Es durfte niemanden
wundern, dass Presse Funk und Fernsehen die „Hartz
–Reformen“ als Erfolgsgeschichte deutscher
Sozialpolitik der Nachkriegszeit abfeiern würden. Alle
im Bundestag vertretenen Parteien, bis auf die
PDS/LINKE, waren mit an der Entwicklung und Umsetzung
dieses Projekts in verschiedenen
Koalitionskombinationen beteiligt.
Eine löbliche Ausnahme im Chor der
Jubilare machte die Zeitschrift der „ Stern“ .in deren Bilanz
nicht nur richtig dargestellt wurde, dass durch „Fordern -
Fördern und Sanktionen“ kein einziger Erwerbsloser in einen
nicht vorhandenen Arbeitsplatz geprügelt worden wäre, sondern
auch, dass der mäßige Rückgang der Erwerbslosigkeit nichts mit
„Hartz IV“, sondern mit der Entwicklung der Konjunktur zu tun
hat. Dass dabei die wahren Zahlen der Erwerbslosigkeit durch
allerhand Tricks verschleiert werden, ist inzwischen nicht nur
den Eingeweihten bekannt sondern wurde jüngst beim Abgang von
der Leyens als Arbeits- und Sozialministerin nochmals in der
Öffentlichkeit thematisiert.
Hartz IV hat die Gewerkschaften
geschwächt und befördert den Abstieg der Mittelschicht
Profit entspringt der Ausbeutung
menschlicher Arbeitskraft. Die große Unbekannte im
Prozess der Planung des
„Kostenfaktor Lohn“, sind Menschen mit ihren Bedürfnissen,
welche die unangenehme Eigenschaft, haben eben nicht immer in
ihrem Verhalten für die Unternehmer „planbar“ zu sein. Sie
streiken gelegentlich für höheren Lohn oder die Verbesserung
ihrer Arbeitsbedingungen oder planen gar noch Schlimmeres. Die
Voraussetzungen für dieses Handeln waren in der Vergangenheit
Solidarität und „Organisation“, Letzteres im Regelfall
vermittelt durch eine Gewerkschaft.
Zwar betonen auch Unternehmer,
dass Gewerkschaften durchaus gewollt sind, aber bitteschön nicht
solche, die konsequent für die Interessen ihrer Mitglieder
eintreten wollten, sondern eher solche, die brav ihrer „
Co-Management“ Funktion nachkommen. Willfährige
Gewerkschaftsfunktionäre und Betriebsräte, waren schon immer die
besten Überbringer unangenehmer Nachrichten für Belegschaften.
Seit den eher schlechten Erfahrungen für die Unternehmer mit der
Rest-Unberechenbarkeit der Arbeiterklasse Ende der 60er bis
Mitte der 80er Jahre ,wurde die Streikfähigkeit der
Gewerkschaften in den vergangenen 30 Jahren durch eine
Kombination von gesetzlichen Regelungen und
unternehmenspolitischen Maßnahmen nachhaltig untergraben.
Lautete eine gewerkschaftliche
Parole in der Vergangenheit: „ Ein Betrieb, eine Gewerkschaft,
ein (Tarif -)Vertrag“, so sehen wir heute „einen Standort, fünf
Betriebe, sieben Gewerkschaften, kein Vertrag“. (Inzwischen sind
mehr als 60 % der Unternehmen ohne Tarifvertrag).
In den vergangenen acht Jahren
entstand zudem ein Niedriglohnsektor mit einem Millionenheer von
Mini,-Midi,- Jobbern und „ Aufstockern“, den modernen „
working-poors“ , den „Armen durch Arbeit“.
Die Folgen für die
„Mittelschicht“, d.h. für Erwerbstätige mit durchschnittlichem
und höherem Einkommen sind einschneidend. Es ist nicht nur so,
dass die Lohnsteigerungen der vergangenen zehn Jahre kaum die
Inflationsrate, sowie die Produktivitätssteigerung hätten
ausgleichen können, nein, es setzte bis zum Jahre 2011 eine
„negative Lohndrift“ ein, d.h. die Reallöhne sanken.
