Presseinformation
„In die Stille gerettet“

von
HaPo

01/11

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DDR-Erinnerungsliteratur ist gefragt. Sie wird besonders dann interessant und spannend, wenn es um ehrliche Rückblicke geht, wenn aus ganz persönlicher Sicht sowohl Privates als auch Gesellschaftliches eng verwoben beleuchtet werden, wenn auch Uneingeweihte einen Einblick in die inneren Motive, in das alltägliche Denken und Handeln bekommen. Herz, Geist und Gutwilligkeit vorausgesetzt, können so weiter Brücken entstehen – zwischen Ost und West. Einer von jenen DDR-Bürgern, die dies versuchen, ist mit seinem erst kürzlich veröffentlichten Buch „In die Stille gerettet“ Harry Popow, alias Henry Orlow, ein einstiger Reporter im Bereich der Nationalen Volksarmee.

In Tagebuchnotizen erzählt er, warum „Henry“, ein fast 60jähriger Mann – der den Krieg noch als Kind hat erleben müssen, der sich voller Überzeugung im DDR-Alltag einbrachte und die Wende heil überstand – mit seiner Frau in die Stille der schwedischen Wälder abhaute. Sechs Jahre nach der Deutschen Einheit? Niemand trieb sie, keiner wurde steckbrieflich gesucht, keiner verunglimpft … Träume einerseits und Unvereinbarkeiten mit neuen

Zuständen andererseits?

In der Einsamkeit einer kleinen schwedischen Waldsiedlung und im eigenen Holzhaus kramt er in alten Aufzeichnungen, in Briefen und Erinnerungen, sammelt und hält fest, was ihn am großen Vorhaben fesselte, ein dem Frieden verpflichtetes neues Deutschland aufzubauen.

Angesichts des gesellschaftlichen und staatlichen Absturzes 1989 blickt der damalige Militärjournalist und Oberstleutnant zurück in die Kindheit mit seiner liebevoll sorgenden russischen Mutter, die 1935 zu ihrem Ehemann von Moskau nach Berlin übergesiedelt war. Er berichtet episodenhaft von Pommern, wohin auch die Ziebers (der Name des Vaters) evakuiert wurden. Von Bombennächten in Berlin, von der endlichen Befreiung. Von der beeindruckenden Kundgebung – mit Fackeln in den Kinderhänden - auf dem Lustgarten am 11.Oktober 1949 zur Gründung der DDR. Von der Lehrzeit im Zwickauer Kohlenrevier, von der Arbeit als Kollektor bei der Staatlichen Geologischen Kommission der DDR. Vom Dienst als Offizier und Ausbilder in der NVA und später als Reporter in der Wochenzeitung „Volksarmee“ und - nach Beendigung einer 32jährigen Armeezeit – als Journalist im Fernsehen der DDR.

Was aber bewegt ihn, als er 1989 angeblich wegen „ungenügender Wachsamkeit“ in die Mühle der durch den Kalten Krieg überspitzten Parteidisziplin gerät? Und was geht ihm durch den Kopf, als seine größte Tochter mit ihrem Freund – wie tausende andere junge Menschen - nach Budapest reist und nicht wiederkehrt?

Letztendlich führt der sprachlich angenehm zu lesende und interessante und authentische Lebensbericht den Leser wieder nach Schweden und dem unbeschwerten Dasein in der kleinen Waldsiedlung. Dort lebt er mit seiner Frau, die er als Offiziersschüler 1957 kennengelernt und 1961 geheiratet hatte, und aus der Ehe drei Kinder und zwei Enkel hervorgingen – tolle neun Jahre. Im engen freundschaftlichen Kontakt mit allen Ortsansässigen – bei Geburtstagen, Mitsommerfeiern und gegenseitigen privaten Besuchen. 2005 kehren beide zu ihren Kindern und Enkeln zurück.

Es ist eine bewegende Liebesgeschichte, einer glücklichen „Cleo“ und eines glücklichen „Henry“, der auch im Alter nicht abläßt von den Visionen eines besseren Deutschland.
 

Harry Popow
In die Stille gerettet.
Persönliche Lebensbilder.

Engelsdorfer Verlag, Leipzig, 2010
308 Seiten, 16 Euro,
ISBN 978-3-86268-060-3
 
www.engelsdorfer-verlag.de