Angelika-Maria Konietzko hat schon eine kleine Tasche gepackt,
in der einige wichtige Utensilien verstaut sind. Denn sie
muss im kommenden Jahr ins Gefängnis. Der Haftbefehl ist
schon ausgefertigt .Konietzko soll in Erzwingungshaft, die
bis zu 6 Monate andauern kann, weil sie einen Offenbarungseid
verweigert aber auch nicht bereit ist, die Kosten eines
Rechtsstreit von über 2200 Euro zu tragen. Sie sind bei einem
Rechtsstreit vor dem Berliner Arbeitsgerichts entstanden.,
der sich um die Bezahlung ihrer Tätigkeit als
Nachtwachenbereitschaft in einer Berliner Wohngemeinschaft für
Demenz-Kranke drehte.
Sie habe bei der Nachtschicht nur 10 Stunden vergütet
bekommen, obwohl ihr eigentlich als Nachtwache 11 Stunden
zustünden, ist Konietzko überzeugt. „Die Bewohner der
Seniorenwohngemeinschaft waren schwerst pflegebedürftig. Sie
haben eine Überwachung und Pflege rund um die Uhr benötigt“,
betont die 43jährige Bremerin, die nach einer
sozialpädagogischen Ausbildung nach Berlin kam. Sie habe
laufend Kontrollgänge machen müssen, und hätte daher keine
Pausen gehabt. Ein Pausenraum sei an der Arbeitsstätte auch
nicht vorhanden gewesen. Der Pflegedienst Hauskrankenpflege
widerspricht dieser Darstellung. „Die Senioren befanden sich
in Wohngemeinschaften und nicht in einem Heim oder einer
medizinischen Einrichtung, wo eine Pflege der Senioren rund um
die Uhr notwendig ist“.
Das Arbeitsgericht gab dem Pflegedienst in mehreren Instanzen
recht und verwies auf den Arbeitsvertrag, in dem eine
pauschale Vergütung des Nachtbereitschaftsdienstes festgelegt
ist. Zudem sei in der Stellenausschreibung eine
Arbeitsleistung von ca. drei Stunden und ein
Bereitschaftsdienst von 8 Stunden pro Nacht festgelegt. Dabei
lässt das Gericht offen, ob Konietzko tatsächlich 11 Stunden
gearbeitet hat. „Es ist nicht Aufgabe des Arbeitnehmers,
Pflegestandards selbst festzulegen“, heißt es in dem Urteil.
Dieser Satz empört die Klägerin besonders. „Hätte ich die
Pflegearbeiten nicht gemacht, hätte ich meine Arbeit enorm
vernachlässigt und hätte unter Umständen sogar wegen
fahrlässiger Tötung angeklagt werden können“, behauptet sie.
So habe zu ihren Tätigkeiten das Absaugen der Mundhöhle bei
den demenzkranken PatientInnen gehört, da sonst die Gefahr
bestanden hätte, dass diese im Schlaf ersticken. hätte die
Gefahr ersticken.
Diese Auffassung wird von verschiedenen Organisationen, die
sich mit Pflegearbeit beschäftigten bestätigt. Thomas Birk vom
Verein Selbstbestimmtes Wohnen im Alter e.V. schreibt, dass
in Demenz-Wohngemeinschaft eine durchgängige
24-Stunden-Betreuung notwendig sei. „Das bedeutet für die
Nachtstunden eine Nachtwache und keine –bereitschaft.“ Auch
Gabriele Tammen Parr von der Organisation „Pflege in Not“
bekräftigt, dass ein nächtlicher Bereitschaftsdienst in einer
Demenz-WG nicht nur völlig unzureichend ist sondern auch grob
fahrlässig sein kann. Auch Kathrin Ruttloff vom
Anbieterverband qualitätsorientierter
Gesundheitspflegeeinrichtungen betont, dass in einer
Demenz-Wohngemeinschaften „die Anwesenheit einer Nachtwache im
Sinne der Sicherheit der Bewohner erforderlich ist.“
Die Stellungnahmen sind vom Arbeitsgericht allerdings nicht
berücksichtigt worden.
Das hat die Kampfbereitschaf von Konietzko angespornt. Ihre
Weigerung, den Offenbarungseid zu leisten, sind sie als Akt
des Widerstandes. „Dabei geht es mir nicht in erster Linie um
Lohnforderungen. Ich will d auf die Zustände im Pflegebereich
aufmerksam machen., meint die Frau. Mittlerweile hat sie
von einer Kollegin Unterstützung bekommen. Brigitte Heinisch,
die 2005 vom Pflegekonzern Vivantes gekündigt wurde, weil sie
Missstände im Pflegebereich gemeldet hatte, will ihren
ehemaligen Solidaritätskreis für sie aktiven. Heinisch hat
nicht nur den Whistleblowerpreis sondern auch eine hohe
Entschädigung erhalten, weil die durch sämtliche Instanzen in
Deutschland bestätigte Kündigung vom Europäischen Gerichtshof
für Menschenrechte aufgehoben wurde. Auch Konietzko hat schon
was erreicht. Mittlerweile hat der Pflegedienst Mitte für
seine Demenz-WG Nachtwachen statt Bereitschaftsdienste
eingeführt.
Editorische Hinweise
Wir
erhielten den
Artikel vom Autor für diese Ausgabe.