Wahl-Wehen in Gambia und Gabun
Die afrikanische Demokratie wird ge-/respektive versucht


von Bernard Schmid

01/2017

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Vorbemerkung: Eine gekürzte Fassung dieses Artikels erschien am 15. Dezember 16 in der Berliner Wochenweitung ,Jungle World'. Seitdem gehen Proteste in der Erdölrepublik Gabun weiter, während die Frage des – demokratisch legitimierten – Machtwechels in Gambia nach wie vor ungeklärt ist. Kurz, bevor er sein Amt zum 1. Januar 2017 an seinen Nachfolger Antonio Guterres abgab, gab der scheidende UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon dem mutmaßlichen Wahlsieger Adama Barrow in einem Telefonanruf seine Unterstützung zu erkennen. // Vgl. http://www.lemonde.fr/ // Unterdessen ging auch die Repression dort fort, und zwei private Radiosender wurden Anfang Januar 17 geschlossen; vgl. http://af.reuters.com/

In Afrika organisiert man keine Wahlen, um sie zu verlieren!“ Diese gewissermaßen praxisorientierte Weisheit stammt von Omar Bongo, dem Präsidenten, der stattliche 42 Jahre lang die zentralafrikanische Erdölrepublik Gabun regierte und es also wissen musste. Zwar trifft der – im doppelten Sinne des Wortes – Wahlspruch des als Albert-Bernard Bongo geborenen Mannes, der seine Karriere zu Kolonialzeiten als Mitarbeiter des französischen Militärgeheimdiensts begonnen hatte, nicht in allen Ländern des Kontinents zu. Die jüngste Präsidentschaftswahl in Ghana () etwa belegt, dass auch in Afrika „saubere“ Wahlen stattfinden können, bei denen der Wahlverlierer seine Niederlage alsbald einräumt. Auch wenn das wirtschaftspolitische Profil des dortigen Gewinners zu Beunruhigung Anlass gibt, kann die Wahl in Ghana dennoch als modellhaft gelten. Aber Gabun zählt nicht zu den Ländern, in denen solche Standards derzeit durchgesetzt worden sind.

Der langjährige Autokrat Omar Bongo starb im Juni 2009 in einem Krankenhaus in Barcelona an einer Krebserkrankung – dem Gesundheitswesen im eigenen Land traute er nicht hinreichend, um ihm seine Pflege anzuvertrauen, wusste er doch, in welch desaströsem Zustand er das Schul- und das Gesundheitssystem in seinem Land hinterließ. Und dies trotz der vom Staat abgeschöpften Ölrente. Kurz nach seinem Ableben übernahm einer seiner Söhne, der zuvor als Verteidigungsminister amtierende Ali Bongo, die Staatsführung: Ende August 2009 ließ er sich bei einer äußerst umstrittenen Wahl selbst zum Präsidenten küren. Sieben Jahre später suchte er nach einer offiziellen Bestätigung im Amt. Erneut fand eine Präsidentschaftswahl statt, erneut lastet ein starker Manipulationsverdacht auf ihren Ergebnissen. (Vgl. http://jungle-world.com/artikel/2016/36/54799.html ) Und wieder fanden Unruhen statt, bei denen die Repression dieses Mal, allen vorliegenden Informationen zufolge, erheblich mehr Tote kostete als noch 2009. Damals waren fünfzehn Menschen ums Leben gekommen. In diesem Jahr sind die genauen Zahlen bislang nicht überprüfbar, die Opposition spricht von mindestens 500 Erschossenen, in Krankenhausbetten oder auf Polizeiwachen Ermordeten.

An diesem Montag stellte die EU-Wahlbeobachtermission – französisch abgekürzt MOE UE -, die den Präsidentschaftswahlen vor einem guten Vierteljahr beigewohnt hatte, ihren offiziellen Untersuchungsbericht dar. Dazu war eine Delegation in die gabunische Hauptstadt Libreville gereist. Zu Anfang des Monats war ihr Auftritt, auf Verlangen des gabunischen Regimes hin, verschoben worden.

An einem zentralen Punkt ist der Bericht erstaunlich klar: Er kommt zu dem Schluss, aufgrund der Hinweise auf Manipulationen müsse festgestellt werden, dass „die anormalen Vorgänge die Gesamtheit des Endergebnisse der Wahl in Frage stellen“. Zu den konstatierten „offensichtlichen Anomalien“ zählt, dass Ali Bongo angeblich in der Provinz Haut-Ogooué, die er zu seiner politischen Hausmacht ausgebaut hat, angeblich über 95 Prozent der Stimmen erhielt, und dies bei annähernd glatten 100 Prozent Wahlbeteiligung – anders als in allen Provinzen scheint dort niemand am Wahltag zu krank, zu alt, gebrechlich oder auf Reisen gewesen zu sein. Der Rapport der MOE UE benennt auch explizit die Probleme mit der gabunischen Justiz, deren Verfassungsgericht die Wahlergebnisse offiziell bestätigt hat. Dem Verfassungsgerichtof steht nicht nur eine Präsidentin vor, die eine ehemalige Mätresse Omar Bongos ist – sie hatte zwei Kinder mit dem früheren Staatschef – und deren letzte, von der Verfassung her zulässige Amtszeit vor zehn Jahren ablief. Ali Bongo als amtierendes Staatsoberhaupt kann auch offiziell ein Drittel der Mitglieder sowie den oder die Vorsitzende des Gerichts in alleiniger Vollmacht benennen. Auch Experten der Afrikanischen Union (AU) hatten in einem Bericht, den der französische Radiosender RFI am 17. November 16 publik machte, erhebliche Zweifel an der Wahl in Gabun vorgetragen.

