Roms braune Ultras

von Max Brym
01/05

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Die Sportart Fußball fasziniert Millionen Menschen. Auch der Schreiber dieser Zeilen unterliegt seit Kindesbeinen dieser Faszination. England gilt historisch als das Mutterland des Fußballs. Die italienische Liga, die Serie A, verfügt über eine ausreichende Zahl an Tifosi. Der fußballbegeisterte Italiener ist im europäischen Rahmen betrachtet nichts besonderes, es wird ihm nur meist ein außergewöhnliches Temperament attestiert. Diese Behauptung ist nicht ganz falsch. Wer einmal in seinem Leben ein Spiel, meinetwegen das Lokalderby zwischen Inter und dem AC Milan verfolgen durfte, kann einiges über die Atmosphäre in italenischen Stadien erzählen. Obwohl es ein schwacher O:O Kick war, brannten bengalische Feuer und bei jeder erfolgreichen Grätsche an der Außenlinie brachen Begeisterungsstürme los. Das Phänomen Fußballbegeisterung kann wirklich hervorragend in der italienischen Liga beobachtet werden. Dagegen ist die Atmosphäre selbst in deutschen Fußballhochburgen wie Dortmund oder auf Schalke nur ein laues Lüftchen. Die Stimmung bei den Münchner Bayern hat eh den Charme eines Eisblocks. Jedoch ist es dem aufmerksamen Beobachter nicht entgangen, dass in der europäischen und deutschen Fußballszene Rassismus und Antisemitismus zum guten Ton gehören. Schwarze Spieler werden mit Uhh-Uhh-Rufen angegriffen und dem gegnerischen Fanblock wird per Sprechchor „eine Reise nach Auschwitz“ angeboten. Die meisten Zuschauer in den Stadien halten zu solchen Dingen einen gewissen Abstand. Allerdings wird Rassismus und Antisemitismus im Stadion von vielen stillschweigend toleriert. Aber es gibt auch antirassistische Fanclubs und Stadien, in denen Faschisten mit Widerstand rechnen müssen. Dennoch sind Fußballstadien Rekrutierungsfelder für die europäische faschistische Szene. Nach schweren rassistischen Tumulten in einigen Stadien Spaniens vor einigen Monaten, sorgte am vergangenen Samstag den 8. Januar die neofaschistische Ultraszene von Lazio Rom neuerlich für ein „braunes Fußballhighlight“. Die Ausschreitungen während des Lokalderbys zwischen dem AS- Rom und Lazio Rom hatten eine besondere „Qualität“.

Faschistischer Gruß an die Ultras

Unter rein sportlichen Gesichtspunkten ist die Geschichte des Spiels kurz erzählt. Lazio Rom gewann in einem schwachen und zerfahrenen Spiel mit 3:1. Lazio-Kapitän Paolo Di Canio schoß das 1:0 und stürmte dann jubelnd in die Fan-Kurve. Er riß sich das Trikot vom Leib und grüßte seine Fans mit dem faschistischen Gruß und auf seinem Oberarm konnte die große lateinische Tätowierung Dux betrachtet werden. Dieses lateinische Wort Dux steht für Duce und man weiß, wer gemeint ist. Di Canio ist ein erklärter Bewunderer Mussolinis. Der Stürmer von Lazio Rom ist nicht nur ein geistig leicht unterbelichteter Fußballer, sondern der Held seines rechtsradikalen Anhangs. Alessandra Mussolini, die Enkelin des „Duce“, zeigte sich vom Verhalten ihres Stürmers und Gesinnungsbruders sichtlich bewegt. Die Vorsitzende der rechtsradikalen Kleinpartei „Alternativa Sociale“ erklärte: „Wie schön, dieser Gruß hat mich sehr bewegt.“ Der faschistoide Stürmer Di Canio machte nach dem Spiel einen taktisch politischen Rückzieher, er sagte: „Meine Freude über den Sieg hat nichts mit Politik zu tun.“ Ein Schelm der böses dabei denkt. Di Canio will eine Sperre durch den italienischen Verband vermeiden, denn auch in Italien ist die Verherrlichung des Faschismus ein Straftatbestand. Auch der Lazio-Sportdirektor Gabriele Martino versuchte die Dinge herunter zu spielen. Er versuchte den Eindruck zu erwecken, dass das Ausfahren des rechten Armes auf dem auch noch Dux steht, noch lange nichts mit Politik zu tun hat. Das finden auch lokale Politiker, die in ihrer Jugend selbst einmal die Hand gen Himmel erhoben haben und heute „respektable Vertreter der Regierungspartei Nationale Allianz“ sind. „Wenn Di Canio sagt, da ist nichts mit Politik, glaube ich das“, sagt Francesco Storace, der Präsident der Region Latium. Italiens Kommunikationsminister Mauritio Gasparri mäkelte leicht: „Ich verstehe Di Canios Jubelarie, der ist als Laziale eben das Siegen nicht gewöhnt.“ Gasparris Parteizeitung „Secolo d`Italia schreibt: „Di Canios instinktives Verhalten erweckt Sympathie bei denjenigen Italienern, die keine Joints rauchen und nicht an Anti-Berlusconi-Demos teilnehmen. Lapidar bemerkt das Magazin: „Fuballfans seinen nunmal rechts und das ist ganz natürlich“.

