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DKP Krefeld/Viersen
Zur Diskussion über die Globalisierung


Der Globalismus als höchstes Stadium des Imperialismus?

von Herbert Steeg

02/00 trdbook.gif (1270 Byte) trend online zeitung Briefe oder Artikel: info@trend.partisan.net   ODER per Snail: Anti-Quariat Oranienstr. 45 D-10969 Berlin

Wozu erstelle ich diese kleine Schrift? Das Wort Neoliberalismus ist in aller Munde. Aber noch besteht wenig Klarheit darüber, worum es hier geht. Geht es um eine neue Modemeinung der Konservativen, um eine rechte Strömung, die sich plötzlich rund um den Globus durchsetzt? Oder, geht es um mehr, um die 3. Phase der kapitalistischen Entwicklung?

Hier kurz meine Meinung:

Die 1. Phase der Entwicklung des Kapitalismus wurde bestimmt durch die Erfindung der Dampfmaschine und die daraus folgende Industrialisierung, die 2. charakterisiert durch die Entwicklung des Fließbandes, daß die Arbeiter/innen wie Soldaten zur Arbeit in Riesenfabriken zwang. Die jetzige 3. Phase folgt aus der Entwicklung der Mikroelektronik, und auch sie wälzt die industrielle Entwicklung wieder völlig um. Wie lange noch wird es dauern, bis das letzte Fließband verschwunden ist? War dieKonsequenz der 1. Phase die Bildung und Stabilisierung der Nationalstaaten, so war die der 2. Phase die Neuaufteilung der Welt und die Entwicklung von Peripherie und Zentrum. Diese durchdringen sich in der 3. Phase wieder zur ‘‘Einen Welt’’, zur globalen imperialistischen Produktion. Entsprach der 1. Phase politisch der Liberalismus, so der 2. Phase, als deren Negation, der Imperialismus. Die Politik der 3. Phase, als der Negation der Negation, muß als etwas Neues auch eine neue Bezeichnung erhalten. Zwar ähnelt sie der Form nach dem Liberalismus, doch nicht dem Inhalt. Das Wort ‘‘Neo-Liberalismus’’ ist deshalb irreführend. Es würde ja auch keiner einen Schmetterling als ‘‘Neo-Raupe’’bezeichnen.

Das Neue in der Entwicklung

Anfang 1998 las ich in einer Fachzeitschrift einen Artikel mit einer bemerkenswerten Einleitung.
‘‘Bedingt durch die industrielle Revolution des 19. Jahrhunderts stellten Wissenschaftler wie
Karl Marx ihre Wirtschaftstheorien auf, die bis ins 20. Jahrhundert ihre Gültigkeit hatten. Die
technische Erfindung der Dampfmaschine und die damit betriebenen mechanischen Werkzeuge und Maschinen veränderten nachhaltig das Leben und die Arbeitsbedingungen der Menschen. Heute, am Einstieg ins 21. Jahrhundert, befinden wir uns abermals in einer solchen industriellen Revolution. Aus der zunehmenden Nutzung elektronischer Datenverarbeitungsmaschinen ist das weltweite Internet hervorgegangen. Wieder ist die Arbeitswelt der Menschen einem heftigen Umbruch unterworfen und wieder werden gewohnte Abläufe entscheidend verändert.
’’ (Aus: Sicherheit + Management 1/98)
Der dort sowas schreibt, J. Ladwein, ist ein Manager des US-Unternehmens Security Dynamics
Technologies INC. Und er führt aus: ‘‘Stellte Marx in seinen Betrachtungen noch Boden, Arbeit
und Kapital als die wichtigsten Produktionsfaktoren in einer durch Fertigung geprägten
Wirtschaftsumgebung fest, so muß man heute, in einer von Dienstleistungen geprägten Welt, die
Information als weiteren Produktionsfaktor, oder besser Dienstleistungsfaktor, hinzufügen.’’
Ich zitiere das hier nicht deshalb so ausführlich, weil es so absonderlich ist, sondern weil der Schreiber in einer bestimmten Weise, die er wahrscheinlich selbst nicht bemerkte, recht hat. Doch nicht die Information oder Dienstleitung sind das Neue.
Der Kapitalismus ist in eine neue Phase eingetreten und das durch die Produktivkraft Wissenschaft,
vor allem die Informatik. Wieso?
Als im letzten Jahrhundert erstmals Waren industriell hergestellt wurden, etwa durch den
mechanischen Webstuhl, angetrieben von einer Dampfmaschine, wurden die Handweber ruiniert. Sie
konnten nicht so billig weben wie eine Maschine. Aber weshalb war der Stoffpreis auf einmal so stark gefallen? Karl Marx untersuchte die Entwicklung und kam zu folgendem Schluß: Der Preis einer Ware ist abhängig von der gesamten dazu aufgewandten Arbeit. Werden neue, bessere Werkzeuge verwendet, etwa der mechanische Webstuhl statt dem Handwebstuhl, sinkt die in der produzierten Ware vergegenständlichte Arbeit. Diese Ware wird billiger. Das ist jedoch nicht von der individuell aufgewendeten Arbeit abhängig, sondern von der durchschnittlichen gesellschaftlich nötigen Arbeit. Die Schuhe von einem besonders ungeschickten Schuster sind nicht wertvoller, weil sie mehr individuelle Arbeit enthalten. Wird eine neue, bessere Maschine erfunden, so wird die damit produzierte Ware billiger, denn die gesellschaftlich nötige Arbeit hierfür sinkt. Besitzt etwa nur eine einzige Firma diese neue Maschine, so kann diese Firma die entsprechende Ware über Wert verkaufen. Die gesunkene durchschnittlich nötige Arbeit kann dann gesellschaftlich nicht realisiert werden, die entsprechende Firma macht einen Sonderprofit.

