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Die "Rote Armee" der Ruhr-Arbeiterschaft im Anschluß an den Kapp-Putsch März/April 1920

von Hans Manfred Bock

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Keine der linksradikalen Organisationen war zu irgendeinem Zeitpunkt ihrer Geschichte stark genug, um selbständig eine größere proletarische Aktion auslösen oder eine Sozialbewegung zu einer solchen steigern zu können. Dennoch spielte ihre Propaganda besonders in den proletarischen Massenaktionen 1920/21 eine nicht unerhebliche Rolle; es ist für das Verständnis dieser Aktionen und für das Verständnis der Geschichte dieser Jahre der Weimarer Republik nicht unwichtig, die Resonanz dieser Organisationen in ihnen - so weit wie möglich, d.h. annäherungsweise - zu bestimmen. - Die erste Massenaktion von mähr als lokaler Bedeutung erfolgte nach Abbruch der Reihe von Insurrektionen bis Mitte 1919 in der Abwehr des Kapp-Putsches im Ruhrgebiet. Die Stellung der in diesem Organisationsbereich stark vertretenen Syndikalisten und die Haltung der KPO(S) und ihrer Opposition in und zu diesen Kämpfen sollen im folgenden ermittelt und einige Rückschlüsse auf die Eigenart dieser Bewegung Überhaupt gezogen werden. -

Am 13. März 1920 vertrieb der konterrevolutionäre Putsch unter der Leitung von Kapp und Lüttwitz, gestützt auf Freikorps und Teile der Reichswehr, die sozialdemokratische Regierung aus Berlin. Im Ruhrgebiet war die Erbitterung der Arbeiter gegenüber den Reichswehrtruppen besonders groß, seitdem diese auf Wunsch der Unternehmensleitungen seit Anfang 1919 in vielen Orten Standquartier bezogen und den radikalen Arbeitern in Streiks und Demonstrationen blutige Auseinandersetzungen geliefert hatten(1). Als der Kommandierende General des für das Ruhrgebiet zuständigen Wehrkreiskommandos, von Watter, nicht sofort Stellung nahm gegen das Berliner Putsch-Regime und als einige seiner Offiziere offen mit diesem Regime sympathisierten, entstand eine Aufstandsbewegung der Ruhrarbeiter gegen die als Chargen der Konterrevolution betrachteten Reichswehrtruppen, die lawinenartig anschwoll und zur Bildung einer mehr als 80 000 Mann umfassenden "Roten Armee"(2) führte. Weitgehend unabhängig von den vom ADGB und den übrigen großen Gewerkschaften der Angestellten und Beamten ausgerufenen Generalstreik, der am 15. März im ganzen Reiche geschlossen einsetzte und schon am 17.ds.Mts. die Kapp-Regierung zum Rücktritt zwang, bewaffneten sich die Radikalen im Ruhrgebiet und vertrieben bis zum 18. März in überraschend erfolgreichen Gefechten die Reichswehr- und Polizeitruppen aus ihren Stellungen zwischen Ruhr und Lippe und errichteten etwa parallel zur Lippe eine Front; vom 18. bis 21. März nahmen andere Arbeitertruppen Remscheid, Essen, Düsseldorf, Mülheim, Duisburg, Hamborn und Dinslaken und warfen die Reichswehr stromabwärts des Rheins bis Wesel zurück. Am 20.3. erklärten die Gewerkschaften den Generalstreik für beendet, am 22. ds. Mts. schlössen sich die SPD und die USPD dieser Erklärung an und die umgebildete, sozialdemokratische Regierung suchte Verhandlungen mit den aufständischen Ruhrarbeitern. Am 24. März wurde zwischen zwei sozialdemokratischen Reichsministern und Vertretern der SPD, USPD und eines Teils der KPD aus dem Ruhrgebiet in Bielefeld ein Abkommen unterzeichnet (3), das die Einstellung der Kämpfe und die Abgabe der Waffen von den aufständischen Arbeitern forderte und Straffreiheit für während der Kämpfe begangene Ungesetzlichkeiten und sozial- und sozialisierungspolitische Maßnahmen zusicherte. Beträchtliche Teile der Insurgenten erkannten dieses Abkommen ebenso wenig an wie ein von der Reichsregierung zum 30. März gestelltes Ultimatum. Wegen innerer Auseinandersetzungen und wegen der unzureichenden Organisation der "Roten Armee", für die drei, teilweise rivalisierende, Befehlszentralen bestanden, zerfiel dieselbe in den ersten Apriltagen. Nach letzten Gefechten verstreuter Truppen am 3. April in Duisburg, Recklinghausen und Oberhausen, am 4. in Mülheim, am 5. in Dortmund und am 6. in Gelsenkirchen(4) war die "Rote Armee" aufgerieben und die Reichswehr war wieder Herr der Lage im Ruhrgebiet; sie vergalt die Gewaltsamkeiten der aufständischen Arbeiter mit noch größerem Terror(5).

