Efa hat mit ihren Untertitel
schon den Tenor Ihres Beitrags in der Monatszeitung Analyse und Kritik vorgegeben. ...“Oder: Wie Spaß haben im
Kino Linken zum Problem wird“.
Tatsächlich hat sie Recht damit, wenn sie den Film „Die fetten Jahre sind
vorbei?“ vor allen Versuchen bierernster Alt68erInnner oder Neu89erInnen
in Schutz nimmt. Wer, wie die von Efa zitierte Julia Zeh im Freitag allen
Ernstes moniert, dass der Film nichts zur Lösung der Probleme in Deutschland
oder der Welt beiträgt, hat wohl noch mehr Spott verdient. Ebenso ein in
vielen Ämtern ergrauter Alt-68er, wie Ekkkehart Krippendorf, der hier wieder
mal eine Gelegenheit nutzt, kundzutun, wie toll sie doch damals waren und
wie doff, die Jugendlichen heute sind.
Nein, gerade dieses Moment der überschüssigen Energie, die den Film
sehenswert macht, gilt es vor KritikerInnen wie Zeh und Krippendorf zu
verteidigen. Dass mit den jugendlichen ProtagonstInnen des Films noch kein
Staat zu machen ist, macht den Film sympathisch. Da spielt natürlich das
Ende eine große Rolle. Der Alt-68er in Villa und Ämtern war eben doch nur in
einer schwachen Minute bei einem Joint der nette Kumpel. Kaum daheim, war
er wieder ganz Charaktermaske und Staatsbürger und rief umgehend die
Polizei. Die Jugendlichen aber waren nicht so naiv, zu Hause auf die zu
warten. Sie planten längst neue Aktionen. So ging es vor allem am Ende noch
recht spaßig zu, als die Sendemasten krachten.
So viel Spaß aber hatten die ProtagonistInnen im Film vorher nicht. Im
Gegenteil, hat man immer den Eindruck, sie leiden an den Verhältnissen. Die
Frau sowieso, muss sie doch neben ihren ungeliebten Studium auf Lehramt noch
in einem Yuppierestaurant jobben. Aus dem Job fliegt sie, als sie wirklich
mal den Mund gegen soziale Ungerechtigkeit aufmacht. Zudem hat sie noch
einen immensen Schuldenberg wegen dem Crash mit dem Luxusauto des
Alt-68ers. Auch die jungen Männer sind eher von Selbstzweifeln und dem
allgemeinen Leiden an der Gesellschaft geprägt. Ihre Lebenssituationen, von
denen man im Film wenig erfährt, können als prekär bezeichnet werden,
irgendwo zwischen Ich-AG und Studium. Ob die nächtlichen
Möbel-Rück-Aktionen Pflicht oder Spaß waren, oder vielleicht von beiden
etwas, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit beantworten. Zumindest gibt
es mehr als genug Indizien, dass es eben längst nicht nur reiner Spaß war.
Spätestens die Auseinandersetzung zwischen den beiden jungen Männern, wegen
einer Uhr, die einer während einer nächtlichen Aktion mitgehen ließ, deutet
an, dass es da auch zwischen beiden Differenzen gab.
Wenn auch Spaß nicht das Lebensgefühl der jugendlichen ProtagonistInnen
beschreibt, so hat der Film selber einen hohen Spaßfaktor. Doch muss das
gleich heißen, auch die politische Tiefenwirkung gar nicht mehr auszuloten?
