Kulturgut des Adels
Die Zuordnung kultureller Einrichtungen und Kulturgüter nach 1918

Leseauszug aus
WD 10 - 3000 -010/15

01/2021

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Vorbemerkung

Vor 100 Jahren wurde in Deutschland die Auflösung der "Fideikommisse" durch den Reichstag beschlossen. Die KPD berichtete darüber in ihrer Zeitschrift "Die Internationale" im Januar 1921 und mutmaßte: "Der Wortlaut des Gesetzes gibt also trotz der Nennung der Termine auch nicht die geringste Gewähr dafür, dass in absehbarer Zeit überhaupt irgend etwas 'aufgelöst' wird."

Wie Recht die KPD hatte. Zwar konnte sie dort, wo sie politischen Einfluss hatte - in der SBZ und der späteren DDR - dem Adel  sein in Jahrhunderten zusammengeraubtes Vermögen entziehen, doch mit dem Beitritt zur BRD, galt fortan auch in Ostdeutschland das BRD-Recht.  Dies gewährt bis heute ungebrochen dem Adel vermögenssichernden Bestandsschutz. Der Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages gab dazu 2015 eine Untersuchung heraus, aus der wir auszugsweise zitieren:

"... Bereits das 17. Jahrhundert kannte die Doppelstellung des Fürsten: Als Regent einerseits und Privatperson andererseits. Aus dieser Doppelrolle prägte sich im Verlauf der Geschichte der Staat als Rechtssubjekt und die Trennung zwischen Staatsrecht und Privatrecht immer deutlicher heraus. Damit einher ging eine eigentumsrechtliche Trennung der Vermögensmassen. Durchgehend wurden drei Eigentumskategorien unterschieden: Staatseigentum, Hausfideikommisseigentum und Privateigentum. Das Haus- oder Hoffideikommissgut war mit dem Monarchen als Staatsper­son untrennbar verbunden.(13) Denn die Hofausstattung diente Rang und Glanz des fürstlichen Hauses, nicht den privaten Bedürfnissen des Herrschers als Person. Die Hofausstattung gehörte zur öffentlich-rechtlichen Amtsausstattung des Regenten als Staatsperson (Zubehör der Krone). In dieser Funktion unterlag das Hoffideikommissgut einem Sonderrecht: Es war unveräußerlich, unbelastbar, unteilbar und nur an den Thronfolger vererbbar.(14) Daher wurden Staats- und Hausfideikommisseigentum, aber auch das (immobile) Domänenvermögen vom jeweiligen Regierungsnachfolger des Regenten übernommen. In diesem Sinn bildete sich im Lauf des 19. Jahrhundert eine vielfaltige Struktur kultureller Einrichtungen und - damit verbunden - eine entsprechende höfisch-landesfürstliche Kulturpolitik heraus (WAGNER 2009).

Das Vordringen des Staates mit eigener Rechtspersönlichkeit seit dem 18. und mehr noch im 19. Jahrhundert brachte die Vermögenssphäre des Monarchen zunehmend unter die Herrschaft des öffentlichen Rechts: Als funktionaler Bestandteil des Regierungshandelns wurde Sachherrschaft in der Hand des Regenten historisch in wachsendem Maß öffentlich. Aus höfischen, von den In­teressen und Vorlieben der fürstlich-höfischen Herren abhängigen kulturellen Einrichtungen wurden staatliche Institute, aus Hof- wurden Nationaltheater, aus fürstlichen Bücherkammern Staats- und Landesbibliotheken, aus höfischen Kunstsammlungen staatlich getragene öffentliche Museen. In Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg und Hannover entstanden in der ersten Jahrhunderthälfte eigenständige Kultusministerien, die mit der Zeit mit Referenten für Kunstan­gelegenheiten und einem eigenen Kunstetat ausgestattet waren. Ein Teil der vormals höfischen Kultureinrichtungen ging in Landeseigentum über, ein anderer Teil wurde über die fürstliche Privatschatulle" (die sog. Zivilliste)15 gefördert. Die meisten Hoftheater und -Orchester blieben jedoch im Eigentum der Krone, und die etwa zwei Dutzend höfischen Theater gingen erst mit dem Ende der Monarchie 1918 in Landesträgerschaft über. In gleicher Weise ging die Hofausstat­tung - Bibliotheken, Gemälde, Sammlungen - als Pertinenz, d. h. Zubehör des Herrscheramtes, mit dem Ende der Monarchie durch die Revolution auf die Republik über (ebd.).