So weit die Geschichte der "Roten Armee" im Ruhrgebiet in groben Umrissen . - Die rasche Entstehung der "Roten Armee" und ihre schnellen Anfangssiege führten zu der - besonders in der bürgerlichen Presse vertretenen - Meinung, es habe sich bei den ganzen Geschehnissen um einen vorbedachten und organisierten "bolschewistischen" Aufstand gehandelt. Tatsächlich sprechen alle Indizien dafür, daß es sich vielmehr um ein spontan entstandenes paramilitärisches Gebilde handelte, das politisch so uneinheitlich und auch unfähig war, daß es trotz der anfänglichen Erfolge nicht einmal zur Ausrufung einer Räterepublik kam, wenn man von einer Episode in Mülheim absieht. Das einzige organisatorische Moment, das sich für die Durchführung des Aufstandes nachweisen läßt, sind die seit Beginn des Jahres 1920 auch im Ruhrgebiet von USPD und KPD gemeinsam aufgebauten Kampf-Organisationen(6), deren fragmentarischer Charakter jedoch die KPD(S)-Zentrale veranlaßte, im Zusammenhang mit dem Aufstand von ihrer "völligen Hohlheit" und "vollständigen Unzulänglichkeit" zu sprechen(7). Im Übrigen vollzog sich die Aufstellung der "Roten Armee" spontan auf Grund der einhelligen Empörung der Arbeiterschaft über die anscheinend mit dem reaktionären Kapp-Regime solidarische Reichswehr in einer Art Kettenreaktion durch die Bildung lokaler Truppen, die sich -zum geringsten Teil - mit versteckten Waffen, dann durch die Übernahme der Arsenale der Bürgerwehren und schließlich durch die von den Reichswehrtruppen erbeuteten Kampfwerkzeuge ausstatteten(8), und die sich zusammenschlössen. Zum Bilde der aus der Spontaneität der Aufstandsbewegung resultierenden Uneinheitlichkeit gehört es, daß sich während der Kämpfe gleich drei Befehl s zentralen der "Roten Armee" etablierten, von denen keine unangezweifelte Autorität besaß(9). Die Zentrale in Hagen stand unter dem bestimmenden Einfluß der USPD und hielt sich an das Bielefelder Abkommen. Der Essener Zentralrat war am 25. März als oberste politische Führung von den lokaler Vollzugsräten gewählt worden und von linken Unabhängigen und Kommunisten dominiert; er rief gegen das Ultimatum vom 30. März zum Generalstreik auf und erließ noch am l. April die - bereits illusionäre - Parole der allgemeinen Volksbewaffnung. Die militärische Oberleitung saß in Mülheim; sie war anfangs der Essener Zentrale untergeordnet, verselbständigte sich dann aber unter der Fuhrung von linksoppositionellen Kommunisten und Syndikalisten, führte die Kämpfe nach dem Bie-lefelder Abkommen welter und handelte bis zuletzt unter der Parole des "Kampfes bis zum Weißbluten". - Es kann von politischer Zielstrebigkeit, von revolutionärer Planung in dieser Aufruhrbewegung ebenso wenig die Rede sein wie in den früheren Kämpfen im Ruhrgebiet und in den meisten übrigen Insurrektionen nach November 1918.

Nach Ausweis eines soziologisch geschulten und unvoreingenommenen zeitgenössischen Beobachters der Ruhrkämpfe war das "weitaus wichtigste" Motiv der Aufständischen der "Haß auf die sich erneut als reaktionär erweisende Reichswehr"(10). Aus dieser Motivation nicht herauszulösen, aber doch erst in zweiter Linie, kam die Zielvorstellung der sozialen Revolution, der in diesen Kämpfen in konsequenter Weise nur die syndikalistischen und linkskommunistischen Arbeiter anhingen. Sie nahmen weder an den Bielefelder Verhandlungen teil, noch erkannten sie die dort getroffenen Vereinbarungen an(11), sondern hofften mit dem Aufstand den ersten Schritt zur zweiten, zur sozialen Revolution in Deutschland zu tun. Es war die Propaganda der Syndikalisten und der linken Kommunisten, die den radikalsten aktivistischen Kräften - wie zu zeigen sein wird gegen den Willen der Organisationsspitze der FAUD und der KPD(S) in Berlin - die politischen Parolen lieferte. - Die FAUD hatte etwa zum Zeitpunkt des Ruhraufstandes den Höhepunkt ihrer organisatorischen Entfaltung im Ruhrgebiet erreicht; sie hatte seit Mal 1919 ihre Föderationen ausbauen können und gewann durch die von ihr dominierte Gründung der rheinland-westfälischen FAU im September an regionaler Einflußmöglichkeit. Noch waren die Differenzen, die zur Verselbständigung der Gelsenkirchener Richtung führten, Anfang 1920 nicht voll ausgeprägt. Außerdem hatte die FAU seit Oktober 1919 als einzige gewerkschaftliche Organisation eine gezielte Aktion für die Sechs-Stunden-Schicht im Kohlebergbau durchgeführt(12) , in der ihre Empfehlung der Kampfmittel der passiven Resistenz bei den Arbeitern Gehör gefunden hatte, und sie führte ihren Kleinkrieg gegen die alten Gewerkschafts-Verbände erfolgreich weiter(13) . Auf dem Berliner Gründungskongreß der FAUD im Dezember 1919 behauptete ein Dulsburger Delegierter, 90 % der Bergarbeiter

des Ruhrgebiets seien syndikalistisch(14) und Anfang 1920 erklärte Augustin Souchy - obwohl die Berliner Geschäftskommission mit dergleichen Prognosen vorsichtig zu sein pflegte -, im Ruhrdistrikt seien die Syndikalisten jetzt vielleicht so stark, daß sie - unter günstigen Umständen und wenn es in nicht allzu langer Zeit zu einer neuen Revolution komme - die revolutionäre Übernahme der Betriebe durch die Produzenten einleiten könnten(15). Daß die rheinland-westfälische FAUD beträchtlichen Einfluß hatte auf die Ruhr-Insurgenten vom März 1920 ist angesichts dieser Tatsachen sicher. Folgende vom zeitgenössischen Beobachter mit Hilfe unzureichenden statistischen Materials ermittelte prozentuale gewerkschaftliche Zugehörigkeit der Ruhr-Insurgenten ist in dieser Beleuchtung als Annäherungswert durchaus glaubhaft;

es waren demnach 53, 2 % der Aufständischen im ADGB, 44, 9 % in der FAU, l, l % in den Hirsch-Dunckerschen und 0, 8 % in den Christlichen Gewerkschaften organisiert(16). Im Verhältnis zur jeweiligen Mitgliederzahl dieser Gewerkschaften war die FAU relativ der bei weitem am stärksten durch seine Mitglieder repräsentierte Verband. Das heißt jedoch nicht, daß fast die Hälfte der Kämpfenden zielbewußt und unter einheitlicher Führung ein von der FAUD entworfenes Revolutionsprogramm zu verwirklichen suchte; das heißt vielmehr, daß dieselben aktivistischen oder auch bloß erregbaren Arbeiter, die auf Grund ihrer enttäuschten sozialrevolutionären oder auch nur sozialen Forderungen bereits aus Entrüstungsopposition aus den alten Verbänden ausgetreten waren und sich der FAU angeschlossen hatten, nun auch - allenfalls mit einigen Losungen der Syndikalisten ausgestattet" - diejenigen waren, die sich in den bewaffneten Kampf stürzten und am längsten in ihm ausharrten - wie am Verhalten der Mülheimer Befehlszentrale erkennbar ist. - Diese Neu-Syndikalisten, die häufig auch gleichzeitig noch der USPD oder der KPD angehörten, engagierten sich in der "Roten Armee" ungeachtet der Haltung der ideologischen Wortführer der FAUD in Berlin (Rocker, Kater, Oerter u. a.), die dieses Engagement prinzipiell ablehnten. Rocker z. B. sah sich durch das Scheitern des Ruhr-Aufstandes in seiner Überzeugung bestätigt, "daß die bewaffnete Aktion kein geeignetes Mittel zur Niederringung der militärischen Gewalt(18) sei. Er und die anderen syndikalistischen Veteranen in der Berliner Geschäftskommission sahen die Ursache für das Engagement der FAU-Organisationen in Rheinland-Westfalen in deren mangelnder Durchdringung mit den konstruktiven Ideen des Syndikalismus und in der noch verbreiteten Parteizugehörigkeit der Mitglieder(19). - Der starken Repräsentanz der rheinland-westfälischen Syndikalisten in der "Roten Armee" entsprach das große Maß organisatorischer Zerrüttung der FAU nach Niederschlagung des Aufstandes und nach Beginn des sogenannten "weißen Terrors" der Reichswehrtruppen; hunderte von Insurgenten wurden standrechtlich erschossen, tausende mußten fliehen - "in den meisten Fällen gerade die Vorstandsmitglieder unserer Organisationen", berichtete Rocker(20).

Die syndikalistische Organisation, deren Ideen weder vor noch nach dem Ruhr-Aufstand vom März 1920 wieder eine ähnlich große Resonanz in den proletarischen Massenaktionen hatten, war im Ruhrgebiet bis dahin besser etabliert und zahlreicher als die KPD(S). Heinrich Brandler hatte - sehr wahrscheinlich im Hinblick auf diese Dominanz der Syndikalisten und den daraus folgenden Partikularismus - Ende Februar (1920) auf dem Parteitag der KPD(S) auf Grund seiner Beobachtungen erklärt, gerade im Ruhrgebiet habe man praktisch noch gar keine Organisation(21). Tatsächlich war selbstverständlich die KP auch im Ruhrgebiet etabliert; nach zeitgenössischen Schätzungen verteilte sich die Parteizugehörigkeit der Aufständischen in der "Roten Armee" in folgender Weise: USPD 58,4 %, KPD 30, 9 %, SPD 10, 7 %(22). Die KP war also vorhanden und relativ stark repräsentiert in den Kämpfen; aber für die rheinland-westfälischen Kommunisten galt zu dieser Zeit noch immer das Wort der Berliner Parteizentrale nicht viel. - Die KPD(S)-Zentrale hatte bei Abwesenheit Levis, der im Gefängnis saß, aber durchaus in seinem Sinne am 21.3.1920 abgesprochen und am 26.ds. Mts. öffentlich erklärt, sie werde sich angesichts des großen Einflusses der SPD und USPD auf die Mehrheit der Arbeiterschaft und angesichts der geringen Stärke der KP und des Fehlens einer ausreichenden militärischen Macht zu einer sozialistischen Regierung in der Weise einer "loyalen Opposition" verhalten: "Unter loyaler Opposition verstehen wir: Keine Vorbereitung zum gewaltsamen Umsturz, bei selbstverständlicher Freiheit der politischen Agitation der Partei für ihre

Ziele und Losungen(23). Im Sinne dieser "loyalen Opposition" gegenüber der sozialdemokratischen Regierung und unter Beibehaltung ihres bereits 1919 offenbarten aktionsfeindlichen Kurses suchte die Zentrale, mäßigend auf die rheinland-westfälischen Insurgenten einzuwirken. Am 26. März mahnte Wilhelm Pieck als Abgesandter der Zentrale auf einer Konferenz aller Vollzugsräte in Hagen "wieder und wieder zur Mäßigung", weil er unnützes Blutvergießen kommen sehe, wenn man im Ruhrgebiet die Kämpfe weiter zu treiben versuche, als es der revolutionären Gesamtlage im Reiche entspreche(24)". Im gleichen Sinne sprach Paul Levi selbst auf einer Vollversammlung der Vollzugsräte in Essen am 28. März und setzte sich der heftigen Kritik der Syndikalisten und der kampfwilligen Opposition der eigenen Partei aus(25). - In der Stellung zu den Ruhrkämpfen aktualisierten sich wieder die Gegensätze zwischen den kämpferischen linken Kommunisten und der organisationsbedachten Zentrale und ihrer Anhängerschaft, die seit der Gründung der KPD(S) vorhanden waren. Im Ruhrgebiet hatte unter den kommunistischen Arbeitern der entschlossene Kampfeswille seit Beginn der Kapp-Abwehr-Bewegung überwogen und diese Opposition hatte sich in der Gegnerschaft zum Bielefelder Abkommen gefestigt. Sie forderte die Niederwerfung des parlamentarischen Systems und die Errichtung der Räte-Republik(26) und hoffte bis zuletzt auf eine Ausweitung der bewaffneten Kämpfe an anderen Stellen des Reiches. Diese Hoffnung der Ruhr-Insurgenten wurde enttäuscht. Die Vogtländlsche "Rote Armee", mit der Max Hoelz seit Mitte März eine Entlastungsaktion für die Aufständischen im Ruhrgebiet durchzuführen versuchte(27), blieb im mitteldeutschen Industriegebiet ohne Fortsetzung, da insbesondere die Chemnitzer KP-Führung unter Heinrich Brandler die Haltung der Berliner Zentrale einnahm(28) und die Aktion Max Hoelz verurteilte mit dem Argument, es habe keinen Sinn, "im Vogtlande eine rote Armee zu organisieren, während im übrigen Deutschland die Abwürgung der Ruhrbergleute ohne ernste Gegenwehr"(29) sich vollziehe. In Berlin, wo die Ruhr-Rebellen zuerst die Fortsetzung ihres Kampfes erwartet hatten, tat sich die linkskommunistische Mehrheit der KP mit Anstalten zum bewaffneten Kampf hervor. Sie war - wie der noch vor Ende der letzten Gefechte im Ruhrgebiet stattfindende Gründungskongreß KAPD erklärte - "vom ersten Augenblick an entschlossen, den Kampf um die Diktatur des Proletariats zu führen"(30); sie habe mit ihrer Parole der Schaffung einer "Roten Armee" einen Erfolg gehabt, der ihre Erwartungen bei weitem übertreffen habe. Die von der aktivistisch-linkskommunistischen KP-Mehrheit in Berlin aufgestellten proletarischen Hundertschaften wurden aber nicht zur Grundlage einer "Roten Armee", da in der Reichshauptstadt der Verlauf des Generalstreik ganz unter der Kontrolle der beiden sozialdemokratischen Parteien des ADGB blieb. - Die Haltung der KPD (S)-Zentrale erleichterte der Opposition allerdings die organisatorische Verselbständigung und bot ihr später bei den Verhandlungen mit der Komintern starke Argumente gegen die Levi-Zentrale. Die Opposition konstituierte sich als kommunistische Partei, die künftig die Führung des aktiv-revolutionären Kampfes übernehmen wollte.

