen zu sehen war, wie israelische Soldaten palästinensische Kinder und Jugendliche misshandelten. Wäre da nicht der Absender gewesen, hätte man die E- Mail für eine Aussendung einer linken Menschenrechtsorganisation halten können.

Bauerntölpel mit Schrotflinte

Neu ist die Taktik nicht. Spätestens seit der Ku-Klux-Klan-Führer David Duke in den achtziger Jahren damit begann, gegen das Image der amerikanischen Rechtsradikalen als Schrotflinten-schwingende Bauerntölpel zu arbeiten, benutzen die US-Nazis oft Strategien und Argumente der Bürgerrechtsbewegung. Statt gegen Minderheiten und Juden kämpften die Rechten nun für die weiße Rasse. Auch die National Alliance versteht sich als Teil eines politischen Widerstands. Noch im Sommer zogen ihre Mitglieder vor die deutsche Botschaft, um mit angereisten Kameraden aus der NPD gegen Menschenrechtsverstöße in der Bundesrepublik zu demonstrieren. Gegen die Verbote von Hakenkreuzen, Hitlergrüßen und rassistischen Reden, gegen deutsche Gesetze also, die in den USA gegen das Verfassungsrecht der Redefreiheit verstoßen würden.

„Ist das wirklich wahr, dass man in Deutschland verhaftet wird, wenn man eine Hakenkreuzflagge herumträgt?“, fragt Paul und schüttelt den Kopf. „Das ist ja wie in Russland.“ Mit beiden Fäusten lenkt er den Chevy auf die Stadtautobahn. Die Fahrt geht über den Potomac River in einen Vorort in Virginia. Nach den Demonstrationen treffen sie sich immer in einem Lokal. Diesmal ist der Versammlungsort ein Thailokal. Dan zuckt mit den Schultern. „Hätten sie denn in der ganzen verdammten Stadt nicht ein einziges weißes Lokal finden können, in dem wir uns treffen?“

Das Engagement für die Palästinenser können sie schon nachvollziehen. Billy Roper hat ja auch öffentlich verkündet: „Wir wollten nicht, dass Palästinenser in unsere Gegenden ziehen, oder sich gar mit unseren Frauen einlassen. Aber es geht darum, sie in ihrem Kampf gegen Israel zu unterstützen.“ Die Zusammenarbeit zwischen weißen Rassisten und farbigen Radikalen hat in den USA sogar schon Tradition – wenn sich die Interessen decken, kann man ja auch gemeinsam daran arbeiten. Der Ku Klux Klan verhandelte in den zwanziger Jahren mit dem Schwarzenführer Marcus Garvey, weil der alle schwarzen Amerikaner nach Afrika zurückbringen wollte. Tom Metzger von den White Aryan Resistance traf sich aus dem gleichen Grund mit dem Black Muslim Louis Farrakhan. Der Klanführer John Baumgartner aus Orlando nahm Anfang der neunziger Jahre gemeinsam mit militanten Afrozentrikern einen Rapsong auf.

Mit den radikalen Islamisten verbindet die Neonazis der gemeinsame Antisemitismus. Die meisten Versuche der Kontaktaufnahme waren bisher recht einseitig. Im Golfkrieg faxte zum Beispiel der ex-G.I. und Neonazi Roy Godenau aus dem hessischen Gilserberg die Bewegungen von Nato-Panzerverbänden ungefragt an die irakische Botschaft in Bonn. Auch die National Alliance hat noch keine direkten Verbindungen zu Palästinenserorganisationen aufgebaut. Erst im letzten Frühjahr wäre es fast zu einer ersten ernsthaften Zusammenarbeit zwischen Rechtsradikalen und Islamisten gekommen. Der Schweizer Holocaust-Leugner Jürgen Graf hatte gemeinsam mit dem Direktor des kalifornischen Institute for Historical Review, Marc Weber, eine Konferenz zu den Themen   Revisionismus und Zionismus organisiert. Anfang April sollte sie in Beirut stattfinden. Die französischen Rechtsradikalen Robert Faurisson und Roger Garaudy hätten dort sprechen sollen, Horst Mahler vom Deutschen Kolleg und einige Islamisten. Allerdings zwang die US-Regierung den Libanon dazu, die Konferenz zu verbieten. Aber das sind politische Kollaborationen. In ethnische Lokale gehen sie sonst nie. „Ich trau denen in der Küche nicht“, sagt Paul, als er den Wagen parkt.

Im Thailokal, einem sandfarbenen Betoncontainer zwischen Tankstellen und Möbelmärkten nahe der Schnellstraße, hat das Personal den Nebenraum leergeräumt und Stuhlreihen aufgestellt. An der Wand entlang liegen auf Klapptischen Bücher, Broschüren, T-Shirts und CDs zum Verkauf. Standardwerke des Rechtsradikalismus, Verschwörungstheorien, Nazipop. Billy Roper begrüßt jeden der geladenen Gäste. Er hat Jackett und Krawatte anbehalten, sieht etwas müde aus, weil sie schon um vier Uhr morgens vom National-Alliance- Hauptquartier in den Bergen von West Virginia losgefahren sind. Die Skinheads nicken sich schüchtern zu, die älteren Neonazis begrüßen sich mit Handschlag. Dazwischen servieren die asiatischen Bedienungen mit stoischen Mienen Bier und Softdrinks. „Die Vorurteile gegen uns sind inzwischen so heftig, dass uns niemand mehr sonst ein Lokal vermietet“, erklärt Roper die eigenartige Ortswahl. Den Thais ist es egal, um was es bei dem Treffen geht, solange die Nazis ihre Rechnung bezahlen.

Arisches Zuchtprogramm

Der Spätnachmittag verläuft mit der trägen Freundlichkeit eines Betriebsfestes. Billy Roper hält eine kurze Ansprache zum Erfolg der Demonstration. Er berichtet aus dem Hauptquartier, einer Ansammlung von Blockhäusern und Wellblechbaracken auf dem Gelände von Dr. Pierce. „Wir haben ein Zuchtprogramm begonnen“, erzählt er stolz. Vier Frauen seien schon mit arischem Nachwuchs schwanger, seine eigene inklusive.

Dan der Skinhead lehnt mit seinen Freunden gelangweilt an der Bar. Er hat dann doch etwas gegessen. Nudeln mit Rindfleisch „würzig“. Lange ist er noch nicht bei der National Alliance, aber die seriöse Linie gefällt ihm. Früher sind sie nach jeder Veranstaltung losgezogen, um irgend jemanden zu verprügeln. Und wenn sie niemanden fanden, verprügelten sie sich eben gegenseitig. Aber er ist ja nun auch schon 26. Man wird ja nicht jünger. Er deutet auf das verknitterte Flugblatt, das er von der Demonstration mitgebracht hat. „18 Forderungen an die Regierung von Israel“, steht darüber. Darunter untermauert die National Alliance ihre Anklagen gegen den Judenstaat mit Uno-Resolutionen und Menschenrechtsparolen. „Durch die Alliance habe ich begriffen, dass es um mehr geht, als nur darum, ein paar Nigger zu verdreschen“, sagt er. Dann bestellt er sich noch ein Bier. Eines „Made in the US of A, ok?!“

Editoriale Anmerkung:

Dieser Artikel erschien in der Süddeutschen Zeitung vom 12.1.2002 und wurde gespiegelt von http://www.sueddeutsche.de/aktuell/sz/artikel112085.php