Die Novemberrevolution beendete die Herrschaft der regierenden Fürstenhäuser in Deutschland. Vielfach wurde das Vermögen der Fürsten beschlagnahmt, jedoch wurden die Fürstenhäuser -etwa im Unterschied zur Situation in Österreich - nicht sofort enteignet. Auf Reichsebene fanden keine Beschlagnahmungen statt, denn es gab keinen entsprechenden Besitz. Darum verzichtete das Reich auf eine reichsweit einheitliche Regelung und überließ es den Ländern, wie diese die Konfiskationen jeweils regeln wollten. Überdies fürchtete der Rat der Volksbeauftragten, mit sol­chen Enteignungen Begehrlichkeiten der Siegermächte zu nähren, die auf enteignete, frühere fürstliche Vermögensmassen Reparationsansprüche hätten stellen können. Damit zerriss die Re­volution von 1918 in den deutschen Einzelstaaten nicht nur das staatsrechtliche Verhältnis der Dynastien zu ihrem Land, sondern warf auch ein vermögensrechtliches Problem auf. Während des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit war das Hausvermögen der regierenden Familie mit den Gütern, die zu den lehenrechtlich vom Kaiser verliehenen Fürstentümern gehörten, z. B. mit dem bayerischen Herzogsgut, gemeinsam verwaltet worden. Als Ergebnis waren die beiden Ver­mögensmassen derart vermengt worden, dass eine saubere Trennung nicht mehr möglich war. Versuche, diesen Komplex der so genannten „Domänen" zwischen Staat und Haus aufzuteilen, wie sie etwa in Preußen und mehreren norddeutschen Kleinstaaten versucht wurden, endeten in der Regel in politisch bedingten Kompromissen, wonach entweder der Staat dem Herrscherhaus eine fixierte Rente (Zivilliste, Krondotation) auszahlen musste oder die als Hausvermögen aner­kannten Domänen mit Leistungen an den Staat - etwa eine Domanialrente oder die Übernahme bestimmter Lasten, z. B. Unterhalt des Hoftheaters - belastet wurden. In einigen Ländern kam es im 19. Jahrhundert zu überhaupt keiner Vermögensteilung. Die praktische Zuordnung konnte dann beim Haus liegen, wie in Mecklenburg, oder beim Staat, wie in Bayern (SCHÜREN 1978).

Im Streit um die Fürstenenteignung in der Weimarer Republik ging es um die Frage, was mit dem Vermögen der deutschen Fürstenhäuser geschehen solle, die im Zuge der Novemberrevolution politisch entmachtet worden waren. Diese Auseinandersetzungen begannen bereits in den Revo­lutionsmonaten. Sie dauerten in den Folgejahren als Vertragsverhandlungen bzw. Gerichtsver­fahren zwischen einzelnen Fürstenhäusern und den jeweiligen Ländern des Deutschen Reiches an.(17) Die fürstlichen Besitztümer waren in der Revolution 1918/19 zwar beschlagnahmt, jedoch nicht enteignet worden. Da die Weimarer Verfassung in Artikel 153 das Privateigentum(18) garan­tierte, forderten die Fürsten nun hohe finanzielle Entschädigungen für entgangene Gewinne und die freie Verfügungsgewalt über ihren Besitz zurück. Ein Großteil der vielfach unter sozialer Not leidenden Bevölkerung reagierte empört, als 1925 Gerichtsurteile bekannt wurden, welche die Fürstenabfindungen unterstützten. Die Empörung politisch ausnutzend, forderte die Kommunis­tische Partei Deutschlands (KPD) mit großem propagandistischem Aufwand, die Fürsten zuguns­ten sozial bedürftiger Schichten zu enteignen. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und mit Rücksicht auf die Stimmung in der Arbeiterschaft unterstützte die Führung der Sozialdemokrati­schen Partei Deutschlands (SPD) den Vorstoß der Kommunisten. Höhepunkte des Konflikts wa­ren in der ersten Hälfte des Jahres 1926 ein erfolgreiches Volksbegehren und nachfolgend ein letztlich gescheiterter Volksentscheid zur entschädigungslosen Enteignung. Nach dem geschei­terten Volksentscheid am 20. Juni 1926 einigten sich die meisten Länderregierungen mit ihren Fürstenhäusern relativ zügig auf finanzielle Kompromisse. In Preußen kam bereits am 15. Okto­ber 1926 ein Ausgleich zwischen dem Land und dem Haus Hohenzollern zustande (IMMLER 2009).(19)