Die Produktion des imperialistischen Extraprofits

Das Niveau der gesellschaftlich nötigen Arbeit für bestimmte Waren ist von Land zu Land unterschiedlich. Die USA-Farmer können mit ihrer modernen Technik den Weizen viel billiger produzieren, als etwa Bauern in Afrika wo kaum Technik eingesetzt wird. Der USA-Weizen ‘‘enthält’’ daher weniger gesellschaftliche Arbeit als afrikanischer. Ein Konzern der mittels modernster Technik in Europa produzierte Waren in die ‘‘3. Welt’’ verkauft, gleich ob Fernseher, Kunstdünger, Pastikteile ..., kann diese dort über Wert verkaufen. Die Rohstoffe, die die ‘‘3. Welt’’ verlassen, werden durch das niedrige dortige Produktivkraftniveau jedoch unter Wert geliefert, denn sie werden ja gehandelt nach Weltmarktpreis und der orientiert sich an den Industriestaaten. So kommt es dazu, das die Länder der ‘‘3. Welt’’ z.B. 1975 für ein Faß Erdöl 28 kg Jute liefern mußten, 1982 aber bereits 200 kg, oder für das gleiche Faß Öl 9 kg Kupfer 1975 verkauften und 1982 bereits 24 kg. Der Schweizer Nationalökonom Rudolf H. Strahm hat am Beispiel des Tausches Schweiz - Tansania durchgerechnet, daß sich 1971/74 beim Handel von Uhren gegen Kaffee 1 Arbeitsstunde in der Schweiz gegen rund 7 Arbeitsstunden in Tansania getauscht haben. Das ist tiefere Grund für die imperialistische Ausbeutung der ‘‘3. Welt’’, nicht irgendwelche ungerechten Verträge. Die gibt es noch zusätzlich. Waren im 19. Jahrhundert, der 1. Phase der kapitalistischen Entwicklung, die Kolonien formal ‘‘Landesteile’’ der europäischen Mächte und leisteten an diese einen Tribut durch die Lieferung von Waren, so wurde diese Abhängigkeit in der 2. Phase, dem Imperialismus, durch den oben beschriebenen Mechanismus immer mehr abgelöst. Zwei wirtschaftliche Faktoren waren in dieser Phase wichtig: Erstens die Entwicklung zu relativ abgeschotteten Nationalökonomien bis zu nationalistischen, faschistischen Wirtschaften. So reagierte der US-Präsident auf den Börsencrash 1929 mit einem Gesetz, das den durchschnittlichen Zoll auf Importgüter verdoppelte. Deutschland, England, Frankreich ... handelten ähnlich. Zweitens die Neuaufteilung der Weltmärkte durch die Bindung von Ländern der ‘‘3. Welt’’ an eine der imperialistischen Mächte. Deshalb ging das Zeitalter des Kolonialismus schleichend zu Ende und der letztliche Zusammenbruch des Kolonialismus begann erst nach dem 2. Weltkrieg und dauerte bis in die 70er Jahre. Im innersten war die kolonialistische Ausbeutung aber bereits längst durch imperialistische Strukturen ersetzt. Kennzeichen dieser 2. Phase war es, daß die Großkonzerne vermittelt über die Staaten der Zentren gegeneinander konkurrieren. In ‘‘Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus’’ definiert Lenin fünf grundlegende Merkmale des Imperialismus; dabei heißt es: ‘‘5. die territoriale Aufteilung der Erde unter die kapitalistischen Großmächte ist beendet.’’ Das ist genau die Konkurrenz vermittels der Staaten. Lenin erläutert dies noch an folgenden Beispiel: ‘‘Und nun schließen 1907 der amerikanische und der deutsche Trust einen Vertrag über die Aufteilung der Welt. Die Konkurrenz wird ausgeschaltet. Die GEC ‘erhält’ die Vereinigten Staaten und Kanada; der AEG werden Deutschland, Österreich, Rußland, Holland, Dänemark, die Schweiz, die Türkei und der Balkan ‘zugeteilt’.’’
(Nebenbei bemerkt: Ich vermute, daß diese geschichtliche Phase der starken Nationalstaaten den zeitweiligen ‘‘Aufbau des Sozialismus in einem Land’’ begünstigte, zugleich aber die UdSSR außenwirtschaftlich in eine Lage eines ‘‘3. Welt-Landes’’ setzte. Je mehr sich die 2. Phase des Kapitalismus ihrem Ende näherte, desto schwieriger wurde die Lage des sozialistischen Blocks.)

