Bahnprojekt "Tren Maya" in Mexiko bei umstrittener Befragung angenommen

von Philipp Gerber

01/2020

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Yucatán. In einer Befragung, die von einigen Stimmen als unlauteres Verfahren kritisiert wird, stimmte ein Großteil der Bevölkerung der Halbinsel Yucatán am vergangenen Wochenende dem Großprojekt Tren Maya zu. Das mit Abstand größte Infrastrukturprojekt des seit gut einem Jahr regierenden mexikanischen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador erneuert die Eisenbahnstrecke entlang historischer Stätten und aktuellen Ortschaften der Maya. Je nach Projektvorschlag sollen in Zukunft zwischen drei bis acht Millionen Touristen diesen Zug benutzen. An den Stationen auf der rund 1.500 Kilometer langen Strecke werden zudem urbane Entwicklungszentren geplant.

An der Befragung nahmen in 30 Versammlungen die Repräsentanten der indigenen Bevölkerung teil. Insgesamt waren 75 Prozent der 1.400 betroffenen Gemeinden vertreten, erklärte Adelfo Regino Montes vom Nationalen Institut für die Indigene Bevölkerung (INPI). Diese Versammlungen seien ohne nennenswerte Opposition über die Bühne gegangen, die Gemeinden hätten dem Großprojekt “per Konsens” zugestimmt.

Gleichzeitig waren in 84 Bezirken auf der Halbinsel (Campeche, Quintana Roo und Yucatán) sowie in Tabasco und Chiapas auch 269 Abstimmungslokale präsent, wo alle Bürger ihre Meinung kundtun konnten. Die Umfrage wurde nicht von einer staatlichen Stelle, sondern von Anhängern der Regierungspartei Morena durchgeführt. Der Zulauf war eher gering, es beteiligten sich 100.940 Personen, allein die Halbinsel Yucatán hat 4,5 Millionen Einwohner. 92,3 Prozent stimmten dem Projekt zu, 7,4 Prozent lehnten es ab. Die Regierung will umgerechnet rund 5,7 Milliarden Euro in den Tren Maya investieren. Das Budget dafür ist erst zu einem Teil über das Tourismusministerium gesichert.

Kritiker haben darauf hingewiesen, dass noch keine Studien über den ökologischen Fußabdruck des Schnellzugs vorliegen. Dazu gehört sowohl die Streckenführung, die teilweise durch Naturreservate führt, wie auch die Frage, wie viele zusätzliche Touristen die schon jetzt gut besuchten archäologischen Stätten verkraften können.

Auch indigene Gruppierungen kritisieren das Großprojekt und insbesondere die improvisierte “Konsultation”, welche die von Mexiko ratifizierte ILO-Konvention 169 über indigene Rechte verletze. Die Befragung wird von diesen Organisationen deshalb als Simulation verurteilt, die sich über die Versprechen von Regierungsprogrammen im Schnellverfahren die Zustimmung der Gemeindevertreter erkaufte. Dass diese Kritiker in Mexiko ein großes Risiko eingehen, zeigte sich am Tag nach der Befragung, als der Maya-Poet und Menschenrechtler Pedro Uc und seine Familie massive Morddrohungen erhielten.

Editorische Hinweise

Der Beitrag wurde am 19.12.2019 erstveröffentlicht bei https://amerika21.de . Wir wurden vom Autor um Zweitveröffentlichung gebeten.

Eine Zwischenbilanz zum ersten Jahr Andrés Manuel López Obrador (AMLO)-Regierung erscheint diese Tage in den Lateinamerika Nachrichten.

Philipp Gerber ist Autor des Buches:

Das Aroma der Rebellion
Zapatistischer Kaffee, indigener Aufstand und autonome Kooperativen in Chiapas, Mexiko