In der Metall- und Elektroindustrie in
Deutschland werden Jahr für Jahr Rekordgewinne
eingefahren. Trotz Klagen der Unternehmer über
gestiegene Lohnstückkosten liegt die
durchschnittliche Umsatzrendite mit vier
Prozent auf Rekordniveau. Die Forderung nach 6
Prozent mehr Lohn und Gehalt ist daher noch
bescheiden.
Nun wollen die
Bosse eine weitere Flexibilisierung der
Arbeitszeit nach oben (42 Stunden). Angesichts
der massiven Überstunden, die aktuell geleistet
werden, würden sie so Lohnkosten einsparen. Sie
wollen das Rad der Geschichte zurückdrehen. |
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Der Kampf um
Arbeitszeiten ist schon seit über hundert Jahren
eine zentrale Auseinandersetzung für die
Gewerkschaften. Genau vor einhundert Jahren wurde
der Achtstundentag gesetzlich verankert – ein
Resultat der Novemberrevolution 1918/19, wo die
Unternehmer Angst hatten, ihre Macht ganz zu
verlieren. Gerade heute, in Zeiten der
Digitalisierung und der damit verbundenen Drohungen
eines massiven Stellenabbaus ist die Frage der
Arbeitszeiten aktueller denn je.
„Dumm, dreist,
töricht“
Mit diesen Worten
bezeichnete vor gut 35 Jahren der damalige
CDU-Bundeskanzler Helmut Kohl die Forderung der
Gewerkschaft IG Metall und der Gewerkschaft Druck
und Papier nach der 35-Stunden-Woche. Die
Arbeitgeber gingen zum Frontalangriff über und
reagierten mit Aussperrung von einer halben Million
Beschäftigten auf die Arbeitskampfmaßnahmen. Mit
Streik über mehrere Wochen, begleitet von
Warnstreiks und Demonstrationen, konnte der
Einstieg in die 35 Stunden-Woche erkämpft werden.
Seit vielen Jahren
geht die Entwicklung wieder rückwärts. In vielen
Bereichen wurde die 35-Stunden-Woche durch
Aufweichung der Tarifverträge (Potsdamer Abkommen)
schon abgeschafft, in Ostdeutschland wurde die
Angleichung nie vollzogen. Nach einigen Jahren von
bescheidenen Lohnabschlüssen erscheint es vielen
jüngeren Kolleginnen und Kollegen attraktiv, durch
das Leisten von Überstunden zu mehr Geld zu kommen.
Verschlechterung von Pausenregelungen, Verkürzung
von Taktzeiten, ständige Optimierungsprozesse
tragen dazu bei, dass der Leistungsdruck auf den
einzelnen Beschäftigten kontinuierlich zugenommen
hat, während die Gewinne steigen.
Es ist ein
untragbarer Zustand, dass man kaum noch
Möglichkeiten sieht, sich genug um Angehörige zu
kümmern oder zu wenig Zeit für die Kinder hat.
Positiv ist, dass dieses Thema von der Gewerkschaft
aufgegriffen wurde. Die Forderung der IG Metall
nach dem Recht auf eine individuelle
Arbeitszeitverkürzung mit Teillohnausgleich für
einen begrenzten Zeitraum mag eine Hilfe für
konkrete Lebenslagen sein, reicht aber bei weitem
nicht aus.
Arbeitszeitverkürzung für alle – bei vollem Lohn!
Nötig wäre die
Forderung nach einer weiteren Arbeitszeitverkürzung
für alle, bei vollem Lohn- und Personalausgleich.
Damit könnte man zwei sinnvolle Dinge erreichen:
Erstens mehr Zeit
zum Leben, Lieben, Lachen: Dieser Slogan aus den
Zeiten des Arbeitskampfes um die 35-Stunden-Woche
hat heute – in Zeiten von permanentem Druck sogar
eine größere Bedeutung als damals. Leider haben
sich viele schon an den Zustand des ständigen
Gehetztseins gewöhnt. Es ist Zeit, umzudenken –
auch im Interesse der Kinder! Die haben erstens ein
Recht darauf, dass ihre Eltern entspannt und
glücklich Zeit mit ihnen verbringen und zweitens
auf menschliche Arbeitsbedingungen in der Zukunft!
Zweitens
Verhinderung von Arbeitsplatzabbau: Wenn die Bosse
damit drohen, dass mit der Digitalisierung und
Automatisierung ein Teil der menschlichen
Arbeitskraft überflüssig wird, muss die
Gewerkschaft sagen: Wenn es technischen Fortschritt
gibt, dann weil die Beschäftigten ihn geschafften
haben. Entsprechend soll dieser auch für die
Beschäftigten genutzt werden. Daher: Verteilung der
Arbeit auf alle – ohne Lohnabstriche!