Anmerkungen

1) Vgl. hierzu und zum folgenden die Arbeit des Max-Weber-Schülers Gerhard Colm, Beitrag zur Geschichte und Soziologie des Ruhr-Aufstandes vom März/April 1920, Essen 1921;

Colm hatte Zugang zu zahlreichem Archivmaterial und ergänzte seine Recherchen durch perisönliche Befragung von Beteiligten. Seine Arbeit ist die einzige wisseschaftliche Untersuchung des Ruhr-Aufstandes und wurde durch spätere Publikationen nicht ersetzt und kaum ergänzt. Vgl. auch Hans Spethmann (Zwölf Jahre Ruhrbergbau, op.cit.) Bd.II Aufstand und Ausstand vor undnach dem Kapn-Putsch bis zur Ruhrbesetzung, Berlin 1928, dessen Untersuchung von Unrternehmerseite finanziert wurde und eine entsprechend entstellende Tendenz hat, und E. Brauer (Der Ruhraufstand von 1920. Berlin 1930eine KPD-offiziele Darstellung von nicht sehr hohem Niveau.

2) E.Brauer (op.cit., p. 80) hält 120 000 Mann Stärke der "Roten Armee" noch für untertrieben. Spethmann (op.cit., p. 143) referiert als Angabe der Hagener Befehlszentrale der "Roten Armee" am 23.3.1920 eine Stärke von 120 000. als Schätzung der Reichswehr 80 000 - 100 000 Mann.

3) S. den Text des Abkommens bei Gerhard Colm, op.cit., p. 115-117; E. Brauer, op.cit., p. 67 f; H. Spethmann, op. cit., p. 156 ff.

4) S. Friedrich Stampfer. Die ersten 14 Jahre der deutschen Republik, Offenbach/Main 1947, p. 181.

5) Vgl. dazu am wenigsten parteiisch Gerhard Colm, op. cit., p. 139 ff.

6) Pol. Akten der Reg. Düsseldorf, Nr. 15785/13 ff.: Denkschrift Über die "Rote Armee" und andere Kampforganisationen

7) Zitiert in: Gerhard Colm, op. cit., p. 58; i. auch E. Brauer, op. cit., p. 86 f.

8) Vgl. dazu Gerhard Colm, op. cit., p. 65 ff, und: E. Brauer, op. cit., p. 80 ff. Neben allen Arten von Handfeuerwaffen und Sprengstoffen verfügten die Aufständischen schließlich auch über eine Reihe von Geschützen und Minenwerfern und über 2 Flugzeuge.

9) S. zum folgenden E. Brauers (op. cit., p. 49-60) Charakterisierung der 3 Zentralen; vgl. auch Gerhard Colm, op. cit., p. 61 ff.

10) Gerhard Colm, op. cit.. p. 55.

11) Vgl. Gerhard Colm. op. cit., p. 117: "Unter den Unterschriften finden sich Vertreter der drei sozialistischen Parteien, keine Vertreter der kämpfenden Arbeiter, keine Vertreter der Opposition, also keine Syndikalisten oder Linkskommunisten."

12) Vgl. zu den Ursachen und zum Ablauf der ganzen Aktion: Manfred Dörnemann, op.cit., p.99-147.

13) Dörnemann (op.cil.-p. 63) bringt Beispiele 'u-r die 'äst mit sportlichem Ehrgeiz betriebene Jagd der linksradikalen Arbeiter auf die Gewerkschafts- und Partei-Mitgliedbücher ihrer organisierten Kollegen.