Braune Fans, braune Spieler und das Establishment

Die Fankurven des AS-Rom und von Lazio werden von Neofaschisten dirigiert, die faschistoide Spruchbänder mit Keltenschrift entrollen, schwarze Gegenspieler ausbuhen und Krawall mit Gegnern und Arbeitsemigranten suchen. Lazio Rom wurde nach der Abschiedsvorstellung im Uefa-Cup wegen rassistischen Fan-Gegröls mit Stadionsperre bedacht. Die Aufregung wegen der faschistischen Geste Di-Cianos versteht die italienische Medienlandschaft größtenteils nicht. Die Ausnahme bilden einige linksgerichtete Oppositionspolitiker, ein paar Verbandsfunktionäre sowie einige Fußballtrainer. Sie fordern eine Spielsperre für Di Canio. Dieses Vorhaben findet keinerlei Unterstützung durch die Regierung Berlusconi. Berlusconi selbst ist Präsident des Großvereins AC Milan. Auch die meisten Sportsender und sportlichen Printmedien lehnen eine Sperre von Di Ciano ab. Eigentümer der meisten Medien ist der italenischen Regierungschef persönlich. Als Regierungspartner dient Berlusconi die „Nationale Front“ unter der Führung von Herrn Fini. Fini selbst erklärte noch vor wenigen Jahren „Mussolini zum größten Staatsmann des Jahrhunderts“. Demzufolge kann sich Fini durch die faschistische Geste des Stürmers Di Ciano nicht gestört fühlen. Sollte dennoch Di Ciano, der Held der braunen Ultras gesperrt werden, drohen die Lazio Fans mit schweren Unruhen. Ihren Mitkämpfer werden sie verteidigen, genauso wie sie ihre andere spielerische Lichtgestalt, Sinisa Mihajlovic, verteidigten. Jener hatte einst Ärger mit einem Lazio Präsidenten, weil er offen für die serbischen Tschetniks und den Mörder Arkan eintrat. Seit dieser Zeit sieht man in der Lazio Kurve Transparente mit dem Spruch: „Ehre dem Tiger Arkan“. Prinzipiell erregt die Lazio Kurve aufsehen mit Transparenten wie, „Auschwitz ist eure Heimat“ oder „AS-Rom ist ein Immigranten Club“. Die Frage ob Di Ciano gesperrt wird, ist eine hochpolitische Frage. Es stellt sich das Problem, inwieweit die Allianz aus braunem Mob und bürgerlichem Nadelstreifen zurückgepfiffen werden kann. Sollte Di Canio nicht gesperrt werden, ist das ein Sieg für die Reaktion und die Garantie dafür, dass sowohl der Fußball wie die Gesellschaft eine noch stärkere braune Tönung erhalten.
 

Editorische Anmerkungen

Max Brym stellte uns diesen Artikel am 11.01.2005 zur Veröffentlichung zur Verfügung. Er lebt als freier Journalist in München.