Die Kölner Ereignisse Stellungnahmen & Kommentare aus dem linken Spektrum

Köln: Gegen sexuelle Gewalt Gegen Rassismus

von SAV

01/2016

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onlinezeitung

Was die Frauen durchleben mussten, die am Silvesterabend Opfer der sexistischen Gewalt wurden, war ihren Schilderungen zufolge ein Alptraum. Doch in der öffentlichen Debatte, die seit einigen Tagen durch das Land fegt, steht plötzlich etwas ganz anderes im Vordergrund. Statt über sexuelle Gewalt  und wie sie verhindert werden kann, zu sprechen, ergießt sich eine Flut rassistischer Hetze durch soziale und offizielle Medien. Dass Nazis und Rassisten die schrecklichen Vorfälle instrumentalisieren würden, war zu erwarten. Inzwischen blasen auch die Vertreter der etablierten Parteien zum „Kulturkampf“.

Sexismus und sexuelle Gewalt wird angeblich von außen in unsere Gesellschaft hereingetragen, durch Mitglieder fremder Kulturen, gegen die wir „unsere westlichen Werte“ verteidigen müssten.

Allen Lippenbekenntnissen zum Trotz, dass man nicht alle Flüchtlinge, nicht alle Menschen aus arabischen Ländern verurteilen dürfe, ist das Ergebnis eine unheilige und gefährliche Allianz aus gewaltbereiten Rassisten und bürgerlichen Brandstiftern.

Die Debatte wurde auch deshalb schnell rassistisch dominiert, weil man glaubt, endlich einen Sündenbock für alle Probleme gefunden zu haben: Männer aus „fremden Kulturkreisen“, die angeblich „unsere westlichen Werte“ bedrohen.

Veranstaltung

Sexuelle Übergriffe und der „Kampf der Kulturen“: Worauf basieren Sexismus und Gewalt gegen Frauen? Welche Rolle spielen Herkunft, Religion, soziale Verhältnisse?

Mi., 13.1.2016 19.30 Uhr

Allerweltshaus, Körnerstr. 77-79, Köln-Ehrenfeld

Die alltägliche sexualisierte Gewalt

Niemand bestreitet, dass die Taten von Männern mit einem schrecklich rückständigen Frauenbild begangen wurden. Wer aber nur gegen sexuelle Gewalt gegen Frauen auftritt, wenn sie von Nicht-Deutschen begangen wird, ist ein Rassist, ohne Wenn und Aber. Wir verurteilen Sexismus und sexistische Gewalt, egal von wem und egal in welcher Form. Sexuelle Gewalt wird nicht von außen nach Deutschland hineingetragen. Sexismus und Gewalt ist Teil jeder hierarchischen Gesellschaft, auch in Europa, auch hierzulande.

Das Ausmaß der Übergriffe in der Silvester-Nacht ist schockierend. Das relativ neue und besonders bedrohliche daran ist, dass sie von größeren Männergruppen gemeinsam begangen wurden. Aber so zu tun, als ob es die andere alltägliche sexuelle Gewalt nicht gäbe, ist heuchlerisch, hilft den Frauen nicht, sondern lenkt von den eigentlichen Ursachen ab.

Gewalt gegen Frauen ist in Deutschland vor allem häusliche Gewalt, oftmals ausgeübt von den eigenen Partnern oder anderen nahestehenden Personen. 25% aller Frauen haben mindestens einmal in ihrem Leben Gewalt durch den eigenen Partner erlebt.

Frauen werden am Arbeitsplatz durch ihre Chefs unter Ausnutzung eines wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnisses sexuell belästigt. Und was es an sexuellen Übergriffen im Karneval oder beim Oktoberfest gibt, kann man wohl kaum „fremden Kulturkreisen“ anhängen. Das „westliche“ Frauenbild wird auch geprägt durch sexualisierte Werbung – vom Autoreifen bis zur Unterwäsche.  Und welches Frauenbild entwickelt sich, wenn schon Kinder überall auf Großflächenplakaten lesen, dass „100 Girls“ auf den Mann warten? Das Geschäftsmodell „Flatrate-Sex“ ist übrigens ebenso Teil unserer „westlichen Werte“.  Die Frau als Ware, jederzeit verfügbar, wenn man Geld oder Macht hat.

Die Art wie die öffentliche Debatte geführt wird, hilft nicht den Frauen, sondern fördert nur den Rassismus.  Es wird nicht über die wahren Ursachen des alltäglichen Sexismus gesprochen und von der an vielen Orten und von vielen Tätern begangenen Gewalt gegen Frauen.

Gleichzeitig ist kaum die Rede von den täglichen Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte, darunter die Brandanschläge in den ersten Januar-Tagen in Köln-Mülheim und in Leverkusen und die Schüsse auf ein Flüchtlingsheim im hessischen Dreieich. Brauchen die Frauen (und anderen Bewohner) dort keinen Schutz?

Es sind auch teilweise dieselben Politiker, die sich jetzt als Verteidiger der Frauen darstellen, die gerade Obergrenzen für Flüchtlinge fordern, die damit auch Frauen und Kindern das Asylrecht verweigern wollen, die Opfer von Kriegen und oftmals damit einhergehender sexualisierter Gewalt sind.

Es sind dieselben Politiker, die auf Bundesebene verantwortlich sind für Waffenlieferungen an Saudi-Arabien, wo Frauen unterdrückt werden und Frauenmörder wie der IS Unterstützung erhalten.

Es sind die selben Politiker, die auf kommunaler Ebene das Geld für Frauenhäuser und Frauenselbsthilfe gekürzt haben.

Unabhängige Untersuchungskommission

Wenn Nazis eine Kundgebung machen wollen, bereitet sich die Polizei massiv vor, stellt ein oder mehrere Hundertschaften bereit, geht gegen Antifaschist*innen vor, damit die Rassisten ihre Hetzreden halten können und dabei zu Gewalttaten anstacheln.  An einem Tag wie Silvester, an dem Tausende alkoholisiert durch die Straßen ziehen und das Risiko von Straftaten ansteigt, an dem sogar Terrorwarnungen insbesondere für die großen Bahnhöfe galten, gibt es angeblich zu wenig verfügbare Polizeikräfte, die Frauen werden in ihrer Not alleine gelassen.

Wir fordern die Einsetzung einer unabhängigen Kommission von demokratisch gewählten Vertreter*innen der Opfer, von Frauen-Selbsthilfe-Organisationen, Frauenarbeitskreisen aus Gewerkschaften, mit vollem Zugang zu allen Beweismitteln zur Aufklärung der Vorfälle in der Silvester-Nacht sowie zum Verhalten der Polizei.

Wir kämpfen gegen jede Form von Sexismus und Rassismus, für gleiche Rechte für alle Menschen.

Sexualisierte Gewalt hat wenig mit Sex zu tun, aber viel mit Gewalt und Macht. Sie ist das Produkt einer Gesellschaft, in der die Spaltung zwischen Männern und Frauen, aber auch zwischen Deutschen und Nicht-Deutschen, zu den Grundpfeilern der Herrschaft einer reichen Minderheit gehören.

Wir verbinden deshalb den Kampf gegen Sexismus und Rassismus mit dem Kampf für die Überwindung dieser patriarchalischen, kapitalistischen Gesellschaft.

Quelle: https://www.sozialismus.info/2016/01/koeln-gegen-sexuelle-gewalt-gegen-rassismus/ | 8.1.2016