Kommentare zum Zeitgeschehen

Krise des internationalen Flaggschiffes der Linken - Welche Zukunft für Venezuela ?

Von Siegfried Buttenmüller

01/2016

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Venezuela war seit 1999 das internationale Aushängeschild und Flaggschiff der Linken. Am 6 Dezember 2015 erlitt die dort seither regierende „sozialistische" Partei eine vernichtende Niederlage. Schlimmer noch, die bürgerlichen verfügen im neuen Parlament über eine Zweidrittelmehrheit und können damit die „Dekrete" des Präsidenten Maduro zurückweisen und ein Referendum zu dessen Abwahl einleiten. Die Wahlbeteiligung war mit über 74 % hoch was zeigt, daß die Menschen Venezuelas keine Perspektive in der bisherigen Politik sehen.

Wie konnte es zu einer solch totalen Niederlage des Linken Vorzeigeprojektes Venezuela kommen ?  In einem Land das über die größten Ölvorkommen der Welt verfügt und über weitere wertvolle Recourcen wie Eisenerz, Holz und Ackerland verfügt ?

Anfänglich hatte die Regierung Venezuelas nach Machtübernahme durch den rührigen Ex Offizier Hugo Chauvez hohe Popularität. Sozialreformen wurden durchgeführt die eine Verbesserung des Lebensstandards der Masse der Bevölkerung mit sich brachte. Die Gesundheitsversorgung und die Bildung wurde für die Masse der Bevölkerung ebenfalls erheblich verbessert im Vergleich zur bürgerlichen Vorgängeregierung. Im Jahre 2002 hatte Chauvez Partei einen Putsch der von Militär, Stadtpolizei, Unternehmerverbänden, Katholischer Kirche und Gewerkschaften angeführt wurde, durch Massenmobilisierungen zurückschlagen können.

Sicher sehr gut gemeint  war die Unterstützung die Venezuela für einige Länder wie Nicaragua, Kuba und weitere Staaten leistete. Neben Finanzhilfen wurde das wichtige Öl zum halben Preis verkauft.Venezuela versuchte in Lateinamerika mit der Freihandelszone ALBA (Boliviarische Allianz der Völker) ein Gegengewicht zu den Bestrebungen der USA und der EU zu gründen.

Venezuela scheiterte jedoch weil das kapitalistische Wirtschaftssystem nicht abgeschafft wurde. Man hatte sich statt dessen auf die Öleinnahmen verlassen und so lange wie möglich damit die Sozialreformen kapitalistisch finanziert. Missmanagment, Bürokratie und die schwierigen Lage der Bevölkerung und mit all dem einhergehend der  Fachkräftemangel, schränkten diese hauptsächliche Einnahmequelle jedoch ein. Der dramatische Verfall des Ölpreises in ganz wenigen Jahren von etwa 105 Dollar je Barrel auf 44 Dollar je Barrel, bedeutete das aus für die staatskapitalistische Wirtschaft Venezuelas und damit das aus für die „sozialistische" Regierung. Brauchen würde Venezuela derzeit einen Ölpreis von 118 Dollar, um staatskapitalistisch über die Runden zu kommen.

Die Regierung Venezuelas lehnte Sozialkürzungen in Worten ab.  Um das gewaltige Defizit zu decken erhöhte die Nationalbank jedoch ständig und drastisch die Geldmenge was zu Inflationsraten bis 60 % führte, also faktisch die Einkommen und Renten jährlich etwa halbierten. Zusätzlich zur Erhöhung der Geldmengen führte die Verknappung etlicher  Waren inflationstreibend, da die Regierung an Importen und auch an der Warenproduktion im Land sparte. Dies führte auch zum wieder Ansteigen der Arbeitslosigkeit auf 15 % und zur Ausweitung der ohnehin immer vorhanden gewesenen Kriminalität mit weltweit fast höchsten Mordraten, Raub usw. Die Wirtschaft Venezuelas schrumpfte zuletzt um 3 % jährlich. Zuletzt hat die Regierung Venezuelas total vor den kapitalistischen „Sachzwängen" kapituliert. Scheinbar war die Machtübergabe an die bürgerlichen Parteien alternativlos um den Abwärtstrend zu beenden. Doch auch auf privatkapitalistischer Grundlage kann Venezuela der kapitalistischen Misere nicht entkommen, wie auch auf staatskapitalistischer oder auf Basis eines Mischsystemes nicht.

Was hätte also getan werden müssen und was muß noch immer getan werden?

Der Kapitalismus ist ein Gefüge, das auf den Mechanismen Lohn, Preis und Profit beruht und die ersetzt werden müssen, wenn man den Kapitalismus ersetzen will.

Die „sozialistische" Regierung hatte daran jedoch gar nie gedacht und war auf Umverteilungen und Sozialreformen im Rahmen des kapitalistischen Systems festgelegt. So gab es zeitweilig großzügig Kredite für Kooperativen, kapitalistische Genossenschaften und „Existenzgründer", also das Kleinbürgertum. All diese Firmen konkurrierten jedoch sowohl untereinander als auch mit staatlichen Firmen und den auch vorher schon dagewesenen privaten Firmen. Die Massenkaufkraft war zwar zwischenzeitlich erhöht und so schien es eine Weile halbwegs zu funktionieren. Jedoch nur so lange der Ölpreis stieg und so lange Umverteilungen machbar waren, ohne das staatskapitalistische Wirtschaftssystem in Frage zu stellen. Wie in Jedem staatskapitalistischen Staat wurde auch in Venezuela die Staatsbürokratie zur überschweren Last, welche die Wirtschaft erdrückte und erstickte.

Das neue Bildungssystem schulte die Menschen leider nicht, wie eine sozialistische Wirtschaft und Gesellschaft funktioniert. Statt dessen verblödete es die Menschen indem es Illusionen in den „Markt" schürte und patriotisch die „Zukunft der Nation" propagierte, statt einer wirklich sozialistischen Zukunft.

Der Sozialismus ist jedoch ein System das basisdemokratisch von unten das kapitalistische Wirtschaftssystem ersetzt und kein Staatskapitalismus einer Bürokratie.  Er beruht auf den Interessen und Bedürfnissen der Verbraucher die selbst die Produktion und Verteilung der Güter basisdemokratisch organisieren und leiten.

So steht am Anfang der sozialistischen Wirtschaft die Ermittlung des Bedarfes, und zwar aller Bewohner eines Stadtteiles oder Ortes und landesweit. Der Zweite Schritt ist die Erfassung der zur Deckung dieses Bedarfes notwendigen Produktionsmittel wie Backfabriken, Agrarbetriebe, Baumaschinen, Bekleidungsindustrie, Fangflotten, Fabriken  usw. Der dritte Schritt ist der Start der sozialistischen Produktion unter Einbeziehung auch der im Kapitalismus Arbeitslosen, aller erforderlichen Fachkräfte und sonstigen Produzenten. Bürokraten und Privilegien braucht es für diese neue Art der Produktion nicht, im Gegenteil wären Sie Ursachen des Scheiterns. Geld, Löhne, Profite und Preise gibt es in diesem System nicht und auch deshalb ist es der kapitalistischen Produktion weit überlegen und ist vor allem kein Strohfeuer sondern nachhaltig. Daher gäbe es auch keine Kriminalität denn dessen Ursache ist die soziale Ungerechtigkeit, Mangel und Not. Erst auf Basis solch einer demokratischen und im Interesse aller fungierenden Wirtschaft könnte sich eine wirklich sozialistische und auch kommunistische Gesellschaft entwickeln.

Der Imperialismus, das heißt der internationale Kapitalismus, werden nicht in der Lage sein Venezuela eine gute Zukunft zu bringen. Das hat sich bereits in anderen wichtigen Ölförderländern wir Irak oder Libyen gezeigt, Länder die im totalen Chaos versinken. Die Venezuelanische Gesellschaft muß deshalb breit diskutieren wie die Zukunft ohne Staatskapitalismus und Privatkapitalismus zu gestalten ist. Aber auch international muß der Sozialismus breit auf die Tagesordnung gesetzt werden denn der Kapitalismus pfeift überall aus den letzten Löchern.  

Anlage: Verweise zu Datenquellen und dem ABC des Kommunismus

Quelle: Zusendung per Email am 22.12.2015 durch den Autor.

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