Betrieb & Gewerkschaft
Verbreitung von Neonazimaterial in UPS Betrieb
Geschäftsleitung von UPS Deutschland sieht keinen Handlungsbedarf
01/07

trend
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In der Nürnberger UPS-Niederlassung veröffentlichte ein Supervisor und Betriebsratsvorsitzender ein Schreiben an die Belegschaft, in dem er ausgiebig und zustimmend Neonaziwebsites zitierte und empfahl.

Die Geschäftsleitung unternahm nichts gegen diese Ungeheuerlichkeit. Nachdem ein Gesamtbetriebsratsmitglied sich einschaltete und protestierte, weigerte sich der Generalbevollmächtigte von UPS Deutschland sogar ausdrücklich, Maßnahmen gegen eine solche Verbreitung von Naziagitation in einem UPS Betrieb zu ergreifen.

Kürzlich nun teilte das Unternehmen dem Gesamtbetriebsrat "abschließend" mit, das Thema gelte als erledigt - Maßnahmen gegen Verwendung von Nazipropaganda bei UPS gibt es bis heute nicht. 

Unmittelbar vor den Betriebsratswahlen im Frühjahr 2006 hatte sich der Betriebsratsvorsitzende bei UPS Nürnberg, Supervisor Tobias Dede, für ein von ihm im Betrieb herausgegebenes achtseitiges Pamphlet die Inhalte von Neonazi-Websites zu eigen gemacht, auf denen u.a. gewerkschaftlich engagierte UPS-Kollegen, die ihm und dem Management unbequem sind, von den Nazis ins Visier genommen werden und in ein schlechtes Licht gerückt werden sollen. Er hatte sogar die Lektüre der entsprechenden "Anti-Antifa"-Artikel und den Besuch der Naziwebsites der Belegschaft empfohlen. Damit wollte er die Wahlchancen der von den Nazis Attackierten schmälern, die auf der ver.di-Liste gegen Tobias Dedes Liste antraten.

Die fraglichen rechtsextremistischen Internetseiten werden von den USA aus vom berüchtigten amerikanischen Neonazi und Hitlerdarsteller Gary Lauck ins Netz gestellt. 

Für die Gewerkschaft ver.di war diese Entgleisung Grund, den Betriebsratsvorsitzenden im September 2006 als Mitglied auszuschließen.

Der Nürnberger ver.di-Sekretär Harry Roggow zeigte sich über den Ausschluss erleichtert: "Wer sich Nazi-Argumente zueigen macht und andere Menschen damit diffamiert, hat in unserer Gewerkschaft nichts verloren.", so Roggow.

Allerdings erwartete er in einer Stellungnahme auch, "dass UPS gegen seinen Mitarbeiter, der im übrigen mit Führungsaufgaben betraut ist, Sanktionen ergreift oder zumindest sich von ihm distanziert." 

Dies geschah nicht. Weder die direkten Vorgesetzten Tobias Dedes noch die Unternehmensleitung wurden tätig, obwohl der Fall mittlerweile  bundesweites und sogar internationales Medienecho entfacht hatte.

Auch als das Gesamtbetriebsratsmitglied Murat Sahin sich auf eine Beschwerde eines betroffenen Nürnberger Kollegen hin an die Geschäftsleitung wandte, um auf die skandalöse Entwicklung bei UPS Nürnberg und den der Firma drohenden Imageschaden aufmerksam zu machen, geschah zunächst nichts. Erst als Sahin neben der deutschen auch die europäische und amerikanische Firmenleitung anschrieb, erhielt er eine Antwort, und zwar vom Generalbevollmächtigten von UPS Deutschland, Jörns Reineke.

Zu den von Sahin erhobenen Vorwürfen, der Nürnberger Betriebsratsvorsitzende habe die Grenzen des Tragbaren weit überschritten, der Firma geschadet und die von ihm diffamierten Kollegen gefährdet, verweist der Chef von UPS Deutschland in seinem Schreiben lediglich auf die "generelle Ausrichtung unseres Unternehmens weltweit." UPS, so Reineke, "ist ein Wirtschaftsunternehmen, das  keinerlei religiöse, ideologische oder weltanschauliche Ziele verfolgt oder fördert".

