Interview mit der PFLP-Jugend in Jabaliya

von Salah Adel Adi + ROSSO

01/09

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Der Kolonialstaat Israel gilt seinen Fans in aller Welt u.a. als „der Staat der Aufklärung“ und als „die einzige Demokratie im Mittleren Osten“. Pressefreiheit bzw. das Recht auf freie Berichterstattung fallen nach dieser Definition offensichtlich nicht mehr unter die Kategorien „Aufklärung“ und „Demokratie“. Die israelische Armee verwehrt nämlich fast allen Journalisten den Zugang zum Gaza-Streifen, um den Informationsfluss über den von ihr geführten Vernichtungsfeldzug soweit wie möglich zu begrenzen.

Umso erfreulicher, dass es der unabhängigen, linken italienischen Tageszeitung „il manifesto“ gelang, telefonischen Kontakt zu Saleh Adel Adi, einem Leitungsmitglied der PFLP-nahen linksradikalen Jugendorganisation Palestine Progressive Youth Union (PPYU) im Flüchtlingslager Jabaliya, herzustellen, das zu den von der sog. Operation „Gegossenes Blei“ besonders betroffenen Gebieten zählt. Das Interview erschien am 10.1.2009.

Stimmen aus Jabaliya
„Ihr Ziel? Sie wollen uns zu einem Volk von Flüchtlingen degradieren“
Die jungen Progressiven: Tausende wurden vertrieben. Die Strukturen der Zivilgesellschaft sind verwüstet.

Michelangelo Cocco

„Hier findet kein Krieg gegen die Hamas statt“ – ruft Salah ins Telefon – „sondern eine Invasion, die darauf abzielt, die Palästinenser als nationales Gebilde zu zerschlagen.“ Für die Islamisten, die den Gaza-Streifen regieren und die er als „nicht demokratisch und an den Menschenrechten desinteressiert“, beschreibt, hegt Salah Adel Adi keine besonderen Sympathien. Aber jetzt kümmern er und seine Genossen von der Palestine Progressive Youth Union (der der PFLP nahe stehenden Jugendorganisation) sich, zusammen mit den Mitgliedern der Hamas und aller anderen palästinensischen Fraktionen, vor allem um den Schutz und die Verteidigung Ihres Flüchtlingslagers Jabaliya.

Wie ist die Lage in Jabaliya?

„Hier sind die Soldaten noch nicht rein gekommen, aber ständig gibt es Angriffe der F-16-Jagdbomber und der Apache-Kampfhubschrauber. Allein gestern wurden 22 Menschen getötet und 16 Gebäude zerstört. Wir wissen, dass im gesamten Gaza-Streifen über 600 Wohnhäuser zerstört und circa 3.000 beschädigt wurden. Wenige Kilometer von hier in Beit Laiya wurden Dutzende Zivilisten massakriert.“

Wie schafft man es, unter diesen Bedingungen zu überleben?

„Der Strom kommt und geht. Seit vier Tagen haben wir kein fließendes Wasser und auch die Nahrungsmittel gehen zu Neige. Arzneimittel sind nicht mehr zu bekommen. Eine dramatische Situation, die der seit eineinhalb Jahren andauernden regelrechten Belagerung die Krone aufgesetzt hat. Die Präsenz der israelischen Truppen hat den Gaza-Streifen in drei Teile geteilt. Die Kommunikation unter der Bevölkerung ist unmöglich geworden. Alle kommunalen Behörden und Einrichtungen haben aufgehört zu funktionieren. In vielen Teilen kommt kein Wasser mehr an, weil die Israelis die Pumpanlagen zerstört haben. So versuchen 1,5 Millionen Palästinenser unter den täglichen Bombardements zu überleben und der größte Teil davon sind Kinder. Neben den Einrichtungen der Hamas zerstören sie auch die wenigen Strukturen der Zivilgesellschaft, das heißt die von uns Linken.“

Wer sind die Palästinenser, die kämpfen?

„Es handelt sich um Mitglieder aller Organisationen, von der Hamas über den Islamischen Jihad bis hin zur Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP). Die Israelis versuchen im Moment, uns zu zerstören, aber wir sind im Widerstand vereint. Auch die Spaltungen zwischen Hamas und Fatah sind jetzt hier überwunden. Israel versucht uns als nationales Gebilde zu zerschlagen. Sie möchten, dass wir ein riesiges Flüchtlingslager werden und dann nach Ägypten abwandern. Und leider wurden bereits Tausende Menschen aus Beit Laiya (im Norden) und Rafah (im Süden) in andere Gebiete evakuiert, womit sie nach der Naqba 1948 erneut zu Flüchtlingen geworden sind.“

Glauben Sie, dass die Hamas zumindest teilweise für das verantwortlich ist, was jetzt geschieht?

„Die Hamas hat einen schweren Fehler begangen als sie die Einheit der Palästinenser gebrochen und hier in Gaza selbst alle Macht übernommen hat. Aber das was jetzt, in diesen Tagen passiert, sind Massaker, die die Besatzungsmacht begeht.“

Wird die Hamas, wenn alles vorbei ist, schwächer sein?

„Das ist schwer vorherzusagen, aber das Ausmaß der Zerstörungen (auch ihrer Infrastruktur) ist derart, dass irgendein Machtwechsel zugunsten der Fatah stattfinden könnte. Im Übrigen ist genau das eines der Ziele der Israelis.“

Editorische Anmerkungen

Die eingerückte Vorbemerkung und die Übersetzung stammen von Rosso.
Die Übersetzung erschien am
13.01.2009 bei Indymedia.