Buchbesprechung
„Rüstungsstandort an der Weser“

von Wieland von Hodenberg

01/12

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“Erfolgsgeschichten aus Bremen? Rüstungsstandort an der Weser. Produktion, Forschung und Perspektiven” lautet der Titel eines neu erschienenen, sehr informativen und aufschlussreichen Buches, das von einem breiten Herausgeberkreis kürzlich veröffentlicht wurde. Untersucht wird darin unter anderem, welche unheilvolle Rolle der Bremer Raumfahrt- und Rüstungskonzern OHB AG mit seinen Satellitenprogrammen beim Ausspähen von Angriffszielen für die Bundeswehr, sowie bei der europäischen Flüchtlingsabwehr FRONTEX spielt. Ein zusätzlich aufgenommener Beitrag von Rolf Gössner befasst sich mit dem „militärischen Heimatschutz“ und der mit aller Macht vorangetriebenen Perfektionierung eines allumfassenden Sicherheitsapparates. Daher sei diese nicht nur für „Insider“ interessante Publikation hier vorgestellt und sehr zum Lesen empfohlen.

Das Buch kommt gerade rechtzeitig, um für die zur Zeit heftig geführte bundesweite Diskussion um die Zivilklausel und die überaus problematische Einflussnahme von Bremer Rüstungsunternehmen (unter anderem OHB und Rheinmetall) auf Lehre und Forschung an der Bremer Universität und der Hochschule Bremen Informationen und Argumente zu liefern. „Wir wollen mit dem Buch ausdrücken, dass in Bremen Dinge produziert werden, die nicht dem Frieden dienen“, erklärt der verantwortliche Herausgeber Ekkehard Lentz vom Bremer Friedensforum. Pastor Martin Warnecke, Friedensbeauftragter der Bremischen Evangelischen Kirche, schreibt in seinem Grußwort, dass auch in Bremen der Krieg vorbereitet und das Töten perfektioniert werde. Ungezählte Menschen hätten durch in dieser Stadt hergestellte Produkte ihr Leben verloren.

Bremen sei eine Rüstungshochburg und im bundesweiten Vergleich im Rüstungsbereich überproportional vertreten, stellen die Autoren in dem neuen Sammelband absolut zutreffend fest. Von bundesweit 80.000 Arbeitsplätzen in der Rüstungsproduktion fielen derzeit mindestens 4000 auf Bremen; von insgesamt 16 Milliarden Euro Rüstungsproduktionswert (2010) kämen mindestens 1,15 Milliarden aus der Hansestadt. Dies seien gute sieben Prozent der gesamten deutschen Rüstungsproduktion, während in der Stadt Bremen nur 0,7 Prozent der Bevölkerung lebe. Und während die Rüstungsproduktion bundesweit 0,64 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmache, seien es hier 4,8 Prozent.

“Die Rüstungsdichte ist hier sieben Mal höher als im Bundesschnitt”, schreibt Lühr Henken vom Bundesausschuss Friedensratschlag in seinem Beitrag und nimmt die Rüstungsbetriebe Atlas Elektronik, Rheinmetall Defence Electronics, EADS Airbus, die Friedrich Lürssen Werft und die OHB AG unter die Lupe. Henken ist einer von 16 Autoren, die in dem Buch Beiträge zu den Themen Rüstungsproduktion, Rüstungsforschung und Zivilklausel verfasst haben und sich mit der Rolle Bremens im internationalen Kriegswaffen-Geschäft beschäftigen.

Kritisch betrachten die Autoren auch die staatliche Förderung entsprechender Betriebe: Das Wirtschaftsressort fördere beispielsweise das Cluster Maritime Sicherheit (MARISSA), in dem der Kampfpanzerfeuerleitanlagen- und Drohnenhersteller Rheinmetall und die Hochschule zur “Ressourcensicherung” forschten. So koordiniere und finanziere die Wirtschaftsförderung Bremen (WFB) aus Steuergeldern den Kompetenz- und Forschungsverbund “Competitive Aerial Robot Technologies (CART)”, an dem unter anderem Rheinmetall Defence beteiligt ist. Ziel der Forschung: die Optimierung unbemannter Drohnen, die in den Kriegen der Neuzeit eine zunehmende Bedeutung erhielten.

Rüstungskonversion – die Umstellung von militärischer auf zivile Produktion - war einst ein großes Thema in Bremen. „Bis 2001 gab es sogar einen Konversionsbeauftragten, jedoch scheint sich kaum noch jemand an Bremens Beteiligung an der Produktion von Kriegsgerät zu stören”, resümiert Mit-Autorin und Mit-Herausgeberin Andrea Kolling von der Bremischen Stiftung für Rüstungskonversion und Friedensforschung. Sören Böhrnsen vom Asta der Universität ruft in seinem Beitrag zur Verteidigung der Zivilklausel auf. Die Bremer Uni sei die am stärksten drittmittelfinanzierte Hochschule Deutschlands. Die Forderung müsse lauten, dass die militärischen Kooperationsprojekte umgewidmet werden. Letztlich verstoße der Rüstungsstandort Bremen gegen die Bremische Landesverfassung, denn in Artikel 65 finde sich ein klares Bekenntnis zu Frieden und Völkerverständigung.

Weitere Beiträge haben geschrieben: Rudolph Bauer, Hartmut Drewes, Volker Eick, Rolf Gössner, Heike Hey, Christoph Höhl, Andrea Kolling, Ekkehard Lentz, Sofia Leonidakis, Torsten Schlusche, Dietrich Schulze, Ralf Streibl, Wieland von Hodenberg, dazu hat das Bremer Friedensforum ein Interview mit Dr. Klaus Boehnke, Professor an der Jacobs University Bremen, geführt. Herausgeben haben das das Buch das Bremer Friedensforum, die Bremische Stiftung für Rüstungskonversion und Friedensforschung, die Fraktion DIE LINKE in der Bremischen Bürgerschaft, die Deutsche Friedensgesellschaft (DFG-VK), sowie die Abrüstungsinitiative Bremer Kirchengemeinden und der AStA der Universität Bremen.

Das Buch ist zu beziehen beim Bremer Friedensforum, Villa Ichon, Goetheplatz 4, 28203 Bremen.
Bei Bestellung per E-Mail: info@bremerfriedensforum.de  oder durch Einzahlung einer Schutzgebühr von 6 EUR (+ 1 EUR Porto) auf das Konto: Ekkehard Lentz, Postbank Hannover, Konto-Nr. 123268306, BLZ 25010030 (Stichwort Rüstungsbroschüre) wird das Buch direkt zugesandt.

Weitere Informationen: www.bremerfriedensforum.de