Gemeinsam kämpfen gegen rassistische Kochrezepte! 

Von Martin Suchanek

01/08

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Nicht nur am Hindukusch - auch in der Münchner U-Bahn soll jetzt „Deutschland verteidigt“ werden.

Der hessische Ministerpräsident Koch markiert den Vorreiter. Die CSU fürchtet um ihre „Spitzenrolle“ bei der inneren Sicherheit, der CDU-Vorstand stützt Koch und kann die ganze Aufregung nicht verstehen - schließlich sorge man sich doch nur „um die Bürger“, vorzugsweise jene mit deutscher Ahnengalerie.

Nach den „islamistischen   Hasspredigern,“ den heimtückischen „Konvertiten,“ den arabischen „Bombenlegern“ sind jetzt die „kriminellen ausländischen Jugendlichen“ als Drohpotential in den Mittelpunkt gerückt.

Konvertiten sind - werden sie nicht monatelang beim BKA observiert - selten aufgefallen und als „tagtägliche“ Sicherheitsfährdung freien Auges nicht zu erkennen. Außerdem sollen sie selbst nach geheimsten Geheimdiensterkenntnissen vorzugsweise US-Stützpunkte oder jedenfalls militärische Einrichtungen im Blick haben, an denen sich recht wenige deutsche „Normalbürger“ aufhalten.

Mit der U-Bahn muss aber jeder fahren - und nach den letzten Benzinpreiserhöhungen, trotz teurer gewordener Tickets, immer mehr.

Aber CDU-Generalsekretär Pofalla, bisher nicht als regelmäßiger Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs aufgefallen, kennt sich da, wie so viele andere Dienstwagenfahrer, gut aus. Die Bedrohung ist täglich, sie steigt und der Bürger hat ein Recht auf mehr Sicherheit.

Und was soll's. Der „kriminelle ausländische Jugendliche“ treibt schließlich nicht nur in U- und S-Bahn, sondern auch an der Schule oder auf der Straße sein Unwesen. Auch wenn er nicht kriminell ist, ist er in jedem Fall ein „Problemfall.“

Gegen diese Hetze hilft der Verweis auf gefälschte Statistiken, auf freche Lügen wenig. Da hilft es wenig, dass selbst die hessische Polizeigewerkschaft nachweist, dass die „Ausländerkriminalität“ viel geringer ist als von Koch behauptet. 

Kochs Kritiker 

Die Kritiker des Roland Koch treten hier auf den Plan. Sie kommen vorzugsweise aus den konkurrierenden Parteien von FDP, Grünen, SPD bis zur LINKEN, aus der „Zivilgesellschaft,“ also der bürgerlichen Öffentlichkeit.

Der Vorwurf lautet „Wahlkampfpopulismus“ - und der ist schlecht, vor allem wenn er den anderen Parteien zugute kommt. Sicher, wer wollte Koch abstreiten, ein Populist und rechter Demagoge zu sein. Doch, wer ist davon auch schon überrascht?

Daher reichen Kochs „demokratische Kritiker“ auch noch ein paar Argumentationsfiguren nach: 

1. Die Kampagne kommt der NPD zugute.

Hört sich kritisch an, ist es aber nicht. Hier wird bloß Kochs taktisches Kalkül bei den WählerInnen der NPD für die CDU als Partei zu werben, die Abschiebungen und „hartes Vorgehen“ nicht nur fordert, sondern auch durchsetzt, gegen ihn gewendet.

Zweifellos mag die Hetze der NPD Zulauf bringen. Doch ebenso ist es möglich, dass Kochs Ziel aufgeht, dass die meisten Hardcore-Rassisten gleich CDU statt NPD wählen und so zu einem „glänzenden Sieg der Demokratie“ beitragen. 

2. Koch übertreibt und ist undifferenziert.

Über solche Kritik kann sich Koch geradezu freuen. Mag ja undifferenziert sein, antwortet die CDU, aber wir haben des Problem immerhin „aufgegriffen.“ Was ist schon die Fälschung einer Statistik oder „Panikmache,“ wenn damit auch nur ein deutscher Opa eine Ohrfeige weniger kriegt, wenn damit „die Sicherheit“ auf ungeahnte Höhen steigt? Unwillkürlich stellt sich die Kritik an Koch so auf den gleichen Ausgangspunkt wie Koch selbst. Das „Problem“ ist vorhanden, das gestehen SPD und Grüne und, wo an der Regierung, auch die LINKE praktisch zu. Koch packe es nur falsch an.

Ganz im diesem Sinne wird dann Kochs Forderungen nach „Straflagern“ und noch rascherer Abschiebung entgegengehalten, dass die „bestehenden Gesetze“ ausreichten, wohl aber effektiver umgesetzt werden müssten.

