Grün ist die Farbe der
Hoffnung, dachte man sich vielleicht jüngst
auch beim Parti communiste français (PCF), also
bei der Französischen Kommunistischen Partei.
Die im Jahr 1920 auf dem quasi-sprichwörtlich
gewordenen „Kongress von Tours“ gegründete
Partei, deren einhunderster Geburtstag im
kommenden Jahr ansteht, war bislang nicht
unbedingt für ihre Pionierrolle in Sachen
Ökologie bekannt. Eher im Gegenteil – rauchende
Schornsteine galten ihr lange Zeit quasi als
Inbegriff des Fortschritts und des
Proletariats, auch wenn sich die Mentalitäten
allmählich zu wandeln begannen. Und
Perspektiven für einen Ausstieg aus der
Atomkraft werden - zumindest in Teilen der
Französischen KP, nicht unbedingt in der
jüngeren Generation - bis heute mit
melodramatischen Tönen als Beweis für den
Niedergang von Industrie und
Fortschrittsorientierung besprochen.
Doch auf ihrem
jüngsten Parteitag, welcher Ende November
dieses Jahres in der Pariser Vorstadt
Ivry-sur-Seine stattfand, ist eine gewisse
Wandlung eingetreten. Ging es dort doch auch
darum, das alte Parteilogo auszutauschen und
einen Beschluss zur Erneuerung der Symbolik zu
verabschieden. Hammer und Sichel waren bereits
1994 aus dem Emblem verschwunden; einzelne
Orts- und Kreisverbände tun allerdings noch
immer so, als wüssten sie nichts von dem
Beschluss. Nun sollte auch der fünfzackige rote
Stern weichen. Allerdings bleibt er nach dem
jüngsten Beschluss bestehen, als Silhouette –
die Innenfläche ist weiß, die Umrisse bleiben
rot oder rötlich -, und aus dieser keimt in der
rechten oberen Ecke ein Blatt. Dies soll
einerseits in gewissem Sinne die Idee
verkörpern, dass es sich bei der Partei nicht
um einen abgesägten Baumstumpf handelt, dessen
Blätterwerk mit dem Niedergang des „real
existierenden Sozialismus“ 1989-1991 fiel,
sondern dass neues Leben aus ihr aufkeimt.
Andererseits soll es auch bedeuten, dass man
sich zu einer stärkeren Hinwendung zur Ökologie
bekennt.
Das wäre aber auch Zeit
gewesen. Andere politische Akteure in ihrem
Umfeld waren ihr da voraus. Die derzeit in der
etablierten oder parteiförmigen Linken
hegemonial wirkende Wahlplattform La
France insoumise (LFI, „Das unbeugsame
Frankreich“) unter Jean-Luc Mélenchon ist zwar
aus progressiver Sicht in mancherlei Hinsicht
kritikwürdig, das betrifft unter anderem den
seit zwei Jahren immer dicker aufgetragenen
Linkspatriotismus – Mélenchon nennt Frankreich
in seinen Reden neuerdings nahezu nur noch
la patrie. Allerdings hat LFI, deren
Wählerschaft sowohl einen Großteil des früheren
PCF-Publikums als auch der ehemals
sozialdemokratischen Wählerinnen und Wähler
aufsog, zugleich bei der Anerkennung der
Ökologie eine wichtige Rolle gespielt.
Mélenchon spricht in fast allen seinen Reden
planetare Bedrohungen, Umwelt- und
Klimakatastrophen oder auch die Kritik an der
Atomenergie an. Dies taten früher weder der PCF
noch, von innerparteilichen Minderheiten
abgesehen, der seit den Wahlen von 2017
dahinsiechende Parti Socialiste (PS).
Das Verhältnis,
das man zum Aufstieg des politischen Phänomens
Jean-Luc Mélenchon einnehmen solle, ist in der
aktuellen Periode just eines der politischen
Streitthemen innerhalb der Französischen KP.
Dabei stören nicht dessen linkspatriotische
Anwandlungen, denn einen solchen Diskurs prägte
lange Zeit auch die KP selbst, und zwar seit
ihrer 1936 erklärten Akzeptanz der
französischen Flagge. Damals wickelten einige
Parteimitglieder die Trikolore allerdings noch
so auf, dass man nur das Rot von Blau-weiß-rot
erkennen konnte. Seine Bedeutung im
französischen Kontext kann man allerdings nur
verstehen, wenn man auch die Kriege der jungen
Republik 1792-1794 gegen die europäischen
Monarchien – Adel und König wünschten
Frankreichs Niederlage - sowie die Résistance
gegen die deutsche Besatzung berücksichtigt.
Seit kurzem trägt Mélenchon es jedoch relativ
dick auf. Bei den Publikumsveranstaltungen der
Französischen KP werden seit 1936 stets zuerst
die Marseillaise und dann die Internationale
gesungen. So hielt es zunächst auch Mélenchon,
seit seinem Austritt aus dem PS Ende 2008 und
der Gründung seiner ersten eigenen Partei, des
Parti de Gauche (PG, „Linkspartei“) zu Anfang
2009. Seit rund zwei Jahren ist allerdings die
Internationale aus dem Repertoire verschwunden.