Das „ System Hartz IV“ hat die
Sprengkraft von Massenerwerbslosigkeit gedämpft
Die Existenz eines Heers von
Erwerbslosen trägt zur allseitigen Disziplinierung der
Erwerbstätigen bei. Heute entlassen zu werden, bedeutet, nach
einem Jahr Erwerbslosigkeit auf Sozialhilfeniveau gesenkt zu
werden. Unter der Androhung Existenz vernichtender Sanktionen
wird man gezwungen jede Arbeit anzunehmen. Der Diplom
Völkerrechtler muss im Zweifelsfall am Toilettenkonzept des
Maßnahmeträgers XYZ für brachliegende U-Bahn Klos teilnehmen.
Der Beitrag des Ex-Kanzlers
Schröder und Genossen in diesem Konzert lag nun darin, ihre
spezifischen Erfahrungen in Bezug auf die sich verfestigenden
Massen- und Langzeiterwerbslosigkeit einzubringen. Die Zeit von
1929-1933 vom in Deutschland war nicht nur von einer ständig
steigenden Erwerbslosigkeit gekennzeichnet, sondern auch von
ständig wachsenden Wahlergebnissen für die KPD. Diese Partei
galt in der Endphase der Weimarer Republik als Partei der
Erwerbslosen. Ihr Agitationsfeld waren die sich wöchentlich
versammelnden Menschenschlangen vor den „Stempelstellen“.
Ein Merkmal des „Systems Hartz IV“
ist die Individualisierung und Isolierung der
Langzeiterwerbslosen. Situationen, der Solidarität und der
Gegenwehr, sind heute fast nicht mehr möglich. „Hartz IV“ macht
nicht nur einsam, sondern auch zunehmend wehrlos.
Von den „Mühen der Ebene“ und
den dicken Brettern, die zu bohren sind …
Das Heer der Erwerbslosen ist
heute weder massenhaft organisierbar, noch mobilisierbar.
Darüber sollte uns auch nicht der
jüngste Erfolg der Petition von Inge Hannemann hinwegtäuschen.
Hier wurde zwar ein wichtiges politisches Signal gegen die
Sanktionspraxis gesetzt, aber aus dem Jubel wird schnell
Enttäuschung, wenn der „ Bitte“ (= Petition) der 90.000
nicht entsprochen wird. Virtuelle Anklickdemokratie ersetzt eben
nicht die Mobilisierung vor Ort, sondern kann sie allenfalls
unterstützen.
Nach wie vor durchschreiten wir
die Mühen der Ebenen. Nach wie vor gilt es, aktive Kerne von
Erwerbslosen vor Ort zu organisieren und mit EinzelkämpferInnen
zu vernetzen. Alle auftretenden Missstände wie die „ Kosten der
Unterkunft, Verdrängung“ Jobcenter-Schikanen, zu skandalisieren,
über das „System Hartz IV „ aufzuklären und auch kleinere,
lieber noch größere Aktionen durchzuführen.
Das Packeis bricht zuerst am
Rand
Dabei gilt es vor Ort und überall
neue Bündnisse zu knüpfen. Heute noch marginale
Gegenwehraktionen, oft im Bereich der -vorwiegend weiblich
geprägten- „ prekären“ Beschäftigungen müssen genauso
unterstützt werden, wie die studentisch geprägten Aktionen gegen
Wohnungsnot und Verdrängung in einigen großen Städten. Auf der „
Ebene der Politik“ bietet sich nach wie vor DIE LINKE als
einzige, wenngleich schwierige und komplizierte Bündnispartnerin
an. Ob die große Koalition zur Lähmung jeglichen politischen
Fortschritt führt ist noch nicht bewiesen. Die zunehmende
Unzufriedenheit, nicht nur von Mitgliedern der SPD, sondern
–nach Hessen- auch bei den Grünen, kann zu Umgruppie-rungen nach
Links führen.
In diesem Sinne auf ein
kämpferisches Jahr 2014 !
Editorische Hinweise
Den Kommentar erhielten wir vom
Autor für diese Ausgabe.
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