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Gegen den demokratischen Faschismus!

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Jörg Haiders GegnerInnen meinen, er sei ein Faschist. Seine AnhängerInnen beteuern, er sei ein ehrlicher Demokrat. Niemand scheint auf die Idee zu kommen, daß er beides zugleich sein könnte - und daß gerade darin seine Gefährlichkeit besteht.

Österreich ist jenes Land, in dem es die Bevölkerung in Tateinheit mit der Regierung geschafft hat, die ehemalige Gemeinschaft raubender und mordender VolksgenossInnen nach 1945 gleichzeitig hinter sich zu lassen und in die postfaschistische Demokratie hinüberzuretten, indem man sich erfolgreich als Opfergemeinschaft darstellte. Den Rahmen zur Rettung des volksgemeinschaftlichen Wir-Gefühls bildete die Sozialpartnerschaft, die ihre partielle Herkunft aus dem faschistischen Korporatismus, also der volksgemeinschaftlichen, staatlich organisierten Zusammenarbeit von Kapital und Arbeit zum Wohle der Nation, kaum verleugnen kann. In Österreich ist diese Sozialpartnerschaft immer auch ein Behältnis für die verflossene Gemeinschaft der VolksgenossInnen gewesen. Sie war eine Konstruktion, die nicht nur ein harmonisches Verhältnis von Arbeit, Kapital und Staat herstellte und so die Gesellschaft zu vereinheitlichen und zu formieren versuchte, sondern sie war auch ein nationales Dach, unter dem der der Demokratie angeblich so widersprechende Antisemitismus und Rassismus ebenso fortgeführt wurde und prächtig gedieh wie der negative, nämlich nationale Kollektivismus. Diese Sozialpartnerschaft ist nun in der Krise. Die demokratisierten Nazis profitieren nahezu zwangsläufig von der Krise des Korporatismus, die das im bürgerlichen Subjekt angelegte Potential von Rassismus und Antisemitismus immer offener zutage fördert. Im prosperierenden Korporatismus waren Volk und SPÖ-dominierter Staat als erfolgreiche Produktionsgemeinschaft vereint. Nun scheint es für das kapital- und staatsfetischistische Subjekt, das die eigene Vergesellschaftung nicht begreifen kann und sich daher permanent dunkle Mächte vorstellen muß, die für alles und jedes verantwortlich gemacht werden, so, als hätte die Sozialdemokratie aus purer Gemeinheit oder im vorauseilenden Gehorsam gegenüber nicht dingfest zu machenden internationalen Machtzentren ihre korporatistischen Versprechen zugunsten eines Setzens auf den Neoliberalismus verraten. Das der schizophrenen Propaganda der Freiheitlichen Tür und Tor öffnet. Schizophren ist diese Propaganda insofern, als Haider sich einerseits als konsequenter Kritiker des Kammernstaats, des roten Filzes, der Packelei, leistungsfeindlicher Sozialleistungen, kurz also der Sozialpartnerschaft und aller ihrer Folgen darstellt, sich andererseits aber als Anwalt der angeblich von der Sozialdemokratie im Einklang mit der internationalen Finanzmafia betrogenen Arbeitskraftbehälter aufspielt.