Einerseits ist der EU-Bericht damit an einem zentralen Punkt überraschend deutlich. Andererseits kommentieren Beobachter, er komme vielleicht zu spät, um noch entscheidende Wirkung zu entfalten. Die MOE UE hatte bereits während ihrer Wahlbeobachtung entsprechende Vorbehalte geäußert. Ferner bleibt die EU-Mission zurückhaltend bei ihren Einlassungen zur Repression. Die Zahl der Toten nach den Wahlen vom 27. August dieses Jahres wird mit „je nach Angaben fünf bis einhundert“ angegeben. Erstere Zahl entspricht der offiziellen Darstellung der Regierung. Hingegen liegen die Angaben der Opposition wesentlich höher als beide Zahlen.

Vor Ort ist unterdessen festzustellen, dass die Lage infolge der manipulierten Wahl und der anschließenden brachialen Repression sich keineswegs „beruhigt“ hat. Auch innerhalb des Staatsapparats, wo manche Gefolgsleute des früheren Präsidenten Omar Bongo heute seinem Sohn Ali nicht die Treue halten – zumal der Einheitskandidat der Opposition im August und frühere Generalsekretär der AU, Jean Ping, selbst aus dem inneren Kreis des früheren Regimes kommt -, rumort es. Infolge der brutalen Verhaftung von vierzehn Personen in den Räumen der Oppositionszeitung Echos du Nord am 03. November 16 trat eine Woche später der General und Chef des Inlandsgeheimdiensts DGDI, Célestin Embinga, zurück. Embinga war durch die Zeitung unter anderem der Korruption beschuldigt worden. Die Operation der DGDI (Direction générale de la documentation et de l’immigration) war jedoch durch andere Staatsorgane und durch Innenminister Lambert-Noël Martha desavouiert worden. Die Journalisten befinden sich wieder auf freiem Fuß.

Am 15. November 16 begann ein Generalstreik der Lehrkräfte im Bildungswesen, und Ende November traten auch die Verwaltungsrichter für zunächst vierzehn Tage in den Ausstand. Mehrere Berufsgruppen lassen sich vom Regime nicht längeren mit mageren Löhnen und leeren Versprechungen abspeisen, während eine schmale Oligarchie sich die zum Teil illegal abgezweigte Ölrente mit Vertretern der französischen Eliten – Gabun spielte Jahrzehnte lang eine Schlüsselrolle bei der außergesetzlichen Finanzierung von politischen Parteien in Frankreich, in welche auch Ölkonzerne verwickelt waren – aufteilt. Nachdem im Erdölsektor aufgrund des gesunkenen Rohlölpreises Entlassungen angekündigt wurden, drohte die dort verankerte Gewerkschaft ONEP Anfang Dezember ebenfalls mit Konflikten.

Das am 28. November 2016 vorgestellte neue Pressegesetz, das Journalisten einen Maulkorb verpassen soll, ist Gegenstand von Auseinandersetzungen. Am 03. Dezember 16 wurden die, ursprünglich im Laufe des Monats vorgesehenen, Parlamentswahlen „aufgrund höherer Gewalt“ auf unbestimmte Zeit verschoben.

Das Beispiel einer anderen Wahl in Afrika, rund 3.000 Kilometer weiter westlich, hätte die gabunische Opposition und Zivilgesellschaft ermutigen sollen. Ursprünglich gingen quasi alle Beobachter davon aus, die Präsidentschaftswahl vom 01. Dezember 16 sei ein vornherein abgekartetes Spiel, und der seit 1994 autokratisch regierende Präsident Yahya Jammeh werde in jedem Falle gewinnen. Zu seiner Bilanz zählen Tausende von Verschwundene, und in jüngerer Zeit die Ankündigung der Verhängung von Körperstrafen aufgrund von Jammehs Auslegung des Islam. Selbst die Springer-Tageszeitung Die Welt echauffierte sich jüngst über die Forderung des baden-württembergischen Innenministers Thomas Strobl (CDU), Gambia zum „sicheren Herkunftsland“ für Asylsuchende erklären zu lassen. Gemessen an der Bevölkerungszahl, „produziert“ das flächenmäßig kleine Land neben Eritrea – dem „afrikanischen Nordkorea“ – die meisten Flüchtlinge unter den Staaten Afrikas.

Doch dann kam eine echte Überraschung. Der Oppositionspolitiker Adama Barrow wurde offiziell zum Sieger erklärt, und Jammeh erkannte seine Niederlage sogar an. Dies war jedoch nicht von Dauer. Am Ende der darauffolgenden Woche behauptete der geschlagene Präsident dann lautstark, die Wahlergebnisse seien zu seinen Lasten gefälscht worden. Er berief sich darauf, sein Land – das am 25. Oktober 16 seinen Austritt aus dem Internationalen Strafgerichtshof erklärt, und darin der Diktatur in Burundi und der Regierung Südafrikas folgte – solle angeblich von seiner Unbotmäßigkeiten abgebracht werden, was auch in Europa durch verschwörungstheoretisch orientierte Webseiten und ähnliche rot-braune Schrottpublikationen eifrig übernommen wurde.

Jammeh verkündete am Abend des Samstag, den 10. Dezember 16, er rufe die Justiz gegen die angebliche Wahlfälschung zu seinen Ungunsten an, während sich zugleich Gerüchte über Putschvorbereitungen innerhalb der Armee zu häufen begannen. Am Montag darauf (12.12.16) erklärte der Kommissionspräsident der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft - englisch ECOWAS oder französisch CEDEAO abgekürzt - Marcel de Souza, es sei nicht ausgeschlossen, dass die Staatengruppe in Gambia interveniere, um Jammeh zur Abgabe der Macht zu zwingen.

Editorischer Hinweis

Den Artikel erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.