Wenn Milchbauern und Erwerbslose zusammen auf die Straße gehen
Eine Erwiderung auf den Artikel „Krach schlagen“ von Peter Djordjevic

von
Peter Nowak

01/11

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Am 22. Januar beteiligten sich Erwerbslose mit einen eigenen Block an einer Demonstration für gesunde Ernährung teilnehmen und wollen dem im Zuge des Dioxin-Skandals vermittelten Bild des „geizigen Verbrauchers den klammen Verbraucher entgegensetzen. Sie stoßen auf eine Mauer des Schweigens auch in durchaus kritischen Medien, wie Taz und Freitag. Die Angst scheint so groß vor diesen kleinen Ernährungskampf, dass er aus dem Medien herausgehalten werden muss. Denn es ist klar, hier rufen nicht einige romantische Gymnasiasten "Bioprodukte für Alle" und gehen Containern. Hier kommen klamme Michhändler und klamme Verbraucher zusammen und durchkreuzen den Diskurs von den unterschiedlichen Statusgruppen mit den so unterschiedlichen Interessen, die gar nicht zusammen kommen können.

Diese verbreitete Darstellung stellt auch Peter Djordjevic in seiner Polemik nicht infrage, wenn er schreibt:
„Die Interessenlage des Bauern liegt auch woanders als die des HartzIV Empfängers oder die des Proletariers. Der Bauer will das seine Scholle frei von Schulden ist und er will Großbauer werden, umso größer umso besser. Die Konkurrenz treibt ihn dazu. Es gibt hier keinen freien Willen.“  Mit dem Bild vom Bauern auf seiner Scholle erfasst er eben nicht die Rolle der heutigen Landwirtwirtschaft. Da sind die Aktivisten vom „Krach schlagen Block“  näher an der kapitalistischen Wirklichkeit.

Wie kommen Erwerbslose auf die Idee, Krach zu schlagen auf einer Demo von Umwelt-, Landbau- und Bioaktivisten?
Die Antwort ist einfach. „Höhere Regelleistungen und Einkommen sind nötig, damit sich Millionen Menschen faire, gentechnikfreie Produkte aus regionaler Landwirtschaft wieder leisten können.“

Milch, Macht, Mindesteinkommen

Das Engagement von Erwerbslosen für ausreichende und gesunde Ernährung hat eine Vorgeschichte. Am 29.Mai 2010 hatten Aktivisten der Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg, des Bundes Deutscher Milchvielhalter und der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di  erstmals zu einer gemeinsamen Kundgebung in die Oldenburger Innenstadt aufgerufen. Die Zahl der Teilnehmenden hielt sich mit knapp 150 Menschen in Grenzen. Doch die Organisatoren waren sehr zufrieden. Noch lange nach Abschluss der eigentlichen Kundgebung diskutierten Menschen zusammen, die sich sonst wohl kaum getroffen hätten“, berichteten Beteiligte im Internet. Schließlich diskutierten Gruppen zusammen, die in der öffentlichen Diskussion als Kontrahenten mit gegensätzlichen Interessen betrachtet werden. Nach dieser Logik müssten die Bauern für höhere Verkaufspreise, die Erwerbslose und Niedrigverdiener für möglichst günstige Preise auf die Straße gehen und diese beiden Forderungen schließen sich aus. Doch in Oldenburg benannten die Aktivisten der unterschiedlichen Gruppen die Profitlogik des Kapitals als gemeinsame Ursache für die Verarmung von landwirtschaftlichen Produzenten, Erwerbslosen und prekär Beschäftigten. So hätten die Discounter in den vergangenen Jahrzehnten eine Marktmacht entwickelt, die ihnen erlaubt, den Zugang der Waren zum Käufer zu kontrollieren. Doch sie setzen nicht allein die Ladenpreise und Hungerlöhne der bei ihnen Beschäftigten fest. Zugleich bestimmen sie den Preis, den die Erzeuger für ihre Produkte erhalten, die immer mehr und billiger produzieren müssen, um überhaupt noch über die Runden zu kommen. Die Beteiligten verabredeten, sich künftig gegenseitig zu unterstützen. Wie Erwerbslose und Discounterbeschäftigte die Forderungen der Milchbauern vertraten, so beteiligten diese sich an einer bundesweiten Erwerbslosendemonstration von knapp 3000 Menschen am 10. Oktober letzten Jahres in Oldenburg. Ähnlich wie bei der Kundgebung am 29 Mai war das Fazit der Organisatoren überwiegend positiv. Dabei ging es nicht in erster Linie um die Teilnehmerzahl sondern um das Kreieren eines Protestsymbols: den Kochtopf und den Löffel, um damit Krach zu schlagen. Diese leicht kopierbare Protestform wurde mittlerweile öfter angewandt, wo sich Hartz IV-Politiker in der Öffentlichkeit zeigten. Auch am kommenden Samstag dürfte der Krach-schlagen-Block nicht zu überhören sein.

Klammer statt geiziger Verbraucher

Damit senden sie ein wichtiges Signal auch an Teile des Demonstrationsspektrums. Denn längst nicht alle, die für gesunde Ernährung auf die Straße gehen, haben dabei die Situation von Hartz IV-Beziehern und Menschen mit geringen Einkommen mit im Blick. Dass zeigt sich an den Debatten nach der Aufdeckung des aktuellen Lebensmittelskandals. Dort taucht immer wieder die Figur des geizigen Verbrauches auf, der nicht viel Geld für Lebensmittel aufbringen will und deshalb Verantwortung für den Lebensmittelskandal trägt. In der Taz vom 15.01.2011 wurde unter der Überschrift „Sind die Verbraucher schuld?“ über die Verantwortung für das Dioxin in den Futtermitteln diskutiert. Für die Köchin in einem Nobelrestaurant Carmen Krüger war die Schuldfrage klar: „Der Kunde von heute ist ein Geizhals. Und dem wollen die Immer-noch-billiger-Anbieter gefallen. Ohne Rücksicht auf Verluste.“ Menschen mit wenig Einkommen kommen in ihrem Weltbild sowenig vor wie in ihrem Restaurant.

Der Stuttgarter Physiker Thorsten Schober schreibt spöttisch: „Wer immer sofort mit dem Argument des mangelnden Einkommens wedelt, der hat sich in den meisten Fällen noch keine Gedanken über die eigene Ernährung und den Anteil am Einkommen gemacht. Es wird in diesen Tagen oft das Szenario der vor dem teuren Bioladen verhungernden Armen gezeichnet. Sehr realistisch!“ Man sollte sich wünschen, die Schreiber solcher Zeilen würden vier Wochen ihren Speiseplan nach den finanziellen Möglichkeiten eines Hartz IV-Empfängers ausrichten. Die waren in der Taz-Umfrage gar nicht gefragt worden. Eine solche Debatte über Verbrauchermacht – und verantwortung blendet Menschen mit geringen Einkommen systematisch aus. Darauf werden die klammen Verbraucher am Samstag, den 22.1.2011 im Erwerbslosenblock hinweisen. Dass ist im Sinne einer kommunistischen Praxis im Alltag nur zu begrüßen.
 

Editorische Anmerkungen

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