Was bedeutet es heute links zu sein?
Linke Politik heute und ihre metaphysischen Fallstricke

von Max Brym

01/2016

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Die September-Ausgabe des deutschen Wirtschaftsmagazins „Bilanz“ bringt eine Aufstellung der 500 reichsten Deutschen und einleitend kommentiert die Redaktion dazu folgendes: „Längst wecken Vermögensschätzungen keine Enteignungsphantasien mehr, sondern im Gegenteil, bei vielen Menschen den Wunsch und den Ehrgeiz, es ihnen gleichzutun oder es wenigstens zu versuchen.

Ich glaube, diese Einschätzung ist gar nicht so falsch. Es ist tatsächlich so, dass sich die reiche und besitzende Klasse in diesem und anderen Ländern nicht fundamental bedroht sieht, sondern der Meinung ist, dass sich ihr neoliberaler Diskurs, die Egomanie, die Diskussion über das neue I-Pad sozusagen, durchgesetzt hat, dass es Standard ist, dass man, wenn man Kinder hat, darauf achte, dass sie auch die richtigen Turnschuhe mit dem richtigen Label haben, zumindest ist es so in den Kinder-Bazaren Schwabing oder in der Maxvorstadt.

Ich persönlich muss sagen, in der Maxvorstadt gab es in den 70er Jahren eine sehr lebendige politische Kultur. In jeder 2. Kneipe wurde diskutiert, es hingen die verschiedensten Zentralorgane aus. Es war nicht alles nützlich, was da drin stand und der politische Diskurs war zumindest Standard. Heute, sogar vor den Hintergrund der sog. Flüchtlingsdebatte ist es meiner Erfahrung nach so, dass man als Außenseiter gilt, wenn man in Schwabing oder der Maxvorstadt eine politische Debatte oder eine Diskussion beginnt. Man gilt dann als Außenseiter, als nicht ganz normal, als jemand, der sich irgendwie mit Geschichte oder Philosophie beschäftigt. Die extreme Individualisierung der Menschen ist wahrnehmbar. Ich kann mich noch an eine Zeit erinnern, als die Menschen z. B. in der Straßenbahn noch miteinander sprachen, das ist heute selten der Fall. Jeder 2. hat etwas im Ohr, wenn man dann etwas sagt, wird signalisiert, hoppla, was willst Du denn von mir. Diese Individualisierung ist tatsächlich feststellbar und in diesen Zeiten linke Politik zu betreiben ist in der Tat schwierig, auch weil es im neoliberalen Diskurs, der mit dem Begriff „es ist alternativlos“ daherkommt, aberwitzig ist, noch in Alternativen zu denken.

Auch in Talkshows, wie von Will oder Maischberger. kommt, wenn sich Politiker mal in die Harre kommen, der Einspruch des Moderators: Aber jetzt bitte nicht. Beruhigen Sie sich, wir haben hier einen Experten, einen Fachmann. Und dann kommt der Herr Professor, sagt was, und das Ganze ist alternativlos.

In Alternativen wird nicht gedacht. Das ist, denke ich, ein fundamentales Problem in der Gesellschaft, mit dem sich Linke auseinandersetzen müssen, und man muss sich auch damit auseinandersetzen, was heute eigentlich noch als Links gilt. Hier hat sich einiges verschoben. Ich bin selber Mitglied der Linken. Sahra Wagenknecht z.B. gilt als Linke, in einigen Zeitungen wird sie sogar als Ultra-Linke oder als Frontfrau der Linken bezeichnet. In ihrem Buch mit dem forschen Titel „Freiheit statt Kapitalismus“ bezieht sie sich auf die ordo-liberale Schule von Walter Eucken und bezieht sich sehr positiv auf Ludwig Erhardt. Da stellt sich schon die Frage, was ist heute noch links. Inwieweit hat sich die Linke, die doch als links gilt, in die Mitte oder nach rechts verschoben?

Das gleiche gilt für politische Gestalten wie Norbert Blüm oder Heiner Geissler. Auch sie gelten in gewissen Kommentarspalten als links. Aber das Problem ist: Sie sind nicht links, die Herrschaften haben nur einen Fehler: sie sind ein bisschen älter geworden und sie haben sich nicht verändert. Von „Die Renten sind sicher“ bis heute, zieht sich das irgendwie durch. Sie haben sich nicht bewegt. In den 80er Jahren kam niemand auf die Idee zu sagen, Heiner Geissler sei links. Heute gilt er als links, nur weil er stehengeblieben ist. Oder man nehme die Gründungsphase der Linken. Ihre Entstehung auch in Bayern. Von ganz ehrlichen und verdienstvollen Gewerkschaftern wie Klaus Ernst und Fritz Schmalzbauer, um Leute zu nennen, die man heute noch kennt. Damals hieß es. Da entsteht was ganz Neues, was wirklich Linkes. Was entstanden ist, ist folgendes. Aber diese Leute sind Sozialdemokraten geblieben. Also das geblieben, wo sie in den 70er und 80er Jahren waren. Die kamen mit der Agenda 2010 nicht mit..

Nun aber gelten sie als Linke und z.T. als radikal Linke, nur weil sie an traditionellen gewerkschaftlichen Positionen festhalten. Und da hat man natürlich ein Problem. Das Linke selber ist so ziemlich in die Mitte der Gesellschaft gerückt, wenn ich es mit den 70er und 80er Jahren vergleiche.

