Die Linke und das Kopftuch – oder wie deutsche Männer wieder die unterdrückte Frau im Islam entdecken

Von
Peter Nowak

01/08

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Die Sorge um die unterdrückten Frauen scheint in Deutschland bei manchen Männern hoch im Kurs. So hach, dass sie sich gar Frauenbefreier gerieren. Allerdings handelt es sich dabei um die Frauen im Islam, die diese Männer im Visier haben. Für sie ist klar, eine Frau, die einen Schleier oder ein Kopftuch trägt, kann nur unterdrückt sein und muss der Befreiung harren.

Nun gibt es sicher genügend Beispiele, wo Frauen von Verwandten, Familienstrukturen etc. gezwungen werden, ihr Gesicht zu verdecken und mit Strafen und Konsequenzen rechnen muss, wenn sie sich weigert. Es sollte dann selbstverständlich sein, dass wir uns auf die Seite der Frau stellen und sie in ihrer Entscheidung bestärken, dass zu tragen, was sie will. Nur brauchen wir dazu nicht ganze ideologische Brimborium, dass man von den neuesten Freunden der Frau im Islam immer hört, die speziell den Islamismus dafür verantwortlich machen, für Kleidervorschriften der Frauen und Töchter. Männer, die so argumentieren, sollten einmal in eine deutsche Familie konservativer Prägung schauen. Auch dort stehen Kleidervorschriften in erster Linie für die Frauen weiterhin auf der Tagesordnung. Das fängt vom Mini-Rock-Verbot an und geht bis zu Vorschriften über die Frisur. Sicher mag sich der Druck in den letzten Jahren hier etwas gelockert haben. wobei es sich hier um die Spätfolgen der feministischen Kämpfe handelt, die in den 70er und 80er Jahren längst nicht nur akademische sondern auch proletarische Frauen erfasst hat. Die feministische Bewegung hatte sehr viele Facetten und auch unterschiedliche Kampfformen. Aber ihre Grundlage war der Kampf gegen patriarchale Strukturen weltweit, mit besondern Schwerpunkt in den eigenen Ländern. Gerade daran aber fehlt es den jüngsten Frauenbefreiern ganz. Diejenigen, die das Los der Frau im Islam so wortreich beklagen, nehmen in der Regel die Fortdauer des Patriarchats hierzulande kaum zur Kenntnis. So ist die Frage schon berechtigt, ob hier wirklich die Sorge um die Befreiung der Frau im Vordergrund steht, oder ob die Frauen nur instrumentalisiert werden, um die Überlegenheit des „Westens über den Islam“ zu demonstrieren.

Das will ich an einem ganz aktuellen Beispiel verdeutlichen. So gab es von LeserInnen der Wochenzeitung Jungle World Kritik an Comics in der Jungle-Beilage Mamba, die als rassistisch bezeichnet wurden. Es gab eine schriftliche Kontroverse zwischen den KritikerInnen und einigen Redakteuren. Diese Debatte wurde auch über verschiedenen Mailinglisten veröffentlicht. Die Jungle-World-Autoren erfuhren davon erst später. Ein Redakteur schrieb dann: "Was in der Tat schwer wiegt, ist die Veröffentlichung meiner Antwort auf dem Verteiler der Gender Studies. Mir sind die einschlägigen Vorgänge in diesem Forum bekannt. Meiner Ansicht nach handelt es sich bei einer nicht unerheblichen Zahl der Nutzer um notorische Islamversteher und Freunde des Kopftuchs. Mit diesem Personenkreis will ich keine Diskussion auf Augenhöhe führen. Ich kann diese Personen, nicht einmal in beleidigender Absicht, sondern in sachlich beschreibender Art, nur als reaktionäres Pack bezeichnen.“

In diesen Sätzen drückt sich glasklar aus, wie Kritik an rassistischen Comics, wie berechtigt die war, sie hier nicht zur Debatte gestellt, weggedrückt wird, mit dem Argument, auf dem Verteiler würden auch islamfreundliche Meldungen verbreitet, die sich wiederum nur daraus ableiten lassen, dass das Kopftuch hier eben nicht nur als Unterdrückungsinstrument gesehen wird. Niemand soll wegen des Tragens oder Nichtragens eines Schleiers oder Kopftuches diskriminiert werden.

Dabei ist die Sache doch für Linke eigentlich ganz einfach. Bringen wir sie auf die Formel: Niemand darf dazu gezwungen werden, ein Kopftuch zu tragen, doch niemand darf gezwungen werden, es gegen ihren Willen abzulegen! Das heißt konkret, wir sollten Frauen unterstützen, die sich dagegen wehren, dass ihnen von wem auch immer ein Kopftuch oder ein Schleier aufgezwungen wird. Wir sollten aber auch Frauen akzeptieren, die, warum auch immer sich, freiwillig entscheiden, ein Kopftuch oder einen Schleier zu tragen. Wir sollten, dass in der Weise akzeptieren, dass es eben ein individuelles Kleidungsstück ist und jede und jeder muss selbst entscheiden können, was er oder sie trägt. So einfach ist das. Natürlich heißt akzeptieren nicht, dass nicht heftig gestritten werden soll, wenn die Kopftuchträgerin oder bewusste Nichtkopftuchträgerin sich das einzige wahre Vorbild hinstellen. Beiden muss dann deutlich gemacht werden: Werdet mit oder ohne Kopftuch glücklich, das ist Eure Entscheidung. Aber versucht nicht, diese Entscheidung anderen aufzudrücken.
Wenn ihr, egal in welche Richtung, andere bedrängt, sich an Euch ein Vorbild zu nehmen, müssen wir eingreifen und Euch darin hindern, andere in ihren Rechten zu beschneiden. Wenn man diese ganze Angelegenheit so nüchtern und sachlich sieht, erspart man sich viel Wortakrobatik, bei mit der Frage von einem Fetzen Stoff gleich die Zivilisation auf dem Spiel steht. Geht es nicht etwas Bescheidener?

Editorische Anmerkungen

Den Text erhielten wir vom Autor zur Veröffentlichung in dieser Ausgabe.