"Die
Europäische Linke ist in einer kritischen
Phase", sagte der neugewählte Präsident der
Europäischen Linken, Heinz Bierbaum, in
seiner Abschlussrede, um hinzuzufügen, dass
die gesellschaftlichen Umbrüche auch Chancen
für eine andere Politik eröffnen. Damit die
Europäische Linke diese Chancen ergreifen
kann, muss sie sich ändern. Diese Debatte
prägte den 6. Kongress der Partei der
Europäischen Linken (EL), der unter dem
Motto: "Reset Europe – Go Left!" vom 13.-15.
Dezember in Benalmádena/ Málaga (Spanien)
stattfand.
"Die
Europäische Linke ist in einer kritischen
Phase. Doch zugleich stellen die
gesellschaftlichen Umbrüche auch Chancen für
eine andere Politik dar: für eine
solidarische Politik in Abkehr vom
herrschenden Neoliberalismus und, vor allem,
für eine Politik als Gegensatz zur extremen
Rechten mit ihrem Nationalismus und
Rassismus. Diese Chancen muss die
Europäische Linke ergreifen, indem sie ihr
politisches Profil schärft und die
Zusammenarbeit unter den Linken in Europa
insgesamt verstärkt. Dies zu bewirken sehe
ich als meine Hauptaufgabe an", sagte
Heinz Bierbaum zum Abschluss des 6.
Kongresses der Partei der Europäischen
Linken (EL), der unter dem Motto: "Reset
Europe – Go Left!" vom 13.-15. Dezember in
Benalmádena/ Málaga (Spanien) stattfand.
Kurz zuvor
war er mit 66,7 Prozent zum neuen
Präsidenten der Europäischen Linken (EL)
gewählt worden.
Zur
Vize-Präsidentin wurde die Spanierin Maite
Mola (Izquierda Unida IU und Kommunistische
Partei Spaniens PCE) gewählt. Sie wird für
die internationalen Beziehungen der EL
verantwortlich sein. Die weiteren
Vizepräsident*innen sind Anna Mikkola (Left
Alianz, Finnland), zuständig für Kampagnen
und externe Kommunikation; Pierre Laurent
(PCF, Frankreich), zuständig für das
Europäische Forum; Natasha Theodorakopoulou
(Syriza, Griechenland), zuständig für die
interne Kommunikation; Margarita Mileva
(Bulgarische Linke, Bulgarien), zuständig
für Mittel- und Osteuropa; Paolo Ferrero
(Rifondazione Comunista, Italien), zuständig
für Kultur- und die Stiftung
transform! europe.
Dass sich
die Delegierten bzw. die Mitgliedsparteien
bei diesem Kongress (noch) nicht auf eine
Ko-Vorsitzende der EL einigen konnten,
verweist einmal mehr auf die schwelende
Zwistigkeiten unter den Parteien und ist
mehr als ein Wermutstropfen. Da hat die EL
nicht nur gegenüber anderen progressiven
Parteien, sondern auch der Linksfraktion im
Europaparlament noch Nachholbedarf.
"Eigentlich
war meine Präsidentschaft nicht vorgesehen,
da es einen anderen Vorschlag gab, der aber
nicht durchging", sagt Heinz Bierbaum. "Ich
habe für die Präsidentschaft kandidiert, da
ich die EL gut kenne, mir die Stärkung
besonders wichtig ist und ich zwischen
verschiedenen Positionen vermitteln kann.
Dies ist besonders wichtig, da sich die EL
in einer schwierigen Situation befindet, wie
die Niederlage bei den
Europa-Parlamentswahlen gezeigt hat", so
Bierbaum.
Heinz
Bierbaum übernimmt den Vorsitz der
Europäischen Linken in Zeiten des Um-
und Aufbruchs. Der EL fehlt die
Sichtbarkeit. Selbst in der Zeit vor der
Europawahl war das Bündnis aus 26
Mitgliedsparteien und 14 Beobachter-
bzw. Partnerorganisationen aus 20
europäischen Ländern (siehe
hier) nur wenig präsent. Die
Quittung folgte im Frühjahr mit den
verlorenen Mandaten im EU-Parlament, die
Linksfraktion GUE/NGL ist zur kleinsten
Fraktion im Europäischen Parlament
geschrumpft.
