Radio frei, 
Antisemitismus kaputt?

von Gaston Kirsche (gruppe demontage)

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Dichtes Gedränge herrschte am Sonntag, dem 7. Januar im großen Saal des besetzten Stadtteilzentrums Rote Flora. Dabei war die große Party schon vorbei. Die Volxküche war noch geschlossen - in der Nacht zuvor war sie als Backstagebereich genutzt worden. Hamburgs unabhängiges linkes Radio, das Freie Sender Kombinat, kurz FSK, hatte zum Feiern geladen. Nach sieben Jahren war endlich die Vollfrequenz genehmigt worden, FSK sendet ab sofort auch Sonntags. Live aus der Roten Flora. Im Transmitter, der Programmzeitung von FSK stand dazu: „FSK unterstützt die Rote Flora ... Möge sie bleiben wie Liebe und der Kommunismus: rot und unverträglich!“

Die Übertragungstechnik funktionierte tadellos. Knapp 200 Leute wollten aber trotzdem vor Ort dabei sein, als die Veranstaltung über „Zensur bei FSK? Wieviel Antisemitismus braucht ein freies Radio?“ begann. Viele kamen aus kleinen Redaktionsgruppen, die eine Sendung bei FSK machen. FSK ist eine Art Netzwerk, wo 150 Leute nebeneinander unter einem Dach aktiv sind und ihre eigenen Sendungen machen, die sich sonst nicht einmal auf linken Bündnistreffen begegnen würden.

Am 25. Oktober zogen Achim X und Wolfgang Y von der Redaktion Knast und Justiz den Israel/Palästina-Konflikt in einer zweistündigen Sendung knallhart über ihren antiimperialistischen Leisten. Am 2.11.2000 beschloß das für das gesamte Programm verantwortliche Gremium von FSK, die AnbieterInnengemeinschaft, mehrheitlich ein Sendeverbot für beide. Begründet würde das mit antisemitischen Äußerungen in ihrer Sendung vom 25. Oktober, mit der sie die Deutsche Linke zur Solidarität mit Palästina auffordern wollten. Dazu hatten sie einen Studiogast, den sie als „Achmed, einen palästinensischen Genossen“ einführten. Warum ihnen die nationale Zuordnung als Kriterium ausreichte, erklärte sich im Verlauf der Sendung von selbst. Sie brauchten Achmed als authentischen Palästinenser, als Kronzeugen gegen Israel und gegen Linke, die in der BRD für das Existenzrecht Israels eintreten. Achmed sprach Israel klipp und klar das Existenzrecht ab: „Für uns ist Israel nur ein amerikanischer Stützpunkt mit Atomwaffen und ein bißchen Menschen drauf.“[i] Weiter erklärte er die Israelis zu den Nazis von Heute: "Die Linken, die die Palästina-Solidarität angreifen, stellen sich auf die Seite der Täter und der Faschisten ... Für uns aus unserer Palästina-Erfahrung nach 50 Jahren Massaker, Vertreibung - Wir haben alles erlebt, was die Juden damals erlebt haben -KZ, Vertreibung, hundert Millionen von Flüchtlingen, verschiedene Massaker, wir haben alles erlebt, egal in welchen Maßen, aber alles erlebt, was die Juden damals erlebt haben. Und das kam von den Israelis.“

Auf der Veranstaltung am 7. Januar begründete Ole Frahm von der Radiogruppe Loretta, warum diese Gleichsetzung des Vorgehens Israels mit dem Nazideutschlands antisemitisch ist: „Sie betont die Schwere der eigenen Vertreibung und relativiert die Verfolgung und Vernichtung der europäischen Juden. Eine unerträgliche Relativierung der Shoah: Wir meinen, daß die ‚Palästina-Erfahrung‘ nicht auf die Vernichtung der europäischen Juden abgebildet werden kann, darf, um damit zu legitimieren, Israelis als ‚Faschisten‘ zu benennen.“

