Bernard Schmid  berichtet aus Frankreich

Sozialprotest in Frankreich

01/2020

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onlinezeitung

Bericht vom 11. Dezember 2019

Soziale Protestbewegung tritt in eine kritische Phase ein; Demonstrationsbeteiligung bröckelt am Dienstag [10.12.19], doch Streik„herde“ bleiben bislang stabil. Am Donnerstag, den 12.12.19 finden nun vorläufig „nur“ dezentrale Aktionen statt; einen neuen zentralen Aktionstag wird es am kommenden Dienstag, den 17. Dezember d.J. geben

Am heutigen Mittwoch, den 11. Dezember 19 wird erwartet, dass Premierminister Edouard Philippe in die Bütt tritt und erstmals konkrete Ankündigungen über die genauen Inhalte der geplanten Renten„reform“ tätigt. Bislang hatte er noch die Taktik verfolgt, scheibchenweise vorzugehen und vorläufig nur allgemeine, weitgehend wolkig klingende Tendenzen bekannt zu geben. Die Dynamik der Sozialproteste vor allem am vorigen Donnerstag, den 05. Dezember 19 (und sein Chef, Emmanuel Macron) hat bzw. haben ihn nun dazu gezwungen, doch konkreter zu werden.

Am Dienstag Abend, den 10. Dezember 19 warnte Philippe unterdessen vor, es seien keine „Wunderankündigungen“ zu erwarten, die „den Demonstrationen ein schnelles Ende setzen“ würden. Vgl. bspw. : https://www.lefigaro.fr/

Die Protestbewegung selbst tritt unterdessen in eine wohl reichlich kritische Phase ein. Am zentralen Aktionstag vom gestrigen Dienstag, den 10. Dezember 19 war ein Rückgang bei der Mobilisierung zu Demonstrationen zu verzeichnen. Frankreichweit bezifferte das Innenministerium ihre Teilnehmendenzahl dieses Mal mit „339.000“ (am vorigen Donnerstag, den 05. Dez. d.J. hatte es sie mit „806.000“ angegeben“), die CGT Ihrerseits sprach von „850.000“ (am vorigen Donnerstag: „1,5 Millionen“). Daraufhin wurde der nächste geplante Aktionstag am morgigen Donnerstag, den 12.12.19 zunächst einmal – im Abwarten auf die planmäßig erwarteten Ankündigungen des Premierministers – zum nur noch „dezentralen“, also lokal auszuführenden Aktionstermin heruntergestuft. Er verlor dadurch seinen zentralen Mobilisierungscharakter. Wohl auch, um zu vermeiden, ein weiteres Abbröckeln der Beteiligung – sofern man die Teilnehmer/innen/zahl frankreichweit zusammenzählen könnte – der Öffentlichkeit und den Entscheidungsträgern vor Augen zu führen. Also lieber keine Schwächedemonstration. Am darauffolgenden Dienstag, den 17.12.19 soll es jedoch wieder einen zentralen Aktionstag geben; jedoch je nachdem, sicherlich, wie die Ankündigungen des Regierungschefs inhaltlich ausfallen werden.

Bei Auswertungen in Whatsapp-Gruppen etwa von linksgewerkschaftlichen Netzwerken wie des Front Social oder von „Gelbwesten“gruppen war man sich weitgehend einig gewesen, die Pariser Demonstration von diesem Dienstag [ 10.12.19 ] sei relativ uninteressant gewesen, und darüber, dass ein quantitativer Rückgang bei der Mobilisierung real zu verzeichnen war.

Da nunmehr seit Wochenbeginn alle Welt auf Edouard Philippes Ankündigungen wartet, ist es möglich, dass seine Worte noch mal „Öl ins Feuer schütten“, wenn viele Lohnabhängige sich allzu offen verschaukelt vorkommen. Umgekehrt ist jedoch zu befürchten, dass eine erste Lücke in die Protestfront gerissen werden könnte.

Die CFDT-Cheminots (Branchengewerkschaft der CFDT bei der Eisenbahn) kündigte am Vorabend an, sich aus dem Streik zurückzuziehen, falls man ihrer Berufsgruppe – den Bahnbeschäftigten – die in Regierungskreisen so getaufte „Großvaterklausel“ (clause du grand-père) gewähren werde; vgl. https://www.lemonde.fr/

Lust eine solche Maßnahme ist in Regierungskreisen tatsächlich seit längerem in der Diskussion. Diese bestünde darin, dass „Altbeschäfigte“, die bereits im Dienste etwa der Bahngesellschaft stehen – eine Ausdehnung auf andere Berufsgruppen ist denkbar – nicht unter die neuen Bedingungen im Zusammenhang mit der Renten„reform“ fallen. Erst auf die Lohnabhängigen in ab heute neu begründeten Arbeitsverhältnissen würde Letztere Anwendung finden. Also auf die Enkel gewissermaßen; deswegen auch die „großväterliche“ Benennung.

CGT-Generalsekretär Philippe Martinez nahm stets gegen eine solche, deutlich hinausgeschobene doch reale, Anwendung der „Reform“regeln Stellung mit dem Argument, die heutige Beschäftigtengeneration könne nicht „die Interessen der jüngeren Lohnabhängigen opfern“.

Neben der jedenfalls an der Spitze rechtssozialdemokratisch geführten CFDT würde jedoch auch die UNSA, ein sich „unpolitisch“ nennender Gewerkschaftszusammenschluss (mit Nähe in seinen Positionen zur CFDT), eine solche „Lösung“ wohl akzeptieren. Bei der Eisenbahn, wo die UNSA relativ starke Positionen einnimmt, nimmt diese bislang ebenfalls am Arbeitskampf teil.

Auflösung in spätestens 24 bis 48 Stunden an dieser Stelle…

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Beitrag vom Autor dfür diese Ausgabe.