Gegen rote Nelken und linke Nekrophilie 
Für den Kommunismus!

von
der Gruppe Internationale SozialistInnen (GIS)
01/07

trend
onlinezeitung

Mit der Lehre von Marx geschieht jetzt dasselbe, was in der Geschichte wiederholt mit den Lehren revolutionärer Denker und Führer der unterdrückten Klassen in ihrem Befreiungskampf geschah. Die großen Revolutionäre wurden zu Lebzeiten von den unterdrückenden Klassen ständig verfolgt, die ihrer Lehre mit wildesten Ingrimm und wütendstem Hass begegneten, mit zügellosen Lügen und Verleumdungen gegen sie zu Felde zogen. Nach ihrem Tod versucht man, sie in harmlose Götzen zu verwandeln, sie sozusagen heiligzusprechen, man gesteht ihrem Namen einen gewissen Ruhm zu zur Tröstung und Betörung der unterdrückten Klassen, wobei man ihre revolutionäre Lehre des Inhalts beraubt, ihr die revolutionäre Spitze abbricht, sie vulgarisiert.“ (W.I. Lenin)

Lenin war bekanntlich nicht mit vielen Haaren, dafür aber zuweilen mit Weitsicht beschlagen. Als er die eingangs zitierten Zeilen in seiner mit Abstand besten Schrift „Staat und Revolution“ zu Papier brachte, wäre er jedoch nie im Traum darauf gekommen, dass Götzenkult und die Entsorgung revolutionärer Theorie zur jährlichen „linken“ Pflichtübung werden könnten. Same procedure as every year - zu früher Stunde und bei zuweilen arktischen Temperaturen versammelt sich die Restlinke unter dem Arbeitstitel „LL-Demo“ zum Schaulauf der Anachronismen. Wer den Mut hat hinzugehen, bekommt eine Menge geboten. Während die Sado-Maoisten der MLPD unverdrossen mit „Arbeitsplätzen für Millionen“ drohen, überbieten sich allerlei verkrachte Trotzkisten in missionarischem Eifer, um etwaige Interessierte in die Mysterien der Übergangsforderungen einzuweihen. Drolliger wirken da schon eher die Old-School-Stalinisten der DKP, die wie gewohnt bräsig, für Milch, Kubas Kinder und die Verheißungen des karibischen Staatskapitalismus Werbung machen. Für die, dem Anlass gebotene schlechte Musik, sorgen für gewöhnlich die Initiatoren eines sog. „Antifa-Blocks“, die darüber hinaus auch so manche Binsenweisheit auf Lager haben: „Der Kurzschluss zwischen „objektiver“ sozialer Lage und der „subjektiven“ Konstituierung zum politisch bewusst handelnden Akteur gehört zum Typus jener Konzepte, die an der Realität gründlich gescheitert sind“  

Gedenken ist gut, Denken ist besser

Neben der Zurschaustellung derartiger Gewissheiten und allerlei kruder Parteilinien stellt das „Gedenken an Rosa und Karl“ die offiziell verkündete Zweckbestimmung der Veranstaltung dar. Gedacht wird dabei freilich weniger an Genossen und schon gar nicht an die Aktualität und Lebendigkeit ihrer Theorien. An Rosa und Karl scheinen die Versammelten in erster Linie gut zu finden, dass diese sich haben totschlagen lassen, was es erlaubt unter dem Vorwand einer „Ehrung“ den perversesten Projektionen freien Lauf zu lassen. Folgerichtig werden in den Verlautbarungen der Trauergemeinde Rosa und Karl je nach terminologischem Geschmack zu dem gemacht, was sie als Kommunisten niemals sein wollten: „Engagierte Politiker für Frieden und Gerechtigkeit“, „Helden“, „Märtyrer“, ja sogar „heroische Führer des deutschen Proletariats“.

In nekrophiler Eintracht zieht es das Defilee der Zonenzombies, Stalinisten und „Post-Linken“ zur Kranzabwurfstelle des „Friedhofs der Sozialisten“, um sich, gewissermaßen als Höhepunkt der Veranstaltung, in der Disziplin des Nelkenschmeißens zu üben. Alles in allem ein äußerst grotesk und okkult anmutendes Ritual, an dem sicher auch der Dalai Lama seinen Spaß hätte.

Der konformistische Charakter dieses Treibens lässt sich mitunter auch daran ersehen, dass klaglos toleriert wird, wie ausgerechnet die auf Regierungsbeteiligung und Sozialabbau getrimmte „Linkspartei“.PDS einen nicht unbeträchtlichen Anteil zur Störung der Totenruhe beisteuert.  

