Betrieb & Gewerkschaft
Amazon
Die unendliche Geschichte

von  Susanne Kühn

01/2016

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Alle Jahre wieder kommt nicht nur das Christkind. Auch bei Amazon wird kurz vor Weihnachten gestreikt. Schon Am Beginn des Monats hat die Gewerkschaft ver.di die Beschäftigten von Amazon in Bad Hersfeld (Hessen), Leipzig (Sachsen), Koblenz (Rheinland-Pfalz), Graben (Bayern), Rheinberg und Werne (Nordrhein-Westfalen) zum Streik aufgerufen. Im polnischen Wrozlaw haben sich ArbeiterInnen mit den Beschäftigten in Deutschland solidarisch erklärt.

Während des Weihnachtsgeschäfts soll der Druck auf den Konzern erhöht werden, um  endlich einen Tarifvertrag durchzusetzen. Amazon setzt weiter auf Zuckerbrot und Peitsche. Das Zuckerbrot gibt es in Form von unverbindlich versprochenen Bonus-Zahlungen, die Peitsche in Form von Einschüchterung und Diffamierung der Streikenden. Amazon wirbt gern damit, dass ihr die Mitarbeiter am Herzen lägen - allein kosten soll solche Zuneigung aber nichts. So hat der Konzern erst kürzlich den Beschäftigten am Standort Leipzig einen Urlaubstag für 2016 gestrichen. Mit einem Tarifvertrag wäre das natürlich weit schwieriger.

Perspektivische Fragen

Die SolidaritätsaktivistInnen und ver.di müssen sich aber nach Jahren eines harten Kampfes, dessen Forderungen sicherlich von der Mehrheit der Beschäftigten geteilt werden, an dem sich jedoch nur eine Minderheit beteiligt, auch Fragen stellen. Wie kann der Kampf bei Amazon u.a. Betrieben, die mindestens genauso offen Gewerkschaftsmobbing betreiben, gewonnen werden? Sicher ist die weitere Mobilisierung im Betrieb, sind Solidaritätsaktionen unerlässlich. Es ist aber auch klar, dass ein Erfolg mit der derzeitigen Methode selbst über Jahre hinweg nur schwer, wenn überhaupt erreichbar ist. Die Frage der Arbeits- und Einkommensbedingungen bei schlecht organisierten Betrieben mit dem Geschäftsmodell Amazons sind auf Konzernebene nur sehr schwer zum gewinnen.

Entscheidend wäre es daher, den Kampf um den Tarifvertrag mit dem Kampf um einen Tarifvertrag für die gesamte Branche (resp. dessen Allgemeinverbindlichkeit) und einen höheren Mindestlohn von 12 Euro netto zu verbinden. Dasselbe gilt für verbindliches Urlaubs- und Weihnachtsgeld, für Arbeitszeiten usw. Wo ein Tarifvertrag betrieblich kaum durchsetzbar ist, braucht es eine politische Kampagne und politische Streiks, um einen gesetzlichen Mindestlohn, ein Verbot der Leiharbeit sowie die Kontrolle der Arbeitsbedingungen durch Gewerkschaften und Betriebsräte durchzusetzen. An einer solchen Kampfperspektive aber mangelt es bisher. Daher muss es eine intensivere Diskussion darüber geben, mit welchem Ziel, mit welchen Taktiken gekämpft wird.

Editorischer Hinweis
Wir erhielten den Bericht von ARBEITERMACHT-INFOMAIL, Nummer 856, 23. Dezember 2015,  www.arbeitermacht.de