Ich versuche nun mal selber zu definieren, was für mich eigentlich klassisch links ist. Dabei gehe ich traditionell vor. Es gibt ja den kategorischen Imperativ von Karl Marx (Frühschriften) Es geht darum, alle gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen der Mensch ein unterdrücktes, beleidigtes, erniedrigtes und verlassenes Wesen ist, radikal in Frage zu stellen und umzustürzen. Die Erniedrigung, Beleidigung, Verlassenheit des Menschen ist tatsächlich eine fundamentale aktuelle Weltrealität und ich denke, linke Politik, die diesen Namen verdient, darf sich nicht von dieser Marx´schen Herangehensweise oder dem Marx´schen kategorischen Imperativ verabschieden.

Was haben wir heute in der Welt? Die gegenwärtige Realität ist, dass es gegenwärtig vier Apokalyptische Reiter gibt für den gesamten Globus.

Der erste Apokalyptische Reiter, der die gesamte Menschheit bedroht, ist die fundamentale Umweltkrise, die Klimakatastrophe. Wir haben bei jeder UN Klimakonferenz die Tatsache, dass Staatschefs von Inselstaaten ausführen: „Früher hat uns das Meer mal ernährt, heute ersäuft uns das Meer.“ Einzelne Pazifikstaaten drohen aufgrund des Klimawandels einfach im Meer zu verschwinden. Außerdem gibt es eine Zunahme umweltbedingter Krankheiten. Die Pole schmelzen und wir erleben, dass die Antarktis zunehmend zum Schlachtfeld wird. So gibt es russische, US amerikanische, norwegische Ansprüche. Da tobt ein neuer Konkurrenzkampf und an diesem Beispiel sehen wir, dass das herrschende System des Kapitalismus t diese Umweltkrise nutzt, um neue Förderquellen, neue Gebiete zu erobern.

Der zweite Apokalyptische Reiter, mit dem der Globus konfrontiert ist, ist, dass von den sieben Millionen der Erdbevölkerung knapp eine Mrd. offiziell statistisch als chronisch unterernährt geführt wird, d.h. sie verhungern nicht, aber sie leiden extrem unter Kalorienmangel. So eine Zahl hat es eigentlich in der Geschichte noch nie gegeben.

Der dritte Apokalyptische Reiter ist, denke ich, die Zunahme von Massenarmut, prekären Beschäftigungen, speziell soziale Ausgrenzung auch in den Metropolen des Kapitalismus. In Deutschland sind z.B. etwas mehr als 24% der erwerbstätigen Bevölkerung im sog. Niedriglohnbereich beschäftigt, d.h. Leiharbeit. Der Niedriglohn reicht in der Regel nicht aus. Knapp die Hälfte der Hartz IV Bezieher sind heute sog. Aufstocker, d.h. sie arbeiten den ganzen Tag über und brauchen zudem noch etwas, um ihre Miete und ihr Leben halbwegs zahlen zu können etc. Wir erleben in den Metropolen des Kapitalismus auch zunehmende Verarmungstendenzen und eine Binnenspaltung dessen, was ich ganz klar die Arbeiterklasse nenne. Die Binnenspaltung kann man z.B. bei BMW oder Siemens ganz klar beobachten. Die Arbeiter werden eingeteilt in solche mit Festverträgen, in solche aus Leiharbeit und solche mit Werkverträgen. Der schlechteste ist der Werkvertrag.

Der vierte Apokalyptische Reiter, mit dem wir es zur tun haben, ist die ungeheure Zunahme von Kriegen auf dem gesamten Globus. Also das was jetzt als „Flüchtlingsproblematik“ diskutieret wird, hat ja etwas mit dem Katastrophenszenario im Nahen und Mittleren Osten zu tun und was wir in Syrien haben – ich spreche das nur thesenhaft neben der generellen Zunahme von Kriegen an – ist nichts anderes als ein Stellvertreterkrieg, der da geführt wird. Eine russisch,, iranisch, syrische Achse gegen den US Imperialismus, der nicht weiß, wie er sich zu verhalten hat. Deutschland ist da auch dabei, speziell, wenn es um Waffenexporte geht. Der Sigi Vizekanzler gibt ja dieser Tage bekannt, dass die Waffenexporten in Richtung Saudi-Arabien und Katar noch nie gekannte Höhen erreicht haben, Krieg ist ja bekanntlich ein Bombengeschäft. Für mich sind die meisten dieser Kriege darauf zurückzuführen, dass man diese Gebiete extrem ausgebeutet hat, so dass man von Seiten bestimmter Gruppen darauf kommt, nur noch das Gewehr als Subsistenzmittel zu betrachten und damit etwas zu erobern und zu catchen. Auf der anderen Seite das enge Bündnis der verschiedenen imperialistischer Staaten. Im Kongo kann man das besonders gut beobachten, hier kamen seit den 90er Jahren Millionen von Menschen ums Leben. Wieso? Im Kongo gibt es Gold, Diamanten und es werden auch immer mehr dieser seltenen Erden, die für das I-Phone 6 benötigt werden, abgebaut.

Also ich weiß nicht, ob die Fragestellung, die Rosa Luxemburg 1900 formuliert hat heute noch gilt, bzw. sich noch verschärft hat. In „Sozialismus oder Barbarei“ hieß es entweder siegt der Sozialismus oder es folgt der Untergang in die Barbarei. Und wie die Dinge sich zu entwickeln scheinen ohne Alternative, weiß ich nicht, ob die Zustände heute in der Welt noch als Barbarei durchgehen. Barbarei ist ja noch etwas, ein gewisser Zustand. Im Gegensatz zu dem Geschichtsoptimisten Karl Kautzky war sie sich nicht ganz so sicher, wie diese Geschichte ausgeht. Sie sagt nämlich entweder oder und es wäre so zu tun, als wenn mit der Entwicklung des Sozialismus die Dinge irgendwann schon regeln würden.

Und das war ja eine traditionelle Theorie um die vorletzte Jahrhundertwende herum, so zu tun, als wenn mit der Entwicklung des Kapitalismus unter der entsprechenden Reformpolitik, sich die Dinge irgendwann schon regeln würden.

Also ich glaube, Rosa Luxemburg ist jetzt mit ihrer Fragestellung absolut aktuell. Die Umweltkrise wird man natürlich nicht lösen können.

Ich mache es jetzt ganz kurz, z.B. mit VW. Nicht nur wegen ihrer Manipulationen und dieses Spiels Ich habe mir mal den letzten Geschäftsbericht angesehen. Die haben tatsächlich den Ehrgeiz, 200 Millionen Chinesen in VW Automobile zu setzen. Und das in relativ kurzer Frist. Man muss sich mal überlegen, was das für das Weltklima bedeutet. D.h. die Frage der maximalen Kapitalverwertung, der Profitmaximierung. Solange diese Prinzipien gelten, kann man mit der Klimakatastrophe nicht zurechtkommen.

Was die Hungerproblematik angeht. Ihr alle kennt wahrscheinlich die Bücher von Jean Ziegler. Der ehemalige UN Sonderbeauftragte für die UNO Welternährungsprogramme hat errechnet, dass es zweieinhalbmal so viele Lebensmittel und Kalorien gibt als die Welt verbrauchen würde, um sich zu ernähren.

Das Problem ist nur ganz aktuell, dass der kapitalistische Weizenproduzent in den USA den Weizen nicht als Gebrauchswert Brot sieht, sondern den Tauschwert Geld, und wenn der Tauschwert nicht realisiert werden kann, dann gibt es eben auch kein Brot.

Auf der anderen Seite ist es seit 2008 üblich, dass ein kluger Banker Spekulationen mit Mais und Weizen empfiehlt. Das sind jetzt absolute Handelsgüter. Die Deutsche Bank betreibt selbst Handelsflächen mit Weizen und Mais auf dem , was der örtlichen Landwirtschaft enorm zusetzt.

In diesem Sinn muss ich sagen: Linke Politik steht heute vor fundamentaleren Herausforderungen als noch 1900 und sie ist allerdings auch viel schwieriger geworden z.B. im Vergleich zu den 1970er und 1980er Jahren.

Bis Mitte der 1970er konnte man mit Reformen noch etwas Positives verbinden. Siehe Bildungsreform. Reformen galten einmal als etwas Positives, als Veränderung hin zum Positiven. Heute hat sich der Begriff Reform in sein Gegenteil verkehrt. Jeder, der das Wort hört, weiß, es ist eine Drohung, es wird etwas schlechter.

Warum wird etwas schlechter. Weil man nach dem 2. Weltkrieg eine Welle des Kapitalismus hatte. Mit der ungeheuren Zerstörung des 2. Weltkrieges gab es eine Basis für einen Wiederaufbau. Ein über Jahrzehnte dauernder Arbeitskräftemangel, speziell in Deutschland, war eine lange Welle des Kapitalismus, Ich verstehe das so. Dazu hat Ernest Mandel etwas Vernünftiges geschrieben, aber auch schon in den 1920er Jahren der russische Theoretiker Preobraschenski.

Der normale kapitalistische Krisenzyklus von Krise, Depression, Aufschwung, wie von Karl Marx beschrieben, kann nach Kriegen durch eine längere Welle des Aufschwungs verlängert werden kann. Das kam Mitte der 1970er zum Erliegen.

Weil Deutschland zum ersten Mal eine Million Arbeitslose hatte, hat Franz Joseph Strauß schon den Untergand der BRD prophezeit. Seit dieser Zeit erlebt man hauptsächlich Konterreformen. Und dann erlebt man, dass der Kapitalismus wieder normal geworden ist, und die von Marx beschriebene typische zyklische Phase im 5 bis 6 Jahre Rhythmus eintritt.

Ich denke, dass bis 1989 die Ost-West Konfrontation hat vielen Linken etwas gebracht hat, nicht nur vielen Linken, auch der Arbeiterbewegung. Deutschland war geteilt und man hatte zwei Systeme im Wettbewerb. Man denke an die Sendungen von Karl-Eduard von Schnitzler, da gab es schon Verwerfungen. Das hat in aller Regel auch gestimmt. Der Westen hat dem entgegengesetzt. Es mag schon sein, dass es in der DDR eine gewisse soziale Grundsicherung gibt, aber bei uns auch., und nebenbei gibt es bei uns auch Freiheit. Also es wird niemand verfolgt.

Und was ist jetzt passiert: 1989/90 mit dem Zusammenbruch der Konkurrenz ist das kapitalistische System alleine übrig geblieben und hatte damit keinerlei Begründung mehr, die Linie des sozialen Kompromisses beizubehalten, was wirtschaftlich sowieso schon nicht mehr angesagt war. Da ist ein Zeitschnitt passiert.

Ich war kein Anhänger des DDR-Regimes. 1989/90 war eine Niederlage für alle Strömungen der Arbeiterbewegung, die DKP war besonders deprimiert, aber auch sozialdemokratische Reformisten, wie der damalige Vorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen, Ottmar Schreiner. Solche Reformisten haben noch 1987 in einem Grundsatzpapier geschrieben, dass sie für die Vergesellschaftung der Banken und der wichtigsten Schlüsselindustrien sind und Schreiner hat das auch mal in einem Interview gesagt. Man kann das heute nicht mehr schreiben. Da ist etwas passiert. Natürlich haben auch Maoisten, schärfste Gegner des Systems etwas verloren, Trotzkyisten meinten jetzt von zu profitieren wie von der von Trotzky vorgesehenen politischen Revolution.

Sämtliche Strömungen innerhalb der Arbeiterbewegung und die Arbeiterbewegung als solche hat 1978/90 eine fundamentale Niederlage erlitten. Nichtsdestotrotz gibt es seit 2008 eine gewisse Marx-Renaissance. Spätestens seit 2008, als der damalige Bischof und jetzige Kardinal Reinhard Marx „Das Kapital“ schrieb. Ein guter PR-Trick, gut gemacht und im blauen Einband– gut gemacht -. Es ist erstaunlich, wie er anfängt: Er schreibt: „Mein lieber Namensvetter Marx. Egal, wo Sie sich befinden mögen. Ich muss zugeben, dass ich Ihnen gegenüber schwer gesündigt habe. Ich war nämlich bis vor kurzem der Meinung, dass Ihre Lehre völlig irrig ist. Damit lag ich fehl. Ihre ökonomischen Analysen haben durchaus relevanten Charakter für das Hier und Heute.“ Und dann zitiert der jetzige Kardinal seinen Namensvetter über die historische Tendenz der Akkumulation, Was die Anhäufung von Reichtum und Überfluss auf dem einen Pol der Gesellschaft und die Zunahme von Armut und Arbeitslosigkeit auf dem anderen Pol der Gesellschaft angehe, habe Karl Marx völlig Recht. Und er bringt die aktuellen Zahlen dazu. Marx´ Diagnose sei völlig richtig, aber nur in der Ökonomie. Nicht jedoch, was die Politik und den historischen Materialismus. Hier führt er die katholische Soziallehre an. Es ist schon interessant zu sehen, was eingestanden wird in Sachen ökonomischer Analyse und Tendenzen der kapitalistischen Produktion, wenn selbst ein Kardinal seinem Namensvetter Recht gibt.

2008 gab es auch den großen Crash. , Nachdem die Spekulationen mit den Immobilien zusammengebrochen waren, war „Das Kapital“ von Karl Marx - alle drei Bände - für zwei Monate wegen hoher Nachfrage nicht lieferbar. Der Dietz-Verlag war quasi Krisengewinnler. Bildungsinstitute Schulen, Manager und große Firmen suchten im „Kapital“, wie das Desaster zu erklären sei und wie man das künftig verhindern könne. Die Bourgeoisie war so verwirrt, dass sie sich selber nicht mehr auskannte, ist aber nicht zum Marxismus konvertiert. Diese Theorien praktisch umzusetzen, also tatsächlich mal eine Revolution zu machen, geht dem Bürgertum und auch den Kardinalen natürlich zu weit.

Dazu Slavoj

Ein positiver Bezug auf Lenin ist out und bringt sogar einen philosophischen Medienstar wie Slavoj Zizek dazu, sehr viele Freunde zu verlieren. Bezogen auf sein Buch „Die Revolution steht bevor: 13 Versuche über Lenin“ stellte Zizek in in einem Interview fest: Solange ich mich positiv auf Marx bezogen habe, hatte ich jede Menge Freunde, akademische Bekanntschaften etc. Aber bei meinem positiven Bezug auf Lenin, haben mir 9 von 10 die Freundschaft aufgekündigt. Lenin steht nicht nur für Analyse, sondern dafür die Theorie praktisch umzusetzen und das geht dem Bürgertum und den Kardinälen zu weit. Nichtsdestotrotz ist der Bezug auf Lenin auch in dieser Rückschau ganz nützlich und es ist auch nützlich, sich anzuschauen, was aus der Oktoberrevolution wurde, bzw. wie man es machen und nicht machen kann.

Ich denke, es hat sich über Jahrzehnte gezeigt, dass die Methodik der Planwirtschaft, der Ansatz das Wertgesetzes außer Kraft zu setzen, nach dem Bedürfnis der Gesellschaft zu produzieren, dass dieses System der Planwirtschaft auf nicht kapitalistischer Grundlage in weiten Teilen der Welt, Phänomene wie Hunger, den Analphabetismus zu beseitigen konnte und Zugang zu medizinischer Versorgung garantierte. Es gab bestimmte technische Innovationen und Wachstumsraten, z.B. in der Sowjetunion der 1930er Jahre, die die planwirtschaftliche Methode unter Beweis gestellt hat, dass sie eigentlich im Vergleich zur kapitalistischen Methode überlegen ist. Trotzdem müssen wir feststellen, dass das Ganze ein Problem hatte. Und zwar ein ganz entscheidendes Problem, dass Leo Trotzky 1936 ziemlich klar benannte. Er sagte, die sowjetische Wirtschaft wächst wesentlich schneller als die kapitalistische Wirtschaft, solange sie in die Breite produziert, also im Bereich der Schwerindustrie. Und er sagte für 1936 eine Krise voraus, wenn sozusagen die Bedürftigkeiten der Gesellschaft sich ändern und es an den Bereich der Innovationen geht.