Mit Rosa gegen die „Linke“  - Alles andere ist Quark!

Trotz Hinkebein und schräger Frisur – Rosas Sexappeal ist in der Restlinken unbestritten. Sozialdemokraten greifen ihren Lapsus von der „Freiheit des Andersdenkenden“ auf, Stalinisten mystifizieren sie zur „großen Parteiführerin, Poplinke biegen ihre Spontaneitätstheorie zur Legitimation postmoderner Beliebigkeit um. Alles in allem ein trauriges Schicksal, für das Rosa am wenigsten kann.

Wer sich vom Nelkenschmeißen auf die Beschäftigung mit ihren Theorien verlegt, wird feststellen, dass diese immer noch ein probates Gegenmittel gegen die gängigsten „linken Glücksversprechen“ darstellen. Als kompromisslose Gegnerin des Kapitalismus wandte sie sich gegen Staatsverklärung und setzte in ihren Auseinandersetzungen und Polemiken mit dem Reformismus bis heute Maßstäbe. Selbiges gilt für ihre Absage an Etatismus und Stellvertretertum, ihr Eintreten für einen emanzipatorischen Sozialismus und das Prinzip der Selbstbefreiung. Als proletarische Internationalistin wandte sie sich gegen Krieg und Nationalismus und wurde nicht müde zu betonen, dass die Floskel des nationalen Selbstbestimmungsrechts mit der revolutionären Politik des Proletariats nicht das geringste zu tun hat.

Das alles mag auf den ersten Blick banal klingen, ist es angesichts der in der Linken kursierenden intellektuellen Zumutungen aber beileibe nicht.

Nichts liegt uns ferner als Rosa zum Superstar zu verklären und über ihre Fehler hinwegzusehen, aus denen man heute wahrscheinlich das meiste lernen kann. Ihr Bruch mit der SPD kam zu spät, die verschleppte Gründung einer kommunistischen Organisation wirkte sich ungünstig aus. Von den Organisationen der II. Internationale geprägt, war sie auch nicht gänzlich in der Lage, sich von den Taktiken der Sozialdemokratie freizumachen, was insbesondere in den Auseinandersetzungen über den Parlamentarismus opportunistischen Tendenzen Vorschub leistete. Diese Fehler zu benennen und vor Augen zu haben, mag helfen, dem Lieblingsfetisch der Linken zu widerstehen, sich unnütz anzubiedern, oder gar sein Glück in prinzipienlosen Vereinigungen zu suchen. 

Klarheit vor Einheit

„Bündnis mit Verrätern bedeutet Niederlage“, wusste schon Karl Liebknecht zu berichten.

Das kommunistische Programm ist nicht kompatibel mit Leuten, denen der Leichengestank des Stalinismus anhaftet oder die sich die Neuerfindung der Sozialdemokratie auf die Fahnen geschrieben haben.

Wirkliche Befreiung ist nicht mit, sondern nur gegen solche Gestalten zu haben. Eine „Linke“, der die Affirmation von Lohnarbeit, Staat und Nation quasi zur zweiten Natur geworden ist, gehört nicht gestärkt sondern gespalten! Das alljährliche LL-Ritual gemahnt geradezu zum Aufbau einer marxistischen Organisation, die in der Lage ist über Publikumsbeschimpfung hinaus, zur Aktion überzugehen.

Angesichts der täglich zu konstatierenden Verwerfungen des Kapitalismus ist die Aktualität der Losung „Sozialismus oder Barbarei“ evident. Wir stehen vor der Wahl: Entweder im Einklang der Restlinken Gefahr laufen, in Theorie und Praxis hinter etwaige Segnungen der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ zurückzufallen, oder diese zugunsten eines Bessern, in kommunistischer Absicht zu zerschlagen. Letzteres mag sich vielleicht etwas schwierig anhören, ist es aber nicht, wenn man sich vergegenwärtigt, was Rosa in den Wirren des Ersten Weltkrieges zum Besten gab: „Wir sind nicht verloren und wir werden siegen, wenn wir zu lernen nicht verlernt haben.“ 

Für die staaten– und klassenlose Gesellschaft

Editorische Anmerkungen

Der Text wurde auf der LL-Demo in Berlin am 14.1.2007 als Flugblatt verteilt. Die Gruppe Internationaler SozialistInnen, GIS bat uns um Veröffentlichung.

Berichte über den Verlauf der LL-Demo finden sich bei Indymedia unter: