Kommentare zum Zeitgeschehen

10 Jahre „ Hartz –Reformen“ und auf ein erfolgreiches 2014

von Manfred Müller

01-2014

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Es durfte niemanden wundern, dass Presse Funk und Fernsehen die „Hartz –Reformen“ als Erfolgsgeschichte deutscher Sozialpolitik der Nachkriegszeit abfeiern würden. Alle im Bundestag vertretenen Parteien, bis auf die PDS/LINKE, waren mit an der Entwicklung und Umsetzung dieses Projekts in verschiedenen Koalitionskombinationen beteiligt.

Eine löbliche Ausnahme im Chor der Jubilare machte die Zeitschrift der „ Stern“ .in deren Bilanz nicht nur richtig dargestellt wurde, dass durch „Fordern - Fördern und Sanktionen“ kein einziger Erwerbsloser in einen nicht vorhandenen Arbeitsplatz geprügelt worden wäre, sondern auch, dass der mäßige Rückgang der Erwerbslosigkeit nichts mit „Hartz IV“, sondern mit der Entwicklung der Konjunktur zu tun hat. Dass dabei die wahren Zahlen der Erwerbslosigkeit durch allerhand Tricks verschleiert werden, ist inzwischen nicht nur den Eingeweihten bekannt sondern wurde jüngst beim Abgang von der Leyens als Arbeits- und Sozialministerin nochmals in der Öffentlichkeit thematisiert.

Hartz IV hat die Gewerkschaften geschwächt und befördert den Abstieg der Mittelschicht

Profit entspringt der Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft. Die große Unbekannte im  Prozess der Planung des „Kostenfaktor Lohn“, sind Menschen mit ihren Bedürfnissen, welche die unangenehme Eigenschaft, haben eben nicht immer in ihrem Verhalten für die Unternehmer „planbar“ zu sein. Sie streiken gelegentlich für höheren Lohn oder die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen oder planen gar noch Schlimmeres. Die Voraussetzungen für dieses Handeln waren in der Vergangenheit Solidarität und „Organisation“, Letzteres im Regelfall vermittelt durch eine Gewerkschaft.

Zwar betonen auch Unternehmer, dass Gewerkschaften durchaus gewollt sind, aber bitteschön nicht solche, die konsequent für die Interessen ihrer Mitglieder eintreten wollten, sondern eher solche, die brav ihrer „ Co-Management“ Funktion nachkommen. Willfährige Gewerkschaftsfunktionäre und Betriebsräte, waren schon immer die besten Überbringer unangenehmer Nachrichten für Belegschaften. Seit den eher schlechten Erfahrungen für die Unternehmer mit der Rest-Unberechenbarkeit der Arbeiterklasse Ende der 60er bis Mitte der 80er Jahre ,wurde die Streikfähigkeit der Gewerkschaften in den vergangenen 30 Jahren durch eine Kombination von gesetzlichen Regelungen und unternehmenspolitischen Maßnahmen nachhaltig untergraben.

Lautete eine gewerkschaftliche Parole in der Vergangenheit: „ Ein Betrieb, eine Gewerkschaft, ein (Tarif -)Vertrag“, so sehen wir heute „einen Standort, fünf Betriebe, sieben Gewerkschaften, kein Vertrag“. (Inzwischen sind mehr als 60 % der Unternehmen ohne Tarifvertrag).

In den vergangenen acht Jahren entstand zudem ein Niedriglohnsektor mit einem Millionenheer von Mini,-Midi,- Jobbern und „ Aufstockern“, den modernen „ working-poors“ , den „Armen durch Arbeit“.

Die Folgen für die „Mittelschicht“, d.h. für Erwerbstätige mit durchschnittlichem und höherem Einkommen sind einschneidend. Es ist nicht nur so, dass die Lohnsteigerungen der vergangenen zehn Jahre kaum die Inflationsrate, sowie die Produktivitätssteigerung hätten ausgleichen können, nein, es setzte bis zum Jahre 2011 eine „negative Lohndrift“ ein, d.h. die Reallöhne sanken.