Zusammenfassend war er der Meinung, dass dann eine bürokratisch geplante Planwirtschaft, also eine von einigen von oben ausgearbeitete Planung, die Bedürfnisse der Gesellschaft nicht mehr befriedigen kann, so dass es zu großen Verwerfungen und Widersprüchen kommt. Er kannte auch das Problem, das man auch Form im Westen kennt, z.B. stellt sich bei Organisationen wie Gewerkschaften irgendwann heraus, dass sie nicht mehr Mittel sind, um einen bestimmten Zweck zu erreichen, sondern zu einer Organisation der Sesselhocker und das wird dann zur Daseinsberechtigung schlechthin. Dieses Phänomen der Bürokratie hat man in ganz Osteuropa und das hat einen natürlichen Ausgangspunkt. Die Revolution hat stattgefunden in einem Land, das sehr arm war. Es gab das Problem der Mangelwirtschaft und in dieser Situation des Mangels muss der Mangel auch verwaltet werden.

Dazu braucht man einen Bürokraten, der die Güter verteilt. Nach gewisser Zeit und dann kommt das Problem, dass der Bürokrat, der Güterverteiler, so könnte man das übersetzen, Gefallen an seiner Position findet. Denn welcher Güterverteiler ist bei der Verteilung von Gütern schon zu kurz gekommen. Das hat was, das war der Hintereingang, der Intershop, das Privileg. Das war nicht Bourgeoisie, nicht die Kapitalistenklasse.

Das war ein bestimmtes Privileg, auch das Privileg, Menschen herumzukommandieren, wenn an Geschmack daran gefunden hat, lässt man ungern davon ab.

Bezogen auf die DDR ein paar Anmerkungen. Das Ganze hat ja dann wirklich zu schwreen Verwerfungen geführt, als es ernsthaft daran ging, innovativ zu werden. In den 80er Jahren hatte Günter Mittag, Chefplaner für die Ökonomie, einen Sekretär namens Wolfgang Vormittag. Nach einem halben Jahr wurde Vormittag relativ unbeachtet von der öffentlichen Debatte versetzt. Es hatte zu viele Witze gegeben: Am Vormittag wird etwas ausgebrütet, am Mittag entschieden, am Abend haben wir dann die Bescherung. Das Problem in der DDR war wirklich diese Art der bürokratischen Planwirtschaft; z.B. wurde in Rostock ein Fensterrahmenkombinat beschlossen und für 5 Jahre vorgegeben, wie viele Fensterrahmen zu produzieren sind. Alle anderen Fensterrahmenbetriebe wurden geschlossen.

Aberwitzig, weil man nicht genau weiß, wann in Thüringen ein Fensterrahmen kaputt geht. So etwas ist nicht planbar. Der Fensterrahmen musste dann in Rostock bestellt werden, das kann ewig dauern, ist von der Planung nicht vorgesehen, daher die Improvisation. Und viele aus der ehemaligen DDR sind auch wirkliche Improvisationskünstler.

Was in der DDR war, hat mit sozialistischer Planwirtschaft nichts zu tun. Tonnenideologie, Plankennziffer, so hat man gesagt. Je mehr Material man irgendwo hineinhaut, desto mehr Prämie gibt es. Das hat dazu geführt, dass die DDR Ende der 80er Jahre z.B. die schwersten Kerzenständer in ganz Europa produziert hat, eine verscherzte Ressourcen. Die Kennziffer war der Materialverbrauch.

Wenn man das Phänomen einer abstrakten bürokratischen Planung ausschaltet und die soziale Gleichheit im Plan mit einer Massendemokratie verbindet und man macht, was in der DDR auf den Plakaten stand: Arbeite mit, plane mit, regiere mit. Wenn so etwas einmal Realität werden würde. Daran muss man festhalten.

Ich finde Herrn Zizek immer eher witzig. Er wurde im österreichischen Fernsehen angesprochen auf die Frage wie das ist mit dem Sozialismus und eigentlich sei der Sozialismus ja gescheitetr.

Zizeks Antwort: Sie haben keine Ahnung von einer guten Hollywoodkomödie. In einer guten Hollywoodkomödie funktioniert eine Beziehung erst beim zweiten Mal. Wie kommen sie also darauf, dass es mit dem Sozialismus schon beim ersten Mal klappen würde. Man muss das sozusagen noch mal neu probieren, weil wir heute im Gegensatz zu 1917 sogar einen Vorteil haben.

Lenin und Trotzky sind da in absolutes Neuland eingesprungen. Heute weiß man schon, nach über 70 Jahren was richtig und was falsch war. Eigentlich ist für die Machbarkeit eines anderen Systems heute viel mehr an Kenntnissen vorhanden als 1917. Der Vergleich mit der Hollywood Komödie ist also gut, man sollte es noch einmal versuchen, und im Kopf behalten, was damals danebenging und was nicht.

Zurück zum Kapitalismus wie er sich heute präsentiert. Noch mal zum Wirtschaftssystem „Bilanz“ über die 500 reichsten Deutschen: Insgesamt erhöhten sich die Aktiva der reichsten Deutschen um 12,6%, auf nie da gewesene 665,2 Mrd. Euro, dies entspricht dem BIP der Niederlande. Dann bedroht uns angeblich der Flüchtling und es wird um ein paar Mrd. gestritten, die die angeblich kosten würden.