Diese Forderung
muss auch da gelten, wo die Konzernchefs von
Siemens, General Electrics und anderen auf einmal
entlassen wollen, obwohl sie Rekordgewinne
eingefahren haben. Wenn sie das nicht einsehen,
sollten sie enteignet werden. Unter demokratischer
Kontrolle von Beschäftigten, Gewerkschaften und
Staat könnte ein Plan für sinnvolle Produktion
erstellt werden – bei Erhalt aller Arbeitsplätze.
Immer wieder
gelingt es den Konzernspitzen, mit der Drohung von
Arbeitsplatzabbau oder der angeblichen Gefährdung
des Standortes, weitere Verschlechterungen gegen
die Beschäftigten durchzusetzen. In vielen Fällen
sind Betriebsratsspitzen in Großkonzernen der
Meinung, dass solche Zugeständnisse nötig sind, um
die Konkurrenzfähigkeit des eigenen Konzerns zu
sichern. Eine solche Perspektive ist die eines
Co-Managers. Nötig ist, stattdessen die Perspektive
der Kolleginnen und Kollegen einzunehmen.
Interessengegensatz
Es ist wichtig,
dass man den grundlegenden Interessengegensatz
zwischen Kapital und Arbeit erkennt, anstatt ihn zu
verwischen. Unternehmer und Großaktionäre sind
interessiert an der Maximierung ihres Profites, an
ihrer Konkurrenzfähigkeit und Marktanteilen. Dabei
ist ihnen das Wohl der Beschäftigten ziemlich egal.
Natürlich habe sie auch lieber Frieden im
Unternehmen, um die Produktion nicht zu hemmen. An
erster Stelle aber steht die Profitabilität. Diese
lässt sich vor allem dadurch steigern, indem die
Arbeitskraft aller im Betrieb Arbeitenden maximal
und mit den geringst möglichen Kosten ausgenutzt
wird. Und wenn sich auf dem Weltmarkt aufgrund
einer Konjunktur- oder Branchenkrise nicht genug
verkaufen lässt, kriegt man keinen Dank und soll
auf einmal arbeitslos sein. Den Profit, der mit der
Arbeit erwirtschaftet wird, eignen sich allein die
Kapitaleigner an. Wie wir aus dem Skandal um die
Paradise Papers erneut erfahren haben, werden diese
Gewinne kaum versteuert, so dass Milliarden von
Euro auf den Konten von Reichen liegen, anstatt sie
für sinnvolle öffentliche Investitionen zu nutzen.
Wie es richtig in einem Entwurf für ein
Thesenpapier von etwa einhundert IG
Metall-FunktionärInnen für eine offensive
Gewerkschaftspolitik steht: „Offensive
Gewerkschaftspolitik nimmt den Interessengegensatz
zwischen Kapital und Arbeit zum Ausgangspunkt.
…Aufgabe der Tarifpolitik muss es sein, die
tarifpolitischen Auseinandersetzungen in ein
gesamtgesellschaftliches Umverteilungskonzept
(Umverteilung von Arbeitszeiten, Einkommen,
Verfügungsrechten) einzuordnen…Handlungsoption muss
es dabei immer sein, Umverteilung gemeinsam mit
gesellschaftlicher Bewegung gegebenenfalls auch im
Wege des Arbeitskampfes durchzusetzen.“
Kräfteverhältnisse
Was in einer
Tarifauseinandersetzung erreicht werden kann, ist
eine Frage der Kräfteverhältnisse. Es ist schon
fast zwei Jahrzehnte her, dass die IG Metall die
Kampfkraft der Beschäftigten in die Waagschale
geworfen hat. Im Sommer hat allein die Verweigerung
von Überstunden im Werk Daimler Untertürkheim zu
Produktionsstops in Sindelfingen geführt. Gerade
jetzt, in Zeiten der Just-in-time-Produktion,
könnte man die Unternehmer mit einem
flächendeckenden Streik schnell in die Knie
zwingen! Deshalb:
- Für die volle
Durchsetzung der Forderungen! Keine Kompensation
durch Zugeständnisse an die Arbeitgeber
- Für eine
kämpferische Gewerkschaftspolitik
- Für die
Forderung nach einer kollektiven
Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn-und
Personalausgleich spätestens in der nächsten
Tarifrunde
Quelle:
sozialismus.info vom 2. Januar 2018 |