Dass aber hieße, den Film politisch nicht mehr Ernst zu nehmen. Kann ein
Film der Spaß macht, nicht auch politisch sein? Wenn man sie bejahrt, heißt
es auch, man kann auch eine Debatte um die politische Message des Films
führen. Man sollte es sogar. Es ist schon deshalb wichtig, die politischen
Implikationen und Subtexte des Filmes zu kritisieren, weil sie ja ohne große
Diskussion einfach undiskutiert übernommen werden. Ein weiter Grund für eine notwendige Kritik. Der Film trifft das
Politverständnis der Generation Attac gut. Es geht also darum, ein weit
vorherrschendes Politverständnis kritisch unter die Lupe zu nehmen. Das ist
primär ein moralisches. Die gesamten Aktivitäten des jugendlichen Trios
waren von einem moralischen Leiden an den Verhältnissen geprägt. Ob es sich
um die Sportschuhhersteller handelt, die ihre Produkte in Sweatshops
herstellen lassen, ob es um die Empörung über den zur Schau gestellten Protz
der Reichen und Neureichen geht. Noch in den Bekennersätzen wird diese Moral
deutlich. „Sie haben zu viel Geld“, war die Botschaft. Wie der Mehrzahl der
globalisierungskritischen Bewegung ist für die jungen FilmprotagonisInnen
Kapitalismus deshalb eine unmoralische Angelegenheit, weil Wenige viel und
Viele wenig oder nichts haben. Das schon vor mehr als 150 Jahren Versuche
unternommen wurden, den Kapitalismus materialistisch zu erklären, scheint an
ihnen vorbei gegangen zu sein. Nun, komme niemand mit den Einwand, das wäre
vor allem geschehen, um den Spaßfaktor beim Sehen des Filmes nicht zu
reduzieren. Es gibt durch auch Filme mit Spaßfaktor, in denen die
ProtagonistInnen durchaus Ahnung von Karl Marx haben. Gerade zuviel Moral
erhöht keineswegs den Spaßfaktor. Es geht ja nicht darum, dass die
ProtagonistInnen nach dem Vorbild der ArbeiterInnenfilme der 20er Jahre des
letzten Jahrhunderts als vorbildliche ProletarInnen agieren. Es geht
schlicht darum, dass bei den ProtagonistInnen des Filmes ein Reden über die
aktuellen Zustände nicht in Moral und falscher Kapitalismuskritik enden
muss.
Kein Wunder, dass der theorieerfahrene Alt-68er den JungaktivistInnen im
Diskurs überlegen ist. Denn der hat den Kapitalismus nicht nur praktisch
sondern auch theoretisch besser verstanden. Er scheint auch der einzige, der
auch in der misslichen Situation seinen Spaß hat. Zumindest, als die erste
Schreckensminute nach der Verschleppung vorbei war.
Auch das lustige Ende des Filmes hat einen herben Beigeschmack, wenn man den
politischen Sinngehalt analysiert. Die Sendeanlagen, die für die
Übertragung der europäischen Fernsehprogramme zuständig sind, waren Ziel des
Anschlags. In der Vorstellung der jungen AktivistInnen ist das Fernsehen ein
Instrument der Dauerberieslung und Manipulation, das die Massen von der
Artikulierung ihrer Interessen abhält. Das ist Frankfurter Schule im
Billigformat und meilenweit entfernt von modernen Analysen, die
untersuchen, warum die Mehrheit der Bevölkerung im Sinne der
StaatsbürgerInnen tagtäglich mitmacht und funktioniert.
Nicht zuletzt sollte auch die Rolle der Frau im Film kritisch betrachtet
werden. Sie wird eindeutig als nicht rational, gefühlig, emotional
dargestellt. Sie will unbedingt ohne vorherige Erkundungen in die Villa
ihres Gläubigers einbrechen, sie wollte unbedingt noch ein Sofa in den Pool
werfen und hat dann auch noch ihr Handy vergessen, so dass beide noch mal in
die Villa zurück mussten und dort prompt vom zurück kehrenden Hausherrn
überrascht wurden. Diese patriarchalen Zuschreibungen werden hingenommen in einem Film, der der
Linken Spaß machen soll.
Editorische Anmerkungen
Der Autor stellte uns seinen
Artikel am 12.1.2005 zur Veröffentlichung zur Verfügung.
|