Ich glaube, man muss sich in diese Debatte einbringen, ein paar linke Argumente einfließen lassen und von linker Seite kann nur greifen, wenn dieser Angriff auch antikapitalistisch ist. Also wenn die soziale Frage thematisiert wird und sagt nur haben letztendlich die gleichen Interessen, wenn es dann wirklich etwas kosten sollte, sollte man einfach dazu übergehen zu sagen, man müsste die Verursacher von Flucht und Armut finanziell heranziehen.

Die ganze deutsche in speziell hier in München beheimatete Waffenindustrie sollte mal etwas abgeben. Dan man es mal verbindet, dass man sagt, hier Antikapitalismus, Arbeit, Bildung und Wohnung für alle. Das ist nur möglich, indem man das System attackiert und es letztlich überwindet. Ich denke, dass die von Marx aufgeführten Widersprüche zwischen gesellschaftlicher Produktion und privatkapitalistischer Aneignung nach wie vor entscheidend sind.

Das zeigen nicht nur solche Zahlen, das zeigt auch mein Besuch jedes Jahr bei der Siemens-Hauptversammlung hier in München. Ich bin kein Aktionär, habe Presseausweis. Es ist spannend ein Wochenende bei so was zu verbringen. Neben dem guten Buffet kriegt man so mit, dass die Herrschaften einen halben Tage lang die Frage diskutieren, wo schrauben wir die Produktion ein bisschen zurück etc. Den Rest der Zeit, eineinhalb Tage wird das Hauptproblem gewälzt, die 2 oder 3 Mrd. Überschuss. Die Herrschaften wissen einfach nicht, was sie damit, mit diesen Unmengen an Geld, anfangen sollen. Und dann kommen dann so Büttenredner und reden von Staatsanleihen etc. Die Problemlage ist, hier existiert zu viel Geld.

Und woher kommt das zu viel an Geld. Es ist ja nicht einfach da, wird nicht einfach gedruckt, sondern ist Ausdruck von Wertschöpfung und Siemens ist ein hochorganisiertes Unternehmen, wo der Produktionsprozess hier anfängt, in aller Regel multinational abläuft und am Schluss ein Endprodukt steht, das ein gesellschaftliches Produkt ist. Aber die Aneignung bleibt weiterhin privat.

Und die privaten Aneigner haben das Problem, was mache ich mit dem zu viel vorhandenen Geld. Kein Mensch kommt auf die Idee, man könnte mal die Arbeitszeit verkürzen, die Intensität der Arbeit mindern. Die Leiharbeit und Werksarbeit in normale Arbeitsverhältnisse umwandeln.

Es zeigt sich auch der Widerspruch zwischen der Organisation der Produktion in der einzelnen Fabrik und der Anarchie auf dem Markt. Klassische Wiederholung: der kapitalistische Unternehmer versucht so viel und so günstig wie möglich zu produzieren.

Die Löhne werden gedrückt, die Intensität gesteigert und dann hat man das Problem, dass zu viele Waren auf dem Markt sind und die Leute das Produzierte nicht mehr kaufen. Das ist dann die berühmte kapitalistische Krise, eine neue Form der Krise im Gegensatz zum Mittelalter (Pest und Epidemie) oder der Probleme der Unterproduktion im Osten, der nicht vollzogenen Möglichkeit, Bedürfnisse zu befriedigen.

Hier hat man die Krise. Die Leute werden arm, weil es scheinbar zu viel gibt, will die Gesellschaft scheinbar zu reich ist. auch das Problem des tendenziellen Falls der Profitrate.

Ich versuche es einfach zu erklären. Vor 4 Jahren machte eine Firma in Ergoldsbach in der Nähe von Landshut pleite, nachdem sie 10 Jahre zuvor noch abgefeiert wurden. Es gab etwas Innovatives. Ein Getränkehersteller hatte eine Maschine installiert, die statt 10000 nun 20000 Flaschen pro Stunde abfüllen konnte. Das wurde als Innovation gefeiert. Eine Zeitlang hat das funktioniert, aber die Konkurrenten haben nachgezogen. Die Leute können sich nicht kaputt saufen und damit hat man einen großen Anteil an konstantem Kapital. Das ja nur Wert überträgt und damit hat man dann ein Problem, die Pleite..

Zu einigen Fallstricken linker Politik heute.

Ich denke, linke Politik heute darf sich nicht auf partikulare Sichtweisen der Probleme beschränken, sondern linke Politik muss eine Gesamtschau der Dinge, also ein Programm entwickeln. Wir haben nämlich das Phänomen, dass viele Leute, die sich als links definieren, sich z.B. nur in der Frauenbewegung engagieren, für die Emanzipation der Frau engagieren und es wurde dadurch auch relativ viel erreicht.

Ich kann mich auch an Zeiten erinnern, wo der Mann mitzubestimmen hatte, wenn die Frau einen Arbeitsplatz antreten oder kündigen wollte. Es gab in Bayern auch noch den Kuppler- Paragraf, d.h. man durfte niemand mit aus Zimmer nehmen in einer Studentenwohnung. Hier wurde viel erreicht. Nur sollte man berücksichtigen, dass wenn man kein antikapitalistisches Gesamtkonzept hat, solche Teilkämpfe, so gerechtfertigt sie auch vom Ausgangspunkt her sein mögen, am Schluss von der herrschenden Klasse integriert und verdreht werden.