Achmed verglich aber nicht nur Nazis und Israelis und ignorierte die Shoah. Er forderte auch Konsequenzen: Die deutsche Linke solle Deutschland endlich dazu bringen, die sogenannte Wiedergutmachung u stoppen. Eine entsprechende Aussage von Achmed aus der kritisierten Sendung wurde auf der Veranstaltung nochmal abgespielt: "Wir fordern nur, daß die Bundesrepublik ihre Unterstützung für Israel einstellt, diese unglaubliche Unterstützung .... Zehntausend Millionen hat Israel pro Kopf von Deutschland alleine bekommen als Wiedergutmachung". Diese abstruse Rechnung wird erst durch die antisemitische Assoziation Jude = viel Geld möglich. „Das ist ein Bild des modernen Antisemitismus, der ausgehend von dem Klischee des Zinsjuden den Juden mit der Tauschsphäre identifiziert: 20 Millionen Juden vermehren nach Achmeds Berechnung durch Aufteilung 100 Milliarden in 200 Billiarden. Richtig bleiben 5000 DM ‚pro Kopf‘, wie Ole Frahm auf der Veranstaltung nochmal vorrechnete. Achmeds falsche Rechnung knüpft an die Vorstellung vom raffenden jüdischen Kapital gegenüber dem ehrbar-bodenständigen schaffenden Kapital an – einem beliebten Bild der NS-Propaganda.

Diesen und weiteren antisemitischenBehauptungen von Achmed widersprachen Achim X und Wolfgang Y in der Sendung nicht. Sie hatten ihn ja genau für diese Aussagen eingeladen. Achim X und Wolfgang Y sind Mitglieder von Forum-Radio, einer der fünf Radiogruppen, die gemeinsam FSK bilden. „Kombinat heißt bekanntlich Mischkonzern, und ein solcher ist FSK auch“, brachte es Ecki vom Stadtteilradio, einer weiteren Radiogruppe auf den Punkt.

Gegen das Sendeverbot gab es innerhalb und außerhalb von FSK massiven Protest, der auch auf FSK selbst verbreitet wurde. Auf der Homepage von FSK heißt es dazu: „In den vergangenen Wochen wurde das Sendeverbot mehrmals übertreten, indem sich Achim und Wolfgang, mit Hilfe diverser UnterstützerInnen, Zugang zu den Studioräumen verschafften.“ Dieser Kampf um die Mikrofone hat ebenso zu einer Zuspitzung des Konfliktes beigetragen wie die Kampagne „Gegen Zensur im freien Radio“, die von Forum-Radio seit zweit Monaten vorangetrieben wird. Ein erster Höhepunkt war dabei eine Veranstaltung unter dem Motto „Senden mit der Schere im Kopf“. In ihrem Aufruf zu dieser Veranstaltung vom 21.11. erklärte Forumradio: „Wenn die Kritik an Achim und Wolfgang für ein Sendeverbot reichen soll, müßte die gesamte Radiogruppe Sendeverbot bekommen, da wir diese Kritik nicht teilen können.“[ii]

Anstatt sich mit der Kritik an den antisemitischen Äußerungen der Sendung überhaupt mal auseinander zu setzen, wurde behauptet, es handele sich bei der Kritik um einen vorgeschobenen „Antisemitismusvorwurf“. Der sei nur ein „Vorwand“, um „antiimperialistische und antikapitalistische Positionen aus dem Sender zu drängen“[iii]. Diese Unterstellung wurde des öfteren wiederholt.

In einem Interview in der jungen Welt vom 4. Januar wurden den beiden vermeintlichen Opfern antinationaler Machenschaften Raum gegeben. Wolfgang Y erklärte dort unter Bezugnahme auf einen vorangegangenen Konflikt um eine Relativierung der Shoah in einer Antikriegssendung durch den jugoslawischen Generalkonsul in Hamburg: "Damals wurde das Totschlagargument »Antisemitismus« benutzt, um eine ungeliebte Sendung abzusetzen, jetzt wird es genutzt, um unliebsame Redakteure loszuwerden." [iv]

Auch auf der Veranstaltung war von den UnterstützerInnen viel von Zensur die Rede und von einem drohenden Rausschmiß des ganzen Forum-Radios. Die Trennlinie war also klar, als man sich in der Roten Flora traf. Die einen wollten über den Antisemitismus in der fraglichen Sendung sprechen, das wollten die anderen aber nicht hören, weil sie sich als Opfer von Zensurmaßnahmen sehen. Nun ist das FSK kein Offener Kanal, wo jeder senden kann, was er will, sondern ein Freies Radio mit einem linken Selbstverständnis. Doch auf die inhaltlichen Angebote der ReferentInnen, die versuchten, Grundlagen dieses Selbstverständnisses darzustellen, ging keiner der Kritisierten ein.

Die von Ole Frahm vorgetragene detaillierte Kritik der antisemitischen Äußerungen aus der Sendung wurde souverän ignoriert. Auch als Thomas Ebermann als prominenter Gast der Veranstaltung feststellte, nach den vorgespielten Sequenzen könne man die Moderatoren der Sendung vom 25. Oktober nur bei FSK rausschmeißen, wurde darüber hinweg gegangen. Wieder viel Gerede über Zensur bei konsequentem Ignorieren der konkreten Vorwürfe wegen antisemitischer Äußerungen. Es wurde kritisiert, dass Forum-Radio nicht selbst die Chance eingeräumt worden sei, die Sendung zu kritisieren und das es undemokratisch sei, wenn das für das gesamte Programm verantwortliche Gremium von FSK zwei Radiomachern Sendeverbot erteilt. Sicher wäre es besser gewesen, wenn die Kritik der Sendung zuerst in der Radiogruppe ausgetragen worden wäre. Nicht alle Redaktionen, die bei Forum mitmachen, vertreten einen solchen antiisraelischen Antiimperialismuswie Achim X und Wolfgang Y. So forderte am 13. Januar die Redaktion des Mexiko-Infos in ihrer Sendung: „Die betroffenen Redakteure sollen sich von den antisemitischen Inhalten distanzieren und dafür Sorge tragen, daß antisemitische Inhalte nicht wieder in ihren Sendungen verbreitet werden. Die AnbieterInnengemeinschaft soll das undemokratisch verhängte Sendeverbot zurücknehmen und die Diskussion um Konsequenzen in die Hand der Inforedaktion geben“. Die Inforedaktion, das wäre ein Treffen der kleinen Redaktionsgruppen, die bei Forum-Radio mitmachen.Leider war aber auf den Treffen von Forum-Radio zwar immer viel davon die Rede, wie der „Zensur“ entgegengetreten werden könne, aber Kritik an Achim X und Wolfgang Y wurde dort kaum laut. Eine Zurückweisung der antisemitischen Äußerungen hat dort noch nicht stattgefunden. Vor diesem Hintergrund hat die AnbieterInnengemeinschaft die Notbremse gezogen: Keine antisemitischen Äußerungen auf FSK. Das einzige Mittel, um dies durchzusetzen war das Sendeverbot.

Einen traurigen Beleg dafür lieferte Achim X mit seinem Diskussionsbeitrag auf der Veranstaltung am 7. Januar: Zuerst stellte er fest, „es gibt bis heute keinen Beweis für Antisemitismus.“ Damit schien die entsprechende Kritik für ihn erledigt zu sein. Anschaulich bewies er seine Ignoranz gegenüber jeder Kritik und ging wieder in die Vollen. Er wiederholte die antisemitischen Inhalte der Sendung ungerührt: „Es ging bei Israel um einen imperialistischen Vorposten in der arabischen Welt. Die Wiedergutmachungszahlungen ermöglichten die Besatzung palästinensischer Gebiete und den Aufbau der Institutionen Israels ... Die einzigen, die in der Region Probleme machen, sind die Zionisten gewesen. Die Zionisten machen es den Juden unmöglich, in der Region in Frieden zu leben.“ Nachdem er so Theodor Herzl’s zionistischem Nationalismus durch Umkehrung der Tatsachen die Schuld an den Bomben islamistischer Terroristen in Bussen und auf belebten öffentlichen Plätzen in Israel zugesprochen hatte, fand Achim X auch noch ein paar Worte für diejenigen, die in der Linken hierzulande die Probleme machen: „In Duisburg wurde in einer antideutschen Hetzkampagne bis in die bürgerlichen Medien verhindert, dass es eine Demo zur Solidarität mit Palästina gab“. Diese Formulierung findet sich fast wörtlich auch in einer Erklärung zur „Hetzkampagne gegen Palästina-Solidarität“. Darin schlägt eine „Antiimperialistische Koordination“ mit Sitz in Wien den Bogen bis hin zur Verharmlosung der Shoah: „Der von den linksliberalen Zeitungen ‚konkret‘ und ‚Jungle World‘ geführte Propagandakrieg für den zionistischen Kolonialismus geht von der bürgerlichen These der kollektiven Schuld des deutschen Volkes am Holocaust aus, der den kapitalistischen Klassencharakter des Nationalsozialismus zu verschweigen versucht.“[v]

So wie in dieser Erklärung der Klassenbegriff missbraucht wird für eine Verdrängung der Shoah, läuft alles auf eine These von der Unschuld der Arbeiterklasse an der Shoah hinaus[vi]. Das hätte so vermutlich in die nächste Sendung von Achim X und Wolfgang Y für eine Solidarität mit Palästina gepasst. Der Verlauf der Veranstaltung am 7. Januar hat gezeigt, dass das Sendeverbot eine Notbremse war, aber antisemitische Äußerungen und Relativierungen der Shoah damit nicht aus der Welt sind, zumal derartige Äußerungen auf der Veranstaltung wie auch anderswo von vielen Linken geäußert wurden, nicht nur von den mit Sendeverbot belegten beiden Moderatoren. Auf das inhaltliche Angebot der ReferentInnen wurde nicht eingegangen. Weder auf Ole Frahms detaillierte Kritik noch auf Andrea Woeldikes präzise Ausführungen zur besonderen Problematik von Antizionismus vor dem Hintergrund des Antisemitismus in Deutschland. Ole Frahm erklärte dazu später im Gespräch: „Es war schon erstaunlich, wie vollständig die Kritik an den antisemitischen Äußerungen ignoriert wurde. Es gab offensichtlich keinerlei Bereitschaft, sich mit den Vorwürfen auseinanderzusetzen. Sie halten es nicht für nötig, auf die Kritik überhaupt zu antworten. Auch andere Gruppen vom Forum-Radio zeigen bis jetzt keine Bereitschaft, dem Antisemitismus-Vorwurf nachzugehen.“ Andrea Woeldike bemerkte in einem Gespräch einige Tage später zurecht, das „die Veranstaltung von einer grundsätzlichen Abwehr gegenüber der Kritik geprägt war“. Das Angebot der VeranstalterInnen zur Diskussion wurde von den AnhängerInnen eines Antizionismus ausgeschlagen, stattdessen inszenierten sie sich als Opfer von Zensur. Nach der Veranstaltung wurden die Vorwürfe gegen die KritikerInnen sogar noch verschärft: Andrea Woeldike und Ole Frahm seien autoritär gewesen, hätten ihre Macht als ReferentInnen missbraucht und ähnlicher Quatsch. Von Selbstreflektion keine Spur. So lange wie der Konflikt um Israel und Palästina andauert, solange werden in den Debatten hierzulande auch antisemitische Stereotypen auftauchen. Und hoffentlich zurückgewiesen werden.

Anders als von Forum-Radio behauptet geht es bei FSK aber keineswegs um ein Verbot von Kritik an der Politik Israels. Internationale Solidarität kann sehr gut ohne Antisemitismus und Volkstümelei auskommen. Für eine emanzipatorische, auf Befreiung ausgerichtete Solidarität eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Einen national orientierten Kommunismus oder Anarchismus kann es nicht geben. Gerade deshalb ist es eine schädliche Instrumentalisierung,wenn Achim X und Weitere immer wieder behaupten, sie würden mit ihren antisemitischen Äußerungen endlich wieder den Internationalismus voran bringen. Dadurch vereinnahmen sie viele Solidaritätsgruppen, die selbstverständlich gegen Antisemitismus eintreten. Und sich ebenso für das Existenzrecht Israels einsetzen als nach der Shoah unabdingbar notwendigem Staat, in den sich alle JüdInnen flüchten können. Um es für die Fans eines Denkens in nationalen Kategorien nochmal deutlich zu sagen: Das muß keineswegs heißen, dass Linke sich gegen einen bürgerlichen Nationalstaat Palästina neben Israel aussprechen müssten. Keineswegs[vii]. Aber es hat mit linker Politik nichts zu tun, von Deutschland aus Israel abschaffen zu wollen. Wenn sich in Deutschland Rechte und Linke einig wären, dass Israel nicht besser sei als Nazideutschland, hätten Linke weder in Palästina noch in Israel etwas davon. Die einzigen Gewinner dabei wären die Deutschnationalen, die endlich wegwollen von der Erkenntnis, das die deutsche Volksgemeinschaft mit der Shoah das größte Verbrechen gegen die Menschheit zu verantworten hat.


Anmerkungen

[i] Alle Zitate der Sendung vom 25. Oktober sind entnommen aus der kleinen gelben Broschüre von einigen Mitgliedern der Radiogruppen Academic Hardcore, Radio Loretta und Stadtteilradio mit dem Titel: „‘...eine ausführliche und fundierte Moderation...‘ – Zu den antisemitischen Äußerungen in einer Sendung von Knast und Justiz-Info“. Diese Broschüre ist neben weiteren Papieren verschiedener Gruppen und Einzelpersonen von FSK nachzulesen unter www.fsk-hh.org. Dort finden sich Texte von beiden Positionen, auch von Forum-Radio. Forum-Radio hat auch eine eigene Homepage: www.forumradio.de.

[ii] Forumradio: Keine willkürliche Zensur und Sendeverbote beim FSK. Flugblatt vom 21. November 2000, das mit folgenden Forderungen endet: „Rücknahme des Sendeverbotes gegen Wolfgang und Achim! Für eine offene politische Debatte ohne Zensur!“.
[iii] Quelle wie vorige Anmerkung.
[iv] Wolfgang ..., Achim ...: Rausschmiß statt Debatte?, junge Welt 4.1.01, Interview von Birgit Gärtner.
[v] Antiimperialistische Koordination: Deutschland –Liberale ‚Linke‘ entfaltet Hetzkampagne gegen antiimperialistische Bewegung, Erklärung vom 1. Januar 2001. Auch unter www.antiimperialista.com.
[vi] Ein ähnlicher Streit um die Kollektivschuld fand auch 1998 in Hamburg statt. Damals hieß es in einem Flugblatt der „Freundinnen des palästinensischen Volkes“ in Bezug auf Solidarität in der BRD mit der ersten Intifada (1987-92): »Durch die Kollektivschulddebatte wurde die anfänglich starke Bewegung (…) letztlich handlungsunfähig (Kollektiv­schuld­debatte: Vorwurf, daß antizionistische Kritik am Charakter des israelischen Staates, von Deutschen eingenommen, antisemitisch sei).« Damit stellen sich die „FreundInnen des palästinensischen Volkes“ selbst in die antisemitische deutsche Tradition. Die sogenannte Kollektivschulddebatte nach '45 in der Westzone diente dazu, mit Hilfe des Phantoms ›Kollektiv­schuld­vorwurf‹ die tatsächlichen Vorwürfe über die deutsche Täter­In­­nenschaft im Nationalsozialismus, insbesondere bei der Shoah, zu delegitimieren und verdrängen. Wer das Phantom ›Kollektivschuldvorwurf‹ wie die „FreundInnen …“ erneut bemüht, leistet auch einen Beitrag zur Verdrängung der Shoah. Siehe ausführlich dazu: gruppe demontage: Die Linke und ihre Stunde Null, S. 112-116, in: W. Bischof/I. Neidhardt: Wir sind die Guten – Antisemitismus in der radikalen Linken, Münster 2000.
[vii] Ein Beispiel für linke Kritik an Israel, welche die Shoah berücksichtigt, war am 27. Januar auf FSK 93,0 Mhz zu hören. Dort lief der Mitschnitt einer Veranstaltung mit Moshe Zuckermann zum Israel-Palästina-Konflikt. Moshe Zuckermann ist ein Marxist in der Tradition der Kritischen Theorie aus Tel Aviv. Nach dem informativen, differenzierten Vortrag von Zuckermann gab es eine lebhafte Diskussion. Unter anderem war dort auch zu hören, wie ein deutscher Antiimp Zuckermann als Nazi titulierte.