Entwickelter Imperialismus bedeutet Hetzjagd in die technische Entwicklung

Der Imperialismus verschafft den nationalen Monopolen (oder besser Oligopolen) einen hohen Zusatzprofit. Da dieser auf der Ausnutzung des höheren Produktivkraftniveau der entsprechenden imperialistischen Länder beruht, leitet er eine Hetzjagd in den technischen Fortschritt ein. Je weiter der Vorsprung, um so sicherer der Extraprofit. Alles was Vorsprung versprach (und auch heute verspricht) wurde und wird eingeleitet, koste es an Kapital auch was es wolle. Die Folgen dieser Hetzjagd in die technische Entwicklung werden wenig kalkuliert, siehe Atomkraft und Gentechnik. Wie zitierte bereits Karl Marx richtig: ‘‘Das Kapital hat einen Horror vor Abwesenheit von Profit, wie die Natur vor der Leere. Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens.’’ (P.I. Dumming, zitiert in Karl Marx ‘‘Das Kapital’’, 1. Bd.) Nun braucht aber die Entwicklung immer modernerer Technik gewaltige Mengen an Kapital und es ist keineswegs sicher, ob dieser Kapitaleinsatz sich rentiert. Etwa in der Chip-Technik rast der technische Fortschritt inzwischen so schnell, daß die Käufer sich überlegen ob sie den neuen PC kaufen, oder noch ein paar Monate warten, bis wieder ein Neuer kommt. So stürzten die Weltmarktpreise für Chips plötzlich gewaltig ab. Jean-Philippe Dauvin, Vizechef des Konzerns ST Microelectronics, spricht von einem ‘‘Blutbad’’, das sich in der Halbleiterindustrie vollziehe. Investitionen in der Höhe von 20 Milliarden Dollar seien in wenigen Monaten vernichtet worden. Ähnliche Erscheinungen gibt es auch in anderen Branchen. Dies ist wahrscheinlich eine der tieferen Ursachen für die sich lebhaft entfaltende Börsenspekulation. Um Fehlinvestitionen zu verhindern, wird auch das Wissen um neue Erfindungen immer wichtiger..So erhielt die deutsche Bundesdruckerei (hier wird das Geld gedruckt) den Auftrag für eine riesige Datenbank mit Patentliteratur. Allein die Altdaten bis 1993 umfassen dabei rund 3,6 Millionen Dokumente, für die rund 120 CD-ROMs gebraucht werden. Für die Recherche in dieser Datenflut haben das Amerikanische, das Europäische und das Japanische Patentamt gemeinsam eine Such- und Abfragesoftware entwickelt.

Die neue Form der imperialistischen Konkurrenz

Konkurrierten in der 2. Phase die großen Konzerne mittelbar über die Nationalökonomie ihrer ‘‘Heimatstaaten’’, so treten sie nun in der 3. Phase unmittelbar gegeneinander an. Ein Boom von Großfusionen wurde gerade in den letzten Jahren eingeleitet, der es auch immer schwieriger macht, Großkonzerne einem Staat zuzuordnen. Allein 1998 gab es weltweit etwa 25.000 Firmenfusionen. Welchem Staat ordnet man z.B. heute Daimler-Benz / Chrysler zu? Und ein Unternehmen wie z.B. General Motors hat einen größeren Umsatz als das Bruttoinlandsprodukt von Norwegen. Zugleich entwickelt sich auch eine andere internationale Struktur. Nicht nur Billigproduktion wird in ‘‘3.- Weltländer’’ verlagert, bildet dort jedoch in den entsprechenden Staaten eine ‘‘Produktivitätsinsel’’, ohne das Produktivkraftniveau dort wesentlich voranzutreiben. In diesen Werken kommt das Management aus den Konzernzentralen, das Fachpersonal aus den imperialistischen Zentren und oft bleiben nur einfache Tätigkeiten für die einheimischen Arbeitskräfte, die zudem häufig extrem niedrig bezahlt werden. Es ist die ‘‘globale Fabrik’’ die so entsteht und die dadurch die ‘‘Erste’’ und die ‘‘3. Welt’’ auf imperialistische Weise verschmelzt. Im Süden entstehen Produktivitätsinseln, deren Produkte demselben ungleichen Tausch unterliegen, wie früher aus den Zentren gelieferte Waren und die so Extraprofit erzeugen. In den Zentren wird zugleich versucht, durch Auslagerung, ‘‘zweiter Arbeitsmarkt’’, Leiharbeit bis hin zu Gefängnisarbeits-Fabriken, Strukturen niedrigeren Niveaus zu schaffen. Die Produktion imperialistischen Extraprofits dringt partiell, da nicht mehr über die Nationalökonomie vermittelt, in die Zentren ein und bringt so die ‘‘3. Welt’’ in die ‘‘Erste’’.
Auch das Multilaterale Investitionsschutzabkommen (MAI) ist so gesehen mehr als ein neue Schurkerei des Kapitals. Das hiernach die Großkonzerne den Staaten gleichgestellt werden sollen, ist ein logischer Reflex auf die veränderte Wirklichkeit, in der die Konzerne direkt gegeneinander antreten.

Das Mißverständnis von der neuen Dienstleistungsgesellschaft

Weit verbreitet ist das Mißverständnis von der neuen Dienstleistungsgesellschaft. Laut offizieller Statistik sinkt seit etwa 1970 der Anteil der Industriearbeit zugunsten des Dienstleitungssektors. So in den Jahren 1970 bis 1991 in der BRD von 49% auf 31%, in Großbritannien von 43% auf 20%, in Frankreich und Japan gleichermaßen von 27% auf 24% und in den USA von 26% auf 17%. Was hier in der Statistik als neue Dienstleistungsgesellschaft erscheint, ist der Gesellschaftsumbau in den imperialistischen Zentren. Was sind die boomenden Dienstleister? Ein Beispiel: Die Zeitarbeitsfirmen. Ich bin bei einer chemischen Fabrik beschäftigt. Dort besteht in der Produktion inzwischen die gesamte Nachtschicht, außer Vorarbeiter und Meister, aus Leiharbeitern. Statistisch ‘‘Angestellte der Dienstleistungsbranche’’. Waren 1993 noch 97.652 Personen bei Leihfirmen beschäftigt, so waren es 1997 bereits 179.650. Und der klassische ‘‘Leiharbeiter’’ ist ein typischer Industriearbeiter. Die Leihfirmen geben an, daß sie nur etwa 10% Verwaltungs- und Bürotätigkeiten und deutlich weniger als 10% Dienstleistungsleute vermitteln. Wo verschwinden weiter statistisch Produktionsbeschäftigte? Noch im letzten Jahrzehnt hatte die Mehrzahl der Produktionsbetriebe ihre eigenen LKW’s bzw. Tankwagen. Heute gibt es das praktisch nicht mehr. Alles geht an Speditionen, selbst der Werksverkehr innerhalb eines Konzerns. Auch die ausgegliederten Kantinen, Reinigungskräfte ... tauchen nun als Dienstleistungsbeschäftigte auf. Nicht nur das: Werkstatt- und Reparaturdienste wurden ausgelagert, ebenso Computerzentren und Untersuchungslabors. Nach Angaben der chemischen Industrie wurden in dieser Branche allein in den Jahren 1997/98 über 15.000 Beschäftigte durch ‘‘out-sourcing’’ zu Dienstleistungs-Beschäftigten. Der ehemalige BDI-Chef Tyll Necker schätzt: ‘‘Im Westen (Deutschlands) sind mehr als die Hälfte aller Dienstleistungen von der Industrie abhängig’’ (FAZ, 17.12.1994). Deshalb mündet die PDS-Forderung nach einem ‘‘öffentlichen Beschäftigungssektor’’ ungewollt in eine Unterstützung der neuen kapitalistischen Umstrukturierung. Sehen wir uns doch mal den ‘‘öffentlichen Beschäftigungssektor’’ an. Z.B. in Krefeld. Weit und breit nichts zu sehen vom wohligen Sozialarbeiterstaat. Die Stadt baut massiv Stellen ab und neue gibt es nur in Gestalt der ‘‘Blauen Sheriffs’’ die mit Kampfhund die Fußgängerzone auf und ab patrouillieren, um Obdachlose, Drogenkranke oder Bettler zu verjagen. Oder für ein paar Straßenkehrer, die täglich die Einkaufsmeile sauberhalten. Ähnlich bei den ‘‘freien Trägern’’ (BI’s, Kulturzentren ...) die ebenfalls mächtig an der Personaldecke schneiden. ‘‘Neue Dienstleister’’, die energisch expandieren, gibt es auch. So die privaten Sicherheitsdienste, die bezahlt von den Geschäftsleuten für Ordnung sorgen. Geradeso ist der Glaube der PDS man könne zur Finanzierung des ‘‘ÖBS’’ das ‘‘spekulative Kapital’’ abschöpfen Uralt-Reformismus. Lenin schrieb bereits 1916 richtig: ‘‘Solange der Kapitalismus Kapitalismus bleibt, wird der Kapitalüberschuß nicht zur Hebung der Lebenshaltung der Massen in dem betreffenden Lande verwendet ...’’.
Der Teil der Gewerkschaften, der glaubt durch Flexibilisierung etc. bis hin zum Aufbau einer DGB- eigenen Leiharbeitsfirma könne man die Erwerbslosigkeit angehen, erweist sich so nur als Schmieröl der neuen Umstrukturierung.

