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http://www7.mercurycenter.com/premium/local/docs/anarchists23.htm

Schüler in Irvington  
gründen einen "anarchistischen" Club


von DANA HULL
 
Mercury News Staff Writer
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Die Schule in Irvington hat einen Schachklub, einen Skiclub und einen  vietnamesischen Little-Saigon-Club. Aber vor kurzem hat eine Gruppe von  Oberstufenschülern den ersten politischen Club der Schule gegründet und  nennt sich die Anarchistische Schüler/Studenten-Union.

Ziel des Klubs ist es, Themen wie sweatshop-Arbeit und die kontroversen  Entscheidungen der Schulbehörde von Freemont auf dem Campus diskutieren zu  lassen. Die Schüler versammeln sich jeden Mittwoch während der  Mittagspause und haben einen Tutor.

"Wir sind überrascht, daß der Club genehmigt wurde", sagte die Vorsitzende  des Clubs, Anna Propas (15). "Wir sind die Tunichtgute von Irvington. Wir  ordnen uns nicht dem unter, was die Gesellschaft für normal hält."

Anarchie bedeutet technisch die Abwesenheit von Regierung und das Fehlen  einer Ordnung. Der Begriff hat jedoch verschiedene Bedeutungen angenommen  und zieht Anhänger aus dem gesamten politischen Spektrum an. Es gibt Öko- Anarchisten, kommunistische Anarchisten, radikale Anarchisten und  libertäre Anarchisten. Und nicht alle, die sich Anarchisten nennen,  stimmen der Terminologie der Bewegung oder den verschiedenen Denkschulen  zu.

Der Anarchismus hat eine lange politische Geschichte, sowohl in den USA  wie auch im Ausland, von den Reformbestrebungen von Emma Goldman während  des Ersten Weltkriegs und danach bis zu der Verurteilung und Hinrichtung  von Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti in den 20er Jahren. Das explosive  Wort schafft häufig das Bild von Rohrbomben und Molotow-Cocktails, oder  von schwarzgekleideten jungen Leuten in Seattle, die während der  kürzlichen WTO-riots bei Starbucks Scheiben einwerfen.

"Viele denken an Gewalt, wenn sie an Anarchismus denken", sagte Ian Morris  (15). "Es ist aber eine Form der Selbstregierung und Selbstverwaltung.  Aber die meisten wissen das nicht."

Das universale Symbol des Anarchismus - das "A" im Kreis - erscheint  gesprüht auf Jugendtreffs überall in der Bay Area. Und Bound Together  Books, ein anarchistischer Buchladen im Haight-Viertel von San Francisco,  wurde ein Mecca für junge Leute, die mehr über das Thema erfahren wollen.

In Irvington besteht der kleine Club hauptsächlich aus Anna und einem  Dutzend ihrer Freunde, viele von ihnen sind Vegane oder Vegetarier, die  sehr an Tierrechten interessiert sind. Einige brachten ihre Frustration  darüber zum Ausdruck, daß ihre Schulkollegen sich nur ums Shopping zu  kümmern scheinen und um den Erwerb der angesagtesten Konsumgüter. Aber die  Schüler waren sich auch einig, daß die unmittelbare Aufgabe darin besteht,  den anderen Schülern nahezubringen, was Anarchismus bedeutet.

Befürworter sagen, daß der Anarchismus besonders für junge Leute zunehmend  attraktiv geworden ist, weil vieles von ihrem Verhalten - Skateboard  fahren, Rauchen, Zuspätkommen zum Unterricht, Punk-Rock-Mode -  kriminalisiert wurde. Die Schießereien in den Schulen im letzten Jahr  haben viele Schulbehörden dazu veranlaßt, strenge Kleiderordnungen zu  erlassen, Metalldetektoren einzubauen und strenge Bestimmungen gegen das  Schuleschwänzen zu erlassen, was einer Teenager-Rebellion nur noch wenig  Raum läßt, die früher einmal als normal Verhalten in dem Alter angesehen  wurde.

Die Schüler von Irvington propagieren nicht das totale Chaos, sondern  erscheinen willens, innerhalb "des Systems" zu arbeiten. Viele Mitglieder  des Anarchismus-Klubs nehmen regelmäßig an den Sitzungen des  Schulausschusses teil und haben dort schon wortgewandt über die  Notwendigkeit gesprochen, das Angebot zu verbessern.

Die Schulleitung von Irvington hat die Bemühungen des Clubs unterstützt,  den High-School-Campus zu politisieren.

"Zunächst fiel uns die Bezeichnung 'anarchistisch' auf", sagte der  Schulleiter Pete Murchison. "Da ich Sozialkundelehrer war, meine ich, daß  es für eine Lehranstalt wichtig ist, den Kindern eine Vielzahl von  Möglichkeiten zu bieten, miteinander in Verbindung zu kommen. Sie sind  politisch sehr aktive Schüler, und sie haben viel Einsicht in das, was  vorgeht."

Für dieses Frühjahr plant der Club eine Untersuchung dazu, ob die Firma,  die die Talare und Kopfbedeckungen für die Schulentlassungsfeiern  herstellt, sweatshop-Arbeit einsetzt und die Behörden zu veranlassen,  einen anderen Lieferanten zu finden.

Die Mitglieder sagen, sie hoffen, die politische Bewußtheit zu globalen  Themen zu erhöhen und können ihre Meinung sehr beredt äußern.

"Sogar die US-Regierung ist gegenüber vielen wichtigen Themenbereichen zum  freien Handel und der ökonomischen Entwicklung in Ländern der Dritten Welt  gleichgültig geworden," sagt Anna Propas. "Sie ignorieren dabei weniger  die Themen an sich, sondern entscheiden sich für halbe Lösungen, anstatt  das ganze Thema oder die Ursache des Problems zu betrachten."

Mitglieder der Anarchistischen Schüler-Union hoffen auch, ihre Mitschüler  aus dem aufzurütteln, was sie politische Apathie nennen.

"An dieser Schule sind alle in Cliquen und alle tun das, was ihre Clique  tut," sagt Ariel Schwitalla (15). "Wir sind die Lachse, die gegen den  Strom schwimmen."

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