Vor 25 Jahren:Rechte Baumschützer & gescheiterte Bewegungslinke gründen grüne Partei

Berichte, Dokumente & Statements aus der Roten Fahne vom 24.1.1980
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Erklärung der autonomen Delegierten der Bunten und Alternativen Listen

Der Gründungskongreß der Grünen in Karlsruhe hat durch «eine Beschlüsse zum Ausschluß der auto­nomen, bunten und alternativen Delegierten vom Kongreß und zur Doppelmitgliedschaft deutlich ge­macht, daß eine Zusammenarbeit von Grünen, Bunten und Alterna­tiven auf der Grundlage der Gleichberechtigung nicht möglich ist. Im Gegenteil, es besteht die Ge­fahr, daß die Bunten und Alterna­tiven in die gleiche Rolle gedrängt werden, wie sie die Juso« in der SPD spielen und daß die grüne Partei selbst mehr und mehr den Part ei­nes ökologisch orientierten bürger­lichen Wahlvereins spielen wird.

I.

Die Bunten und Alternativen Li­sten haben - entsprechend ihrem Beschluß vom Frankfurter Beratungskongreß - autonome Delegier­te für den Karlsruher Gründungskongreß einer grünen, Partei ge­wählt, weil

  • nur so gewährleistet werden konnte, daß die in der politischen Praxis der Bunten und Alternati­ven Listen gewachsenen Inhalte auf dem Gründungskongreß einge­bracht werden,
  • nur durch einen Zusammenschluß der 'SPV-Die Grünen' und der Bunten und Alternativen Li­sten wirklich ein neuer politischer Anfang mit Aussicht auf Massenunterstützung möglich ist,
  • ein Zusammenschluß gleichbe­rechtigter Partner in der Logik der bisherigen Vorbereitungen des
  • Gründungskongresses liegt, nach dem es den Offenbacher Kongreß der Grünen, Bunten und Alternati­ven, die gemeinsame Programm­kommission und die gemeinsame Satzungskommission gegeben hat.

Eine Mehrheit de« Gründungskongress hat die gleichberechtigte Teilnahme der autonomen Bunten und Alternativen Delegierten abge­lehnt. Sprecher der Grünen haben vorgebracht:

  • den Mitgliedern der Bunten und Alternativen Listen habe es freige­standen, der 'SPV-Die Grünen' bei­zutreten und sich dort an den Delegiertenwahlen zu beteiligen. Wir weisen dieses Argument zurück. Nur durch die Wahl autonomer Delegierter, die durch imperatives Mandat an die Vertretung alternativer und bunter Positionen auf dem Gründungskongreß gebunden sind, ist sichergestellt, daß die Bun­ten und Alternativen ihre Positionen gleichberechtigt einbringen. Im Übrigen ist es unzutreffend, daß in allen Bezirks- und Landesverbänden der 'SPV-Die Grünen' Mitglieder Bunter und Alternativer Listen die Aufnahme gestattet worden wäre. So ist z.B. Mitgliedern der Alternativen Liste Bremen die Mitgliedschaft in der SPV mit dem Hinweis auf ihre Mitgliedschaft in der AL Bremen verweigert worden.
  • Den Bunten und Alternativen Listen sei bisher ausreichend Gele­genheit gegeben worden,, an der Vorbereitung des Gründungskongresses mitzuwirken. Wir weisen dieses Argument zurück. Die Mitar­beit von wenigen Mitgliedern Bun­ter und Alternativer Listen in der gemeinsamen Programm- und Sat­zungskommission kann nicht die gleichberechtigte Teilnahme auf dem Gründungskongreß ersetzen.
  • Der Bundeswahlleiter würde Einwendungen erheben, wenn auch autonome Delegierte der Bun­ten und Alternativen Listen an der Gründung der Partei mitwirken würden. Auch diese« Argument ist unzutreffend. Der Bundeswahllei­ter hat nichts, aber auch gar nichts über die Gründung einer neuen Partei zu befinden. Für die Grün­dung einer neuen Partei gilt viel­mehr der Satz, daß sie 'frei' ist -d.h. diejenigen, die die Partei gründen, bestimmen autonom, wie die Gründungsprozedur von statten gehen soll.

Die Delegierten der Bunten und Al­ternativen Listen bezweifeln die Glaubwürdigkeit des Anspruchs des Karlsruher Gründungskongresses, ein Zusammenschluß all derjenigen »u sein, die für eine neue radikalö­kologische und radikaldemokrati­sche Politik mit Parlamentswahlbeteiligung stehen. Sie sehen auch in diesem Beschluß einen Schlag gegen die Bürgerinitiativen, aus denen sich die Bunten und Alternativen Listen gebildet haben.

Wir sind enttäuscht, aber nicht ent­mutigt. Wir sehen uns in unserer Auffassung bestärkt, weiter in unse­ren Listen und zwischen unseren Listen zusammenzuarbeiten. Trotz unserer Kritik an der grünen Par­teigründung, wie sie in Karlsruhe vollzogen wurde, werden wir jede Möglichkeit suchen, die inhaltliche Auseinandersetzung und die prakti­sche Zusammenarbeit weiter zu führen, um sie in unserem Sinne zu ändern und zu offnen.

II.

Der Beschluß, daß in der künftigen Partei 'Die Grünen' Mitglieder an­derer Parteien nichts zu suchen ha­ben, steht in direktem Gegensatz zu den Prinzipien von Offenheit und Vielfalt, unter denen die Bunten und Alternativen Listen angetreten sind. Angesichts der gravierenden Bedrohungen für das Leben und alle Menschen, die sich in den Stichworten Atomstaat, weltweite Kriegsgefahr, Giftkatastrophen u.a. aus­drücken, müssen alle demokrati­schen und ökologischen Kräfte oh­ne jede Ausgrenzung an der Formu­lierung einer grundlegenden Alter­native zusammenarbeiten. Der am 12.1.1980 gefaßte Beschluß verbie­tet konkret den Mitgliedern der for­malen Partei 'Alternative Liste Ber­lin' wie den Mitgliedern von SPD, FDP, KPD, KB, EFP usw. die Mitarbeit in den Grünen.

Der Paragraph 2 der Satzung ist für uns nicht nur formal unvereinbar, sondern er zerreißt den politischen Konsens zwischen Grün und Bunt. Inhaltlich führt er beim Versuch, eine politische Alternative zur Par­tei zu finden, die gleiche Praxis der Gesinnungschnüffelei wie bei den gewerkschaftlichen UVBs und der Berufsverbotepraxis der etablierten Parteien wieder ein.

Eine Sonderregelung für die AL Berlin (weil diese ja eigentlich eine Wählergemeinschaft sei) ist für uns in diesem Zusammenhang nicht akzeptabel.

Wir werden den Beschluß in unserer künftigen politischen Praxis nicht akzeptieren und weiterhin mit allem Nachdruck gegen jede Form von Unvereinbarkeitsbeschlüssen kämpfen.

Karlsruhe, 13.1.1980
Autonome Delegierte Bunter und Alternativer Listen

 

Editorische Anmerkungen

Die Erklärung erschien in der ROTEN FAHNE, dem Zentralorgan der KPD, 10. Jhg./Nr.2 vom 24.1.1980, S. 6

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