Ausgewählte Beiträge aus klassenlinken Zusammenhängen

Krisenjahr 2020
 Ein revolutionärer Jahresrückblick
 

 von "Rote Fahne"

01/2021

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onlinezeitung

Was ist von all den Krisen zu halten, die unser Leben und die Gesellschaft erschüttern? Die bürgerlichen Jahresrückblicke schwanken zwischen Schönfärberei und pessimistischer Weltuntergangsstimmung. Als Dialektiker sehen die Marxisten-Leninisten natürlich die Krisen und all ihre Folgen. Aber: „In jeder Krise liegt auch eine Chance.“ So viele Krisen – so viele Chancen auf tatsächliche Veränderungen! 

Die Schönfärber und Krisenleugner 

Der abgewählte US-Präsident Donald Trump nutzt den bevorstehenden Jahreswechsel für eine Bilanz seiner Regierung und eine Amtszeit. Demnach hinterlässt er „die beste Wirtschaft in der Geschichte unseres Landes“ mit „unglaublichen Ergebnissen“. War da was? Corona-Krise? Weltwirtschafts- und Finanzkrise? Ach was! Alles nur chinesische oder kommunistische Erfindungen, um sein makelloses Werk zu beflecken. Die Corona-Leugner der faschistischen Querdenken-Bewegung in Deutschland können offenbar gar nicht genug Kranke und Tote bekommen: Massenversammlungen ohne jeden Schutz – Woche für Woche. Dafür bekommen sie auch noch tägliche Medienpräsenz, werden aufgewertet als „oppositio­nelle Kräfte“ und erfreuen sich der geistigen Verwandtschaft mit faschistischen Typen wie Bolsonaro, Trump und anderen. 

Dabei gibt es 70 Millionen Corona-Infizierte weltweit, 16 Millionen allein in den USA. 1,6 Millionen Menschen sind bereits an oder mit Corona verstorben, 293 000 in den USA. Hier allerdings sind die krisengeschüttelte globale Supermacht und ihr faschistoides Trump-Regime wirklich Weltspitze! Die Pandemie breitet sich auch im weltweiten Maßstab unkon­trolliert weiter aus und das bürgerliche Krisenmanagement greift immer tiefer in demokratische Rechte und das soziale Leben der Massen ein. 

Doch 2020 war nicht gerade ein Erfolgsjahr für die Ultrarechten und Faschisten in den Regierungen der verschiedensten Länder. Während die Rechtsentwicklung auf die Spitze getrieben wurde, gerieten gerade solche Regierungen serienweise in die Bredouille. Neu waren ja nicht die Polizeimorde in den USA, der Rassismus und die Korruption in Brasilien, die Frauenfeindlichkeit der polnischen PiS-Regierung oder die Arbeiterfeindlichkeit der Herrschenden. Neu war, dass sich 2020 in immer mehr Ländern eruptive Massenproteste, teils mit aufstandsähnlichen Szenen ausbreiteten. Gegen den zukünftigen Ex-US-Präsidenten Trump entwickelten sich monatelange Massenproteste. Es entstand eine beschleunigte Tendenz zu einer gesamtgesellschaftlichen Krise des imperialistischen Weltsystems – und das wird auch das Jahr 2021 maßgeblich beeinflussen. 

Bundesregierung: 2020 immerhin besser, als erwartet? 

Kanzlerin Angela Merkel verkündete neulich: „Das Schlimmste, die Überforderung unseres Gesundheitssystem konnte also bislang verhindert werden. Das ist ein erster Erfolg.“(1) Fürwahr, ein grandioser Erfolg: Immer näher kommen viele Kliniken in der Vorweihnachtszeit der Vollauslastung der Intensivbetten und Beatmungsplätze. In Alten- und Pflegeheim nehmen die Todesraten zu. 

Doch auch von der wirtschaftlichen Seite verkündet SPD-Vize-Kanzler Olaf Scholz die frohe Botschaft: „Mit den massiven Hilfsprogrammen hat die Bundesregierung zugleich dazu beigetragen, dass Deutschland wirtschaftlich und sozial besser durch die Krise kommt, als viele vorhergesagt haben.“(2) 

Zehn Monate Krisenmanagement von Bund und Ländern hat die Krise auf ihren bisherigen Höhepunkt getrieben. Oft über 20 000 Neuinfektionen täglich, von Tag zu Tag steigende Todesfälle mit Corona. Hunderttausende zusätzliche Arbeitslose, Kurzarbeiter haben erhebliche Lohneinbußen, Minijobber oft einen 100-Prozent-Ausfall, kleine und mittlere Selbständige in Gastronomie, Tourismus, Bildung, Kunst und Kultur bangen von Woche zu Woche um Auflagen und Aufträge. Und jetzt zum Jahreswechsel ein knallharter Lockdown für die Massen. Und im neuen Jahr soll die Abwälzung der Krisenlasten auf die Massen noch verschärft werden. 

Die Arbeiter, die Frauen, die Jugend, die ganze Gesellschaft werden eingeschränkt, reglementiert und finanziell belastet – nur nicht die kapitalistische Industrieproduktion in den Groß- und Riesenbetrieben und alles, was für deren Funktionieren erforderlich ist. Das internationale Finanzkapital, hat sich Regierung und Staat so vollständig untergeordnet – und ist mit ihnen verschmolzen –, dass über Einschränkungen in diesem „Teil der Gesellschaft“ von den Herrschenden nicht einmal geredet wird. 

„Es war immerhin nicht ganz so schlimm wie erwartet. Woanders war es noch schlimmer …“ – so verfährt die bürgerliche Weltanschauung des Pragmatismus. Seine Logik, immer das scheinbar Nächstliegende zu machen, mutiert hier zur reinen Rechtfertigung des kriselnden Krisenmanagements. Wenn Merkel jetzt im Fernsehen immer noch düstere und sorgenvollere Minen aufsetzt, dann symbolisiert das, dass ihr Krisenmanagement, ihr notorisches „auf Sicht fahren“ grandios gescheitert ist. Wenn selbst die international als „erfolgreichste Krisenmanagerin“ gefeierte Merkel nicht mehr zu bieten hat, als noch Schlimmeres abzuwenden, dann steht es nicht gut um die Zukunft des Kapitalismus! 

Schwarzmalen und trotzdem Spaß haben? 

In einem der ersten TV-Jahresrückblicke zeigt Günter Jauch auf RTL „Katastrophen, Quatsch und Alltagshelden“, „Zwangsoptimismus gegen Corona-Düsternis“ und „ein Jahr zum Runterspülen“3. Rundum-Pessimismus im Großen und Ganzen gepaart mit der Anerkennung einzelner arbeitender Menschen, selbstloser Helfer, von Stars und Sternchen etc. Natürlich hatte 2020 für viele Menschen dramatische Folgen. Aber auch deshalb sollte man es nicht einfach „herunterspülen“, sondern sich wissenschaftlich, kritisch und selbstkritisch damit befassen. Krisen sind auch immer besondere Bewährungsproben. Der pseudo-kritisch vorgetragene Pessimismus ist nämlich auch eine Methode, um von jeglicher Ursachenforschung genauso wie von den Verantwortlichen in den bürgerlichen Regierungen und Konzernetagen abzulenken. Entgegengestellt wird dem ein platter Optimismus nach dem Motto: „Hauptsache wir leben noch“ und die Vorfreude auf die „Normalität“. Zur Marke „Zweckoptimismus“ gehört auch die Propaganda, nach einer kleinen Durtstrecke würde durch die Corona-Impfungen alles anders. Die bisherigen Erfolge in der Impfstoffforschung sind Erfolge des wissenschaftlich-technischen Fortschritts, der schlaglichtartig die gewachsene materielle Vorbereitung des Sozialismus zum Ausdruck bringt. Aber bis die Menschen durchgeimpft sind – wenn die Impfstoffe so  > wirksam sind, wie erhofft – dauert es noch Monate und weltweit gesehen Jahre. Wie viele Millionen Menschen sollen denn bis dahin noch umkommen? Und die anderen kapitalistischen Krisen wären damit keineswegs verschwunden: die Weltwirtschafts- und Finanzkrise, die sich verschärfende globale Umweltkrise, die Flüchtlingskrise oder die verschärfte allgemeine Kriegsgefahr. 

Was wir brauchen ist ein fundierter, ein revolutionärer Optimismus, der erkennt, wie dieser Kapitalismus durch die verschiedensten Krisen immer morscher wird, zugleich eine neue sozialistische Gesellschaft materiell vorbereitet wird, der durch die revolutionäre Tat der Arbeiterklasse und der Volksmassen zum Durchbruch verholfen werden kann. 

Und gerade hier, in der Arbeiterbewegung, in der Volksbewegung und im Bewusstsein der Massen gibt es international wichtige Veränderungen. Dagegen meint Kabaretist Dieter Nuhr: „Dieses Jahr bestand ausschließlich aus Trump und Corona. Aber nein, beziehungsweise doch, aber nicht nur …“. Die vordergründig witzige Schwarzmalerei leugnet vollständig den fortschrittlichen Stimmungsumschwung der Arbeiterklasse und unter den Massen: weltweite Kämpfe gegen Rassismus, Sexismus, Faschismus. Aber auch die gewerkschaftlichen und selbständigen Kämpfe der Arbeiterklasse. Sicherlich konnte die Bundesregierung die Vertrauenskrise in die bürgerliche Politik zeitweise überlagern. Aber sie bricht bereits mehr und mehr wieder auf. 

Zweierlei „Miteinander und Füreinander“ 

Repräsentanten der bürgerlichen Gesellschaft bemühen in dieser Zeit reihenweise proletarische Werte wie Solidarität und Selbstlosigkeit. „Gerade jetzt, da wir so viel an Weihnachten und an den kommenden Jahreswechsel denken, wünsche ich mir und wünsche ich uns allen, dass wir mehr denn je miteinander und füreinander einstehen. Wenn wir das beherzigen, werden wir aus der Krise kommen“, so Merkel4. 

Wer steht für wen ein? Während Thyssenkrupp-Arbeiter vor der Arbeitslosigkeit stehen oder in Kurzarbeit, genehmigen sich die Konzernvorstände Sonderboni, weil sie „Außerordentliches geleistet“ 5 hätten. Ob bei Daimler, Conti, MAN … immer mehr Konzerne greifen die Arbeiter, die Familien und die Natur verstärkt offen an. Das Jahr 2020 steht auch für immer mehr Fälle, wo die Klassenzusammenarbeitspolitik offen gescheitert ist! Die Arbeiterklasse und ihre Bündnispartner stehen füreinander ein, sie müssen zusammenstehen im Kampf – gegen ihre Ausbeuter und Unterdrücker. Statt zurück zur Illusion der reformistischen Klassenzusammenarbeit geht es 2020 vorwärts auf dem Weg der Arbeiteroffensive auf breiter Front! 

Die idealistische „Lösung“: „Gesellschaft neu denken“ ... 

In Deutschland dient sich die Spitze der Partei „Die Linke“ neben SPD und Grünen als einer Art letztes Aufgebot für die Übernahme der Regierungsgeschäfte in einem Kernland des Imperialismus an. Bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung der Linkspartei hieß es bei einer Veranstaltung zum Engels-Jahr am 23. November unter anderem mit Gregor Gysi: „Kein Kapitalismus ist auch (k)eine Lösung? Gesellschaft neu denken.“ „Neu denken“ – und sich dabei mit dem Kapitalismus aussöhnen? Welche Aussichten für das neue Jahr! Ich kann mir noch so oft den Kapitalismus „neu denken“, diese Utopien ändern gar nichts an den kapitalistischen Gesetzmäßigkeiten. Es war gerade Friedrich Engels, der zusammen mit Karl Marx den Sozialismus von einer Utopie zur Wissenschaft entwickelte. Wenn man sich dagegen an einer imperialistischen Regierung beteiligen will, dann steht einem der wissenschaftliche Sozialismus quer im Weg. Dann muss man natürlich seinen Frieden mit dem Kapitalismus machen und beschränkt sich höchstens noch darauf, irgendetwas „neu zu denken“. Aber so sagte es Karl Marx treffend: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert. Es kommt aber darauf an, sie zu ändern.“ Für die Arbeiterklasse und die Unterdrückten dieser Welt kommt es aber an, die gesellschaftlichen Verhältnisse real umzuwälzen, Ausbeutung, Unterdrückung und mutwillige Zerstörung der natürlichen Umwelt revolutionär zu beenden – und nicht darauf, sie neu zu etikettieren.

Revolutionäre Perspektiven 

Die MLPD hat das Gedenken an den großen Revolutionär Lenin zu seinem 150. Geburtstag und an Friedrich Engels zu seinem 200. Geburtstag mit vielfältigen Aktivitäten begangen und mit einer marxistisch-leninistischen Antwort auf die heutigen Krisen verbunden. Ihre Vorschläge zum Kampf gegen Corona sind genauso krisenfest wie die im Kampf um jeden Arbeitsplatz oder zur Rettung der Umwelt. Die MLPD steht für eine schöpferische Verarbeitung der historischen Erfahrungen der kommunistischen und Arbeiterbewegung, für einen neuen Aufschwung des Kampfes für den Sozialismus in der heutigen Zeit. 

Die vereinigten sozialistischen Staaten der Welt werden dazu in der Lage sein, die Krisen des Kapitalismus zu überwinden und ihre Folgen zu bewältigen: Weil sie das kollektive Interesse der Gesellschaft über das egoistische Interesse an individueller Bereicherung auf Kosten von Mensch und Natur stellt. Mit der Diktatur des Proletariats existiert dann auch die Macht, das durchzusetzen. 

MLPD und REBELL haben den Kampf gegen den Antikommunismus im Jahr 2020 auf offensive Art entfaltet. Die Aufstellung der ersten Lenin-Statue in Westdeutschland zog Tausende Menschen und zahlreiche Medien an. Der MLPD-Film über Engels „Der meistunterschätzte Klassiker“ übertraf die arte-Doku ähnlichen Namens bei Weitem. Die MLPD hat 2020 ihre gesamtgesellschaftliche Rolle ausgebaut. Sie wird mit einer taktischen Offensive für den echten Sozialismus gemeinsam mit der Internationalistischen Liste an der Bundestagswahl 2021 im September teilnehmen, ebenso an der Landtagswahl in Thüringen. Sie braucht keinen „Spagat zwischen Parlaments- und Bewegungspartei“ wie Linkspartei oder Grüne, bei dem am Ende alles doch der bürgerlichen Parlamentsarbeit untergeordnet wird. Sie ist eine revolutionäre Arbeiterpartei. Eine Partei neuen Typs, eine Partei, die aus den Erfolgen und Fehlern des Sozialismus im 20. Jahrhunderts ernsthafte Lehren gezogen und proletarische Prinzipien der Kontrolle und Selbstkontrolle hat, um nicht dem bürgerlichen Parlamentarismus und Karrierismus zum Opfer zu fallen.

In diesem Sinne: Glückauf 2020!