D.h. das Thema Frauenemanzipation ist heute ein Thema des Bürgertums, substanzlos und auf die Frage reduziert, wie Frauen bitte mit etwas Mode zu tun ins Management gelangen.

Viele Teilaspekte der sexuellen Revolution der weiblichen Bevölkerung wurden integriert, aber das Wichtigste ist nicht thematisiert worden, dass Frauen immer noch nur etwas über 70% dessen verdienen, was Männer verdienen.

Man sollte achten, mit was für einen Feminismus man es zu tun hat. Bürgerlicher Feminismus dreht sich um die Frau im Management, als Kanzlerin oder Ministerin, beim kleinbürgerlichen Feminismus geht es meist um einfache Männerfeindlichkeit schlechthin oder geht es wie beim sozialistischen Feminismus darum, dass die Befreiung der Arbeiterschaft nicht gelingen kann ohne die Befreiung der Frau. Ohne Gesamtschau auf die Dinge kommt man nicht zu einer solchen Differenzierung.

Eine ähnliche Debatte könnte auch zum Thema Homophobie geführt werden. Auch da wurde unwahrscheinlich viel erreicht. Das Thema der Homosexualität ist kein Straftatbestend mehr. Das ist ein Fortschritt. In den 1970er Jahren war es undenkbar, dass ein Homosexueller Bürgermeister von Berlin oder Außenminister werden würde.

Aber das sind Teilbereiche der Gesellschaft, Teilveränderungen, von denen nicht erwartet werden kann, dass die vier Apokalyptischen Reiter dadurch besiegt werden können.

Wir haben es mit vielen Absurditäten zu tun. So bin ich einmal 4 Stunden lang dafür kritisiert worden, dass ich den Begriff Arbeiterklasse verwendet habe.

Aktuelle metaphysische Fallstricke der Politik.

Es gibt bei einigen diese Methodik im politischen Diskurs: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Man hat das in den 90er Jahren erlebt. Ich war immer gegen die Nato-Intervention gegen Jugoslawien, habe mich aber nie dazu verleiten lassen, Milosevic schönzureden; es gab aber Leute und Strömungen, sogar sog. linke Theoretiker, die Milosevic nach dem obigen Schema noch einen Sozialisten nannten. Also: Jugoslawien ist gegen Imperialismus, Milosevic ist Sozialist, jeder der dieses Schema kritisiert, ist ein Feind.

Es gab tatsächlich nationale Konflikte in Jugoslawien, die auch ihre Ursachen hatten, nicht unwesentlich in Milosevics Politik. Man hat vergessen, dass er 1988 vom Handelsblatt bezüglich seiner Wirtschaftsreform gelobt wurde, Der sozialistische Banker aus Serbien, das sollte sich Gorbatschow näher ansehen, der will gerade das Grubenkapital in eine staatliche Aktiengesellschaft umwandeln als Vorbereitung zur Privatisierung, d.h. 25% Arbeiteranteil, Anteil von bestimmten Betriebsdirektoren und Privilegierten, ausländischen Investoren und der Rest Staatsanteile. Er wurde als vorbildlich angegeben. Das hat man plötzlich vergessen, als der Imperialismus mit seinem Hoffnungsträger Probleme hatte. Er galt nun wieder als Sozialist.

Manche verstiegen sich zur Rechtfertigung von Saddam Hussein, Wiese, natürlich war ich 2003 gegen den Krieg. Das Fall erinnert an das Problem der Kampfhundbesitzer. Der Hund bekommt immer noch mehr Medikamente und Spritzen, wird immer aggressiver, verliert schließlich völlig den Verstand und fällt seinen eigenen Herrn an. Das war auch der Fall bei Saddam Hussein. Im ersten Golfkrieg gegen den Iran galt er als Freund des Westens. Man hat ihn massiv gefüttert, dann plötzlich reißt sich der Gefütterte von der Leine und man muss den Kampfhund schließlich erschießen. Ähnlich läuft es auch jetzt mit dem IS ab. Diese Bilder vom Treffen des jetzigen Kalifen mit McCain in der Türkei.

Man hat sie auch von den USA und vom türkischen Staat aus gesponsert und jetzt tun sie nicht mehr, was ihnen befohlen wird. Dann muss man sie erschießen. Hier darf man sich auf keine Seite schlagen. Man braucht einen internationalistischen Standpunkt, der sich klar mit progressiven Bewegungen identifiziert. Und natürlich steht der Hauptgegner immer im eigenen Land.

Es gibt ja diese These von Liebknecht aber international gibt es jetzt auch nicht Putin oder arabische Regime als Vorbild. Wir haben im Wesentlichen reaktionäre Tendenzen auf der Welt.

Was die Bewusstseinslage angeht, so ist das Flüchtlingsproblem nicht zu verharmlosen.

Wien Wahlen, FPÖ bezeichnet sich in Oberösterreich stolz als Arbeiterpartei, Die Grünen als Partei der Akademiker weisen stolz auf ihre Stimmen aus dem studentischen und akademischen Milieu hin aus dem Bereich der neuen Selbständigen oder des neuen Kleinbürgertums. Die Quintessenz dieser Feststellung zeigt sich auf ihrer Website: Wir sind die Partei der Gescheiten, die anderen sind die Idioten, d.h. der Arbeiter wird praktisch zum Idioten erklärt, weil sie auf die Demagogie der FPÖ hereinfallen..