"In den
letzten Jahren hat die Linke in Europa
nach der tiefen Krise des
kapitalistischen Systems viele
Vorschläge unterbreitet. Wir müssen uns
jedoch der Tatsache stellen, dass unsere
Vorschläge offensichtlich nicht genug
Anklang gefunden haben, um in Europa
politische Wirkung zu entfalten. Die
letzten Europawahlen waren Beweis
dafür", sagte Waltraud Fritz-Klackl,
Mitglied des Politischen Sekretariats
der EL in ihrem Redebeitrag. Und weiter:
" Die EL wird auf die Probe gestellt -
vielleicht ein neuer Elchtest. Kann sich
aus ihr eine wirklich neue, radikale
Linkspartei entwickeln, eine Linke, die
eine Kraft in Europa darstellt, eine
aktive Kraft inmitten einer starken
demokratischen, sozialen, ökologischen
und transformativen nachhaltigen
Bewegung? Oder versinkt sie schließlich
in Belanglosigkeit und damit in die
Bedeutungslosigkeit? In eine bloße
Plattform, die sich ab und zu trifft, um
Belanglosigkeiten auszutauschen."
(Auszüge aus der Rede
hier) |
Die Wahl von Heinz Bierbaum war
zwar überraschend, aber er ist
kein Unbekannter. Heinz
Bierbaum, 1946 im
baden-württembergischen Triberg
geboren, hat lange
gewerkschaftliche, politische
und wissenschaftliche
Erfahrungen. Der Mitherausgeber
der
Zeitschrift Sozialismus war
1. Bevollmächtigter der IG
Metall in Frankfurt a.M., von
1996 bis 2009 lehrte Bierbaum
als Professor für
Betriebswirtschaft an der
Hochschule für Technik und
Wirtschaft des Saarlandes. Von
2009 -2017 war er
wirtschaftspolitischer Sprecher
und parlamentarischer
Geschäftsführer der
Linksfraktion im saarländischen
Landtag. Er war
stellvertretender Vorsitzender
der Partei DIE LINKE und ist
verantwortlich für
internationale Beziehungen der
Partei DIE LINKE und Mitglied
des Politischen Sekretariats der
EL. Dass er neben der deutschen
Sprache auch die spanische,
englische, italienische und
französische beherrscht,
erleichtert die Kommunikation
mit den Mitgliedsparteien der
EL. Er ist der erste Präsident
der EL, für den die
EL-Präsidentschaft nicht nur ein
"Nebenjob" ist. Seine Vorgänger
waren Fausto Bertinotti
(Nationaler Sekretär von
Rifondazione Comunista), Pierre
Laurent (Präsident der
Französischen Kommunistischen
Partei) und Gregor Gysi, der das
Amt seit Dezember 2016
innehatte. |
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Auch für
Heinz Bierbaum befindet sich die EL in einer
"kritischen" Situation, wie er in seiner
Rede einräumte. Der bei der Europawahl
sichtbar gewordene Rückschlag erfordere eine
"kritische Bewertung der zukünftigen
Ausrichtung der Partei", um "die Europäische
Linke weiter aufzubauen und zu verbessern"
und die Position der arbeitenden Menschen
auf dem gesamten Kontinent zu stärken.
Politisches Profil der EL stärken
"Unser
Problem ist, dass wir uns nicht als
glaubwürdige alternative politische Kraft
präsentieren konnten", sagte er und fügte
hinzu: "Wir müssen das politische Profil der
Europäischen Linken stärken". Bierbaum ist
der Ansicht, dass diese Stärkung des
politischen Profils und eine verstärkte
Zusammenarbeit zwischen den
Mitgliedsparteien möglich sind, auch wenn es
unterschiedliche Positionen darüber gibt,
"ob die EU reformierbar ist oder nicht".
Zwar sei die Frage, ob die EU reformierbar
ist oder nicht, eine abstrakte Frage ist,
jedoch sei klar, dass die
Maastricht-Verträge keine Basis für ein
soziales, demokratisches, ökologisches und
friedliches Europa sind. "Es geht mir darum,
Prozesse in Gang zu setzen, damit sich das
politische Klima ändert und die
Voraussetzungen geschaffen werden, damit es
in Richtung eines anderen Europas geht"
sagte er. "Wir müssen dem, was uns
verbindet, Priorität einräumen - und das ist
unsere Politik."