In den Ländern mussten Einigungen mit den Fürstenhäusern von nun an endgültig auf dem Verhandlungsweg gesucht werden. Die Position der Länder wurde dabei bis Ende Juni 1927 durch ein so genanntes Sperrgesetz gesichert, das Versuche der Fürstenhäuser unterband, gegen die Länder gerichtete Ansprüche auf dem Wege von Zivilklagen durchzusetzen. In Preußen kam die gewünschte Einigung am 6. Oktober 1926 zustande - ein entsprechender Vertragsentwurf wurde vom Land Preußen und vom Generalbevollmächtigten der Hohenzollern, Friedrich von Berg, un­terzeichnet. Bereits vor der gesetzlichen Regelung zwischen Preußen und den Hohenzollern wa­ren die meisten Streitfälle zwischen Ländern und Fürstenhäusern einvernehmlich geregelt wor­den.(20) Mit den ehemals herrschenden Fürstenhäusern stritten nach Oktober 1926 allerdings noch die Länder Thüringen, Hessen, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz und vor allem Lippe. Zum Teil dauerten die Verhandlungen noch viele Jahre an. Insgesamt sind 26 Verträge zur Regelung der Vermögensauseinandersetzungen zwischen den Ländern und den Fürstenhäu­sern abgeschlossen worden. Mit diesen Verträgen wurden die Fürstenfamilien für den Verzicht auf die Thron- und Domänenrechte entschädigt. Während das Kammergut (Domänen) und der Hausfideikommiss zwischen Staat und Fürstenhaus geteilt wurden, gingen Residenzschlösser, Parks, Theater, Bibliotheken und Museen größtenteils auf den Staat über. Im Gegenzug erhielten die Fürsten umfangreiche Bestände an Kunst- und Kulturgütern, Immobilien, die ihnen als Wohnsitz dienten, eine großzügige, repräsentative Ausstattung dieser Immobilien mit Möbeln und Kunstwerken sowie zum Teil auch einmalige Geldabfindungen oder Renten. Durch diese Verträge gingen die so genannten Lastobjekte in der Regel an den Staat. Dazu zählten Schlösser, Bauten oder Gärten. Renditeobjekte, wie beispielsweise Wälder oder wertvoller Grund, wurden überwiegend den Fürstenhäusern zugewiesen. In vielen Fällen gingen Sammlungen, Theater, Museen, Bibliotheken und Archive in neu gegründete Stiftungen ein. Der Staat übernahm außer­dem auf der Basis dieser Verträge oftmals die Hofbeamten und -bediensteten sowie die mit ihnen verbundenen Versorgungslasten. Apanagen und die so genannten Zivillisten, also jener Budget­teil, der einst für das Staatsoberhaupt und seine Hofhaltung deklariert gewesen war, fielen gegen einmalige Ausgleichszahlungen in aller Regel fort (STENTZEL 2000).

Eine rasche Einigung wurde beispielsweise noch 1919 im Freistaat Coburg mit der Gründung der Coburger Landesstiftung erzielt. In Bayern fanden Staat und Wittelsbacher 1923 mit der Grün­dung des Wittelsbacher Ausgleichsfonds und der Wittelsbacher Landesstiftung einen Kompro-miss. In beiden Fällen wurden die Domänen zwischen Staat und Dynastie aufgeteilt und die Kunstsammlungen in eine Stiftung eingebracht. Die Unzufriedenheit mit den Ansprüchen man­cher ehemaligen Fürstenhäuser führte freilich zur Forderung nach der Fürstenenteignung 1926. Die Verhandlungen der einzelnen Länderregierungen mit den Fürstenhäusern zogen sich auf­grund unterschiedlicher Vorstellungen zur Entschädigungshöhe in die Länge. Auch rangen die Verhandlungsparteien oft um die Klärung der Frage, was den vormals regierenden Fürsten als Privateigentum zustand, im Unterschied zu solchen Besitztümern, auf die diese nur in ihrer Ei­genschaft als Landesherren Zugriff gehabt hatten (Domänenfrage).(21) Einige Fürstenhäuser forder­ten mit Blick auf Artikel 153 der Verfassung überdies die vollständige Herausgabe ihres früheren Eigentums sowie Ausgleichszahlungen für entgangene Vermögenserträge. Verkompliziert wurde die Lage durch die fortschreitende Geldentwertung im Zuge der Inflation in Deutschland, die den Wert von Entschädigungszahlungen minderte. Einzelne Fürstenhäuser fochten darum die Ver­träge an, die sie zuvor mit den Vertragspartnern auf Länderseite abgeschlossen hatten.

Auch Preußen verhandelte lange mit dem Haus Hohenzollern. Am 13. November 1918, vier Tage nach dem Sturz der Monarchie, wurde das Vermögen des Hauses Hohenzollern durch die neue Regierung beschlagnahmt. Der bisherige umfangreiche Besitz wurde unter Zwangsverwaltung des preußischen Finanzministeriums gestellt. Ein Vergleich sollte das schwierige Problem der künf­tigen Besitzverhältnisse regeln. Die schwierigen Verhandlungen zwischen dem vormaligen Kö­nigshaus und dem preußischen Staat dauerten acht Jahre. Bis 1925 wurden zwei Vergleichsvor­schläge unterbreitet, die beide keine Zustimmung des preußischen Landtages fanden. Ein dritter war bereits am 12. Oktober 1925 vom preußischen Finanzminister Dr. Hermann Aschoff und von dem Generalbevollmächtigten des vormaligen Königshauses, Geheimrat Friedrich von Berg unterzeichnet worden. Doch wollte der Landtag vor einer Ratifizierung erst den Ausgang des Volksentscheids über das „Gesetz zur Enteignung der Fürstenvermögen" abwarten. Die Abstim­mung vom 20. Juni 1926 brachte zwar statt der zur Annahme des Gesetzes notwendige Stimmen­zahl von 20 Millionen nur 14,4 Millionen, doch war im Anschluss daran das Königshaus zu wei­teren Zugeständnissen bereit, so dass am 6. Oktober 1926 der Abänderungsvertrag zwischen dem Generalbevollmächtigten des vormaligen Königshauses und der preußischen Staatsregierung abgeschlossen werden konnte. Mit dem Vertrag wurde der Staat Eigentümer von 75 Schlössern und Gärten.(22) Dem Königshaus verblieben 39 Gebäude und Grundstücke, darunter in Berlin das Palais Kaiser Wilhelms I. und das Niederländische Palais, in Süddeutschland die Burg Hohenzol­lern, Burg Sonneck, Burg Stolzenfels und Burg Rheinstein, außerdem in Potsdam die Villen Ingenheim, Liegnitz und Alexander. Dem Kronprinzen Wilhelm und seiner Gemahlin Cecilie, sowie den Kindern und Enkelkindern wurde das Potsdamer Schloss Cecilienhof als Wohnsitz auf Lebenszeit belassen. Die Kroninsignien (Zepter, Reichsapfel, Reichssiegel, Reichsfahne und Reichshelm), die das Königshaus bereits früher den Staatlichen Schlössern und Gärten leihweise überlassen hatte, gingen in den Besitz des Staates über, während die Kronjuwelen dem Königs­haus verblieben. Für das Hausarchiv der Hohenzollern wurde eine gemeinsame Verwaltung vereinbart. Die Bestände des Hohenzollernmuseums Schloss Monbijou verblieben im Besitz des Kö­nigshauses. Ihre Verwaltung übernahm der Staat, der diese Aufgabe 1927 der Schlösserverwal­tung übertrug (SCHÜREN 1978: 26ff.).Der NS-Staat schuf nach anfänglichem Zögern am 1. Februar 1939 per Gesetz die Möglichkeit, in abgeschlossene Auseinandersetzungsverträge einzugreifen. Im Ganzen war dieses Rechtsinstru­ment allerdings ein Präventions- und Drohmittel, weniger ein Mittel der Rechtsgestaltung. An­sprüche von Fürstenhäusern gegen den Staat, die es in den ersten Jahren des Dritten Reichs gele­gentlich gegeben hatte, sollten mit diesem „Gesetz über die vermögensrechtliche Auseinander­setzung zwischen den Ländern und den vormals regierenden Fürstenhäusern" abgewehrt wer­den.(24) Die Drohung, als Gegenmaßnahme gegen fürstliche Klagen die Vermögenslage zugunsten des NS-Staates ganz neu zu gestalten, sollte alle entsprechenden Beschwerden und Klagen von fürstlicher Seite nachhaltig unterdrücken. Eine Gleichschaltung der Vertragslage war damit je­doch nicht beabsichtigt (JUNG 1990).

Nach dem 2. Weltkrieg wurden in der Sowjetischen Besatzungszone die Eigentümer von Grund­stücken von mehr als 100 Hektar in der Bodenreform von 1945 bis 1948 entschädigungslos ent­eignet.(25) Zu zwei Dritteln ging das enteignete Land als eingeschränktes Eigentum (unverkäuflich, nicht belastbar, nur eingeschränkt vererbbar) an die Familien von Landarbeitern, an landlose Bauern, Umsiedler und Kleinpächter. Das restliche Drittel gelangte in sogenanntes Volks- und nach der Wiedervereinigung in Staatseigentum. Die gesetzliche Grundlage war mit den in der Sowjetischen Besatzungszone zwischen dem 3. und 11. September 1945 auf Befehl der Sowjeti­schen Militäradministration verabschiedeten Bodenreformverordnungen geschaffen worden.(26) Ab 1952 ging der Landbesitz zumeist in die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) über, während das eingeschränkte Eigentum bis zum Ende der DDR und darüber hinaus bei den Landempfängern der Bodenreform verblieb. Die im Einigungsvertrag  vom 31. August 1990 getroffene Festlegung, dass Enteignungen in der SBZ auf besatzungsrechtlicher und besät-zungshoheitlicher Grundlage (1945-1949) nicht mehr rückgängig zu machen sind, wurde vom Bundesverfassungsgericht am 23. April 1991 und 18. April 1996 bestätigt.(27) Betroffen waren hier­von Eigentümer von landwirtschaftlichen Großbetrieben, aber auch Industrielle. Neben diesen sachlichen Voraussetzungen wurden auch Kriegsverbrecher und ihnen gleichgestellte Personen entschädigungslos enteignet. Soweit diese Personen auch nach heutigem Maßstab ein wichtiger Teil des NS-Systems waren, bleiben diese Enteignungen erhalten. Die Großgrundbesitzer verloren mit der Bodenreform aber häufig nicht nur ihre landwirtschaftlichen Flächen und ihre Schlösser oder Herrenhäuser, sondern auch deren komplette nichtlandwirtschaftliche Ausstat­tung. Darunter fiel außerdem jegliches, in diesen Räumlichkeiten vorhandenes Kulturgut (Schlossbergung).(28) Viele Objekte wurden von der sowjetischen Besatzungsmacht den Museen zugeteilt und gingen durch die Enteignung später in das Eigentum der DDR über.(29) Hierzu sieht das 1994 verabschiedete Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) bei fristgerecht gestelltem Antrag(30) und nachweisbarem Eigentum die Rückgabe vor. Jedoch wurde den Ausstellungshäusern bis zur endgültigen Herausgabe und zu etwaigen Rückkäufen bzw. Ausgleichszahlungen ein auf 20 Jahre befristetes Nießbrauchrecht für Ausstellungsstücke eingeräumt. Ab dem 1. Dezember 2014 müssen die Kunst- und Kulturgüter bei berechtigtem Anspruch an die rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben werden, sofern bis zu diesem Zeitpunkt kein Ausgleich vereinbart werden konnte.(31)..."

Fußnoten (Unterstreichungen von khs)

13) Das Familienvermögen - keineswegs nur Immobilien, sondern mitunter auch Barvermögen oder Kunstsamm­lungen als kulturelle Sachgesamtheiten - sollte ungeteilt in der Hand eines Familienmitgliedes, meist des Erst­geborenen, bleiben, der dann auch nur den Ertrag des Vermögens zur freien Verfügung erhielt. Bereits seit dem späten 19. Jahrhundert intensivierten sich die Bestrebungen der Legislative, dieses Rechtsinstitut flächende­ckend aufzulösen. Doch obwohl sich diese Tendenzen während der Weimarer Republik und zumal während der NS-Zeit durch mehrere Fideikommiss-Gesetze verschärften, wurden die deutschen Fideikommisse nicht restlos aufgelöst. Während in der Sowjetischen Besatzungszone die Bodenreform ihre Existenz vollständig beendete, besteht das Fideikommiss in den alten Bundesländern in einigen Fällen bis heute fort.

14) Es war deshalb seit langem eine demokratische Forderung, diese Relikte des Feudalismus aufzulösen und abzuschaffen; bereits der Entwurf der Reichsverfassung von 1849 forderte in § 170 die Auflösung der gebundenen Vermögen. Dennoch blieben Familienfideikommisse und verwandte Institute im 19. Jahrhundert die am weitesten verbreitete Rechtsform des Grundadels Vermögens. Die gebundenen Adelsvermögen sind auch durch das am 1. 1. 1900 in Kraft getretene Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) nicht beseitigt worden. Die Weimarer Reichsverfassung forderte in Art. 155 Abs. 2 Satz 2 zwar, Fideikommisse und sonstige gebundene Vermögen aufzulösen, dennoch hielten sie sich auch in der Weimarer Zeit trotz einer Reihe gesetzgeberischer Maßnahmen der Länder zäh am Leben (Hoyningen-Huene 1992: 41ff.). So erfolgte die Auflösung der gebundenen Adelsvermögen erst durch Gesetz über das Erlöschen der Familienfideikommisse (FidErIG) vom 6. 7. 1938 und durch die Durchführungsverordnung hierzu (DV FidErIG) vom 20.3. 1939. Diese Rechtsvorschriften sind heute noch in Kraft; sie gelten als Landesrecht weiter (§ 4 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Fideikommiss- und Stiftungsrechts vom 28.12. 1950 - BGB1.1 S. 820) und finden sich in den entsprechenden Landesgesetzen (z. B. in Regelungen hinsichtlich schützenswerter Kulturgüter). Das Fideikommissabwicklungsrecht wird dabei auch nicht im Widerspruch mit der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes betrachtet, da mit dieser Regelung nicht ursprünglich freies Eigentum kraft obrigkeitlichen Eingriffs eingeschränkt und gebunden worden sei, sondern die Inhaber der betroffenen Vermögen von früher bestehenden Eigentumsbindungen unter dem Vorbehalt einzelner im Interesse der Allgemeinheit weiter bestehender Einschränkungen befreit worden seien. Vgl. dazu beispielsweise die Kommentierung zum hessischen Fideikommissabwicklungsrecht in Dörffeldt/Viebrock (1991).

15) Als Zivilliste wird der jährliche Betrag bezeichnet, der einem Monarchen und seinen Angehörigen aus der Staatskasse gewährt wird. Darin enthalten sind die Apanage - die Abfindung der nichtregierenden Mitglieder zur Deckung eines standesgemäßen Lebenswandels - und die Aufwendungen für den herrschaftlichen Haus­halt.

16) Was der jeweilige Monarch als Staatsorgan in Ausübung seines Amtes, als höchster Repräsentant des Landes, als Bewahrer und Förderer von Kultur und Kunst im öffentlichen Interesse erwarb oder von seinem Vorgänger in der Regierung übernommen hatte, lässt sich deshalb als Gut nicht der privaten fürstlichen Sphäre zurechnen, auch wenn es in Einzelfällen der persönlichen Disposition des Regenten unterworfen blieb. Entsprechend gilt dies auch für die im frühen 19. Jahrhundert säkularisierten Vermögensgüter, die nach allgemeiner Ansicht in der Regel auf Dauer Staatseigentum, nicht privates Eigentum des regierenden Fürsten geworden sind. Da die Liegenschaften der Klöster und deren Mobilien für staatliche Zwecke bestimmt waren, wurden durch den Reichsdeputationshauptschluss 1803 die säkularisierten Vermögensgüter Staatseigentum (Klein 2007: 50ff.). Vgl. hierzu auch das Gutachten der Expertenkommission „Eigentumsfragen Baden", das auf der Grundlage einer verfassungs- und rechtsgeschichtlichen Analyse Kriterien für die Güterzuordnung ermittelte (Laufs et al. 2007).

17) Die Fürstenabfindung erwies sich als ein recht schwieriges Unterfangen; dies vor allem, wenn gütliche Einigungen nicht zustande kamen oder aufgrund der Hyperinflation des Jahres 1923 die wirtschaftlich­finanzielle Grundlage, auf der sie basierten, erschüttert worden war. Diese schwierige Situation veranlasste sowohl das Haus Hohenzollern in Preußen als auch einige Angehörige der mittel- und norddeutschen kleinstaatlichen Dynastien dazu, bereits geschlossene Verträge gerichtlich anzufechten oder auf die Herausgabe umstrittener Vermögenswerte zu klagen (Schüren 1978: 21 ff.).

18) Die Weimarer Reichs Verfassung von 1919 garantierte mit Artikel 153 einerseits das Eigentum. Andererseits hatte sie mit diesem Artikel die Möglichkeit eröffnet, Enteignungen vorzunehmen, wenn dies dem Allgemeinwohl diente. Eine solche Enteignung musste auf gesetzlicher Basis erfolgen und die Enteigneten waren „angemessen" zu entschädigen. Für Streitfragen sah Artikel 153 den Rechtsweg vor.

19) Vgl. auch Schüren (1978), Kaufhold (2004), Bredt (1926), Cohrs (2003), Jung (1989: 49ff.).

20) Vgl. mit einer kurzen Übersicht https://www.preussen.de/de/geschichte/preussenlexikon/n-z/vermoegensauseinandersetzung.htrnl (link funktioniert nicht mehr - khs)
Zu Preußens Kulturstaatlichkeit vgl. außerdem
Neugebauer (2010), Holtz (2010) sowie Vom Bruch 2010).

21) Als Domänenfrage bezeichnet man den Konflikt um das ehemalige fürstliche Kammergut in den deutschen Bun­desstaaten bis 1918 sowie in der Weimarer Republik. Während die parlamentarischen Vertretungen der Ansicht waren, dass diese Güter Staatseigentum seien, beanspruchten sie die regierenden Häuser als Privateigentum. Hintergrund war, dass die Domänen als Anhängsel der Souveränität betrachtet wurden. Ihr Übergang in Staats­eigentum bedeutete damit zugleich den Verlust der Souveränität für den Landesherrn. Staatseigentum konnten die Domänen aber nur im rechtspersönlichen Staat werden. Da im 19. Jahrhundert noch nicht alle Glieder des Deutschen Bundes oder Deutschen Reiches rechtspersönliche Staaten waren, drehte sich der Streit um die Do­mänen auch um die Staatswerdung selbst (Klein 2007: 50ff.). Aktuelle politische Brisanz erhielt die Domänen­frage im Herbst 2006 bei der Affäre um die Handschriftenverkäufe der Badischen Landesbibliothek.

22) Dazu gehören auch die Preußischen Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg: Im Zuge der Vermögensausei­nandersetzung zwischen dem preußischen Staat und den Hohenzollern wurde am 1. April 1927 die „Verwal­tung der Staatlichen Schlösser und Gärten" gegründet. Die auf dem Gebiet der damaligen DDR liegenden Schlösser und Gärten standen von 1946 an unter der Verwaltung der „Staatlichen Schlösser und Gärten Pots­dam-Sanssouci". In Berlin (West) wurde 1949 für die dortigen Liegenschaften ebenfalls eine „Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten" gegründet. Nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten arbeiteten die beiden Verwaltungen eng zusammen. Am 1. Januar 1995 trat der Staatsvertrag über die Errichtung der "Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg" in Kraft. In ihr sind die zuvor getrennten Schlösserver­waltungen vereint, Träger der Stiftung sind die Länder Brandenburg und Berlin sowie der Bund. Die Stiftung hat die Aufgabe, die Kulturgüter zu pflegen und zu bewahren, sie wissenschaftlich auszuwerten und der Öffent­lichkeit zugänglich zu machen. Das aus den 20er Jahren stammende Konzept der "Museumsschlösser" ist für die Stiftung unverändert aktuell und maßgeblich (Raabe 2006: 65ff.). Vgl. dazu auch verschiedene Beiträge in Neu-gebauer und holtz (2010).

23) Eine späte Folge dieser Entwicklung ist die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die 1957 gegründet wurde. Sie sollte bis zu einer Neuregelung nach der Wiedervereinigung Deutschlands die ihr übertragenen preußischen Kulturgüter bewahren, pflegen und ergänzen. Die neu gegründete Bundesrepublik Deutschland machte die Zusammenführung des preußischen kulturellen Erbes zu einer nationalen Aufgabe. Das 1949 verabschiedete Grundgesetz gab dem Bund die Möglichkeit, Fragen zum Vermögen nicht mehr bestehender Länder bei überwiegendem Interesse des Bundes gesondert zu regeln. Artikel 135 (4) GG wurde zur rechtlichen Grundlage für die Schaffung einer Stiftung "Preußischer Kulturbesitz". Am 25. Juli 1957 verabschiedete der Bundestag das "Gesetz über die Errichtung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und zur Übertragung von Vermögenswerten des ehemaligen Landes Preußen auf die Stiftung". Eigentum und Verwaltung des preußischen Kulturbesitzes wurden einer vom Bund und den Ländern gemeinsam zu tragenden bundesunmittelbaren Stiftung des öffentlichen Rechts anvertraut. Mit dem Einigungsvertrag von 1990 übernahm die Stiftung auch jene vormals preußischen Bestände, die in DDR-Einrichtungen bewahrt worden waren. Vgl. dazu http://www.preussischer-kulturbesitz.de/ueber-uns/profil-der-spk/gescnichte.html  sowie http://www.preussen.de.

24) RGB1.1. S. 129; der Wortlaut findet sich - in der durch die sogenannte „Kundmachung durch den Reichstatthalter" ab 1939 auch im angeschlossenen Österreich geltenden Fassung (Gesetzblatt für das Land Österreich, S. 609) - unter http://alex.onb.ac.at/cgi-conteiit/alex?aid=glo&datum=19390004&seite=00000609.

25) Vgl. dazu die Übersicht im Wikipedia-Eintrag unter https://de.wikipedia.org/wiki/Bodenreform_in_Deutschland

26) Vgl. dazu ausführlich Schröder (2011:19ff.).

27) Erläutert wird der Problemkomplex am Beispiel Brandenburgs in einem Gutachten für die Enquete Kommission „Aufarbeitung der Geschichte und Bewältigung von Folgen der SED-Diktatur und des Übergangs in einen demokratischen Rechtsstaat im Land Brandenburg" (Schröder 2011); mit anderem Blickwinkel auch Paffrath (2004).

28) Der Begriff „Schlossbergung" wurde offenbar von den mit der Sicherung und Bergung von Kulturgut aus den Schlössern und Herrenhäusern beauftragten Museumsleuten im Winter 1945/46 geprägt. Vgl. dazu hinsichtlich der Kunstwerke und des Archivguts auch Anlagen 1 und 2.

29) Zu den Auswirkungen des EALG auf den Bestand an Kultur- und Kunstgut in öffentlichen Einrichtungen vgl. insbesondere die Beiträge in BlÜbaum/Maaz/Schneider (2012); zur Situation im Land Sachsen-Anhalt vgl. auch die Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage (LT-Drs. 6/923, 14.03.2012); das Dokument ist abrufbar unter http://www.landtag.sachsen-anhalt.de/fileadmin/files/drs/wp6/drs/d0923dak.pdf.

30) Auf der Grundlage des Ausgleichsleistungsgesetzes konnten die Rückforderung beweglicher Güter oder eine Ausgleichszahlung bis zum 31. Mai 1995 (Ausschlussfrist) geltend gemacht werden.

31) Das Gesetz ermöglichte die Restitution des 1945 enteigneten mobilen Eigentums, hinzu kam jedoch eine Sonderregelung: Danach soll öffentlich ausgestelltes Kulturgut noch zwanzig Jahre in den Museen und Schlössern verbleiben dürfen, bis es zum 1. Dezember 2014 an die ursprünglichen Besitzer zurückgegeben werden muss. Dies bedeutet, dass nach diesem Zeitpunkt der Nießbrauchsberechtigte die Fortsetzung des Nießbrauchs gegen angemessenes Entgelt verlangen kann (§ 5 Abs. 2 AusglLeistG) (Förster 2014). Das Gesetz findet sich unter http://www.gesetze-im-internet.de/ausglleistg/BTNR262800994.html. Vgl. dazu als Überblick auch Chemnitz (1995) sowie GEIßDORF (2012) und König (2012), enthalten in Anlagen 3 und 4.

Anmerkung: die hier erwähnten Anlagen fehlen  in der Onlineversion.

Quelle:

Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages
Restitution von Kunst- und Kulturgut, das von Behörden der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone/DDR entzogen wurde
Historischer Hintergrund und Überblick der gegenwärtigen ProblemlagenVerfasser

Aktenzeichen: WD10-3000-010/15
Abschluss der Arbeit:12.Februar 2015
Fachbereich:WD10: Kultur, Medien und Sport

 https://www.bundestag.de/ (S.7-14)