Nach Sahins Ansicht wäre es die Aufgabe des Managements und der Geschäftsleitung, das Verbreiten und Bewerben von Neonaziartikeln in UPS Betrieben zu verhindern, um so mehr, wenn damit UPS Mitarbeitern geschadet werden soll, die von Neonazis ins Visier genommen wurden. Jörns Reineke vertritt in seinem Schreiben dagegen die Auffassung, ein Einschreiten in diesem Fall sei eine unerlaubte "Einflußnahme auf die Meinungsäußerungen" eines Betriebsratsmitgliedes. Eine solche "Einflußnahme" werde auch zukünftig nicht stattfinden. 

In dieselbe Kerbe wie sein Chef schlägt der Labor-Manager von UPS Deutschland, Volker Mals, in einer Ansprache vor dem Gesamtbetriebsrat im Oktober 2006. Auch er geht mit keinem Wort auf die von Murat Sahin und der Gewerkschaft vorgezeichnete Ansicht ein, dass das Verbreiten von Neonazi-Agitation im Kampf gegen engagierte Gewerkschafter nicht akzeptabel ist und auch von UPS nicht hingenommen werden sollte. Stattdessen stellt er klar, dass die UPS Geschäftsleitung sich nicht "einmischen, geschweige denn disziplinarische Maßnahmen ergreifen" wolle und könne, da es UPS als Arbeitgeber untersagt sei, "in Betriebsratswahlen einzugreifen oder Betriebsräte in ihrer Arbeit zu behindern bzw. ihnen Vorschriften zu machen." 

Dass die Geschäftsleitung sich darauf zurückzieht, schon deshalb nichts unternehmen zu können, weil Dedes Pamphlet im Vorfeld von Betriebsratswahlen erschienen ist, klingt für viele UPS Mitarbeiter wie der reine Hohn. Zum einen, weil natürlich auch während Betriebsratswahlkämpfen nicht alles erlaubt ist, vor allem aber, da UPS als Unternehmen gilt, das systematisch Betriebsratswahlen manipuliert.

Gegen die Äußerung entsprechender Einschätzungen hat UPS bereits durch alle Instanzen geklagt - erfolglos. 

Entsetzt über die Antwort der UPS Führung zeigen sich auch Nürnberger Mitarbeiter. Einer der von Dedes Veröffentlichung betroffenen erklärt:

"Bei der Nürnberger "Anti-Antifa" handelt es sich um militante Neonazis, die Propaganda für Rechtsextremisten über vermeintliche oder wirkliche politische Gegner  veröffentlichen. Solchen Veröffentlichungen sind auch schon Angriffe auf die als Antifaschisten "geouteten" Personen gefolgt. Dede wußte das, hat aber nichts getan um uns zu warnen, sondern lieber auf die Betriebsratswahlen gewartet und dann in seiner Veröffentlichung noch einen weiteren Kollegen als Antifaschisten genannt, von dem die Nazis noch gar nichts wußten.

Dass die Geschäftsleitung es für eine normale Meinungsäußerung eines Betriebsrats hält, wenn er sich systematisch die Behauptungen dieser Nazis aneignet, sie im Betrieb bewirbt und zustimmend zitiert, das ist einfach dreist. Das dann noch als Betriebsratsarbeit hinzustellen, die nicht behindert werden darf, ist auch ein starkes Stück. Die Geschäftsleitung macht sich dadurch zur Komplizin.

In Wahrheit macht UPS die Äußerungen von Betriebsräten oder anderen Kolleginnen und Kollegen immer wieder zum Gegenstand von Abmahnungen, Kündigungen oder Arbeitsgerichtsverfahren. Der Unterschied ist wohl: Verfolgt werden Mitarbeiter, die sich mit der Gewerkschaft für die Belegschaft engagieren und nicht solche, die Nazimüll in das Unternehmen tragen." 

Diese Entwicklung in einem Unternehmen, das in Deutschland ca. 15000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, ist durchaus ernst zu nehmen. Es steht zu befürchten, dass im Kampf gegen gewerkschaftliches Engagement und unbeeinflußte betriebliche Mitbestimmung mittlerweile jedes Mittel recht ist – sogar die Verwendung brauner Hilfstruppen. 

Weiterführende Informationen zum Fall: 

http://www.netzwerkit.de/galeere
http://www.labournet.de/branchen/dienstleistung/tw/ups-nbg/dede.html
http://www.netzwerkit.de/projekte/meinungsfreiheit/unionbu/news_item.2006-04-19.9291540848/  

Kontakt bei Nachfragen:  fred@labournet.info

 

Editorische Anmerkungen

Diese Pressemitteilung mit Bitte um Kenntnisnahme und Veröffentlichung erhielten wir am 28.12.2006 vom www.NetzwerkIT.de/galeere