100 JAHRE NOVEMBERREVOLUTION

Die Ermordung
von Rosa und Karl

01/2019

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In der "Volkswehr", dem "Mitteilungsblatt der freiwilligen Hilfskorps in Berlin", die von Fritz Henck, dem Schwiegersohn Scheidemanns, herausgegeben wurde, hieß es am 14. Januar, einen Tag vor der Ermordung Liebknechts und Luxemburgs:

"Es ist die Befürchtung laut geworden, daß die Regierung in ihrem Vorgehen gegen die Spartakisten nachlassen könnte. Wie von maßgebender Seite versichert wird, wird man sich mit dem bisher Erreichten keineswegs begnügen, sondern auch gegen die Häupter der Bewegung mit aller Energie vorgehen. Die Berliner Bevölkerung soll nicht glauben, daß die vorläufig Entwichenen sich andern Ortes eines ruhigen Daseins erfreuen sollen. Schon die nächsten Tage werden zeigen, daß auch mit ihnen Ernst gemacht wird." (136)

Da die Sozialdemokratie sich jedoch nicht selber die Finger schmutzig machen wollte, wurden die Henker aus den Reihen der gekauften Elemente von Noskes weißen Garden genommen. Zu diesem Zwecke wurden hohe Belohnungen für die Ermordung ausgesetzt. Hessel, der Leiter des "Helferdienstes der Sozialdemokratischen Partei, Sektion 14" (das war die Bezeichnung für die Spitzelorganisation des Regiments 'Reichstag', zu deren Aufgaben unter anderem die "Unschädlichmachung politisch verdächtiger Persönlichkeiten" (137) gehörte), sagte aus:

"Ein Befehl, Liebknecht zu ermorden, bestand. Auch die Belohnung war zugesagt. Schriftlich war nichts vorhanden. Es wurde gesagt: Wer Liebknecht und Luxemburg tot oder lebendig bringt, erhält 100 000 Mark. Das Geld hatten wir im Reichstag zur Verfügung... Auch aus dem Edenhotel waren unabhängig von uns 100 000 Mark ausgesetzt. Das war in der Zeit vom 6. bis 14. Januar..." (138)

Und Sonnenfeld, der Zahlmeister des Regiments "Reichstag", sagte aus:

"Henck erzählte mir wiederholt, daß von Scheidemann und Sklarz (Industrieller, der unter anderem das Regiment 'Reichstag' finanzierte - d.Verf.) 100 000 Mark ausgesetzt seien, um Karl Liebknecht und Frau Lu­xemburg unschädlich zu machen." (139)

Das Zusammenspiel ist klar: die Bourgeoisie als politischer Auftraggeber und Geldgeber, die SPD als Organisator, die verhetzte Soldateska als ausführendes Organ.

Am Nachmittag des 15. Januar wurden Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg und Wilhelm Pieck in Wilmersdorf von der Bürgerwehr verhaftet und ins Eden-Hotel, das Stabsquartier der Garde-Kavallerie-Schützen-Division gebracht. Über die weiteren Ereignisse berichtete der Jäger Runge in seinem im Gefängnis aufgegebenen protokollarischen Geständnis:

"Ich habe am Edenhotel am 15. Januar 1919 von 7 bis 10 Uhr abends Posten gestanden. Dr. Liebknecht ist bei seiner Einführung geschlagen worden von einem gewissen Jäger Braunes. Dr. Karl Liebknecht hat auf dem Schädel zwei Wunden (Spalten) mit dem Kolben erhalten. Er bat daraufhin um Watte, die ihm verweigert wurde. Ebenso wurde ihm verweigert, nach der Toilette zu gehen. Bei dieser ganzen Begebenheit war Kapitänleutnant Pflugk-Harttung zugegen. Beim Abtransport hat der Matrose Wutkowski auf den Dr. Liebknecht eingeschlagen.