Antirassismus kann nicht ohne Antikapitalismus funktionieren. Es gibt reale gesellschaftliche Probleme, wie Arbeit, Wohnung etc. und dazu muss man eine linke Alternative haben

Der Antirassismus wird nicht zu halten sein, wenn man nur mit der Empathie der Menschen spielt. Empathie funktioniert nicht, sondern man braucht eine antikapitalistische und politisch soziologische Antwort. Antirassismus ist die politisch soziologische Antwort auf die Krise des gegebenen kapitalistischen Weltsystems.

Weiteres Problem: Sonderbare Figuren wie Jürgen Elsässer, der Renegat wurde. Er propagiert seit 2009 ein Querformat von Lafontaine bis Gauweiler. Mittlerweile ist das noch leichter über die AfD bis zu den bürgerlichen Zivilisten und Zusammenarbeit mit Pegida.

Aber Querfront heißt, dass es tatsächlich immer wieder Elemente von rechts her gibt. Querfront bedeutet, Leute von links nach rechts zu ziehen, und das verläuft vermittels falscher verkürzter kapitalistischer Kritik.

Phänomen der neuen Friedensbewegung, Auseinandersetzung, Website Freiheit

Für die Katastrophen der letzten 100 Jahre was der US amerikanische Fed verantwortlich. Wieso? Was ist mit IG Farben, der Deutschen Bank und einem Bild von Baron Rothschild (mittlerweile entfernt). Was hier suggeriert wird ist: Die Spekulanten, die Katastrophenverursachen sitzen in den USA.

Der Rechte Ken F. Jepsen sagt das, das ist der Antisemit.

Unzählige Videos. „Ihnen ist klar, wer den Holocaust als PR erfunden hat.“ Die Israelis sind ein Volk ohne Raum, eine Herrenrasse, es ist kein Zufall, dass der Mossad sich mit 2 S schreibt. All diese Einlassungen sind eine Entlastung des deutschen Faschismus, wie es schlimmer kaum noch geht und es ist wirklicher Antisemitismus, der hier betrieben wird.

Und dann sagen manche, man brauche eine möglichst breite und umfassende Friedensbewegung. Meine These ist: wir brauchen keine breite, umfassende, sondern eine breite linke Bewegung, aber keine Querfront mit Leuten, die von rechts kommen. Die irgendwelche Sänger einladen wie Naidoo aus Mannheim mit Textpassagen „Der Rothschild….

Das Gericht in Deutschland hat geurteilt, man darf diese Textpassage als antisemitisch benennen, aber nicht das Gesamtkunstwerk. Es gibt hier eine Querfrontstrategie von rechts her und einen latenten und z.T. auch offenen Antisemitismus. Eine linke Friedensbewegung muss sich davon distanzieren.

In München gibt es diese sonderbare Stürzenberger Partei „Die Freiheit“ gegen den Islam. Viele Linke sind da plötzlich hingegangen und haben versucht, sich positiv auf den Islam zu beziehen, d.h. sich auf das Spiel einzulassen, dass der Stürzenberger gemacht hat.

Über den Islam und seine Verbrechen auf der Straße zu diskutieren bis hin zu mittelalterlichen Kreuzzügen und Linke haben dann quasi als Hobbytheologen dagegen zu argumentieren. Einen solchen Diskurs braucht man auf der Straße nicht. Religion ist eine zu respektierende Privatsache.

Als Linker kann man Religion akzeptieren, aber man sollte auch immer Gegner der Religion bleiben, denn Religion ist nichts anderes als der Seufzer der bedrängten Kreatur, der Geist geistloser Zustände, das Opium des Volkes. Und dann entdecken Linke plötzlich positive Aspekte im Islam, was soll das?

Ich bin zufälligerweise Jude, man kann nichts dafür und braucht sich auch nichts darauf einzubilden. Natürlich kritisiere ich auch das Judentum, Christentum und Islam. Was wir benötigen ist ein umfassendes Politikkonzept, das jetzt nicht so auszusehen hat wie bei bestimmten Marxisten, die so vorgehen. Ich kenne auch die dialektische Beziehung, warum sich das herausgebildet hat.

Es taucht ein Problem auf, das sie nicht ganz verstehen, dann gehen sie zum Bücherregal mit den 40 Bänden Marx, Lenin, Stalin und suchen das passende Zitat und die passende Antwort heraus und dann ist das Problem beantwortet.. So einfach geht das nicht, sondern linke Politik muss sich marxistischer Methodik befleißigen, Dinge um ihrer selbst willen analysieren und von gesellschaftlichen Widersprüchen ausgehen, von Klassen, Entwicklungsgesetzen, Differenzen und Widersprüchen. Das aktuelle Problem ist.

Früher hieß es: Mir geht’s ja gut, was willst Du, geh doch nach drüben in die DDR, wenn Du was auszusetzen hast: Das hat sich geändert. Heute hat man sehr viel Zustimmung, wenn es um Missstände in der Gesellschaft, in Betrieben etc. geht. Im Gegensatz zu den 70er und 80er Jahren hört man dann: Du hast recht, aber wie willst Du das ändern?

Editorischer Hinweis

Den Text erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe. Es handelt sich dabei um die Rede, die von Max Brym auf der Konferenz WAS IST „LINKS“ HEUTE? am 10.10.2015 in München gehalten hat. Die Konferenz wurde veranstaltet vom Verein für dialektische Philosophie, Herausgeber der Zeitschrift Widerspruch.