Prozesse in Richtung eines anderen
Europas in Gang setzen
In diesem
Zusammenhang hob er hervor, dass es Konsens
gebe in Fragen wie die Beendigung der
Austeritätspolitik und der Entwicklung einer
offensiven Politik zugunsten öffentlicher
Investitionen im Interesse der arbeitenden
Klasse.
Gemeinsam
müsse für eine neue Industriepolitik
gekämpft werden, die einen Wandel zu
sauberer Energie und nachhaltiger Mobilität
gewährleistet, Arbeitsplätze schafft und die
sozialen und wirtschaftlichen Rechte stärkt.
Beim "Green New Deal" gehe es der EL nicht
um einen Modernisierung der kapitalistischen
Entwicklung, sondern um die Überwindung der
Grenzen der kapitalistischen
Produktionsweise.
Schließlich
forderte er die Organisationen der
Europäischen Linken auf, eine Antwort auf
die rasante Digitalisierung der Wirtschaft
zu entwickeln, die zu Arbeitsplatzverlusten
und größerer Prekarität am Arbeitsplatz
führt und dringend eine massive Verbesserung
der Fähigkeiten und der Ausbildung der
arbeitenden Klasse erfordert.
"Eine auf
fossilen Energien basierte Gesellschaft hat
keine Zukunft mehr. Die sozial-ökologische
Transformation ist zentral, aber wir müssen
konkrete Antworten darauf finden, dass dies
auch Arbeitsplätze in einigen Bereichen
kostet und andere
Qualifikationsanforderungen entstehen."
Was die EL
bei diesen Vorschlägen für eine
sozial-ökologische Transformation von
anderen politischen Kräften unterscheide,
sei, so Bierbaum, dass die EL dies ausgehend
von "einer sozialistischen Perspektive"
mache.
stärker in der Abwehr des Militarismus
engagieren
Bierbaum
verwies darauf, dass sich die EL stärker mit
dem Thema "Krieg und Frieden" in der Abwehr
des um sich greifenden Militarismus und der
Militarisierung der EU befassen und die
Mitgliedsorganisationen sich stärker in der
Friedensbewegung engagieren müssen. Er
nannte den Widerstand gegen PESCO
(militärische Zusammenarbeit der
EU-Mitgliedstaaten), Proteste und Aktionen
gegen das Nato-Manöver "Defender 2020", den
75. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus
und den weltweiten Aktionstag gegen den
Imperialismus Ende Mai als Punkte, an den
die EL aktiv werden müsse.
Dass sich
die Mitgliedsorganisationen der Europäischen
Linken einigen können, wird auch im mit 91
Prozent angenommenen Politischen Dokument
des Kongresses mit den darin enthaltenen
Forderungen nach Verbindung von Klimaschutz
und Sozialpolitik oder gar die Überführung
von Schlüsselindustrien in
gesellschaftliches Eigentum deutlich. Das
Signal: Das Bündnis hält in zentralen
gesellschaftlichen Fragen zusammen und will
Politik mitgestalten. Aber auch hier gilt,
dass bereits im Vorfeld Punkte, die
gemeinsame Kampagnen und eine Stärkung des
politischen Profils der EL ermöglicht
hätten, zu unverbindlichen Floskeln
geglättet wurden, weil einige
Mitgliedsparteien unterschiedliche
Auffassungen haben. Strittige Fragen werden
zu stark ausgeklammert, kritisiert Bierbaum
zu Recht und fordert, die internen
politischen Debatten zu verstärken und
konfliktreiche Themen anzugehen.
Zusammenarbeit mit anderen Kräften
verstärken
Als ebenso
wichtig wie die Stärkung des politischen
Profils und die Überarbeitung der Strategie
ist für Bierbaum die verstärkte
Zusammenarbeit unter den linken und
progressiven Kräften in Europa - auch weit
über die Kräfte der EL hinaus. Er bedauerte,
dass die Portugiesische KP, Podemos aus
Spanien oder die belgische Partei der Arbeit
nicht in der EL vertreten sind. La France
Insoumise ist nicht mehr dabei – sie war
wegen der Regierungspolitik von Syriza
ausgetreten – nähert sich aber nun wieder an
und hat einen Antrag als Beobachterpartei
gestellt. "Das werden sicher nicht alle
Mitglieder, aber wir können die
Zusammenarbeit verstärken", hofft der neue
Präsident der EL. Ebenso soll der bereits
begonnene Prozess, das Europäische Forum als
Plattform für politische Debatten der linken
und progressiven Kräfte zu etablieren,
weiter forciert werden.