Rassistische Gesetze gebe es also schon genug - nur die Praxis müsse, ganz im Koch- Jargon, noch „brutalstmöglicher“ werden. 

3. Nicht mehr Polizei, sondern mehr Pädagogik ist die Lösung

Während Koch, Beckstein und andere CDU-Größen davon ausgehen, dass ein mehr oder weniger großer Teil migrantischer Jugendlicher möglichst durch Abschiebung aus dem Land selektiert werden muss, wollen Kochs Kritiker „den Jugendlichen noch eine Chance geben“. Die Chance soll es durch „pädagogisches“ Herangehen geben. Der Spiegel, das aufgeklärt rassistisch-deutsche Gutmenschblatt, hat dem auch gleich einen ganzen Artikel gewidmet. An „Modell-Schulen“ könnten sich schon jetzt die Jugendlichen in Box- und Tai Chi-Kursen abreagieren, um während des Unterrichts und im Alltagsleben „nicht verhaltensauffällig“ zu werden.

Besonders Bedeutung erhält dabei das „Grenzen setzen,“ wo sich die Reformpädagogik auf Kochsche Höhen schwingt. Wer prügelt, fliegt - zwar (noch) nicht aus dem Land, wohl aber von Schule.

Solche innovativen Projekte könnte auch das hessische Kultusministerium erfunden haben. Hier könnte sich auch der Neuköllner SPD-Bezirksbürgermeister noch eine paar chauvinistische Anregungen holen - hat er ja als erste in der BRD Schulen unter Wachschutz gestellt, um der „Jugendkriminalität“ Herr zu werden.

Kurzum, alle diese Kritiken (und es gibt hier noch zahlreiche mehr), stehen auf einem gemeinsamen Boden mit Koch.

Dabei soll der Wille vieler Menschen, die solche Argumente verwenden, einer Verschärfung des Rassismus entgegentreten zu wollen, keineswegs in Abrede gestellt werden. Ja, wir unterscheiden ausdrücklich zwischen ihnen und verlogenen Zynikern wie Schröder, die im Hamburger Wahlkampf den „Anti-Rassisten“ spielen und in den 90er Jahren selbst die möglichst rasche Abschiebung gefordert haben.

Aber es bleibt, dass solche Argumente nicht nur als Begründung zur „zivileren“ rassistischen Maßnahmen herhalten, sondern auch dass damit die Wurzeln des Problems vollkommen verkannt werden. 

Rassismus 

Das Problem „kriminelle Ausländerjugendliche“ ist selbst eine rassistische Konstruktion. Die reale Problematik besteht nicht in der größeren oder kleinen „Kriminalität“ der Jugendlichen.

Sie besteht in der grundsätzlichen rassistischen Unterdrückung der MigrantInnen, die noch mit der Ausbeutung der Lohnabhängigen und der Unterdrückung der Jugend kombiniert ist.

Die rassistische Unterdrückung äußerst sich dann in eine Benachteiligung, eine Diskriminierung in allen Lebensbereichen - von geringen Einkommen, höherer Arbeitslosigkeit, Bedrohung mit Abschiebung, Fehlen gleicher demokratischer Rechte (für alle, die keine deutsche Staatsbürgerschaft haben), Verweigerung, die eigene Sprache als Amts- oder Vertragssprache nutzen zu können, ... Wenn irgendetwas die Jugendlichen (und nicht nur migrantische) in die Kriminalität treibt, so ist es die zunehmenden Massenarmut, die durch neo-liberale Pappnasen wie Koch vorangetrieben wird.

Die rassistische Unterdrückung und damit verbundene Spaltung der Arbeiterklasse in In- und AusländerInnen usw. ist konstitutiv für den bürgerlichen Staat.

Allen Konzepten - von Kochs Abschiebungs- und Lagervorschlägen bis zur „Reformpädagogik - liegt jedoch zugrunde, dass die Ursache für das „Problem“ bei den „ausländischen Jugendlichen“ oder den MigrantInnen selbst liege - und dass es daher durch eine Mischung staatliche Zwangsmaßnahmen und Förderung der sog. „Integrationswilligen“ zu lösen sei.

Negiert wird der inhärente rassistische Charakter des bürgerlichen, des imperialistischen Staats, negiert wird der rassistische Charakter der bürgerlichen Gesellschaft selbst. Das drückt sich selbst noch den Parolen nach „mehr Toleranz“ aus. Die Parole hat selbst ein chauvinistisches Element, da sie unwillkürlich unterstellt, dass „die Ausländer“ Menschen wären, die sich so verhielten, dass sie nur mit mehr Toleranz auszuhalten wären. 