14) V. Saurma-Jeltsch, op. cit.,p. 12.

15) "Der Syndikalist", 2. Jg. (1920). Nr. 10.

16) Gerhard Colm(op.cit..p.49) errechnete diese Prozentsätze mit Hilfe von Unterstützungslisten für die Opfer des März-Aufstandes, in denen bei 374 Namen die Gewerkschafts-Zugehörigkeit angegeben war.

17) Vgl. zutreffend Gerhard Colm (op. cit., p. 81 0: "Vergleicht man die ... Grundsätze der Syndikalisten mit der ganzen Ruhrbewegung, so sieht man einerseits, wie durchtränkt die ganze Bewegung, teils bewußt, teils unbewußt, mit syndikalistischen Ideen und Methoden ist, zum anderen sieht man. wie die vielen Mitglieder der "Freien Arbeiter-Union" durch ihre Teilnahme an der "Roten Armee' wesentliche Grundsätze mißachtet haben."

18) "Der Syndikalist", 2. Jg. (1920), Nr. 16. .

19) Vgl. auch Gerhard Colm, op.cit., p. 82.

20) "Der Syndikalist", 2.Jg.(1920), Nr.16.

21) Bericht Über den 3.Parteitag der KPD(S), p. 16.

22) Gerhard Colm (op.cit., p. 44) errechnete diese Zahlen aufgrund der Parteiagabe bei 149 Namen auf den Listen zur Unterstützungsaktion der Opfer des Ruhr-Aufstandes

23) "Die Rote Fahne", 3.Jg.(1920), Nr. 32; s. auch: "Die KPD im eigenen Spiegel" (KAPD-Verlag), p. 17 f; vgl. zur Diskussion dieser Erklärung im einzelnen: K.H.Tjaden, op.cit., p. 8 f.

24) S. Gerhard Colm, op.cit., p. 121.

25) Ibidem, p. 122. Die Berliner Zentrale entschloß sich später, nach Einsetzen des "weißen Tenors" im Ruhrgebiet, doch noch zum Generalstreik-Aufruf und zeigte keine sehr klare Haltung in der ganzen Situation nach dem Kapp-Putsch; vgl. dazu kritisch: Die KPD im eigenen Spiegel, p.16-27. Vgl. auch O.K. Flechtheim, op.cit., p. 62 f. °6) S. Beispiele für diese Forderung der Opposition in der rheinland-westfälischen KP-Presse: E. Brauer, op.cit., p. 69 ff.; Gerhard Colm, op.cit., p. 76 ff.

27) S. die Geschichte dieser Aktion in: Max Hoelz, Vom Weißen Kreuz zur Roten Fahne, p. 85 ff.

28) Vgl. Heinrich Brandler, Die Aktion gegen den Kapp-Putsch in Westsachsen. Berlin 1920; die Schrift wurde von der Zentrale zur Rechtfertigung Ihrer Haltung nach dem Kapp-Putsch verbreitet; vgl. auch ihre Kritik durch Max Hoelz, op. cit., p. 98 ff.

29) "Die Rote Fahne", 3.Jg.(1920), Nr.46: Hoelz; s. auch: "Die Rote Fahne", 3.Jg. Nr. 39; vgl. auch unten den Abschnitt über Max Hoelz.

30) KAZ (Groß-Berlin), l. Jg. (1920), Nr. 90.

Entnommen aus:
Bock, Hans Manfred, Syndikalismus und Linkskommunismus von 1918 -1923
Zur Geschichte und Soziologie der Freien Arbeiter-Union Deutschlands (Syndikalisten), der Allgemeinen Arbeiter-Union Deutschlands und der Kommunistischen Arbeiter-Partei Deutschlands, Meisenheim am Glan 1969, S. 288ff

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