Pierre
Laurent (PCF) wies in seinem
Diskussionsbeitrag eindringlich auf die
Bedeutung des "Europäischen Forums" hin, als
ein Ort der Zusammenarbeit und Debatte mit
gesellschaftlichen und politischen Kräften,
die weit über die EL hinausgehen. Über das
Forum müssten linkssozialdemokratische
Kräfte, progressive Grüne, feministische
Bewegungen, Gewerkschaften und
Friedenskräfte gebündelt. In diesem
Zusammenhang der Bündelung der Kräfte
verwies er auf die Kämpfe in Frankreich
gegen die geplante Rentenreform von Macron.
(siehe dazu: "Frankreich
auf der Straße gegen die Rentenreform")
Sichtbarkeit der EL als politische Kraft,
mehr Verbindlichkeit, Kampagnenfähigkeit,
eine stärkere Struktur, die nicht nur ein
Dach für nationale Parteien ist, sondern
auch eine politische Organisation, die ihr
eigenes Profil, ihre Sichtbarkeit und
Wirksamkeit verbessert - "mehr Partei" -, in
diese Richtung will Heinz Bierbaum mit der
EL arbeiten.
"Wie müssen
wir uns verändern, damit wir Europa
verändern können", das war auch das Motto
der Rede von Gregor Gysi. Er unterzog die
Europäische Union einer schonungslosen
Kritik. Eine "Bankrotterklärung" der EU sei
gewesen, dass sich die EU nicht einmal auf
ein Waffenembargo einigen konnte, als das
Nato-Mitgliedsland Türkei Nordsyrien
überfiel. Dass die USA und die Nato die
syrisch-kurdischen Selbstverteidigungskräfte
YPG und YPJ an die Türkei auslieferten,
beweise, dass die Nato tatsächlich "hirntot"
ist, so Gysi. Denn YPG und YPJ waren die
wichtigsten Verbündeten im Kampf gegen den
IS, und haben die größten Opfer gebracht.
Jetzt vollziehe die Türkei in den von ihr
besetzten Gebieten in Nordsyrien eine
"ethnische Säuberung", sagte der scheidende
Präsident der EL in seinem Referat.
Er warnte
vor den wachsenden internationalen
Spannungen und hob hervor, dass es die
US-Regierung ist, die den INF-Vertrag
kündigte, die den Atomvertrag mit dem Iran
kündigte und die aus dem Pariser
Klima-Abkommen ausgestiegen ist.
Gysi
bekräftigte, dass es einen "sicheren Staat
Israel" geben muss. Und setzte hinzu: "Aber
es wird höchste Zeit, dass es einen sicheren
Staat Palästina in den Grenzen von 1967
gibt." Die EU müsse dafür aktiv werden.
Nicht nur
die EU ist in der Krise, auch die
europäische Linke befindet sich in einer
Krise, sagte Gysi und verwies in diesem
Zusammenhang selbstkritisch darauf, dass
Syriza von der europäischen Linken
alleingelassen wurde. Im Ergebnis dieser
Krise befinden sich die rechtsautoritären
Kräfte im Aufwind. Der Wahlsieg von Boris
Johnson und der bevorstehende Brexit werde
die reaktionäre Welle verstärken.
Das
Scheitern des Sozialismus habe nicht nur die
Kommunist*innen, sondern auch die Linke
insgesamt und die Sozialdemokrat*innen
geschwächt. Jetzt entstehe eine "Gefahr für
die Demokratie", warnte Gysi, denn
Demokratie gebe es nur, wenn es eine soziale
Demokratie gebe, und "die gibt es nur durch
die Linke".
Europäische Linke ein Teil der
weltweiten Linken
In der
Diskussion kamen nicht nur Delegierte und
Gäste aus Europa zu Wort. Von Argentinien,
Uruguay, Chile, Brasilien, Bolivien,
Kolumbien, Venezuela, Cuba über Tunesien,
Westsahara, Marokko, Ägypten, Libanon,
Israel, Palästina, Irak, Iran bis zum
Senegal reichte der Bogen, von dem
Vertreter*innen von linken, kommunistischen
und Arbeiterparteien zu den ca. 400
Delegierten und Gästen des Kongresses
sprachen.
Quelle:
http://www.kommunisten.de/news/europawahlen-2014/7736-6-kongress-der-europaeischen-linken-mehr-partei-werden
/ 18.12.2019
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