Bedeutung für den Staat 

In eine Periode verschärfter Konkurrenz, verschärfter Angriffe auf die Lohnabhängigen und einer auf Expansion und Sicherung der eigenen Weltmarktposition abzielenden Außenpolitik, macht sich die imperialistische Politik auch in einer Verschärfung rassistischer Selektion und Mobilisierung nach innen breit.

Klar, werden die Nazis davon auch profitieren und müssen dabei mit allen notwendigen Mitteln bekämpft werden. Aber der eigentliche Angriff kommt aus der „Mitte“ der Gesellschaft - aus den Erfordernissen der herrschenden Klasse und ihrer politischen Sachwalter selbst.

Dieser Angriff kann nicht mir moralischen Parolen, pädagogischen Formeln, Sozialarbeit, einer „Ausländerpolitik,“ die diese nur als Objekt staatlicher Hilfs- und Zwangsmaßnahmen betrachtet, oder ähnlichen bekämpft werden.

Die einzige Möglichkeit besteht im gemeinsamen Kampf gegen rassistische Unterdrückung und gegen die verschärfte kapitalistische Ausbeutung.

Das heißt unmittelbar im Wahlkampf der Koch-Leute, rassistischen Parolen anzugreifen, gegen sie zu mobilisieren, so dass sie ihre offen rassistische Message nicht widerspruchslos „frei“ ausposaunen dürfen. Der Gefahr, dass die NPD und andere Nazis im Wahlkampf mit diesen Parolen eingreifen, müssen wir dadurch entgegentreten, dass MigrantInnen, Linke, die Arbeiterbewegung gemeinsam den Rechten unter dem Motte „Kein Fußbreit den Faschisten!“ ihr Rede- und Versammlungsrecht streitig machen.

Der gemeinsame Kampf muss aber auch weitgehende politische und soziale Forderungen beinhalten: 

  • Gegen alle Abschiebungen! Weg mit allen Einreise- und Aufenthaltsbeschränkungen für MigrantInnen! Sie sind alle rassistisch! Für offene Grenzen!

  • Schluss mit der Kriminalisierung von MigrantInnen und Jugendlichen!

  • Schluss mit der Repression an den Schulen! Weg mit allen Wachschützern und Bullen! Für Komitees von SchülerInnen, Eltern, LehrerInnen, die für Verbesserung an den Schulen (Kleinere Klassen, ...) und gegen rassische Übergriffe, für die Kontrolle über die Schulen kämpfen!

  • Ausbildungsplätze für alle Jugendlichen zu tariflichen Bedingungen, bezahlt aus Unternehmerprofiten! 30 Stunden-Woche für alle, für ein Programm öffentlicher, gesellschaftlich nützlicher Arbeiten zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit unter Arbeiterkontrolle!

  • Für einen Mindestlohn von 10 Euro/ Stunde zur Bekämpfung der Armut!

  • Weg mit Hartz IV und insbesondere allen repressiven Sonderbestimmung für MigrantInnen und Jugendliche! Für eine Arbeitslosenunterstützung von mind. 1500 Euro!

Auf einer solchen Basis ist ein gemeinsamer Kampf von MigrantInnen und deutschen Lohnabhängigen nicht nur möglich, sondern notwendig - ein Kampf, der reale Bedingungen, für eine Überwindung von Rassismus, Chauvinismus, religiöser oder nationaler Vorurteile legen kann. Es wäre jedoch mechanisch, das einfach nur aus gemeinsamen Interessen und Erfahrungen abzuleiten. Der Chauvinismus und Rassismus deutscher Arbeiter hat in einer, wenn auch relativen Privilegierung ebendieser (und besonders in der Arbeiteraristokratie) eine materielle Wurzel, die dann als Sozialchauvinismus ideologisch reproduziert wird.

Um diese überwinden ist es u.a. notwendig, dass MigrantInnen (wie auch Jugendliche) in der Arbeiterbewegung das Recht haben, sich gesondert zu treffen, um für ihre Interessen und gegen Chauvinismus und Rassismus in der Arbeiterklasse einzutreten.

Schließlich ist dazu auch eine revolutionäre Partei notwendig, die von Beginn an eine reale Kampfgemeinschaft aller Schichten der Arbeiterklasse darstellt, keine weitere deutsche Partei, sondern als eine revolutionäre kommunistische Partei in Deutschland.

Editorische Anmerkungen

Den Text erhielten durch die  ARBEITERMACHT-INFOMAIL, Nummer 339 vom 10. Januar 2008

Erstveröffentlicht bei

 www.arbeitermacht.de