Die ökonomische Unterfütterung der Volksgemeinschaft mittels sprunghaft gesteigerter Staatsnachfrage, wie im Nationalsozialismus vorexzerziert, scheint heute nicht mehr möglich. Im Gegenteil: Abgesagt ist, von den anderen Parteien bereits betrieben, die sogenannte Verschlankung des Staates. Die faschistischen DemokratInnen oder demokratisierten FaschistInnen wollen das durchaus konsequent fortsetzen und sind insofern auch in diesem Fall nur die Vollender der postfaschistisch-demokratischen Entwicklung der 2. Republik - OffensivdemokratInnen sozusagen. Der FPÖ-Chef verkörpert den Führertypus einer neuen Form von Demokratie und einer neuen Form von Volksgemeinschaft. Er ist der Protagonist einer spezifischen Form der postfaschistischen Demokratie, der Repräsentant der demokratischen Volksgemeinschaft. Zentrales Moment der demokratischen Volksgemeinschaft ist die Verinnerlichung und Subjektivierung von Zwang und Herrschaft, von Ausgrenzungswille und Ausgrenzungserduldung. Da der Staat heute nicht mehr in der  Lage zu sein scheint, die Individuen der Sorge um den Verkauf ihrer Ware Arbeitskraft zu entheben, muß jedes einzelne Individuum in sich selbst und für sich selbst tun, was einst der übermächtige Souverän besorgte: den Wert der Arbeitskraft mit der Zugehörigkeit zur Nation absichern. Eine modernisierte Organisierung der Gesellschaft in der Tradition des Faschismus bedarf heute nicht mehr zwangsläufig der Abschaffung der Demokratie. Demokratie und Faschismus sind vor allem in den postfaschistischen Gesellschaften kein sich zwangsläufig ausschließendes Gegensatzpaar. Haider weckt, organisiert und beschleunigt die Selbsttätigkeit, die Rassismus und Volksgemeinschaft heute erfordern. Im Unterschied zur alten nationalsozialistischen Rethorik mit ihrem endlosen Redeschwall und ihrem beschwörenden Tonfall genügen dem FPÖ-Chef stets einige spitze Bemerkungen und eindeutige Anspielungen, um bei den Angesprochenen die rassistische, antisemitische und nationalistische Eigenaktivität in Gang zu setzen.

Die traditionellen sozialpartnerschaftlichen Strukturen wollen die Freiheitlichen abschaffen und durch eine "Gemeinschaft der Tüchtigen", die unschwer als die Urform eines Rassismus der Produktiven zu erkennen ist, ersetzen. Der postfaschistische Korporatismus schützt ihnen viel zu sehr die vermeintlichen und tatsächlichen Unproduktiven. Dennoch sind sie mehr als einfach nur die Speerspitze der ökonomischen Liberalisierung und Deregulierung, als die sie von traditionsmarxistischen Gruppierungen permanent geoutet werden. Nicht unbeträchtliche Teile bei den Freiheitlichen fordern vielmehr vehement die Einführung von Schutzzöllen und andere gar nicht liberale Beschränkungen im Waren- und Personenverkehr. Die Freiheitlichen vereinen hier einen Widerspruch, der aus der Krise des Korporatismus entsteht. Galtder korporatistische postfaschistische Staat als Sachwalter und Anwalt der ehrlichen Arbeit und des auf das Gemeinwohl verpflichteten Kapitals, so gilt er den meisten StaatsbürgerInnen heute als Räuber an der ehrlichen Arbeit und zugleich zunehmend als asozialer Vertreter des vagabundierenden Finanzkapitals. Es bildet sich eine Gemeinschaft der sich angesichts der Veränderungen seit Beginn der 90er Jahre permanent betrogen Wähnenden: Die einen, die an der Mehrwertproduktion nach wie vor in nicht unbeträchtlichem Ausmaß profitieren, mißtrauen dem Staat, weil er die Verarmten überhaupt noch mittels Sozialleistungen versorgt, die anderen, die zunehmender Verelendung ausgesetzt sind, sehen sich hingegen verraten, weil der Staat diese Sozialleistungen permanent zusammenkürzt. Diese Gemeinschaft spaltet sich zum Teil parteipolitisch auf, in Haider und den Freiheitlichen ist sie jedoch vereint.

Die unterschiedlichen Klientels finden sich alle in Haider wieder, der in seiner beachtlichen Wandlungsfähigkeit sowohl unerträgliche gemeinschaftliche Wärme und bedrohliche Herzlichkeit für sorgengeplagte Menschen ausstrahlt, als auch zur Leitfigur für die erfolgreichen, kaltschnäuzigen, neureichen HedonistInnen werden konnte. Und als solcherart hedonistisch-asketischer, modernistisch- anachronistischer Führertyp könnte er durchaus Modellcharakter haben.

Kein Volk, kein Staat, kein Vaterland!

Die meisten KritikerInnen der FPÖ berufen sich darauf, im Namen Österreichs zu sprechen, Schaden von der Nation abzuwenden, die Spaltung der Gesellschaft verhindern zu wollen, die Demokratie zu retten und die Regierbarkeit des Landes aufrecht zu erhalten. Nicht nur FPÖ und ÖVP, sondern auch die meisten KritikerInnen der neuen Koalition sorgen sich um das Ansehen der Nation und verfallen zusehends in einen kollektiven Abwehrreflex, der aus den Diskussionen über Waldheim bereits bekannt ist. Besonders deutlich zeigt sich das an den Reaktionen auf die ausländische Berichterstattung über die FPÖ und Österreich. Nicht die WählerInnen und UnterstützerInnen der Freiheitlichen werden zur Rechenschaft gezogen, sondern "internationale Kreise" sollen für die Schädigung der Nation verantwortlich sein. Mit überschwenglichem Patriotismus soll gegen den bösen Nationalismus protestiert werden. Was das jeweils eine mit dem jeweils anderen zu tun hat, interessiert dabei nicht. Die Widersinnigkeit des Unterfangens, im Namen Österreichs, also im Namen der Nation gegen den Nationalismus anzurennen, scheint den demokratischen AntifaschistInnen gar nicht in den Sinn zu kommen. Von SOS Mitmensch über die Grünen bis hin zu einigen linken Gruppen gilt der Staat, wird er nur richtig regiert, als antirassistisches Bollwerk. Die Anrufung des Staates als ideeller Gesamtantirassist verschweigt die Schaffung und Sicherung der Grundlage des modernen Rassismus, die staatliche Trennung von In- und AusländerInnen, für die es im übrigen auch keiner FPÖ-Regierungsbeteiligung bedarf. Die Demokratie mag die eine oder andere Form von sich nicht nach Verwertungs- und Herrschaftsbedürfnissen richtenden rassistischen und nationalistischen Äußerungen verwerfen, ansonsten ist ihr Rassismus in etwa so wesensfremd wie Wahlen. Der moderate Antirassismus des demokratischen Staates wird ergänzt durch seine Rolle als rassistischer Moderator. Letztere wird vom demokratischen Antifaschismus aber ignoriert, da er den Staat als Hüter der Menschenrechte verteidigen muß und will. Mit den Menschenrechten kann man den demokratischen Rassismus aber nur schwerlich kritisieren, denn die unterschiedliche Behandlung von Menschen auf Grund ihrer Herkunft ist vollkommen menschenrechtskonform.

Anstatt die Vereinheitlichung der Individuen zum Volk zu kritisieren, skandieren einige DemonstrantInnen jenen Slogan, mit dem zuletzt die Verwirklichung der deutschen Wiedervereinigung, also dem völkisch- nationalistischen Projekt, Deutschland von der letzten sichbaren  Konsequenz aus der Schuld an Krieg und Massenvernichtung zubefreien, herbeigeschrieen wurde: "Wir sind das Volk!" Das Volk ist der sich selbst zum Maßstab aller Dinge setzende nationalistische Mob, der bewußtlose wie fanatische Reflex auf den Zwang zu Staatsloyalität und Kapitalproduktivität.

Bürgerliche Subjekte, die sich als Volk begreifen, sind das genaue Gegenteil von an Emanzipation interessierten Individuen. Mit der Berufung des demokratischen Antifaschismus auf Nation, Volk und Staat werden genau jene Kategorien abgefeiert, die die Haiderei erst möglich gemacht haben. Die grundsätzliche Verfaßtheit von Subjekten in der bürgerlichen Gesellschaft gerät dabei aus dem Blick. Das bürgerliche Subjekt ist derart verfaßt, daß es Identität nicht aus sich selbst erlangt, sondern nur in einem permanenten Zweifrontenkrieg gegen das "unterwertige" und gegen das "überwertige" Leben.

Gegen die zu "Unterwertigen" degradierten richtet sich der Rassismus, gegen die vermeintlich "Überwertigen" der Antisemitismus. Rassismus und Antisemitismus sind also keineswegs einfach Resultate eines fehlgeleiteten sozialpolitischen Protestes, sondern Ausdruck der durch Kapital, Patriarchat und Staat gesetzten bürgerlichen Subjektivität und daher auch nur mit dieser abzuschaffen.

Auch wenn die konkreten Bedrohungen, die sich aus der Koalition von SS-LobrednerInnen und Dollfuß-AnhängerInnen ergeben, nicht unterschätzt werden dürfen, darf sich der Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus nicht auf den Kampf gegen die FPÖ beschränken, sondern muß das gesellschaftliche Fundament, die unerträgliche Normalität in Frage stellen. Wer den Kampf gegen Haider im Namen der Demokratie, des Staates, der Nation oder des Volkes führt, ist schon mit ihm.

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