Maghreb
Es lebe die tunesische Revolution!

von Mark Turm

01/11

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Nach vielen Jahren findet ein revolutionärer Prozess in einem arabischen Land statt. Das Regime des tunesischen Ex-Diktators Ben Ali konnte die Unruhen, die sich wegen der gestiegenen Lebensmittelpreise zuerst in der Hauptstadt entzündet und sich dann auf mehrere Städte ausgebreitet hatten, nicht aufhalten. Das diktatorische Regime von Ben Ali hat einen Todesstoß erfahren, und die Imperialisten haben wieder einmal ihr wahres Gesicht gezeigt, indem sie wieder einmal ein trauriges Beispiel seiner Doppelzüngigkeit zum Besten gaben. Für die europäischen Imperialisten, die sich bis zum Ende auffallend zurück mit Kritik an Ben Ali hielten, hatte sich der nun Ex-Diktator mit einer Liberalisierung der Wirtschaft sehr beliebt gemacht. Deshalb würde es ihnen auch zusagen, wenn die tunesische Bourgeoisie es schaffte, das Ruder an sich zu reißen. Ein Machtvakuum muss geschlossen werden. Nach der Flucht von Ex-Diktator Ben Ali ins saudische Exil hatte zunächst Ministerpräsident Mohamed Ghannouchi am Freitag die Amtsgeschäfte übernommen. Am Samstag ernannte der Verfassungsrat nun den 77-jährigen Foued Mbazaa zum Interims-Präsidenten. Neuwahlen wurden ausgerufen. Merkel, Sarkozy und Obama mahnen zur Vernunft und Gewaltlosigkeit. Das Land ist immer noch in Aufruhr. Die verhasste Polizei schießt und wütet weiterhin. Die Soldaten, die sich gestern mit Demonstranten verbrüdert hatten, nahmen am Nachmittag des 15.01 Hunderte Elite-Polizisten des früheren Präsidenten fest, die auf wehrlose Demonstranten geschossen hatten.

In Tunesien ist ein revolutionärer Prozess im Gange, in dem die Avantgarde nicht islamistischen Kräften angehört. Es sind arbeitlose junge Akademiker, Rechtsanwälte, und Arbeiter in den Industrie- und Bergbauzentren, die einen Generalstreik von zwei Stunden am 14.01 ausübten und den Aufstand tragen. Dieser Prozess, der von den Massen der ganzen Region aufmerksam verfolgt wird, wird enorme Auswirkungen im ganzem nahem Osten und Nordafrika haben.
Dort haben sich mit der Unterstützung aller imperialistischen Länder, autokratische Regimes eingenistet, die den Massen Armut, Elend und Ausbeutung aufzwingen. Jetzt zittern sie.

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Massen immer weniger bereit sind, sich mit Versprechungen und Almosen abspeisen zu lassen. In Jordanien demonstrierten am Freitag mehrere tausend Menschen gegen die Regierung, obwohl die Regierung in dieser Woche nach einer ersten Protestwelle ein Maßnahmenpaket beschlossen hatte, durch das die Preissteigerungen der vergangenen Monate abgemildert werden sollten. Sie forderten den Rücktritt der Regierung von Ministerpräsident Samir Rifai. Die korrupten proimperialistischen Regierungen der Region fürchten nun die Ansteckung. In der bürgerlichen Presse fragt man sich besorgt: Wann stürzt der nächste Präsident der arabischen Welt? (ARD).

Die Ereignisse in Tunesien und eine mögliche Destabilisierung Nordafrikas und dem Nahem Osten werden auch enorme Auswirkungen auf die zig Tausenden von TunesierInnen und MaghrebinerInnen, die in den imperialistischen Zentren
allen voran Frankreich aber auch im übrigen Europa, leben. Die sozialen Unruhen und spontanen Proteste der vergangenen Wochen beunruhigen nun auch die Machthaber Europas. So weigerte sich der französische Staatschef Sarkozy aus Angst vor Unruhen im eigenen Land, dem Ex-Diktator Exil zu gewähren. Am vergangenen Dienstag bot die französische Außenministerin Michèle Alliot-Marie in der Nationalversammlung in Paris, Tunesien (und Algerien)‚
polizeiliches Know-How’ an. Dadurch könnte es den - in ihren Augen überforderten - Polizeien beider Länder erlaubt sein, „sowohl die Sicherheit als auch das Demonstrationsrecht zu gewährleisten“. Die USA und EU riefen zu
friedlicher Entwicklung (sic!) in Tunesien auf. Doch nun haben sie schwer zu schlucken. Wir feiern heute die Rebellion des tunesischen Volkes.

Nun rufen wir:

  • *Es lebe die tunesische Revolution!*

  • *Nieder mit allen Autokraten des Maghreb und Nahen Osten!*

  • *Für eine sozialistische Föderation des Maghrebs und dem Nahen Osten!*
     

In den vergangenen Monaten sind viele arabische Staaten von Unruhen
erschüttert worden:
  • Im Dezember griffen Polizisten in Kuwait Akademiker und Parlamentarier an.
  • In der jordanischen Stadt Maan rumort es, seitdem dort drei Arbeiter ermordet wurden. Die Bevölkerung bezichtigt staatliche Sicherheitskräfte, in den Fall verwickelt zu sein, bei Protesten wurden Regierungsgebäude in Brand gesteckt.
  • In anderen Städten Jordaniens kam es wiederholt zu Protesten wegen der steigenden Lebensmittelpreise.
  • In Saudi-Arabien demonstrierten am vergangenen Wochenende 250 ausgebildete Lehrer gegen ihre schlechten beruflichen Aussichten.
  • Libyen und Marokko versuchten jüngst, dem Volkszorn über Preissteigerungen die Spitze zu nehmen, indem sie Sonderrabatte gewährten. So sollten Demonstrationen verhindert werden. (Quelle: Spiegel Online)

Editorische Anmerkungen

Wir erhielten den Artikel vom Autor.