Nationalstaaten und Nationalismus

Die neue Phase des Kapitalismus befördert jedoch nicht das Absterben der Nationalstaaten, sondern benötigt sie in neuer Form. Die Großkonzerne brauchen in ihrem Stammland eine gute Infrastruktur, hochausgebildete Arbeitskräfte, die enge Verwachsung der Wirtschaft mit dem militärpolitischen und diplomatischen Potential dieses Staates, etc. Gerade weil die Staaten der Zentren diese Anforderungen stets erfüllten, da sie staatsmonopolistischer Kapitalismus sind und bleiben, werden sie für die Umstrukturierung benötigt. Das neue Wort ‘‘Standort’’ wurde hier geprägt. Das Wort kommt aus der militärischen Sprache und bezeichnet dort die Stadt, in der eine militärische Einheit ihre Kommandostellen und Kasernen hat. Und in gewisser Weise charakterisiert dieser Begriff richtig die neue Rolle der imperialistischen Staaten.
Als Reaktion darauf wuchert weltweit der Nationalismus. Überall feiern Nationalismen, Ethnien, Sippen einen Aufschwung und in Deutschland gedeihen nicht nur die Neonazisparteien prächtig, auch mit der Volksmusik ist ein Riesengeschäft zu machen. Die Bevorzugten von Gestern möchten mit den Mitteln von Gestern ihre Stellung retten. Nationales Einigeln ist da die Parole des Tages, ohne zu begreifen, daß die neu sich durchsetzende Struktur des Kapitalismus diese Notrettung gleich wieder versenkt. Das war in der letzten Phase der kapitalistischen Entwicklung noch anders. Ein nationales Dichtmachen konnte da Vorteile bringen. Die Konzerne der asiatischen ‘‘Tigerstaaten’’ schafften ihren Aufstieg durch die nach außen abgeschottete Nationalökonomie ihrer Heimatländer, z.B. Korea, und dadurch, daß sie dort eine nachahmende technische Entwicklung durchführten. Gegenüber den noch niedriger entwickelten Staaten spielten sie die Rolle eines Regionalimperialismus. Es war eine typische Entwicklung der 2. Phase. Sie blieben dabei im wesentlichen auf einem niedrigeren technischen Stand als die traditionellen großen Konzerne. Auch heute noch vermarktet etwa ein koreanischer PKW-Hersteller als ‘‘eigenen’’ Wagen einen leicht umgebauten Opel-Kadett. (Es wäre zu prüfen, ob die heutige ‘‘asiatische Krise’’ eine einfache kapitalistische Überproduktionskrise ist, oder auch in den Strukturänderungen einen wesentlichen Grund hat.)

Veränderungen in der Produktionsstruktur während der drei kapitalistischen Phasen

Der Kapitalismus hat sich nicht nur in seiner internationalen Ausformung verändert, auch die Produktionsstruktur ist anders geworden. In der 1. Phase seiner Entwicklung setzte der Kapitalismus die Industrialisierung gegen das Handwerk durch. Doch war er zunächst, und teilweise noch recht lange, Hausindustrie. Z.B. der Krefelder Seidenfabrikant von der Leyen beschäftigte bereits vor 1848 über 3000 Arbeiter. Der allergrößte Teil davon arbeitete mit geliehenen ‘‘modernen’’ Webstühlen daheim. In der 1848er Revolution war eine Forderung der Arbeiter Webstühle kaufen zu dürfen, um nicht weiter von einem einzelnen Fabrikanten abhängig zu sein. Die Dampfmaschine und andere neue Erfindungen sorgten dann dafür, das sich allmählich die Arbeit in größeren Fabriken durchsetzte. Hiernach folgte die 2. Phase des Kapitalismus. W.I. Lenin beginnt seine Schrift ‘‘Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus’’ mit folgenden Worten: ‘‘Das ungeheure Wachstum der Industrie und der auffallend rasche Prozeß der Konzentration der Produktion in immer größeren Betrieben ist eine der charakteristischen Besonderheiten des Kapitalismus. Die modernen Betriebszählungen liefern uns über diesen Prozeß die vollständigsten und genauesten Daten. In Deutschland z.B. waren von je tausend Industrieunternehmungen Großbetriebe, d.h. Betriebe mit mehr als 50 Lohnarbeitern: im Jahre 182 - 3, im Jahre 1895 - 6 und im Jahre 1907 - 9. Von je hundert Arbeitern entfielen auf diese Betriebe: 22, 30 und 37.’’ Ja, die 2. Phase begann mit der Konzentration der Arbeit in immer größeren Werken. Es setzte sich eine neue Arbeitsorganisation durch, der nach Frederick Taylor benannte Taylorismus. Der Arbeitsprozeß wurde dabei in seine Einzelteile zerlegt, um ihn genauer zu analysieren und so rationell wie möglich gestalten zu können. So entstanden immer größere Fabriken in denen die Arbeiter/innen einer Art quasi-militärischen Aufsichtssystem unterworfen wurden. Prägend für diese Entwicklung war die Erfindung des Fließbandes durch Ford. So wurde die Arbeitsteilung innerhalb der Fabrik immer mehr ausgedehnt und das Produktionswissen von den Facharbeitern auf Techniker und Ingenieure übertragen. Die so entwickelte Produktion von Massengütern ließ die Produktivität enorm ansteigen. Aber schließlich geriet auch dieses System in die Krise. Die Werke waren zu ‘‘Dinosaurier-Größe’’ gewachsen, sie wurden unflexibel und die starre, fließbandgebundene Massenproduktion erschwerte die Anpassung an Nachfrageschwankungen. Zugleich war das Kommandosystem in der Produktion an seine Grenzen geraten. Es erschwerte die Identifikation mit den Betriebszielen und die entstandenen Riesenarmeen an Arbeiter/innen machten Solidarisierung und Arbeitskämpfe relativ leicht. So mündete die Entwicklung in eine 3. Phase. Verschiedene Modelle der Gruppenarbeit, der Zergliederung der großen Werke und der Aufspaltung der Produktion in Kern- und Peripheriebereiche wurden entwickelt. So z.B. in Japan das Modell des sogenannten Toyotismus. Es kombiniert einen hoch flexiblen Arbeitsmarkt bei den Zulieferern mit einem Arbeitsmarkt in den Kernbetrieben, der die Lohnarbeiter sehr stark in die Produktionsprozesse integriert und gegenüber anderen privilegiert. Qualitätszirkel, in denen das praktische Produktionswissen der Arbeitenden gesammelt wird, Betriebsgewerkschaften, Entlohnung nach Leistung und Dauer der Betriebszugehörigkeit unterwerfen die Arbeitenden einem intensivierten Arbeits- und Verwertungsprozeß. Typisch für die 3. Phase ist die Entwicklung von verschiedenen ‘‘Arbeitsmärkten’’, über die unterschiedliche Produktivkraftniveaus in den Zentren abgeschöpft werden und die zunehmende internationale Zergliederung der Produktion. Der Fortschritt der Mikroelektronik und hier vor allem die neuen Computer und das Internet, brachten den Durchbruch. In Zeiten von "just in time" kommt z.B. bei einem VW-Polo der in Wolfsburg montiert wird, fast die Hälfte der Teile aus dem Ausland: aus Tschechien, Italien, Spanien, Frankreich, Mexiko und den USA. Die ‘‘globale Fabrik’’ wurde möglich und eine völlig neue Form der Anpassung der Produktion an die Nachfrage. Es wurden Produktionsmodelle denkbar, die Ähnlichkeit mit der Hausproduktion der 1. Phase haben. Telearbeit nennt sich das und im Juli 1998 hat sich bereits ein ‘‘Verband Telearbeit Deutschland’’ gegründet. War hier die 2. Phase der kapitalistischen Entwicklung die Negation der Ersten, so ist die 3. Phase die Negation der Negation, und spiegelt so teilweise die 1. Phase auf höherem Niveau. Sprach Lenin noch davon, daß die privilegierte Stellung der Monopole in den übrigen Industriezweigen eine ‘‘gesteigerte Planlosigkeit’’ hervorruft - was für die 2. Phase stimmte - so ist das heute durch die Mikroelektronik anders. Die Erfindung des PCs wird die 3. Phase prägen, wie die Dampfmaschine die Erste und das Fließband die Zweite.

Neues zur Klassenstruktur

Wenn die Bezeichnung "Arbeiterklasse" in diesem Jahrhundert von einer selbsterklärenden, gesellschaftlichen Positionierung zu einer erklärungsbedürftigen Definition geworden ist, zeigt allein dies, wie sehr sich die arbeitende Klasse gewandelt hat. So wie sich die Verhältnisse entwickeln, verändern sich auch die Begriffe und müssen sich verändern. In der 1. Phase des Kapitalismus bestand die arbeitende Klasse noch zu einem großen Teil aus Handwerksburschen u.ä. Deshalb benutzten Marx/Engels teilweise die Bezeichnung "arbeitende Klasse" (Z.B: F. Engels "Zur Lage der arbeitenden Klasse in England"). Je mehr sich der Kapitalismus aber in seine 2. Phase entwickelte, umso gewaltiger wuchs die Zahl der Arbeiter/innen. Zu Anfang unseres Jahrhunderts bildeten sie bereits die große Mehrheit, während es damals nur einen einstelligen %-Satz an Angestellten gab. Die Bezeichnung "Arbeiterklasse" zeigte deutlich die Richtung. Doch inzwischen hat die 3. Phase des Kapitalismus erneut alles verändert. Z.B. in Deutschland sind heute die Arbeiter/innen in der arbeitenden Klasse die Minderheit. Und die Tendenz zur Zergliederung wird das wahrscheinlich noch verstärken. Es wäre an der Zeit wieder zum Begriff "arbeitende Klasse" zurückzukehren. Hinzu kommt, daß in den imperialistischen Zentren die Bedeutung der Produktivkraft Wissenschaft die Stellung der technischen Intelligenz grundlegend verwandelt hat. Sie ist nicht mehr eine kleine privilegierte Schicht, sondern wuchs stark an und wurde immer mehr als "kleines Rädchen" in die "Produktionsarmee" eingegliedert. Ich kenne Ingenieure die nicht mehr sind als technisch gebildete Vorarbeiter. Und der Imperialismus hat einen steigenden Heißhunger auf "erfinderische Zwerge". 1.796.000 Studierende gab es allein im WS 1998/99 in Deutschland. Über zwei Drittel aller Abiturienten in Deutschland studieren. Das ist keine Randgruppe, sondern ein bedeutender Teil der Generation. Unter den Hochschulabsolventen stellen die 900.000 deutschen Ingenieure die größte akademische Berufsgruppe dar. Im Jahr 2000 wird es weltweit eine größere Zahl von Naturwissenschaftlern geben als in der gesamten Technikgeschichte davor.