Das „ System Hartz IV“ hat die Sprengkraft von Massenerwerbslosigkeit gedämpft

Die Existenz eines Heers von Erwerbslosen trägt zur allseitigen Disziplinierung der Erwerbstätigen bei. Heute entlassen zu werden, bedeutet, nach einem Jahr Erwerbslosigkeit auf Sozialhilfeniveau gesenkt zu werden. Unter der Androhung Existenz vernichtender Sanktionen wird man gezwungen jede Arbeit anzunehmen. Der Diplom Völkerrechtler muss im Zweifelsfall am Toilettenkonzept des Maßnahmeträgers XYZ für brachliegende U-Bahn Klos teilnehmen.

Der Beitrag des Ex-Kanzlers Schröder und Genossen in diesem Konzert lag nun darin, ihre spezifischen Erfahrungen in Bezug auf die sich verfestigenden Massen- und Langzeiterwerbslosigkeit einzubringen. Die Zeit von 1929-1933 vom in Deutschland war nicht nur von einer ständig steigenden Erwerbslosigkeit gekennzeichnet, sondern auch von ständig wachsenden Wahlergebnissen für die KPD. Diese Partei galt in der Endphase der Weimarer Republik als Partei der Erwerbslosen. Ihr Agitationsfeld waren die sich wöchentlich versammelnden Menschenschlangen vor den „Stempelstellen“.

Ein Merkmal des „Systems Hartz IV“ ist die Individualisierung und Isolierung der Langzeiterwerbslosen. Situationen, der Solidarität und der Gegenwehr, sind heute fast nicht mehr möglich. „Hartz IV“ macht nicht nur einsam, sondern auch zunehmend wehrlos.

Von den „Mühen der Ebene“ und den dicken Brettern, die zu bohren sind …

Das Heer der Erwerbslosen ist heute weder massenhaft organisierbar, noch mobilisierbar.

Darüber sollte uns auch nicht der jüngste Erfolg der Petition von Inge Hannemann hinwegtäuschen. Hier wurde zwar ein wichtiges politisches Signal gegen die Sanktionspraxis gesetzt, aber aus dem Jubel wird schnell Enttäuschung, wenn der „ Bitte“ (= Petition) der 90.000 nicht entsprochen wird. Virtuelle Anklickdemokratie ersetzt eben nicht die Mobilisierung vor Ort, sondern kann sie allenfalls unterstützen.

Nach wie vor durchschreiten wir die Mühen der Ebenen. Nach wie vor gilt es, aktive Kerne von Erwerbslosen vor Ort zu organisieren und mit EinzelkämpferInnen zu vernetzen. Alle auftretenden Missstände wie die „ Kosten der Unterkunft, Verdrängung“ Jobcenter-Schikanen, zu skandalisieren, über das „System Hartz IV „ aufzuklären und auch kleinere, lieber noch größere Aktionen durchzuführen.

Das Packeis bricht zuerst am Rand

Dabei gilt es vor Ort und überall neue Bündnisse zu knüpfen. Heute noch marginale Gegenwehraktionen, oft im Bereich der -vorwiegend weiblich geprägten- „ prekären“ Beschäftigungen müssen genauso unterstützt werden, wie die studentisch geprägten Aktionen gegen Wohnungsnot und Verdrängung in einigen großen Städten. Auf der „ Ebene der Politik“ bietet sich nach wie vor DIE LINKE als einzige, wenngleich schwierige und komplizierte Bündnispartnerin an. Ob die große Koalition zur Lähmung jeglichen politischen Fortschritt führt ist noch nicht bewiesen. Die zunehmende Unzufriedenheit, nicht nur von Mitgliedern der SPD, sondern –nach Hessen- auch bei den Grünen, kann zu Umgruppie-rungen nach Links führen.

In diesem Sinne auf ein kämpferisches Jahr 2014 !

Editorische Hinweise

Den Kommentar erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.