Es stellt sich
jedoch für die Französische KP die strategische
Frage, wie man sich zu den neuen politischen
Akteuren auf der – etablierten – Linken
verhält, um nicht unterzugehen. Seitdem ihr der
welthistorische Bezugsrahmen mit dem Ende des
Zwei-Block-Systems und dem Verschwinden des
Realsozialismus ab 1991 wegbrach, schien die
Partei zunächst strategisch kopflos. De facto
wandelte sie sich zur sozialdemokratischen
Reformpartei um, die ein bisschen mehr soziale
Gerechtigkeit und ein bisschen weniger
Privatisierung forderte, während der PS an der
Regierung nicht einmal mehr sozialdemokratisch
auftrat. Auch der PCF nahm übrigens an
PS-geführten Regierungen teil, zuletzt 1997 bis
2002. Dies hatte die Partei allerdings auch
getan, als sie noch klar prosowjetisch und
poststalinistisch geprägt war, wie in der
Periode 1981-84. Erreicht hat sie in beiden
Fällen durch ihre Kabinettsbeteiligung herzlich
wenig, die kapitalistischen Realitäten setzten
sich schlichtweg durch. Jedes Ende einer
Regierungsbeteiligung, mit Ausnahme jener in
der Nachkriegszeit 1945-47, endete deswegen mit
einem schweren Popularitätsverlust und neuen
Krisen.
Da der PCF es
zumindest auf lokaler Ebene - wie anlässlich
der Kommunalwahlen 2014 - nach wie vor nicht
lassen kann, nach Bündnismöglichkeiten mit dem
PS und Perspektiven zum Mitregieren zu suchen,
erschien Mélenchon als perspektivisch
radikaler, da er just der
Regierungssozialdemokratie den Rücken kehrte
und sich von ihr entfernte.
Anfänglich
begrüßte die Französische KP den neuen
Bündnispartner, hatte sie doch im Kern seit den
1920er Jahren immer darauf gewartet, dass linke
Sozialdemokraten zu ihr überlaufen. Dies schien
mit Mélenchons Abgang vom PS 2008/09 nun
möglich. Im Präsidentschaftswahlkampf 2011/12
unterstützte der PCF deswegen die Kandidatur
Jean-Luc Mélenchons. Dies kam ihr anfänglich
auch zugute: In jener Periode traten 2.500
Mitglieder aus jüngeren Generationen neu ein.
Dies war der Partei, die an Überalterung lautet
und real rund 50.000 Mitglieder aufweist –
offiziell noch rund 130.000 -, seit längerem
nicht widerfahren. Doch alsbald machte
Mélenchon sich daran, in ihrer damaligen
Allianz unter dem Namen Front de gauche (FdG,
„Linksfront“) hegemoniale Ambitionen zu
entwickeln und den PCF zu marginalisieren.
Die bisherige
Leitungsmehrheit unter dem blassen
Parteisekretär – also Vorsitzenden – Pierre
Laurent, seit 2010 im Amt, setzte auf eine
Fortsetzung des Bündnisses, ohne im
Ausschließlichkeitscharakter zu geben. Die
Mehrheitslinie lief bislang darauf hinaus, dass
infolge innerparteilicher Debatten der letzten
25 Jahre über das „von der Dritten
Internationale ererbte Parteimodell und seine
Zukunft“ eine Lockerung und Demokratisierung
der Strukturen stattfinden solle, ohne die
Partei als solche in ein breiteres Linksbündnis
hinein aufzulösen. Letzteres wollten diverse
„Erneuerer“strömungen, die sich dann allerdings
oft schnell sozialdemokratisiertes. Am Alten
festhalten wollten dagegen die als „Orthodoxe“
bezeichnete. Die Parteileitung fuhr einen
mittleren Kurs dazwischen.
Nun verlor
allerdings eine bisherige Parteiführung, zum
allerersten Mal in der Geschichte der Partei –
der stalinistische PCF-Chef Maurice Thorez
hätte sich das in den fünfziger Jahren gewiss
nicht bieten lassen -, im Vorfeld eines
Kongresses eine innerparteiliche Abstimmung.
Die alte Mehrheitsfraktion landete mit ihrem
Leitantrag bei nur noch 38 Prozent. Ein anderer
Textvorschlag erhielt 42 Prozent. Zwei kleinere
Strömungen, eine stärker auf Mélenchon hin
orientierende und eine besonders „orthodoxe“,
erhielten respektive zwölf und acht Prozent. Es
kam zum ersten, von „unten“ her initiierten
Leitungswechsel seit Bestehen des PCF, Pierre
Laurent wurde durch den 49jährigen bisherigen
Journalisten Fabrice Roussel aus
Nordostfrankreich abgelöst.
Die neue
Vorstandsmehrheit ist ihrerseits heterogen
zusammengesetzt, umfasst jedoch unter anderem
eine eher „orthodoxe“ Strömung, die aus der
Französischen KP gerne wieder eine Art
Volkspartei machen würde. Gemeinsam ist der
heterogenen innerparteilichen Koalition der
Wunsch nach einem stärkeren Selbstbewusstsein
des PCF gegenüber dem Hegemoniestreben Jean-Luc
Mélenchons. Dies wird sie auch benötigen.
Editorischer
Hinweis
Den Artikel
erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe. Er
wurde zuerst publiziert in der Wochenzeitung
Jungle World vom 20. Dezember 2018.
|