Die imperialistische Antwort auf den tendenziellen Fall der Profitrate

Das grundsätzliche Problem des hochentwickelten Kapitalismus ist der tendenzielle Fall der Profitrate. Marx unterschied zwischen konstantem Kapital (c) = den verbrauchten Produktionsmittel, und dem variablen Kapital (v) = den Arbeitskräften. Mit dem Fortgang der technischen Entwicklung erhöht sich der Anteil des konstanten Kapitals gegenüber dem des Variablen. Nun besteht zwischen der wertmäßigen und der technischen Zusammensetzung des Kapitals eine Wechselbeziehung. Marx schreibt: ‘‘Um diese auszudrücken, nenne ich die Wertzusammensetzung des Kapitals, insofern sie durch seine technische Zusammensetzung bestimmt wird und deren Änderungen widerspiegelt: die organische Zusammensetzung des Kapitals.’’ D.h. je moderner die Technik, um so mehr Produkte werden pro Arbeiter in der gleichen Zeit produziert. Daraus folgt, um so größer ist das in Produktionsmitteln angelegte konstante Kapital im Verhältnis zum Variablen. Es wird von einer hohen organischen Zusammensetzung des Kapitals gesprochen, wenn c im Vergleich zu v sehr hoch ist. Das ist der Fall in den heutigen, hochtechnisierten Fabriken. Wichtig für die Kapitalisten ist die Profitrate, d.h. das Verhältnis des Mehrwerts [m] zum vorgeschossenen Kapital [m/(c+v)]. Daraus folgt in der Tendenz, je höher die organische Zusammensetzung des Kapitals, um so mehr fällt die Profitrate. Mit Hilfe von Computer, Internet und dem modernen Transportwesen fand der Imperialismus eine Möglichkeit die organische Zusammensetzung des Kapitals zu senken: die globale Fabrik. Produktteile werden von billigen Arbeitskräften in Fernost produziert, andere in Afrika oder Lateinamerika, alles zusammen ergibt die neue Ware für den weltweiten Markt. Eine ähnliche Antwort ist auch ‘‘out-sourcing’’, die Entwicklung von mehreren Arbeitsmärkten etc. Industrievertreter sprechen von der Wiederentdeckung des ‘‘Humankapitals’’. VW-Chef Piech hat dies so beschrieben: ‘‘Wir haben ... versucht, die Menschheit mit einer hochmechanisierten Ausstattung zu beglücken, und dabei vergessen, daß in Spanien Lohn- und Lohnnebenkosten preiswerter, in der Tschechischen Republik noch preiswerter und in China am preiswertesten sind. Es ist unsere Aufgabe, mit einer niedrigen Mechanisierung die Menschen einzusetzen, solange sie wenig kosten, und damit ein gutes Geschäft zu machen.’’ (Handelblatt, 19.11.1993). So ist die 3. Phase des Kapitalismus die imperialistische Antwort auf den tendenziellen Fall der Profitrate.

Neues sollte auch neu benannt werden

Lenin nannte den Imperialismus in ‘‘Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus’’ auch ‘‘sterbenden Kapitalismus’’, da er die Produktion an die Vergesellschaftung heranführt. So schrieb er: ‘‘Wenn aus einem Großbetrieb ein Mammutbetrieb wird, der planmäßig, auf Grund genau errechneter Massendaten, die Lieferung des ursprünglichen Rohmaterials im Umfang von zwei dritteln oder drei Vierteln des gesamten Bedarfs für Duzende von Millionen der Bevölkerung organisiert; wenn die Beförderung dieses Rohstoffs nach den geeignetsten Produktionsstätten, die mitunter Hunderte und Tausende von Meilen voneinander entfernt sind, systematisch organisiert wird; wenn von einer Zentralstelle aus alle aufeinanderfolgenden Stadien der Verarbeitung des Materials bis zur Herstellung der verschiedenartigsten Fertigprodukte geregelt werden; wenn die Verteilung dieser Produkte auf Dutzende und Hunderte von Millionen Konsumenten nach einem einzigen Plan geschieht (Petroleumabsatz in Amerika wie in Deutschland durch den amerikanischen ‘Petroleumtrust’) - dann wird es offensichtlich, daß wir es mit einer Vergesellschaftung der Produktion zu tun haben und durchaus nicht mit einer bloßen ‘Verflechtung’; daß privatwirtschaftliche und Privateigentumsverhältnisse eine Hülle darstellen, die dem Inhalt bereits nicht mehr entspricht ...’’. In der heutigen Phase wären wir damit bereits einer ‘‘internationalen Vergesellschaftung’’ nahe. Denn die neuen Techniken können auch aufzeigen, wie eine moderne sozialistische Gesellschaft aussehen könnte, mit einer völlig neuen Form der Planung und in der der Einzelne vielleicht bald nicht mehr gezwungen ist, als Teil einer ‘‘Riesenproduktionsarmee’’ in die Fabriken einzurücken.
Die 3. Phase des Kapitalismus ist etwas ganz neues. Mensch sollte sie nicht mit einer Bezeichnung versehen, die einen gesellschaftlichen Rückgriff signalisiert, wie ‘‘Neoliberalismus’’. Neues muß auch neu bezeichnet werden.
Lenin hat grimmig mit Kautsky darüber gestritten was denn Imperialismus sei. Das er nicht nur eine bestimmte, vom Finanzkapital ‘‘bevorzugte’’ Politik ist, wie Kautsky meinte, sondern ein neues Stadium des Kapitalismus. Ich will die Diskussion von damals nicht mit heute vergleichen, aber ich halte es für wichtig, darüber nachzudenken, ob wir es heute nur mit einer ‘‘anderen, neoliberalen’’ Kapitalpolitik zu tun haben, oder mit einer neuen Phase des Kapitalismus

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