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Quelle: 41.Blatt, Stadtzeitung für München v. 7.3.1975

COMPLIMENT MEINE HERREN

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Beiseite vom Riesenrummel um die bisher glänzend gelungene Befreiung der politischen gefangenen ina siepmann, verena becker, gabi kröcher-tiedemann, rolf pohle und rolf heissler haben wir hier einige hintergrundinformationen um die in diesem falle reichlich bedrohliche informationstaktik der bayerischen Staatsbehörden erhalten.

Donnerstag, 27.2.1975:
Eintführung von Peter Lorenz

Freitag, 28.2.1975
Bewegung 2. Juni gibt die Bedingungen zur Freilassung von Lorenz bekannt. Siehe Erklärung 2. Juni in SZ v. Samstag.

Am Freitagnachmittag versuchen die Münchner Anwälte von Rolf Heissler und Rolf Pohle bei den Justizanstalten Besuchserlaubnis für ihre Mandanten zu bekommen. Dies wird verweigert mit der Begründung, die Gefangenen hätten nicht nach ihren Anwälten gefragt. Nach ein paar Stunden meldet sich der Direk­tor der JVA Landsberg bei RA Wächtler und teilt mit, er könne seinen Mandanten Pohle am Samstag um 10 Uhr besuchen.

Samstag, 1.3.1975
RA Wächtler in Landsberg. Gesrpäch mit Pohle unter der Auflage, daß das Gespräch überwacht werde wegen der 'besonderen Situation'  Anweisung vom bayerischen Justizministerium. In Berlin konnten die betroffenen Ge­fangenen ungehindert und unüberwacht mit ihren Anwälten reden! Wächtler: "Vor die Alternative gestellt, überhauptnicht mit Pohle sprechen zu können oder unter den genannten Be­dingungen, habe ich mich zu einer kur­zen Unterredung mit Pohle in der JVA Landsberg entschlossen, an der der Lei­ter der JVA sowie ein anonym bleiben­der Beamter und ein Justizwachtmeister teilnahemn. Wie zu erwarten brachte das Gesrpäch unter diesen Bedingun­gen keinerlei Ergebnisse." Pohle verlangte den Wortlaut des Ultima­tums der Entführer kennen zu lernen. Er wollte außerdem Gelegenheit haben, die Meinung der anderen 5 Betroffenen kennenzulernen sowie eine unüberwachte anwaltschaftliche Beratung, wie sie auch sonst üblich ist. Solange diese Voraussetzungen einer selbständigen Willensbil­dung nicht erfüllt sind, will Pohle keiner-leih Erklärung zu dem Austausch gegen.

Diese Meldung gab RA Wächtler an die Presse.

Gleichzeitig meldete er diese Tatsachen nach Bonn und Berlin. Offensichtlich unter Druck gesetzt von dort, konnte dann im Laufe der Nacht auch Bayern nicht umhin, den Vorbereitungen des Austausches nichts mehr in den Weg zu legen.

Zunächst wurde Pohle ein Telefongespräch mit Heissler gestattet. Sie stimmten eine Erklärung ab, die in der Nacht über ARD vorgelesen wird. Hauptforderung: Erklärung ist erst möglich, wenn man mit den anderen Gefangenen gesprochen hat.

Diese Erklärung die mit keinem Wort ein Desinteresse am Austausch enthält wird von allen Medien die ganze Samstagnacht so verbreitet, als hätten die beiden kein Interesse am Austausch. Diese Version wird auch noch dann aufrecht erhalten, als Pohle nach dem ARD-Auftritt von Mahler und Kröcher über seinen Anwalt eine neue Erklärung durchsagen läßt. Diese Erklärung wird erst am Sonntagvormittag verbreitet.

Nachdem die Bayern von den Krisenstäben offensichtlich einen Arschtritt bekommen haben, war es in der Nacht von Samstag auf Sonntag plötzlich möglich, daß Pohle mehrere Telefongespräche mit seinem Anwalt führen konnte außerdem mit jedem der betroffenen Gefangenen. Dabei stellte sich heraus, daß Gabriele Kröcher-Tiedemann kurz nach ihrem Fernsehauftritt bereits ihre Entscheidung revidierte und nun auch ausgeflogen werden wollte. Auch diese Meldung, bereits in der Nacht von Samstag auf Sonntag durchgegeben, wurde den ganzen Sonntag über unter­schlagen und wurde erst am Montag früh, gegen 4 h, durchgesagt als hätte man erst jetzt davon Kenntnis erhalten. Es ist offensichtlich, daß man hier versuch hat, die Isolation und Überraschung der Gefangenen auszunutzen und die Vorbereitungen für die Befreiung zu verzögern. Dafür spricht auch der Ablauf der Zusammenführung der Gefangenen in Frankfurt am Sonntag.

Pohle und Heißler trafen bereits gegen 16 Uhr in Ffm ein, Verena Becker und Ina Siepmann gegen 20 Uhr. Zu einem Zeitpunkt (ca. 21 Uhr) als die Medien bereits meldeten, die Gefangenen seien sich uneinig und zerstritten sich, saßen ALLE Gefangenen noch EINZELN in den Arrestzellen des Frankfurter Flughafens.

Erst um 22.30 Uhr wurde das gemeinsame Gespräch gestattet!

Und es ging keinesfalls um Streitgesprä­che, sondern darum, daß erst jetzt Pohle seinen Mitgenossen von seinem Telefon­gespräch mit Gaby Kröcher berichten konnte. Bis dahin wurde einfach unter­schlagen, daß Gaby Kröcher ihren ra­schen Entschluß vom Samstag Abend revidiert hatte.

Die Gefangenen forderten nun ein sofor­tiges Telefonat mit Gaby Kröcher. Es dauerte sehr lange bis es endlich zustan­de kam.

Lange nach Mitternacht konnte sich dann endlich auch Pfarrer Albertz (des­halb mußte nämlich Albertz aus dem Bett geholt werden: um eine Telefon­gespräch zu führen, daß bereits am Nachmittag hätte stattfinden können, wenn die Staatsschutzorgane die Nachricht nicht unterschlagen hätten) da­von überzeugen, daß G.Kröcher mitwollte.

Ergebnis des Telefongesprächs war, daß sich Gaby Kröcher von Essen nach Frank­furt auf den Weg machte. Jedenfalls war das Ziel erreicht, daß die Gefangenen nicht mehr, wie vom 2. Juni gefordert ihre Erklärungen über ARD bekanntgeben konnten. Am Mon­tag früh um 4.15 Uhr (knapp 5- Stunden vor Ablauf des Ultimatums konnte dann Ina Siepmann die Erklärung über Rundfunk bekanntgeben. Das regionale Fernsheprogramm Berlin strahlte die Erklä­rung ebenfalls aus. Die Bundesbürger mußten sich mit der Rundfunkerklärung begnügen. Ina Siepmann beschul­digt die Staatsschutzbehörden der Ver­zögerung. Pfarrer Albertz bestätigt, daß der Grund für die lange Diskussion die verzögerte Anreise von Gaby Kröcher war.

Während alle Rundfunk und Femsehnachrichten bis Montagmorgen die Lüge verbreiten, die Verzögerung in Frankfurt werde durch die Uneinigkeit der Gefangenen verursacht, klärt sich in den frühen Morgenstunden des Montag auf, daß für die Verzögerung allein die Institutionen verantwortlich sind, denn bereits in der Nacht von Samstag auf Sonntag hat Gaby Kröcher gegenüber Pohle am Telefon gerklärt, sie wolle mitfliegen. Diese Nachricht hat RA Wächtler an die Presse unmittelbar nach dem Telefongespräch weiterge­geben. Diese Nachricht wurde unterschlagen.

Erst 24 Studen später als der revidierte Entschluß von Gaby Kröcher von den Gefangenen in Ffm Pfarrer Albertz bekanntgegeben wurde, konnte man nicht mehr umhin, sie nach Ffm zu bringen.

Diese Unterschlagung war der Grund für die Verzögerung in Frankfurt.

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