Zehn Minuten später wurde Frau Luxemburg eingeliefert. Da machten der Chauffeur Janschkow und Perschel die Karabiner zurecht und verlangten von mir scharfe Patronen, die ich verweigerte. Inzwischen kam ein Offizier, der mir den Befehl gab, diese Bande nicht mehr lebend aus dem Eden-Hotel herauszulassen. Ich sollte von meinem Karabiner Gebrauch machen und schießen... Ich sagte darauf 'Ich mache von meiner Schußwaffe nicht Gebrauch.' Darauf erwiderte Pflugk-Harttung, dann solle ich den Kolben nehmen. Er sagte: 'Rosa Luxemburg wird ihnen durch Oberleutnant Vogel hinaus und in die Arme geführt, und sie haben nur zuzuschlagen, merken sie sich das!' Ich war in Verwirrung geraten. Der Jäger Dräger sagte zu mir: 'Diese hohen, strengen Befehle müssen wir schon ausführen.' Jetzt wurde Frau Luxemburg durch den Oberleutnant Vogel, der sie in den Armen hatte, hinausgeführt. Nach Aussage eines Fähnrich Weinhold soll Frau Luxemburg schon vorher Kolbenschläge von einem Fähnrich Hoffmann erhalten haben. Von meiner Schußwaffe machte ich nicht Gebrauch, sondern um meinen Befehl auszuführen, stieß ich nur Frau Luxemburg. Sie fiel um, oder vielmehr Oberleutnant Vogel riß sie um. Sie wurde sofort in das bereitstehende Auto geschleppt. Ich faßte Frau Luxemburg nicht an, sondern es waren Dräger, Janschkow und Perschel. Ich glaube, daß Oberleutnant Vogel dabei noch geholfen hat. Ich selber habe auch der Frau Luxemburg keinerlei Verletzungen zugefügt, sondern nur leicht gestoßen, um den mir erteilten Befehl auszuführen. Die Offiziere hatten mir nämlich gedroht: Wenn ich den Befehl nicht ausführte, dann müßte ich auch sterben. Beim Abtransport sprang Leutnant Knill auf das linke Trittbrett und schoß in unmittelbarer Nähe der Nürnberger Straße der Frau Luxemburg eine Kugel in den Kopf...

Inzwischen waren die anderen auch zurückgekommen und brüsteten sich damit, namentlich der Jäger Friedrich, sie hätten Liebknecht ordentlich eins gebrannt. Friedrich zeigte mir auch seine Pistole, er habe auch mitgeschossen. Ich fragte Friedrich, wie das gekommen ist. Darauf sagte Friedrich zu mir: Die Flucht ist künstlich herbeigeführt. (Es kann auch gelautet haben: Die Flucht ist vorsätzlich herbeigeführt worden.) Die Offiziere haben das Messer Liebknechts genommen und dem Leutnant zur See Schulz damit in die Hand gestochen, um vorzutäuschen, daß Liebknecht sie angegriffen habe und dann geflüchtet sei.'

Die Transportmannschaften haben dann auch gesagt: Na, Runge, die Luxemburg, die alte Sau, schwimmt schon.' Ich fragte: 'Ja, warum habt ihr denn Frau Luxemburg ins Wasser geschmissen?' Da sagte Leutnant Vogel: 'Die alte Sau hat nicht mehr verdient.' Darauf setzten sich die Mannschaften auf den Tisch. Es wurde Wein und Kognak getrunken..." (140)

Fußnoten

136) zit.n. Illustrierte Geschichte a.a.O., S. 296
137)
ebd., S. 293
138)
ebd., S. 295 f
139)
ebd., S. 294
140) ebd., S. 298 ff

Quelle: Richard Wiegand, "Wer hat uns verraten...", Die Sozialdemokratie in der Novemberrevolution (1918/19), Westberlin 1974, S.104-107


Quelle: ebd. S.100/101

Siehe dazu auch in TREND 11/2011: